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Ein Studentenleben in den 80ern 09

Geschichte Info
Pia, Christoph und Frauke erfreuen sich ihrer neuen Freiheit.
11.5k Wörter
4.64
17.1k
3

Teil 9 der 10 teiligen Serie

Aktualisiert 06/08/2023
Erstellt 02/23/2018
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Die letzten Wochen vor dem Semesterbeginn im Oktober verbrachten Pia und Christoph gemeinsam. Die Stimmung hatte sich nach dem ZVS-Brief deutlich verschlechtert. Auch wenn sie beide Mühe gaben war es nicht einfach, weiter locker und fröhlich zu bleiben. Nur im Bett war die Leidenschaft ungebrochen. Manchmal kam es Christoph sogar so vor, als würden sie in ihre Liebesakte noch einmal alles hineinlegen, weil man nicht wusste, wann es vorbei sein würde.

Noch in der Ferienzeit fuhren beide gemeinsam zwei Mal nach Hamburg, um für Pia eine Wohnung zu suchen und einzurichten. Nach Semesterbeginn kam Christoph dann noch zwei Mal übers Wochenende zu Besuch. Schon da war zu spüren, wie sich die Situation veränderte. Pia musste so schnell wie möglich ein eigenes fachliches und soziales Netzwerk aufbauen und war schon zu Beginn im Studium sehr gefordert. Kein Wunder, das Medizinstudium war noch nie etwas, das man nebenher betreiben konnte. Und dafür war sie auch überhaupt nicht der Typ, pflichtbewusst und ehrgeizig, wie sie nun einmal war.

Christoph spürte, dass Pia bei seinen Besuchen nicht immer bei der Sache war. Er vermied es, sie darauf anzusprechen, weil er die fragile Situation nicht weiter belasten wollte. Als Pia am ersten Advent zum ersten Mal wieder nach Hause kam, war die Situation ähnlich. Beide brauchten einen längeren Anlauf, um sich wieder an den jeweils anderen und die Zweisamkeit zu gewöhnen. Und dann war das Wochenende im Nu auch schon wieder vorbei.

Besser wurde es in der Weihnachtszeit. Das vierte Adventswochenende verbrachten beide nahezu komplett in Christophs Studentenbude, von Spaziergängen im frischen Schnee und einem Bummel über den Weihnachtsmarkt abgesehen. Die alte Vertrautheit und das tiefe, innige Gefühl füreinander waren sofort wieder da. Unmittelbar nach den Feiertragen trafen sie sich, um mit Freunden zu einer Skihütte in Österreich aufzubechen, wo sie gemeinsam Skifahren und Silvester feiern wollten. Auch diese Tage waren wunderschön, unbeschwert und fast sorgenfrei.

Schon am Tag nach Neujahr musste Pia allerdings wieder nach Hamburg zurück und war schon nach wenigen Tagen komplett im Vorbereitungsmodus für die ersten Semesterabschlussprüfungen. Die Stofffülle war so groß, dass sie sich schlicht nicht traute, länger mit dem Lernen auszusetzen. Das für Mitte Januar geplante nächste Treffen in Hamburg musste sie absagen. Beim Telefonat mit Christoph spürte sie die enorme Enttäuschung auf der anderen Seite der Leitung. Ihr wurde immer klarer, dass die Zukunft ihrer Beziehung auf dem Spiel stand.

Auch Christoph war sich der Situation bewusst. Natürlich konnte und wollte er Pia nicht verübeln, dass sie sich professionell auf die Prüfungen vorbereitete. Zudem wusste er auch, dass er selbst seinen Teil zur krisenhaften Entwicklung beigetragen hatte. Nicht durch Fehlverhalten, sondern dadurch, dass er nie ernsthaft angeboten hatte, Pia nach Hamburg zu folgen. Frauke hatte vor einem Jahr etwas Ähnliches gemacht, um mit Christiane zusammen sein zu können.

Er hatte allerdings auch eine Reihe von guten Gründen, dort zu bleiben, wo er war. Zum einen war er alles andere als ein Großstadttyp. Das war ihm bei den ersten Reisen nach Hamburg wieder klargeworden. Zum anderen schlug er in „seinem" Unistädtchen immer stärkere Wurzeln. Zu Semesterbeginn hatte ihn sein Lieblingsprofessor gefragt, ob er bei ihm am Lehrstuhl als Studentischer Mitarbeiter anfangen wollte. Darüber hatte er sich sehr gefreut. Inzwischen fühlte er sich am Lehrstuhl inmitten eines sehr netten Teams schon recht heimisch.

Und auch seine Wohnsituation hatte sich verändert. Frauke, auch während der Beziehung mit Pia immer noch Christophs enge Vertraute und Ratgeberin, hatte vor Wochen die Idee geboren, gemeinsam in eine WG zu ziehen. Das mit den nebeneinanderliegenden Zimmern im Wohnheim sei ja ganz nett, aber so eine WG könnte doch ein tolles Experiment für zwei Leute sein, die einander zwar sehr sympathisch sind, aber eben auch nicht mehr.

Christoph fand, dass dieses Projekt inmitten seines Gefühlschaos' nicht das allerwichtigste Thema war. Zugleich war er aber doch neugierig auf diese damals noch nicht sehr verbreitete Wohnform und sicher, dass so etwas, wenn überhaupt, nur mit Frauke klappen würde. Daher hatte er ihr das Signal zu geben, ruhig mal auf die Suche nach einer Wohnung zu gehen. Er sei dabei. Wie nicht zu anders zu erwarten war, wurde Frauke bald fündig. Beiden gefiel die Wohnung sehr. Sie hatte zwei geräumige Wohn- und Arbeitszimmer, ein modern eingerichtetes Bad, zusätzlich aber eine große und vor allem sehr gemütliche Wohnküche, die in kürzester Zeit Lieblingsaufenthaltsort von Frauke, Christoph und allen WG-Gästen wurde. Zusätzlicher Vorteil war die Lage der WG in der Altstadt mitten zwischen den Studentenkneipen. In keine war es zu Fuß weiter als fünf Minuten. Die Schlafzimmer hatten ihre Fenster zum Innenhof, so dass es auch nicht zu laut wurde.

Christoph spürte, dass er mit dieser Situation, der Zugehörigkeit zum Leichtathletikverein und allem anderen ein sehr gutes Lebens- und Studienumfeld hatte. Natürlich wäre alles noch tausendmal schöner gewesen, wenn Pia, seine Pia hiergeblieben wäre und sein Leben mit ihm teilen könnte. Er war aber innerlich nicht bereit, dieses Leben komplett aufzugeben, um in Pias Nähe zu sein. Zumal Pia im Vorbereitungs- und Studienstress ja auch keine Zeit für ihn hatte, wie man an der Absage des gemeinsamen Wochenendes gesehen hatte.

Die Telefonate der beiden an den folgenden Tagen waren kurz, knapp und unbefriedigend. Am kommenden Samstag, als Christoph gerade mit Frauke beim Frühstück saß, kam ein Brief aus Hamburg. Christoph ließ ihn ungeöffnet liegen und nahm ihn nach dem Frühstück mit in sein Zimmer. Auch dort fand er noch tausend Dinge, die gerade wichtiger waren, als den Brief zu lesen. Erst nach zwei Stunden verlor er den Kampf gegen sich selbst und öffnete den Brief.

Der Brief war so, wie er ihn erwartet hatte. Pia schrieb, dass sie in den letzten Tagen viel nachgedacht und viel geheult hätte. Christoph und die Zeit mit ihm sei das Schönste und Beste, was ihr in ihrem Leben bisher widerfahren sei. Nie sei sie so glücklich gewesen wie im letzten Sommer. Aber jetzt komme es ihr so vor, als sei dieser unbeschwerte, glückliche Sommer schon sechs Jahre her und nicht nur sechs Monate.

Die räumliche Trennung und der Prüfungsstress seien stärker als alles andere. Sie könne versuchen, nach dem Physikum einen Wechselantrag nach München zu stellen. Bis dahin seien es aber noch gut eineinhalb stressige Jahre. Auch große Teile der Ferienzeit werde sie in Hamburg sein müssen. Ob der Wechselantrag Erfolg habe, wisse man nicht. Selbst dann lägen 150 km zwischen München und zuhause. Auch das sei ja eher die Distanz einer Fernbeziehung. Deswegen würde sie nach viel Grübeln und noch mehr Heulen nun versuchen, sich wie ein erwachsener Mensch zu benehmen: Sie schlage ihm vor, sich im Guten zu trennen und sich ab sofort auf die eigene Lebenssituation zu konzentrieren. Sie wisse nicht, ob sie das schaffen werde. So weiterzumachen wie in den letzten Wochen, schaffe sie aber sicher nicht mehr.

Christoph war seit Wochen klar, dass ihre Beziehung auf diesen Punkt zulaufen würde. Trotzdem zog ihm der Brief den Boden unter den Füßen weg. Er war tagelang nicht ansprechbar, ließ Vorlesungen ausfallen, verzog sich in sein Zimmer und versuchte, wieder klare Gedanken zu fassen. Er brauchte über eine Woche und einen stundenlangen Winterspaziergang um festzustellen, dass Pia Recht hatte. Leider! Es hatte keinen Sinn mehr.

Nachdem ihm das klargeworden war, setzte er sich hin, um Pia zu antworten. Er entschuldigte sich zunächst, mit seiner Antwort so lange gebraucht zu haben. Er habe sich zu lange um eine ehrliche Analyse ihrer Situation herumgedrückt. Inzwischen sei aber auch ihm klar, dass es zwar furchtbar, aber auch richtig sei, sich jetzt zu trennen. Die gemeinsame Zeit sei ein riesiger Schatz, den er für immer in seinem Herzen bewahren werde. Alles andere als eine Trennung „im Guten" sei für ihn völlig unvorstellbar. Er wünsche ihr alles, alles Gute und würde sich riesig freuen, mit ihr in Verbindung zu bleiben, sie vielleicht auch mal wieder zu treffen und zu sprechen. Sicher nicht in den nächsten Wochen, aber irgendwann einmal. Wenn es aufgehört hätte, so furchtbar weh zu tun wie gerade im Augenblick.

‚Komisch Christoph', dachte er sich, nachdem er den Brief losgeschickt hatte, ‚jetzt hast Du schon bald eine Sammlung von Frauen, die Dich alle gut finden, die Du auch gut findest, mit denen Du aber trotzdem nicht zusammen bist: Pia, Gaby, Karin. Eigentlich auch Sylvia. Aber was soll's. Besser so, als mit allen verfeindet zu sein.' Bei diesem Gedanken wurde ihm schon etwas wärmer ums Herz. Und dieser ‚Heilungsprozess' setzte sich in den nächsten Tagen fort. Er war zwar immer noch traurig, aber es tat nicht mehr ganz so weh wie in der Woche nach Pias Brief.

Zwei Wochen später, Mitte Februar, klingelte am Freitagabend das Telefon. Pia war dran. Waren die ersten Minuten des Telefonats noch zögerliches Abtasten, entwickelte sich bald eine muntere Plauderei. Beide berichteten einander über die Aktivitäten der letzten Tage. Beide gaben sich Mühe, dabei auch Witziges zu erzählen. Wann immer einer spürte, dass der/die andere gerade an einem schwierigen Punkt angelangt war, versuchte er/sie, die Situation durch einen lockeren Spruch zu entkrampfen.

Dabei verging die Zeit wie im Flug. Als Christoph das erste Mal auf die Uhr sah, hatten sie schon eine Stunde telefoniert. Pia war gerade dabei, sich vorsichtig in den Bereich ‚Ab jetzt lebt jeder sein eigenes Leben' vorzutasten. Morgen Abend würde sie eine kurze Lernpause machen und zu einer Fete der Fachschaft gehen. In dieser emotionalen Ausnahmesituation könne sie für nichts garantieren.

„Musst Du auch nicht", meinte Christoph.

„Auch wenn..."

„Wenn Dich einer anfasst, meinst Du? Oder Du einen? Oder eine? Auch dann nicht."

„Wärst Du dann nicht sauer?"

Christoph meinte, er wäre auf denjenigen oder diejenige sicher nicht eifersüchtig. Höchstens neidisch. Pia war sichtlich gerührt, als sie das hörte. Und auch erleichtert.

Christoph beschloss, Ehrlichkeit mit Ehrlichkeit zu vergelten. Er sei am Wochenende wieder als Skilehrer unterwegs. Zwar führe er ohne jeden Vorsatz zum Skifahren. Erfahrungsgemäß seien bei diesen Skikursen immer wieder Erstsemester-Mädels dabei, die Skilehrer nicht nur auf der Piste interessant fänden. Insoweit könne auch er für nichts garantieren.

Pia wünschte ihm viel Spaß. Sie kamen überein, dass sie sich nicht über jedes Abenteuer informieren müssten. Wenn es aber „ernst" werde, wäre es schon fair, dem anderen Bescheid zu sagen. Nach fast neunzig Minuten endete das Telefonat fröhlich und beschwingt.

Am Sonntagmorgen war Pia froh, dass sie zwei Tage zuvor am Telefon so offen und ehrlich war. Sie wachte nämlich nicht alleine und nicht bei sich zuhause auf. Der Grund dafür war eigentlich ganz witzig. Schon bald nach Semesterbeginn hatte Pia festgestellt, dass vier Semester über ihr ein schwedischer Kommilitone für ein Gastsemester in Hamburg war. Sie hatten sich ein paar Mal in der Mensa unterhalten (natürlich auf Schwedisch), aber nie länger und intensiver.

Dieser junge Mann, Leif hieß er, war auch auf besagter Fete am Samstagabend. Pia tanzte ein paar Mal mit ihm und stellte fest, dass er gern und gut tanzte. Irgendwann saßen sie dann mit nicht ganz ungefährlichen Mixgetränken in der Ecke des Partyraums und kamen ins Quatschen. Leif erzählte, er komme aus Stockholm, Pia erwiderte, sie kenne Stockholm gut und sei erst im vorletzten Sommer dort gewesen.

Das Thema „Sommerurlaub" war interessant, gerade bei Hamburger Schmuddelwetter Mitte Februar. Also wurde es vertieft. So berichtete Pia über das Insel-Hopping in den Kykladen vom letzten Sommer. Das fand Leif wiederum sehr interessant. Zwei sehr gute Freunde von ihm (mit Betonung auf SEHR gut) hätten das im letzten Sommer auch gemacht und seien ganz begeistert gewesen. Sie hätten sogar die gleichen Inseln erwähnt wie Pia und seien wohl auch zur gleichen Zeit dort gewesen.

Pia meinte, damals seien hunderte von jungen Leuten auf den Inseln gewesen, darunter auffallend viele Skandinavier. Ob es denn zwei Jungs gewesen wären? Nein, meinte Leif, ein Junge und ein Mädchen.

„Die hießen aber nicht zufällig Anders und Eva?" fragte Pia. Wild guess, dachte sie. Aber immerhin studierten alle Medizin, sogar im gleichen Semester an der gleichen Uni, nämlich in Uppsala. Konnte also tatsächlich sein.

Leif war total baff: „Doch, genau, Eva und Anders. Die kennst Du?"

Von da an war kein Halten mehr. Der Abend geriet auf eine schlüpfrige Ebene. Zuerst noch verbal, später auch handfest. Eine Stunde und mehrere Drinks später wusste Leif sehr präzise, wie sich Pia, Christoph, Eva und Anders kennengelernt hatten. Und Pia wusste, dass die Formulierung „sehr gute Freunde" das bedeutete, was sie vermutet hatte. Und dass sich die „sehr gute Freundschaft" auf beide, also auf Eva UND Anders bezog. Leif war also vielseitig interessiert. Dass er auch an Frauen interessiert war, war klar. Denn beider Hände waren längst auf Wanderschaft gegangen. Auch dort, wo sie eigentlich nicht hinwandern sollten, wenn noch andere Menschen im Raum sind.

Als Pia das bewusstwurde, schlug sie vor, irgendwo anders hinzugehen. Leif brachte seine Wohnung ins Spiel, die nur zwei U-Bahn-Stationen entfernt war. Pia war das Recht. Bei ihr war nicht aufgeräumt, sondern ‚Lernchaos'. In Leifs Wohnung angekommen, wusste Pia schon nach zwei Minuten, dass auch Leif ganz offensichtlich Anhänger des hüllenlosen Sonnens war. Die Streifenfreiheit war auch im Winter deutlich erkennbar. Weitere drei Minuten später wusste sie, wie der ‚kleine Leif' aussah, wenn er groß war. Eine weitere Minute später wusste sie auch wie er sich im Mund anfühlte. Nur weitere drei Minuten danach, auch wie „es" schmeckte. Dafür revanchierte er sich bei Pia später ausdauernd und gefühlvoll mit seiner Zunge. Danach gab es noch eine ziemlich heiße Runde doggy-style. Danach wurde geschlafen.

Und dann wachte Pia am nächsten Morgen auf. Leicht verkatert, aber ohne Gewissensbisse. Im Gegenteil: Es hatte ihr gutgetan, mal wieder richtig Druck abzubauen. Zur eisernen Jungfrau war sie definitiv nicht geboren, das wusste sie nicht erst seit gestern. Aber es war auf jeden Fall gut gewesen, den Prozess der ‚Abnabelung' mit Christoph so offen zu besprechen. Sie freute sich sehr, dass die Spannungen und Verkrampfungen der letzten Monate jetzt langsam verschwanden. Und sie dachte noch einmal an Christoph. Sie wünschte sich, dass auch er möglichst bald wieder ähnliche Glücksgefühle haben würde wie sie letzte Nacht.

Was sie nicht wissen konnte. Christoph hatte. Und zwar fast zur gleichen Zeit. Doch der Reihe nach: Am Samstagmorgen saß er still vergnügt im Bus Richtung Österreich. Draußen schneite es leicht, es war aber absehbar, dass bald die Sonne herauskommen würde. ‚Zum Start des Wochenendes schöner Neuschnee auf der Piste' freute er sich.

Als er gerade tief in Gedanken versunken war, setzte sich Sylvia neben ihn. Die beiden waren die einzigen Skilehrer des Wochenendes und für das Übungsprogramm gemeinsam verantwortlich. Daher entwickelten sie jetzt einen konkreten Plan: Was genau heute und morgen geübt werden sollte, auf welchen Pisten das am besten ging, wann und in welcher Hütte man am besten Mittagspause machen sollte.

Als die Planung durch war, lächelte Sylvia Christoph ganz vorsichtig an und fragte:

„Und sonst so? Was macht der Liebeskummer?"

Die geliebte Skigymnastik war so ziemlich das Einzige, was er in der Horrorwoche nach Pias Trennungsbrief nicht hatte ausfallen lassen. Sylvia hatte an dem Abend natürlich gemerkt, dass er völlig neben der Spur war und ihn vorsichtig darauf angesprochen. Allzu viel hatte Christoph nicht erzählt. Es war aber klar, wo das Problem lag. Sylvia kannte Pia und wusste sowohl von der Beziehung zwischen ihr und Christoph als auch von ihrem Wegzug nach Hamburg.

Christoph berichtete, dass der Abstand zwischen Hamburg und dem Unistädtchen und der Stress im Studium leider stärker waren als ihre Beziehung, dass sie sich einvernehmlich getrennt hätten und am Vorabend schon wieder ein sehr entspanntes, teilweise sogar vergnügtes Telefonat geführt hätten.

„Ja, das ist das Problem mit Fernbeziehungen. Das geht nur selten gut", meinte Sylvia. „Ich war ja sehr lange solo und fand das auch ganz okay. Bis ich im letzten Sommer bei einer deutsch-österreichischen Fortbildung einen ganz tollen Kollegen aus Tirol kennengelernt habe. So ein richtig lieber, eher still und zurückhaltend, also ein bisschen das Gegenstück zu mir. Nicht der klassische Skilehrertyp ‚große Klappe, großer Schwanz, kleines Hirn'. Eher so, dass alles zusammenpasst. Die paar Tage Fortbildung haben völlig gereicht, dass es um uns geschehen war. Vielleicht ist das sogar wirklich die Liebe meines Lebens, mit der ich gemeinsam alt werden möchte.

Aber die Art, wie wir unsere Beziehung führen, macht einen relativ schnell kaputt. Unter der Woche immer nur Telefon, mit einer riesigen Telefonrechnung. Kein Wunder, sind ja lauter Auslandsgespräche. Und die Wochenenden sind auch nicht so, dass wir von Freitagnachmittag bis Montagmorgen zusammen wären. Er ist nebenbei auch Skilehrer und im Sommer auch noch Bergführer. Also hat es in den letzten Monaten eher wenige gemeinsame Wochenenden gegeben. Die beste Zeit war noch von Mitte Oktober bis Anfang Dezember, weil da in den Bergen nichts los war."

„Aber", und an der Stelle strahlte Sylvia jetzt richtig, „bald haben wir es geschafft. In den Osterferien wird er versetzt. Direkt an das Gymnasium, das in Österreich am nächsten zu uns liegt. Das sind nur 20 Kilometer zu fahren. Wahrscheinlich mieten wir ein Haus in Österreich in einem Dorf, das fast genau in der Mitte liegt. Dann hat jeder morgens nur zehn Minuten zur Arbeit. Und wir haben uns jeden Tag. Und jede Nacht."

„Na perfekt", grinste Klaus. „In einem Jahr wird geheiratet, dann kommt das erste Kind, dann das zweite und dritte. Alle werden Mitglieder der österreichischen Skinationalmannschaft und gewinnen Olympiamedaillen. Kann ich mir richtig gut vorstellen. Freut mich, dass Du so viel Glück hast, Sylvia."

Sylvia strahlte weiter und drückte ihm ein züchtiges Küsschen auf die Wange. Was sie ihm anschließend ins Ohr flüsterte, war dann nicht mehr so züchtig: „Wir haben vereinbart, dass jeder noch seine Freiheit hat, bis wir zusammengezogen sind. Der andere muss nicht alles wissen, solange sich an unseren Gefühlen füreinander nichts ändert. Wenn Du also heute Abend nicht zu erschöpft bist, können wir einen kleinen Junggesellinnenabschied feiern. Oder Deine neue Freiheit. Oder beides."

Bei Christoph setzte sofort das Kopfkino ein. Erfreulicherweise lief dabei nicht der Film von der enttäuschenden Nacht im letzten Winter. Sondern der von dem Dreier an jenem Sommersamstag bei Karin. Und als Sylvia ihm gleichzeitig sehr zärtlich über den Oberschenkel strich, hatte er Mühe, ruhig zu bleiben. ‚Was soll's?' dachte er. ‚Ich bin solo. Und Pia hat ja ganz offensichtlich bei ihrer Fete heute Abend selber einiges vor '

Er grinste sie an und sagte nur:

„Ich glaube nicht, dass ich heute Abend zu erschöpft bin. Wir müssen nur morgen früh um Neun wieder fit auf der Piste stehen." Dafür bekam er sofort wieder ein schnelles Küsschen auf die Wange.

„Ich freu mich. Auf Euch beide", flüsterte Sylvia. Und streichelte kurz sein bestes Stück. Sogar durch die dicke Skihose war zu spüren, dass sich auch Christoph freute.

Der Skitag war nahezu perfekt. Schnee und Sonne, ein Traum, wie erwartet. Die Kursteilnehmer waren motiviert und zogen gut mit. Und schon bei der Mittagspause auf der Hütte flirtete ihn Sylvia an, dass es eine wahre Freude war. Nur ganz kurz vor Ende stürzte eine Kursteilnehmerin so schwer, dass sie mit dem Akia ins Tal gebracht werden musste. Sylvia und Christoph begleiteten die junge Dame zum Arzt. Zum Glück stellte sich schnell heraus, dass nichts gebrochen war. Als sie danach in ihrem Gasthof ankamen, hatte das Abendessen schon begonnen, so dass allen dreien nichts Anderes übrigblieb, als sich ganz schnell und in Skiklamotten in den Speiseraum zu begeben, um nicht zu verhungern.