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Dunkle Hochzeit Ch. 01

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Aber Robert? Es war komplett anders. Sie wusste nicht, was schlimmer war: zu sehen, wie er sich vor Gericht bog und rausschleimte, so wie sie ihn komplett nicht kannte, wie sie wieder von ihn bis in die Grundfesten enttäuscht werden würde, und wenn jetzt noch irgendetwas in ihr immer wieder sagte, „So ist er nicht! So kann er nicht sein!“, würde ihr die Enttäuschung am Ende gar keine andere Wahl lassen, als ihn so zu hassen, dass ihr jetzt schon der Gedanke daran wehtat. Es gab so Erfahrungen auf dieser Welt, die man einfach nicht machen wollte.

Aber das andere war eigentlich noch schlimmer, und das Bild war klarer: zu sehen, wie er, in seiner typisch aufrecht verachtend-leidenden Art dem Gericht regelrecht entgegenschleudert: ja, ich habe sie vergewaltigt. Sie trifft keine Schuld. Ich hätte anders gekonnt. Ich wusste es nur nicht. Es tut mir leid. Ich verdiene jede Strafe dieser Welt. Sie hörte bereits den Hammer des Richters, der ihn zu irgendeiner Haftstrafe verurteilte, sie sah seinen geradezu herzzerreissenden Blick, der sich ein letztes Mal in ihr Bewusstsein bohrte, bevor er fast schon mit Gewalt weggezerrt wird. Das letzte, was sie von ihm hören wird, ist, dass er sich in seiner Zelle erhängt hat.

Es waren nur Bruchstücke einer Fantasie, für ein paar Sekunden lang, doch sie schlugen ein in ihr Herz wie ein Meteorit, sie spürte es so deutlich wie noch nie: Das war sein Plan. Deshalb wollte er, dass sie zur Polizei ging. Und auch wenn dieser letzte Blick von ihm nur eine Fantasie war, war alles so klar und so deutlich, floss die Erinnerung an diesen Gedanken durch ihre Venen, dass sie sich fühlte, als sei es gerade erst passiert.

Sie fuhr sich über den Arm. Spürte die Stelle, wo er sie so fest wie eine Schraubzwinge an den Boden gepresst hatte. Sie spürte sich, und irgendwie war das beruhigend. Sie lebte noch. Ja, sie war sich jetzt sicher, Roberts Plan war kein logischer, sondern ein rein gefühlsmässiger. Ein böser Plan. Ein Vergewaltiger, der sterben und ihr dabei noch schlechtes Gewissen machen wollte. Das mit Abstand gemeinste, was es überhaupt gab.

Sie hatte ihn bisher vereitelt. Hatte ihn nicht erschossen. Hatte ihn nicht angezeigt, und würde es auch nicht tun. Nein, Robert, ich werde es nicht zulassen, dass du mir schlechtes Gewissen machst, niemals, dachte sie sich. Sie wusste noch nicht, wie sie sich rächen wollte. Aber er sollte schlechtes Gewissen bekommen, nicht sie.

-

Kaum war sie zuhause und hatte sich hingesetzt, weinte sie dann doch. Es kam plötzlich, es war eigentlich unsinnig, aber es wollte raus, mit aller Kraft. Es mochte daran liegen, dass sich ihr Körper noch einmal meldete, aber es war mehr die Erinnerung, die in ihr die Tränen hervorbrachten. Dieses abrupte Ende ihres Traums. Sie ging ins Bad, sah ihr verträntes, aufgeweichtes Gesicht im Spiegel, wusch und trocknete es sich ab. Sie liebte sich noch immer. Auch wenn der Tag nicht mehr so schön war, Wolken aufgezogen waren und sie jetzt finster blickte. Sie würde sich immer lieben. Sie würde immer diese Augen lieben, und das riesengrosse Herz dahinter, welches trotz allem genügend Liebe für die ganze weite Welt hatte.

Auch für Robert.

„Hi, Danasweetheart!“

Irgendwie war Erics schreiend gute Laune genau das , was sie jetzt eigentlich gar nicht brauchte.

„Hi Eric.“

Sie sagte es leiser als sonst. Doch Eric kam mit den für ihn so typischen Schwung an und umschlang sie. Sie erschrak innerlich. Ja, OK, das war Eric, ihr Schwarm, aber die Art, wie er sie an die Wand drückte und sie küsste, fühlte sich heute irgendwie zwanghaft an. Es war Eric, er war sanfter, aber er nahm sie, wenn auch nur ein bisschen, mit Gewalt. Für einen kurzen Augenblick bekam sie ein Deja vu. Wie automatisch wehrte sich ihr Körper. Keinen Zwang mehr! Keine Gewalt mehr, auch nicht ein bisschen. Nicht heute!

Sie drückte ihn sanft von sich.

„Heut mal nicht, Eric.“

„Alles OK?“

„Ja, alles OK. Nur heut mal nicht, OK?“

Er blickte etwas verärgert.

„Was'n los mit dir?“

„Nichts. Ich will nur heut mal nicht. Geht das OK?“

„Ja, schon OK, aber du willst doch sonst immer.“

„Ja, nur heut mal nicht!“

„Ist irgendwas passiert auf Arbeit?“

Sie sah in sein Gesicht. Wenn ich ihn erzähle, dass mich Robert vergewaltigt hat, will er, dass ich zur Polizei gehe, dachte sie. Sie wollte es immer noch nicht. Ausserdem nervte sie es, dass Eric offensichtlich ein simples „Nein“ nicht akzeptieren konnte.

„Ja, es ist heut was passiert auf Arbeit. Ich hab zu meinem Chef netter Kerl gesagt, und er hat mich daraufhin rausgeschmissen.“

„Das macht keinen Sinn.“

„Es ist aber leider Gottes die Wahrheit!“ Gottseidank war es die Wahrheit. Dana konnte einfach nicht lügen, dafür war sie umso ausdrucksstärker, wenn sie Recht hatte.

„Was ist das für ne Scheissse, Mann, wieso schmeisst er dich raus, wenn du ihn netter Kerl nennst? Das ist doch hirnrissig. Oder ist er so einer, der mit 'Sir' angeredet werden will?“

„Nein, ist er nicht. Herrgott, ich weiss auch nicht, aber ich werd das morgen mit ihm klären. Ich hab nicht die ganze Zeit alles gegeben, um gut zu arbeiten, um mich dann so rausschmeissen zu lassen.“

„Ja, richtig so. Lass dir nichts gefallen.“

Sie lachten sich beide an. Für einen Moment war es mal schön.

„Und......“ Er wackelte mit der Hand herum „....was hat das ganze mit uns beiden zu tun.“

„Ich will eben mal meine Ruhe haben. Ich muss den Kopf frei haben für morgen. Deswegen lass mich einfach heute mal in Ruhe.“

„Nimmst du das ganze nicht ein bisschen zu ernst? Ich mein, es ist nur ein Job, in einer ganz normalen Boutique.“

Dana holte tief Luft. Wenn sie etwas auf den Tod nicht leiden konnte, war es, wenn jemand ihre Arbeit mies- oder kleinmachte. Egal auf welche Art.

„Es ist verdammt nochmal mehr als das, was du hast, Mr. Playstation-Universum!“

„Oh Mann, geht das jetzt wieder los?“

„Ich hab verdammt lange gebraucht, um diesen Job zu finden, ich häng an ihn, und wenn DU überhaupt einen Job hättest, könnt ich mir auch was für weniger suchen.“

„Mann, ja, is ja schon gut.“

„So, und jetzt lass mich bitte in Ruhe.“

Eric ging entnervt mit einen geflüsterten „Oh Mann“ ins Wohnzimmer.

Wieso war sie eigentlich mit jemanden zusammen, der wegen ihr „Oh Mann“ sagte? Früher hatte sie das nicht gestört, Eric war sonst ein netter Kerl, man hatte Spass miteinander. Man liebte sich. Jedenfalls dachte sie das. Sie mochte seine ungezwungene Art, seine Leichtigkeit, sein Selbstbewusstsein. Und ja, er sah natürlich auch gut aus. Den Rest, da war sie sich immer sicher, würde sie schon irgendwie hinkriegen.

Aber heute hatte jemand für sie sein Leben weggeschmissen. Dieser Jemand kannte Eric nicht, und hatte trotzdem sein Wesen offensichtlich bis aufs i-Tüpfelchen erkannt und ihr die Wahrheit ins Gesicht geschleudert. Sie wollte es nicht wahrhaben, sie wehrte sich innerlich, aber diese böse Wirklichkeit biss sich überall durch und piekte an Stellen, wo sie nicht hinkam.

Im Radio lief leise „Grenade“ von Bruno Mars. Sie liebte dieses Lied abgöttisch, aber erst heute schien sie richtig hinzuhören.

...
Wenn mein Körper Feuer fangen würde
würdest du zugucken, wie ich verbrenne
du sagtest, du liebst mich, du Lügnerin
Doch du hast es nie nie nie getan.

Aber ich würd immer noch eine Granate für dich auffangen
würde meine Hand in ein Schwert für dich werfen
Würde mich vor einen Zug für dich schmeissen
...

Warum musste dieser Kerl das so ergriffen singen? Sie sah ständig Roberts wütendes Gesicht, wenn er sang. Ja, Robert hatte sich bestimmt irgendwann auch so gefühlt. Aber er hatte nicht gejammert, hatte keinen Song über sein Leiden geschrieben. Obwohl sie das wirklich beeindruckt hätte. Nein, er war ausgebrochen. Mit all dem Hass und der Verachtung, die er für diese Welt noch übrig hatte. Ausgebrochen, um ein Stück von ihr zu bekommen. Mit dem Wissen, dabei zu sterben.

….aber du würdest nicht dasselbe tun.....

Warum klang das wie eine Ohrfeige? Warum sollte sie sich für irgendjemanden auf der Welt vor den Zug schmeissen? Das klang ja ganz schön, aber eigentlich war es hirnrissig. Würde Eric das tun? Eric war ja nicht mal bereit, sich für sie einen Job zu suchen, und wenn er auch noch so wenig Geld einbrachte. Er konnte ja nicht mal ein einfaches „Nein, heute nicht“ akzeptieren, ohne dass es in Streit endete. Und sie ? Für ihn vor einen Zug schmeissen? Blödsinn. Sie verstand nicht, warum Männer meinten, sowas tun zu müssen. Es war dumm. Und wenn man das aus Liebe tat, war es erst so richtig dumm.

….Nein, nein, du würdest nicht dasselbe tun.....

Würde sie sich für Robert vor einen Zug schmeissen? Naja, sie hatte ihn immerhin nicht angezeigt. Das war weit mehr, als er erwarten konnte. Und Robert? Ja, der hatte heute wegen ihr sein Leben weggeschmissen. Der hatte nichts mehr. Der würde sich wahrscheinlich heute wegen ihr vor den Zug schmeissen.

Der Gedanke schlug in ihr ein wie eine Granate und riss sie hoch. Verdammt, nein, das durfte er nicht! Sie musste ihn aufhalten. Irgendwie.

Sie zog die Jacke an und rannte raus auf die Strasse. Vor bis zur Pulaski Road. Doch je näher sie der Hochbahn kam, desto sinnloser erschien ihr, was sie vorhatte. Eigentlich wusste sie gar nicht, was sie vorhatte. Nach ihm suchen? Ihn sagen, bitte bringe dich nicht um? Eigentlich war dass hirnrissig. Sie beruhigte sich wieder. Vielleicht hatte Eric ja Recht, und sie nahm das alles doch viel zu ernst. Herrgott, dieser Kerl hatte sie heute vergewaltigt und sie machte sich Sorgen um ihn! Vielleicht sollte sie morgen, wenn er überhaupt noch lebte, einfach hingehen und ihr Geld verlangen und sich dann schlicht und ergreifend einen neuen Job suchen. Eigentlich war das doch das einzig vernünftige. Ja, doch, jetzt, wo sie sich das überlegte, merkte sie, das war es. Sie würde sich jetzt einen Burger holen, vorne bei Chicago Wings, danach nach Hause gehen und einfach nicht mehr an ihn denken.

Sie drehte sich um, als sie direkt das Reklame-Schild am Haus anleuchtete: Hairstyle by Robert. Und am Fenster ein billiger Aufkleber „Boutique“. Der Laden war zu, wirkte tot, verlassen. Aber sie kannte den Laden, sie wusste, dass er noch lief. Irgendwie.

Verdammt, warum mach ich mir soviel Gedanken um ihn? Eric war vollkommen aus ihren Kopf verschwunden, während Robert dort einfach nicht weg wollte.

-

Sie wachte viel früher auf als sonst. Sobald es hell war, stand sie auf, zog sich an. Das selbe schwarze, enganliegende, extrem beinfreie Kleid, welches sie damals bei ihrer Bewerbung getragen hatte. Ein bisschen Gel durch die Haare, so dass sie diese in eine strengere, eng anliegendere Form bringen konnte. Sie sah jetzt vom Auftreten her vollkommen ernst, fast ein bisschen düster aus. Lediglich ihre emotional glühenden Augen standen im vollkommenen Kontrast zur Perfektion dieses Bildes. Allerdings auf eine Art, die ihr selbst unglaublich gefiel. Sie hätte sich sofort genommen.

Ja, sie würde jetzt zu „Lasgo's“ gehen, ihr Geld verlangen, und danach gucken, ob sie woanders etwas finden würde. Was dieses andere sein würde, wusste sie selbst nicht genau, aber sie würde schon etwas finden, sie würde sich durchbeissen, das konnte sie, das wollte sie auch. Aber eigentlich tat es ihr in der Seele weh, die Boutique sein lassen zu müssen.

Überhaupt würde es heute morgen schwer werden, das ahnte sie. Was wenn sie ankam, und er sich irgendetwas angetan hatte? Sich erhängt hatte? Oder einfach nicht da war, nicht kam, nicht heute und nicht morgen? Wenn sie ankam, und lauter Polizeiautos davor stehen und sie ausfragen würden? Was, wenn er noch lebte, aber sich derartig mit Drogen vollgepumpt hätte, dass er nicht ansprechbar war? Selbst wenn alles in Ordnung wäre: Wie würde er blicken, wenn sie ihr Geld verlangt? Was, wenn er in Tränen ausbrach ? Sie kannte sich, sie würde mitheulen. Gerade bei ihm. Und doch hart bleiben müssen.

Gott, sie hasste diesen Morgen schon, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Sie holte tief Luft, als die Bahn bei „18th“ ankam. Biss sich auf die Lippe. Bringen wir es hinter uns, sagte sie zu sich.

-

Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit.

„Lasgo's“ sah genauso aus wie vorher. Gut, das eine Sideboard, welches er gleich zu Beginn zerlegt hatte, war nicht mehr da, aber sonst sah alles genauso aus wie vorher. Nicht mal Ansätze von Dreck. An der einen Umkleidekabine war ein ganz kleiner Riss zu sehen, aber nur, wenn man ganz genau hinsah. Eine abgebrochene Stelle an der Kassentheke war einfach mit einen Aufkleber kaschiert, es sah gut und immer noch stilvoll aus, als ob das alles so sein müsse.

Und genau dort, an der Kassentheke, stand Robert. Wie immer in Schwarz. Sein T-Shirt hatte ein weisses Zielkreuz, darüber stand „Public Enemy“. Seine Frisur war tadellos ernst, als sei er frisch vom Friseur entstiegen.

Und er lächelte. Wann hatte er zum letzten Mal gelächelt? Wenn sie ehrlich war, hatte er noch nie so gelächelt. So charmant, vereinnahmend. Sie musste auch lächeln. Dieses „Staatsfeind“-T-Shirt passte einfach treffend zu der ganzen Situation, und dass er nicht jammerte, sondern lachte und irgendwie noch Witze über sich machen konnte – das nahm irgendwie den Schwung aus dem, was sie eigentlich vorhatte.

„Ich....“

Will mein Geld. Und dann raus hier. Ja, im Kopf ist das so einfach. Aber wenn man das ganze dann sagen soll, hier in dieser Boutique, wo sie am liebsten weiterarbeiten wollte, auch einfach weiterarbeiten könnte, noch war kein falsches Wort gesprochen, noch lächelte Robert. Und wie er lächelte.

Dieses Lächeln warf ihre gesamten Pläne um.

„Du siehst verdammt gut aus. Die Kunden werden dich lieben.“

Wenn es etwas gab, wogegen sie noch machtloser war als gegen Tränen, das war gegen Lob. Was sie tat, tat sie immer, um gelobt zu werden. Wenn sie dann gelobt wurde, war es, als ob sie schweben würde. Sie musste sich selbst eingestehen, dass er ihre verdammt noch mal schwächsten Stelle getroffen hatte. Sie musste zurücklächeln.

„Ich....“

„Du kannst gleich hinter gehen und die Lieferung T-Shirts einsortieren, die vorhin gekommen ist. Ich komm auch gleich.“

Sie stand wie angewurzelt da. Nichts von dem, was sie sich vorgenommen hatte, ging mehr. Und er tat so, als sei überhaupt nichts passiert. Er hatte nur kurz auf die Theke geblickt, die er grade geputzt hatte. Dann sah er sie wieder an, und erst jetzt schien er festzustellen, dass irgendwas heute anders war.

„Du arbeitest doch noch hier, oder?“

Sie nickte. Obwohl, es war eigentlich nicht sie, die nickte. Irgendeine mysteriöse Macht in diesen Raum sorgte dafür, dass ihre Halsmuskeln sich zu einen Nicken zwangen. Nur eine Sekunde später fragte sie sich, was um Himmels Willen sie da eigentlich gerade gemacht hatte.

Sie ging in den hinteren Raum. T-Shirts auspacken. Auf Bügel hängen. Nach Grösse sortieren. Einscannen. In die richtigen Ecken bringen. Sie versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Solange Arbeit da war, konnte sie sich ablenken. Und sie musste sich ablenken.

Was um Himmels willen machte sie hier? Robert war ein verdammter Psychopath! Ein eiskalter. Obwohl, nein, so eiskalt wirkte er gar nicht. Es war keine schleimige Freundlichkeit, die er aufsetzte. Er freute sich wirklich, sie spürte es. Er war froh, dass sie so tun konnte, als sei nichts gewesen. Es war ja auch so wie immer. Nur dass sie jetzt wusste, wozu er fähig war. Und wusste, dass er sie eigentlich wollte. Und das schlimme war: sie wollte ihn auch. Zumindest so, wie er jetzt war. Doch sie konnte nicht locker sein. Zu stark war die Erinnerung an den Tag davor. Statt sie aufzulockern, erzeugte sein Charme in ihr ein unwirkliches Gefühl, eine leise, aber dafür umso bedrohlicher wirkende Angst. Die sie nicht lähmte. Die aber in ihre Giedmassen kroch und ihr das Gefühl gab, bisweilen fremdgelenkt zu sein. Sich selbst Beine zu stellen. Bei den einfachsten Dingen unsicher zu werden.

Es passierte am Nachmittag, als sie die eine Kiste nach hinten brachte, vor Zittern stolperte, sich hinpackte, und nur noch heulte. Es ging nicht mehr. Sie hielt das nicht mehr durch. Die Angst und die Verzweiflung frassen sie regelrecht auf. Er kam hinter, wollte ihr hoch helfen, doch sie schlug seine Hand weg.

„Lass mich zufrieden, verdammt noch mal“

Wie angewurzelt blieb er stehen. Unfähig, etwas zu tun. Dann packte er sie. Riss sie nach oben. Genauso wie gestern drückte er sie an die Wand. Sie schrie kurz, doch das hatte nur zur Folge, dass er ihr den Mund zu hielt. Sie sahen sich direkt in die Augen. Stirn an Stirn, standen sie beide da, und atmeten zusammen viel zu schnell für diese Welt.

Ja, Danasweetheart, daran bist du vollkommen selbst schuld. Du hättest nicht herkommen dürfen. Verdammt noch mal ! Sie sass in der Falle. Es war das erste Mal seit gestern, dass sie sich selbst Vorwürfe machen musste.

„Ganz ruhig, Dana. Nicht verkrampfen, das tut bloss weh.“

Er bewegte sich nicht. Minutenlang hielt er sie so an der Wand. Ihr Atem wurde ruhiger. Seine Augen hatten, so aus der Nähe betrachtet, was sehr beruhigendes, geradezu vertrauenswürdiges. Durch seine Hitze und seine Kraft konnte sie sein Bewusstsein spüren. Kein Hass, keine Verachtung, keine Dominanz. Er wollte nicht brutal sein. Er wollte sie lediglich zur Ruhe zwingen. Und es gelang ihm. Diese gewisse kleine Stelle in ihr, die Sympathie für ihn hatte, solange das auch nur ansatzweise möglich war, war diesmal ziemlich laut. Seine Kraft, der Geruch und das Gefühl seiner festen Haut verursachten in ihr ein merkwürdiges Gefühl: zum ersten Mal mochte sie es, gezwungen zu werden. Er konnte sie zu allem zwingen, solange er es nur so tat. Ruhig, beherrscht, und mit dem Gefühl, er wolle es für sie.

Langsam ging seine Hand runter. Über ihr Kinn, an ihren Hals. Eine Weile sahen sie sich so an, dann sagte sie „Ich werde nicht schreien.“

Sein Griff wurde etwas lockerer, er ging ihre Arme entlang nach unten. Sein Körper presste sich stärker an sie. Sie hätte sich nicht wehren können, selbst wenn sie gewollt hätte.

„Du kannst ruhig schreien, wenn du magst. Versuch nicht, mir falsche Gefühle vorzuspielen, ich würds merken. Ich mag sowas nicht.“

Er drückte ihre Arme nach hinten, während sie ihn mit einem Blick zwischen Wut und Faszination ansah. Ich müsste dir eigentlich ins Gesicht spucken, du Scheisskerl. Dachte sie. Zumindest ein Teil in ihr dachte das. Ein anderer Teil wünschte sich, dass er weitermache, ihr gefiel der Gedanke, er würde diesmal sanfter und zärtlich vorgehen.

Sie hörten Geräusche im Laden. Er drehte seinen Kopf kurz Richtung Laden, dann liess er sie los.

„Bleib hier und rühr dich nicht vom Fleck.“

Kein Bitten, kein Drohen. Einfach nur ein Befehl. Ein Befehl wie ein Schuss, der sie an die Wand nagelte. Er verschwand im Laden. Sie hörte, wie er nett mit einen Kunden plauderte. So nett, als wolle er ihn vor lauter Nettigkeit hinauskomplimentieren. Sie schien die geballte Faust in seiner Hosentasche zu spüren, die ihn zwang, noch netter als sonst zu sein. Unerträglich nett. Der Kunde verschwand lachend. Sie hörte es vorne klicken. Er machte den Laden zu.

Was hatte er ihr schon zu sagen, zu befehlen? Nichts, verdammt noch mal. Sie sollte ihn das irgendwie zeigen. Rumlaufen. Nicht das machen, was er sagt. Doch sie stand weiter da wie angewurzelt. Angst und Erwarten stürmten in ihrem Körper aufeinander zu, prallten mit voller Wucht zusammen, als er wieder den Raum betrat. Die Schlacht der Gefühle in ihrem Körper hatte begonnen.

Er stellte sich ganz ruhig vor sie, hielt sich mit einem Arm von der Wand hinter ihr. Sah sie an.

„Bist du OK, Dana?“

Die Frage war blöd. Die Situation war blöd. Seine Wange bettelte regelrecht um eine Ohrfeige. Oder um einen Kuss?Sie wusste einen Moment lang nicht, was ihr lieber war. Bist du OK, Dana? Die Frage lautete eigentlich: ist es OK für dich, Dana, wenn ich dich gleich wieder vergewaltige ? Und ihre Antwort müsste lauten: Interessiert dich das überhaupt, du Scheisskerl? Oh ja, die Logik in ihr wollte kratzen und beissen, wollte ihn anspucken und hassen. Alles Negative rauslassen. Bluten sollte dieser verdammte Mistkerl. Heulen sollte er.