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Ein Mann Sein

Geschichte Info
Mario entwickelt sich.
16.7k Wörter
19.4k
11
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„Hau ab! Hau ab! Hau endlich ab!", schrie meine Mutter verzweifelt.

Ich konnte gar nicht anders. Gab meiner zitternden kleinen Schwester in meinen Armen noch einen letzten beruhigenden Kuss auf die Stirn und rannte aus ihrem Zimmer zum Flur.

Wo der Mann, den ich in den letzten drei Jahren zu hassen gelernt hatte, widerlich grinsend die schwachen Versuche meiner völlig aufgelösten Mutter, ihn zur Tür zu drängen, abwehrte.

„Komm runter, du dummes Stück Scheiße. Ich geh ja schon, trinke ein paar Bier, bist du dich beruhigt hast und dann erinnere ich dich daran, warum du das nicht meinst, was du da sagst."

„Ich will dich nicht mehr sehen. Hau ab", brachte meine Mutter deutlich schwächer heraus.

Weil sie wusste, dass es genau darauf hinauslief. Immer darauf hinausgelaufen war. Diesmal nicht. Wie in Trance trat ich an die beiden heran.

„Den Schlüssel. Gib mir den Schlüssel", forderte ich den Mann auf, der meiner Mutter und uns das Leben vergiftet hatte.

Der sich dabei noch breiter grinsend richtig aufpustete, obwohl das gar nicht notwendig war. Ein echter Schrank, über zwei Meter groß, zumindest bis hierher uns gegenüber nicht gewalttätig, aber deutlich sichtbar gewaltbereit.

Ich zitterte am ganzen Körper, denn ich war das in meinem ganzen Leben noch nie gewesen.

„Oder was?", spottete er im Gefühl der totalen Überlegenheit. „Was willst du halber Hahn denn von mir? Verpiss dich, das ist eine Sache zwischen deiner Mutter und mir."

Die war völlig am Ende, hatte ihn losgelassen und trat Halt suchend an die hinter ihr liegende Wand zurück.

„Den Schlüssel", wiederholte ich noch einmal mit so fester Stimme, wie mir das möglich war.

Er sah sicher, wie ernst mir das war. Dass ich diesmal nicht abbrechen würde, selbst wenn meine Mutter mich darum bat. Wie sie es bereits zweimal getan hatte, als ich einschreiten wollte. Selbst dazu hatte sie nicht mehr die Kraft.

„Schwachkopf", sagte er nur kalt lächelnd und wollte sich zur Tür drehen.

Ich riss ihn noch in der Drehung an der Schulter mit der linken Hand herum, und schlug mit der rechten mit aller Kraft zu. Für eine Sekunde waren wir beide verblüfft. Er wie ich, weil ich es tatsächlich gewagt hatte. Dunkles Blut von seiner Lippe und aus seinem Mund lief.

Ich zusätzlich, wie wenig mich meine schmerzende Hand irritierte, oder dass er mich nun vermutlich krankenhausreif schlagen würde. Aufhörte zu zittern. Stehenblieb und wiederholte:

„Den Schlüssel."

Ich legte alles in diesen Blick, was ich in diesem Moment fühlte. Ja, dieser Kerl, der einen Kopf größer war, konnte mir mit Leichtigkeit wehtun. Aber ich würde nicht aufgeben, bis er endlich aus unserem Leben verschwand. Und wenn er mir dabei alle Knochen brach.

„Junge, du bist noch dümmer wie deine Fotze von einer Mutter", zischte er noch, dann ging aber nicht er, sondern ich wie ein Berserker auf ihn los.

Traf ihn nochmal ins Gesicht, wich einem mörderischen Schlag von ihm aus, rammte ihm mein Knie in die Eier, riss ihn zu Boden, sprang auf ihn drauf, schlug immer und immer wieder in das verhasste Gesicht, bis ich meine Mutter hinter mir schreien hörte, ich solle aufhören.

„Den Schlüssel", sagte ich ein letztes Mal, während ich von ihm runterstieg.

Verwirrt betastete er sein blutiges, zerschlagenes Gesicht, fasste an seinen Mund und spuckte einen Zahn aus. Rappelte sich auf und starrte mich mit kalter Wut an. Aber diesmal begriff er es. Natürlich konnte er mich jetzt zu Brei schlagen. Natürlich hatte ich gegen ihn keine Chance.

Er konnte die körperliche Auseinandersetzung mit spielerischer Leichtigkeit gewinnen. Aber er hatte in diesem Moment endgültig die Macht über meine Mutter verloren. Sie würde ihn nicht mehr an sich heranlassen, egal, was jetzt geschah. Sie stand zitternd an der Wand und tippte eine Nummer in ihr Handy.

„Ich rufe die Polizei", rief sie mir zu.

Das schien ihn zusätzlich ins Grübeln zu bringen. Wie die Tatsache, dass ich immer noch keine Anstalten machte, vor den zu erwartenden Prügeln zu fliehen. Der Denkbaron war er nicht. Aber blöde genug, seine Bewährung zu riskieren, auch nicht.

„Das bist du Fotze nicht wert", sprach er das Ergebnis seiner beschränkten Denkvorgänge aus.

Holte den Schlüssel für unsere Wohnung aus seiner Jackentasche und versuchte vergeblich, ihn mir an den Kopf zu werfen. Dazu eine Drohung: „Und wir zwei sprechen uns noch. Verlass dich drauf."

Dann drehte er sich um und verließ uns mit knallender Wohnungstür. Wie in Trance drehte ich mich um, hob den Schlüssel auf und ging zu meiner Mutter. Nahm sie in den Arm, beruhigte sie, hörte dann erst, dass aus ihrem Handy eine Stimme drang.

Ich weiß nicht mehr, was ich der Frau von der Einsatzzentrale sagte, nur, dass jetzt alles in Ordnung und der mögliche Angreifer verschwunden war. Ja, jetzt war er endlich aus unserem Leben verschwunden.

„Das hättest du nicht tun sollen", brach meine Mutter das lange Schweigen, als sie meine Hand in der Küche verarztete.

„Das hätte ich schon viel früher tun sollen", widersprach ich. „Weil du nicht die Kraft hattest, ihn loszuwerden."

„Er hätte dich windelweich schlagen können. Oder Schlimmeres", entgegnete sie. „Ich begreife immer noch nicht, warum er ..."

„Ist er weg?", hörten wir Inas Stimme hinter uns.

„Ja. Und er kommt nicht wieder", klärte ich meine zehnjährige Schwester auf.

Die sich strahlend zu uns an den Tisch setzte. Dann erschrocken meine aufgeplatzten Knöchel sah.

„Hat er dir wehgetan?"

„Nein, ich hab' ihm wehgetan. Und er wird das jetzt nie mehr tun. Weder Mama noch uns."

„Du hast ihn verhauen?"

Jetzt konnte ich sogar wieder lachen, befreite es darüber hinaus meine Mutter für einen Moment, in dem sie sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Schaltete aber sofort wieder um.

„Ja, dein Bruder hat ihn ganz fürchterlich verhauen. Aber das war nicht richtig. Mit Gewalt löst man Konflikte nicht."

„Aber, wenn er jetzt weg ist, war das doch richtig", widersprach Ina. „Männer machen sowas", fügte sie altklug hinzu und kam zu mir.

Ich nahm sie auf meinen Schoß und gab ihr ein Küsschen. Ina. Echt eine Marke.

„Ja, aber Mama hat ganz recht. Eigentlich war das blöd. Aber in diesem speziellen Fall ging es nicht anders. Und ging ja Gott sein Dank gut aus. Es hätte aber auch anders kommen können."

„Du hast nur auf Mama aufgepasst. Und auf mich", widersprach sie ein weiteres Mal.

„Wie dem auch sei, es ist längst deine Schlafenszeit, mein Schatz. Komm, ich lese dir noch eine Geschichte vor und dann schläfst du hoffentlich schnell wieder ein", schaltete sich meine Mutter ein.

Nahm sie an die Hand, warf mir noch einen kurzen Blick zu, bevor sie mit Ina im Kinderzimmer verschwand. Ja, das hatte sie auch verstanden. Ich hatte nur auf sie aufgepasst. Wie ein Mann. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wirklich wie ein Mann.

~~~~~

Ein Mann, dem nicht nur der Kamm, sondern gleichfalls der rechte Daumen anschwoll, als ich im Wohnzimmer saß. Ob ich mir Eis holen sollte? Ich stand gerade auf, als meine Mutter eintrat.

„Alles okay? Schläft sie?"

„Ja, es hat gedauert. Weil sie mir noch erzählen musste, wie stolz sie auf ihren Super-Mario ist. Was ist, hast du Schmerzen?"

„Na, geht so, der Daumen, das habe ich vorhin gar nicht mitbekommen. Er schwillt total an."

„Ich hole dir ein Eis-Pack, bleib sitzen."

Sie besah sich das bei ihrer Rückkehr zunächst gründlich.

„Gebrochen ist er nicht, wohl verstaucht. Du hattest ihn in deiner Faust, nehme ich an? Das macht man so nicht."

„Das wusste ich nicht."

„Woher auch. Ich war froh, dass du solche Sachen nie wissen musstest. Und hoffe, dass du nie wieder von diesem Wissen Gebrauch machen wirst. Ich wiederhole noch einmal: Ich verstehe, warum du geglaubt hast, dich vor mich stellen zu müssen, einschreiten zu müssen, aber das ist nicht deine Aufgabe. Du hast dein Leben riskiert, ist dir das überhaupt klar? Du hast ihn noch nicht erlebt, wenn er richtig ausrastet."

„Er hat dich also doch geschlagen. Dieses verdammte Schwein", stieß ich ohnmächtig vor Wut hervor.

„Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Versprich mir, dass du so etwas nie wieder tust."

„Versprich mir, dass du dich nie wieder mit so einem Schwein einlässt."

Sie verzog gequält das Gesicht.

„Er war nicht immer so, das weißt du ganz genau. Ich ... habe ihn auch geliebt."

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst. Du hast immer noch nicht genug. Wenn er morgen rumkommt ..."

„Nein, keine Angst. Das wird nicht passieren. Ich habe von ihm schon lange genug gehabt. Und ich liebe ihn auch nicht mehr."

„Warum ..."

„Warum ich ihn nicht längst rausgeschmissen habe? Das verstehst du nicht ... es ist nicht so einfach, wie du denkst."

„Weil du dich allein zu schwach fühlst? Zu verloren? Wie nach Papas Tod?"

Sie schluckte. Das war ein Teil davon, das war ihr deutlich anzusehen. Und ich hatte es ja miterleben müssen. Vor sieben Jahren war mein Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. Meine Mutter war total zusammengebrochen.

War mit allem überfordert gewesen. Ihre Mutter war im ersten Jahr bei uns eingezogen, half ihr so gut das ging, kümmerte sich um uns, denn sie war dazu gar nicht in der Lage gewesen. Ihr Vater regelte alles mit den Behörden. Und meiner hatte uns finanziell für einen solchen Fall abgesichert.

Er hatte gut verdient, sie bekam jetzt eine hohe Witwenrente, dazu eine Betriebsrente von der Firma meines Vaters, wir Halbwaisenrente. Zusätzlich hatte er eine wirklich hohe Lebensversicherung abgeschlossen gehabt. Das Haus war abbezahlt, Geldsorgen hatten wir keine. Trotzdem rappelte sie sich nur langsam.

Ich war elf, als er starb. Konnte ihr nun wirklich nicht helfen, tat es aber mit zwölf doch, so gut es ging, als Oma schließlich wieder auszog. Ich passte auf Ina auf, denn nach Omas Auszug versank meine Mutter wieder in einem Zustand der Apathie und Antriebslosigkeit, den ich damals nicht verstand.

Nur, dass ich handeln musste. Einkaufen, Ina von der Kita abholen, kochen, wenn sie nicht einmal das auf die Reihe kriegte. Es dauerte eine Weile, bis ich mitbekam, dass die Rezepte, die ich bei der Apotheke für sie einlöste, für Beruhigungsmittel waren.

Die sie lange nahm, wohl auch abhängig war, tatsächlich für einen Entzug und eine Therapie einige Zeit verschwand, beziehungsweise wir zu unseren Großeltern mussten. Danach wirkte sie anders, lebendiger, entschlossener, den Scherbenhaufen von einem Leben anzugehen.

Bekam das irgendwann auf die Reihe, weitestgehend jedenfalls. Kümmerte sich nun vernünftig um uns, den Haushalt. Aber ich sah sie immer mal wieder in der Traurigkeit und Einsamkeit, die ihr weiterhin zusetzten, untergehen, wenn sie sich unbeobachtet fühlte.

Ihre Freundinnen rieten ihr wohl, sich vier Jahre nach dem Tod meines Vaters, nach einem Mann umzuschauen. Wovon sie sich schnell überzeugen ließ, dies über eine Partnersuche-Webseite tat. Und dann diesen Vogel kennenlernte.

Ich war fünfzehn. Konnte von Anfang an nicht begreifen, was sie an ihm fand. Gut, er wirkte souverän, auf seine primitive Art, aber passte überhaupt nicht zu ihr. Mein Vater war Ingenieur gewesen, ein hochintelligenter, witziger und liebevoller Mann.

Dieser hier war dumm, ausfällig, behandelte sie wie ein Stück Dreck. Uns ließ er in Ruhe, beziehungsweise waren wir ihm gleichgültig. Schrie uns manchmal an, wenn wir ihm auf die Nerven gingen, aber das war auch schon alles.

Wir litten aber unter den Auseinandersetzungen, die wir miterleben mussten. Hörten, wie er sie runterputzte. Mit schlimmen Worten beschimpfte, die Ina Gott sei Dank nicht verstand. Ich allerdings schon.

Verstand darüber hinaus auch schon, was wohl ein Teil dessen war, was sie anzog, oder womit er sie gefügig machte. Laut genug waren sie schließlich dabei. Na, das bekam Ina zum Glück nicht mit. Dass er unsere Mutter unglücklich machte, sehr wohl.

Vor einem Jahr hatten Ina und ich geglaubt, alles würde ein Ende finden. Als nämlich die Polizei bei uns eintraf, ihn festnahm und die Wohnung durchsuchte. Es stellte sich heraus, dass er ein Kleinkrimineller war, einer Hehler-Bande angehörte, die Diebesgut und gestohlene Autos nach Polen verschob.

Leider kam er nach ein paar Tagen Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß, wurde in der Verhandlung vier Monate später zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt. Meine Mutter hatte mir erst vor einigen Monaten Details erzählt, bis dahin hatte sie standhaft behauptet, es wäre ein Irrtum der Polizei gewesen, eine Verwechslung und er hätte gar nichts getan.

Vielleicht war das der Zeitpunkt gewesen, wo sich wirklich von ihm zu lösen versuchte. Na, ich war da auch gerade achtzehn geworden. Vielleicht hatte sie deshalb das Gefühl gehabt, mir reinen Wein einschenken zu können, oder auch nur etwas mehr. Alles hatte sie mir wohl trotzdem nicht erzählt.

„Das kannst du nicht verstehen. Wie das für mich ist, als Frau, allein zu sein. Ich ... bin keine starke Frau, wie deine Oma. Ich ... habe ihn gebraucht. Jemanden gebraucht. Dass er ... so viele negative Eigenschaften hatte und mich ... wirklich schlecht behandelt hat ... fand ich nicht so schlimm wie die Idee, wieder allein zu sein."

„Allein? Wir zählen nicht?"

„Um Gottes willen, Mario, nein, das meine ich natürlich damit nicht. Verstehe mich nicht falsch. Ihr seid alles für mich. Jetzt wieder alles, was ich habe. Aber ... darüber hinaus ... wie soll ich das sagen ..."

„Bist du nicht nur Mutter, sondern auch eine Frau."

Sie seufzte.

„Ja. Genau das."

„Und brauchst einen Mann."

„Das Gefühl hatte ich zumindest, ja."

„Aber so einen?"

„Nein, so einen nicht. Gut, lass uns damit dieses Kapitel abschließen. Hoffentlich bald."

„Mama ..."

„Nein, so meine ich das nicht. Er wird seine Sachen holen wollen."

„Hat er noch Dinge hier, von denen die Polizei nichts wissen darf?"

„Nein, natürlich nicht. Sie haben selbst bei der Durchsuchung nichts gefunden. So dumm war er nun auch nicht. Grins nicht so unverschämt ... ich weiß selbst, dass er nicht der Hellste war."

„Es heißt ja ...", setzte ich an, aber verkniff mir den Spruch dann doch.

„Was? Es heißt ja was?"

„Den Spruch kennst du selbst. Und dem Sound aus eurem Schlafzimmer nach zu urteilen ..."

„Mario! Ich glaube, du vergisst ein wenig, mit wem du sprichst."

„Mit meiner Mutter. Die ich über alles liebe. Und die mit mir über alles sprechen kann. Weil ich kein Kind mehr bin. Sondern ein Mann. Und der Spruch ist: Dumm fickt gut. Scheint ja zu stimmen."

Ich konnte sehen, wie ihr tausend scharfe Entgegnungen auf der Zunge lagen, die sie aber allesamt nicht aussprach, schließlich mit dem Kopf schüttelte und dann sogar grinsen musste.

„Gut. Solche Sprüche will ich nicht von dir hören, ob du nun volljährig bist und dich als Mann fühlst oder nicht. Und ob da ein Kern Wahrheit drinsteckt ... also ja, sexuell hat er mir einiges gegeben. Und ja, das war einer der Gründe, warum ich mich überhaupt mit ihm eingelassen habe."

„Verstehe."

„Das glaube ich nicht. Diese Dinge sind komplizierter als du denkst. Und wenn du nicht ein mir unbekanntes Doppelleben führst, verstehst du davon wirklich noch nichts."

Was leider stimmte.

„Zugegeben. Egal. Du hättest doch aber überhaupt kein Problem, einen vernünftigen Mann zu finden. Der dich ordentlich behandelt. Dich verdient. Moment."

„Was?"

„Hat er nicht morgen seinen Termin beim Bewährungshelfer?"

„Morgen ist Donnerstag. Ja, warum?"

„Wir packen sein Zeug zusammen und bringen es dorthin. Erklären dem Bewährungshelfer, was passiert ist und dass er ihn warnt, uns gefälligst in Ruhe zu lassen. Ihm vor Augen führt, was passieren würde, wenn wir ihn wegen irgendetwas anzeigen. Häuslicher Gewalt zum Beispiel."

Jetzt hatte ich sie zum zweiten Mal an diesem Abend verblüfft, das war ihr deutlich anzusehen.

„Das ist sogar eine gute Idee. Ich staune, kleiner Mann."

„Der sich ab jetzt um dich kümmern wird. Und dich Fehler wie ihn nicht mehr begehen lässt."

„Das ist lieb, aber nicht deine Aufgabe."

„Es ist mein fester Wille. Ich passe ab jetzt auf dich auf."

„Mein Super-Mario."

„Dein Mario. Der nicht zulassen wird, dass dich ein Mann jemals wieder schlecht behandeln wird."

„Weil du ihn sonst ganz fürchterlich verhaust."

„Ich meine das ernst."

Sie seufzte und nahm mich in den Arm.

„Das weiß ich, mein Schatz. Aber das wirst du nicht tun brauchen. Mal abgesehen davon, dass ich richtig bedient bin und lange brauchen werde, um das alles zu verarbeiten, verspreche ich, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein."

„Das wollte ich hören."

„Dann versprich du mir jetzt, dass du nicht noch einmal versuchst, Dinge mit Gewalt zu lösen. Auch wenn das diesmal ..."

„Versprochen."

„Gut. Das wollte ich hören. Du solltest morgen mit dem Daumen zum Arzt, vielleicht ist es doch sicherer zu röntgen, oder er kann feststellen, ob da Bänder gelitten haben. In die Schule kannst du sowieso nicht, damit kannst du ja keinen Stift halten."

„Es ist eh Projektwoche, da verpasse ich nichts. Aber ich kann dir mit seinen Sachen und dem Bewährungshelfer helfen."

„Das kriege ich auch alleine hin, denke ich", sagte sie, während sie mir über mein Haar strich. „Aber danke für das Angebot. Wenn dein Testosteron-Schub jetzt langsam abgeklungen ist, kann ich dir auch sagen, wie stolz ich auf dich bin. Wie froh ich bin, so einen tapferen und liebevollen Sohn zu haben. Der mir nicht nur eben eine große Hilfe war. Sondern die ganze Zeit, seitdem dein Vater von uns gegangen ist. Auch wenn das oft nicht so wirkte, ich weiß, wie viel du die immerzu auf deine schmalen Schultern geladen hast. Dafür danke ich dir."

„Das brauchst du nicht. Ich liebe dich, Mama. Ich würde alles für dich tun."

„Ich liebe dich auch, mein Sohn. Und jetzt mache ich dir das größte Kompliment, dass ich machen kann: Du erinnerst mich mehr und mehr an deinen Vater. Nicht äußerlich. Von der Persönlichkeit her."

„Das ist wirklich ein großes Kompliment. Verlieb dich doch einfach in mich, dann hören alle unsere Probleme auf."

Dass sie nach diesem traumatischen Abend noch so herzlich lachen könnte, hätte ich nicht gedacht.

„Wenn du das sagst. Vielleicht meine. Deine fingen dann aber mit Sicherheit erst so richtig an."

„Das glaube ich nicht. Du bist die wunderbarste Frau, die ich mir vorstellen kann."

„Wobei dein Wissen über Frauen noch sehr begrenzt ist. Damit lag ich doch nicht falsch?"

„Ich lerne schnell. Und fürchte mich nicht vor neuen Erfahrungen."

„Mein tapferer kleiner Held. Warum eigentlich? Ich meine, warum hast du mir noch keine Freundin vorgestellt, die nicht gut genug für dich ist?"

Das konnte sie gut. Von sich ablenken.

„Schwer zu sagen."

„Es ist dir unangenehm darüber zu sprechen. Obwohl wir beide Erwachsene sind", kitzelte sie mich zusätzlich.

„Gar nicht. Ich habe einfach noch keine gefunden, die mich richtig interessiert."

„Anspruchsvoll, der Herr?"

„Wahnsinnig anspruchsvoll."

„Nur ... was Beziehungen angeht?"

„Ehm ... was meinst du?"

„Na, Erfahrungen hast du schon gesammelt?"

Oje.

„Nicht unbedingt."

„Verstehe. Das kommt schon noch, keine Angst."

„Ich habe keine Angst. Ich warte halt auf die Richtige. Und bis dahin ... Mann hat ja Hände", versuchte ich mich freizuschwimmen, denn etwas unangenehm war mir das Thema schon.

Wie erhofft lachte sie auch diesmal. Streichelte meine geschundene Hand.

„Im Moment ja nur eine."

„Eine was?"

„Eine Hand. Mit der rechten wirst ja wohl nicht richtig zupacken können."

Fuck. Ja. Oha.

„Na, vielleicht geht es mit der linken auch."

„Noch gar nicht probiert?"

„Nö, warum probieren, wenn es mit der Gewohnten doch richtig gut geht."

„Abwechslung. Schon mal davon gehört?"

„Nicht in dem Zusammenhang. Na, vielleicht ist es ja die Offenbarung. Fühlt sich so an, als ob sich zum ersten Mal ein anderer damit beschäftigt."

„Also noch überhaupt keine Erfahrungen mit Mädchen? Oder ... Jungen?"