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Galaverse-Story: Unvollständig

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"Dann würde ich dieses Bild liebend gern malen, Amadeo. Die Imprimitur nehme ich selbst vor."

"Dann fühle dich bitte hier wie zuhause, Keara. Mein Atelier steht dir ab sofort zur Verfügung. Und ich hoffe, damit ist dein Drängen nach deinem rechten Arm vom Tisch."

"Klar, ja, äh", stammelte ich. "Und - danke! Zum zweiten Mal."

Er nickte und verliess das Atelier.

*** Kapitel 12: Leprechauns, Hoppelhäschen und der Tod (aus Amadeos Sicht) ***

Die Frau, Keara, die - einst - furchtbare Frau, war nicht mehr wiederzuerkennen. Sie hatte sich in den vier Wochen seit sie bei mir war, auf mannigfaltige Weise verändert. Mal abgesehen davon, dass sie abgenommen hatte und dadurch zu höchst verführerischen Rundungen gelangt war (die das eingesperrte Monster regelmässig zur Weissglut trieben, bis ich diesem jeweils die Gnade der Masturbation zukommen liess ...). Ihr ganzes Gemüt schien eine Kehrtwende gemacht zu haben. Sie war stets gut gelaunt, lachte oft und machte mir jede Menge Komplimente betreffend meiner Kochkünste. Sie war, ganz im Gegensatz zu den allmählich kürzer werdenden Tagen und dem Einzug der kalten Jahreszeit, wie der Frühling aufgeblüht.

Seit sie zu malen begonnen hatte, hatte sich die Anzahl ihrer täglichen Orgasmen drastisch verringert. An vielen Tagen verzichtete sie sogar gänzlich darauf. Der Arzt in mir war darüber erleichtert. Das Monster, natürlich, nicht. Sie verbrachte nahezu ihre gesamte Zeit im Atelier und zeigte dabei ein Mass an Besessenheit, welches mit dem meinen locker mithalten konnte. Aber sie hatte es sich auch zur Angewohnheit gemacht, mir beim Kochen Gesellschaft zu leisten - was ich inzwischen überaus genoss. Ihre Fröhlichkeit war ansteckend.

Unser gemeinsamer Nenner, die Malerei, entpuppte sich als regelrechter Eisbrecher. Wir konnten uns stundenlang über Maltechniken, berühmte Ölgemälde oder Künstler unterhalten. Es war mir zwar bisher noch nicht gelungen, auch andere Themen anzusprechen, aber das lag inzwischen viel mehr daran, dass ich nicht so recht wusste wie. Denn ich musste eingestehen, dass ich sie komplett falsch eingeschätzt hatte. Sie mochte nicht in den Genuss von formaler Bildung gekommen sein, aber sie war ein überaus intelligenter Mensch.

Und was die Malerei betraf, so war sie ein echtes Naturtalent. Jeder ihrer Pinselstriche sass perfekt, ihre Farbwahl war vorzüglich. Als sie ihr erstes Bild nach knapp zwei Wochen fertigstellte, musste ich neidlos zugeben, dass sie darin um Längen besser war als ich. Im Vergleich zu ihr war ich ein blutiger Amateur. Das Bild der Rentiere hatte einfach dieses 'je-ne-sais-quoi'. Es war nicht nur handwerklich exzellent, sondern besass eine persönliche Note, die es zu etwas eigenem machte. Die zu verzaubern vermochte. Kurzum: Sie war begnadet.

Wer weiss, was aus ihr geworden wäre, wären ihre Lebensumstände andere gewesen.

Sie stürzte sich dann auch gleich in ein neues Projekt und wählte augerechnet Sean als ihr nächstes Sujet. Oft war sie vor mir wach und ging nach mir ins Bett. Manchmal hörte ich ihren Repulsorgürtel mitten in der Nacht surren, von ihrem Zimmer ins Atelier. Wie gesagt, sie war, wie so viele andere Künstler, getrieben. Was für mich nur ein Hobby war, welches mir als Ausgleich zu meiner Arbeit diente, war für sie zum Lebenselixier geworden. Aber, so stellte ich fest, ich frönte meinem Hobby ebenfalls mehr denn je. Auch wenn dies wohl nur deswegen der Fall war, weil ich dadurch mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Ich erfreute mich dabei ihres Anblickes, ihre liebliche Silhouette mit dem Pinsel im Mund vor der Leinwand schwebend betrachtend.

Mit der Erkenntnis dieser neuen Seiten meiner ... Mitbewohnerin, wog auch die Last meines Gewissens schwerer. Ich hatte ihr das Schlimmste angetan, was ein Mann einer Frau antun konnte. Je mehr Zeit verging, desto weniger kam ich damit klar. Nur eines hielt mich inzwischen davon ab, mich sofort selbst anzuzeigen: Der resolute Wille diesem wunderbaren Menschen neue Arme und Beine zu fertigen. Also ahmte ich sie nach und arbeitete mehr denn je.

Inzwischen hatte ich sämtliche Karbonfaser-Knochen fertiggestellt und widmete mich den Muskeln und Sehnen. Bei Letzteren konnte ich elektrogesponnene Vliesen mit hochgerichteten Fasern verwenden, doch die künstlichen Muskeln, sogenannte Aktuatoren, bereiteten mir nach wie vor etwas Kopfzerbrechen, da ich mir immer noch nicht sicher war, welche Flüssigkeit ich im synthetischen Muskelbeutel verwenden sollte. Öl, klar, aber welches? Schliesslich ging es ja nicht nur um Funktionalität, sondern auch um Gewicht und Konsistenz. Sie sollten sich auch beim Anfassen genauso anfühlen wie Kearas Original-Muskeln.

Ich brütete also um ein Uhr nachts über dieses Problem, als Keara aus dem Atelier in mein Büro schwebte.

"Wir sind fleissig, was?", meinte sie lächelnd.

"Ja, das sind wir", erwiderte ich ihr Lächeln und rieb mir die Augen. "Wir sollten beide langsam Schlafen gehen."

"Nicht nur das", erwiderte sie vielsagend. "Ich denke, wir haben beide eine Pause nötig. Seit ich hier angekommen bin, hast du jeden Tag gearbeitet, ohne Ausnahme."

"Seit du mit Malen angefangen hast, bist du nicht besser", entgegnete ich.

"Darum sag ich ja: Wir haben beide eine Pause nötig. So sehr ich das Malen auch liebe, wenn ich nicht zwischendurch die Batterien auflade, geht es an die Substanz."

"Und was schlägst du vor?", fragte ich neugierig. Sie zögerte.

"Ein Picknick. Jetzt bin ich schon bald zwei Jahre auf diesem verf ... lixten Planeten und habe immer noch keinen der 'berühmten Wälder von Galamex 2' besucht."

Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Seit einiger Zeit hatte Keara damit begonnen, auf ihre Ausdrucksweise zu achten. Und ich meine zu lockern, auch wenn mir das nicht immer zufriedenstellend gelang.

"Das ist eine verfickt gute Idee."

Keara prustete los.

"Niemand würde das SO sagen, Doc!"

Ich schloss mich ihrem Lachen an, stand auf und legte ihr, ohne mir dabei etwas zu denken, eine Hand an die Hüfte. Ihr Lachen erstarb augenblicklich und sie versteifte sich. Ich zog meine Hand zurück.

"Tut mir leid!", entschuldigte ich mich. "Ich hatte nicht mehr daran gedacht, dass du an einer Berührungsphobie leidest!" Am liebsten hätte ich mir selbst eine geknallt. Keara schloss die Augen und atmete tief durch. Dann blickte sie mich verständnisvoll an.

"Alles gut, Amadeo. Es wird sowieso allmählich Zeit, dass ich etwas dagegen mache." Ich schaute sie fragend an. "Leg mir deine Hand nochmals an die Hüfte", forderte sie. Ich kam ihrer Aufforderung zögernd nach. Dieses Mal blieb sie entspannt und lächelte mich an. "Siehst du? Alles in Ordnung."

Ich liess meine Hand noch für einen Augenblick dort, bevor ich sie erneut zurückzog und ihr Lächeln erwiderte. Warum nur hatte ich gerade das Gefühl, meine Hand auf glühendes Eisen gelegt zu haben?

***

Obschon die Sonne schien, war der Morgen ziemlich frisch. Ein leichter aber kühler Wind zog durch die Bäume, während am Himmel jede Menge Schäfchenwolken nach Osten wanderten. Wir schlenderten zu dritt den Fluss entlang. Das heisst, Sean und ich schlenderten, während Keara neben uns her schwebte. Sie trug eine meiner dicken dunkelblauen Daunenjacken und sah dabei wie ein fliegender Kleiderbügel - mit Kopf - aus. Sie sog die Landschaft um sich herum ein und bat mich immer wieder, mit ihrem ComPad Bilder zu schiessen, um später die eine oder andere Fotografie als Vorlage für ein Gemälde nutzen zu können.

Wie so viele Erdenmenschen die zum ersten Mal echte, wilde Natur zu Gesicht bekommen, war sie von einer Mischung aus Staunen, Ehrfurcht und vielleicht sogar etwas Misstrauen erfüllt. Manchmal beäugte sie die Tannenbäume, als würden sie gleich über sie herfallen.

"Wo sind die berühmten Eisenbäume?", fragte sie plötzlich. "Müssten hier nicht welche sein?"

"Nein, das Eisen wurde hier offenbar lange vor meiner Auskunft aus dem Boden gezogen. Hier gibt es nur noch ganz gewöhnliche Tannen", informierte ich sie. "Aber wenn du willst, organisiere ich uns ein Shuttle, welches uns zu einem Eisenbaumwald bringt."

"Das ist ... sehr lieb von dir, Amadeo. Aber mir reichen vorläufig das, was du 'ganz gewöhnliche Tannen' nennst, völlig. Auch wenn sie mir bisweilen etwas unheimlich sind."

"Da bin ich ja gespannt", erwiderte ich glucksend. "Wie sich dieses 'unheimlich' auf dein nächstes Gemälde auswirkt."

"Ich werde mich bemühen, genau dieses Gefühl einzufangen", antwortete sie verschmitzt.

"Ich bin mir sicher, dass dir das vorzüglich gelingen wird, Keara."

Sie sagte nichts, doch ich konnte klar erkennen, dass ihr mein Lob gefiel. Ich betrachtete sie, wieder einmal bezaubert von ihrem Anblick. Der Wind blies ihr plötzlich eine Strähne ihres gewellten roten Haares ins Gesicht.

"Fuck", sagte sie und fügte gleich eine Entschuldigung hinzu. "Verzeihung! Ich meinte: Verflixt! In der Jackentasche ist ein Haargummiband. Würdest du mir bitte die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden, Amadeo?"

"Äh, sollte das nicht Sean erledigen?"

"Meine Haare beissen nicht!", kicherte sie. "Sieh es als Teil meiner Therapie betreffend meiner Berührungsphobie an, Doc." Ich nahm das Band, trat hinter sie und sammelte ihr Haar zusammen. Am liebsten hätte ich in diesem Augenblick mein Gesicht darin versenkt, um dessen Duft einzuatmen. Seltsamerweise war es nicht das Monster, sondern der Arzt, den es danach verlangte. Wie vom Blitz getroffen realisierte ich, dass ich allmählich dabei war, mich in diese furchtbare, furchtbare Frau zu verlieben. "Fertig?", fragte sie belustigt. Ich kehrte ins Hier und Jetzt zurück, räusperte mich und wickelte das Band um ihr Haar.

"Fertig."

Wir gingen weiter den Fluss hoch, schweigend, bis wir an den Fuss des Hügels gelangten, auf dem der Park mit den Solarpanelen stand.

"Da oben wird der Strom hergestellt, der meine Hütte versorgt", erklärte ich. "Wollen wir uns das ansehen?"

"Klar, warum nicht?"

Auf dem Hügel standen rund fünfzig kleine Säulen, auf jeder ein Panel montiert, welches der Sonne bei ihrer Tageswanderung folgte.

"Was ist denn das?", sagte Keara und deutete auf einen etwas höheren, mannshohen Turm, auf dessen Spitze ein grosser Parabolspiegel montiert war. An der Seite des Turmes war ein Kontrollmonitor angebracht.

"Das ist unsere Verbindung zur Aussenwelt. So weit oben im Norden haben unsere ComPads aufgrund der Bahnen der Kommunikationssatelliten nur selten eine gute Verbindung - wenn überhaupt. Dank des Parabolspiegels sind wir indes immer erreichbar."

"Würdest du ein Bild von mir und Sean mit dem Parabolspiegel im Hintergrund schiessen?", fragte sie begeistert.

"Natürlich."

In der Ferne war Donnergrollen zu hören. Ich blickte nach Norden und sah, wie sich am Südhang des Gebirges einige Wolken zu einem spontanen Regenguss versammelt hatten. Keara schaute in dieselbe Richtung und riss die Augen auf.

"Leprechauns!", schrie sie plötzlich. "Leprechauns!" Ich runzelte verwirrt die Stirn und blickte ebenfalls nochmals nach Norden. Da war gerade ein majestätischer Regenbogen erschienen. "Das ist doch ein Regenbogen, oder?!"

"Äh, ja, aber was, bitteschön, meinst du mit Läpperkons?"

"Bitte was? Der gebildete Herr weiss nicht, was Leprechauns sind?", lachte sie. "Das sind irische Fabelwesen, von der Gestalt her am ehesten mit Kobolden zu vergleichen. Es heisst, dass sie am Ende eines Regenbogens einen Schatz verstecken! Komm! Lass uns nachschauen gehen!"

"Ich enttäusche dich ja nur ungern, Keara", sagte ich und versuchte dabei, möglichst neutral zu klingen. "Aber das wird uns nicht gelingen. Es handelt sich dabei um ein atmosphärisches Phänomen, erzeugt durch die Einstrahlung der Sonne auf die Regentropfen des Regengusses vor uns. Unter anderem ist er auch von der Position des Betrachters abhängig. Sobald wir versuchen, uns dem Ende zu nähern, wird er verschwinden."

"Oh." Ich konnte ihr die Enttäuschung deutlich ansehen, und es brach mir das Herz. Was aber noch schlimmer war: In ihrem Gesicht war auch Scham zu erkennen. Sie hatte sich gerühmt, etwas zu wissen, was der Gebildete von uns beiden nicht wusste. Und nun hatte ihr dieses Miststück namens Leben, in Form eines pedantischen Arztes, stante pede eine Retourkutsche verpasst.

Mir kam eine Idee. Ich holte mein eigenes ComPad hervor und schoss ein Bild des Regenbogens. Dann liess ich mit der Hilfe eines Programmes extrapolieren, wo sich die Enden des Regenbogens in etwa geografisch befinden würden - wenn es sich denn bei dem Regenbogen um ein handfestes Gebilde handeln würde.

"Okay, ich habe herausgefunden, wo das Ende ist und auf einer Landkarte festgehalten. Selbst wenn der Regenbogen auf dem Weg dorthin verschwindet, weiss ich, wo wir hinmüssen. Lass uns nachsehen!"

Für das nachfolgende Strahlen in ihrem Gesicht wäre ich jedem Regenbogen des Universums nachgerannt.

***

Wir brauchten etwa eine halbe Stunde, bis wir den auf der Karte verzeichneten Ort erreichten. Es war eine kleine, von dichtem, hohem Gras bewachsene Lichtung. Als wir uns näherten, konnte ich im Grün Bewegung ausmachen. Ich deutete Keara und Sean an, anzuhalten und still zu sein, während ich in die Hocke ging. Sean tat es mir gleich und Keara schwebte nach unten, bis ihr Gesicht mit meinem auf selber Höhe war.

"Was siehst du?", flüsterte sie. Ich deutete mit dem Zeigefinger auf die Stelle, wo ich die Bewegung gesehen hatte. Und plötzlich hüpfte ein Feldhase aus dem Gras, gefolgt von zwei weiteren, kleineren Hasen. "Hoppelhäschen!", sagte Keara laut und biss sich augenblicklich auf die Lippe. Die Hasen blickten in unsere Richtung, machten jedoch keine Anstalten, Reissaus zu nehmen. Ich holte vorsichtig mein ComPad hervor, zoomte das Grüppchen heran und schoss mehrere Bilder. Dann richtete ich meinen Blick zurück auf Keara. Ihre hellen Augen glänzten, ihr Mund vor Staunen leicht geöffnet. Auch von ihr schoss ich ein Bild. Dieses, entschied ich, würde mein nächstes Sujet sein - sobald ich den verflixten Jupiter fertiggestellt hatte.

Wir blieben noch eine Weile an Ort und Stelle, bis die drei Hasen entschieden, dass sie nun lange genug für uns posiert hatten und wieder im dichten Grün verschwanden.

Anschliessend traten wir auf die Lichtung und sahen uns um. Von den Hasen war keine Spur mehr zu sehen. Auch sonst war die Lichtung doch eher eintönig.

"Sieht nicht so aus, als wäre hier ein Schatz verborgen", meinte ich schulterzuckend. Keara schaute mich verblüfft an.

"Spinnst du?! Ich habe hier den grösstmöglichen Schatz entdeckt! Ich durfte ECHTE Hoppelhäschen sehen! In der freien Natur!! Bisher kannte ich diese Tiere nur aus Dokus aus meiner Kindheit!"

"Du warst nie ... in einem Zoo?", fragte ich verwundert. Trotz der herrschenden Misere gab es solche nach wie vor auf der Erde. Keara schnaubte.

"Pffff! Als hätte meine Mutter Geld für einen Zoobesuch locker gemacht! Und als ich selbst welches verdiente, da ... hatten sich diese Träume aus meiner Kindheit längst verflüchtigt."

"Du ... hattest bestimmt keine einfache Kindheit", sagte ich aus einem Impuls heraus. Dies war das erste Mal, dass Keara über ihre Vergangenheit sprach. Und ich verspürte nun das unbändige Bedürfnis, mehr über diese furchtbar wundersame Frau zu erfahren. Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren Lippen.

"Es gab Kinder, die hatten es wesentlich schlimmer. Ich hatte ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Teller, und wenn ich krank wurde, konnten wir uns Medizin leisten. Wir hatten sogar einen klitzekleinen Wandmonitor! Zumindest bis er kaputt ging. Aber ich will mich nicht beklagen, Amadeo. Im Leben kriegt man nun Mal das Blatt, dass man kriegt. Es bringt nichts, darüber zu jammern."

"Aber du konntest nie zur Schule gehen", wandte ich ein.

"Stimmt. Doch, wie gesagt, hatten wir einen Wandmonitor. Zwar besteht die Irdische Regierung hauptsächlich aus Dreckskerlen und Sesselfurzern, aber immerhin hatte irgendwer dort die Idee, ein für lau abrufbares Bildungsprogramm zur Verfügung zu stellen. So lernte ich Lesen, Schreiben und vor allem Rechnen - was sogar für eine Hure ziemlich wichtig ist, wenn sie sich nicht von jedem verf ... lixten Freier oder Zuhälter übers Ohr hauen lassen will. Ausserdem entdeckte ich dadurch die Malerei und eignete mir so viel Wissen wie möglich darüber an."

"In deiner Akte steht, dass deine Mutter starb, als du Sechzehn warst", fuhr ich fort. "Wie bist du da klargekommen?" Ihr Gesicht verfinsterte sich.

"Das ... war keine leichte Zeit. Aber sie war dennoch besser, als die beiden Jahre davor, als meine Mutter aufgrund der fortschreitenden Strahlenkrankheit kaum mehr Freier fand und ich ..." Sie liess den Satz offen, doch ich konnte mir durchaus denken, was sie hatte sagen wollen. "Eine Zeit, an die ich lieber nicht denke. Daher dazu nur so viel: Meine Mutter war ein Miststück, und ich weinte ihr keine Tränen nach. Sie hat mir zwar eine Menge über 'das Leben auf dem Strich' beigebracht, aber echte Zuneigung hat sie nie für mich empfunden. Ich hatte immer den Eindruck, ich sei für sie nur eine Belastung. Vermutlich hat sie mich nur aus dem Grund nicht abgetrieben, weil sie nicht genug Geld dafür zusammenkratzen konnte."

"Fuck." Das war das Einzige, was mir dazu einfiel, doch offenbar war es genau das richtige, denn Keara nickte grimmig grinsend.

"Ja: Fuck! Aber genug von mir, Doc! Jetzt bin ich mit einer Frage dran!"

"Ah, ein quid pro quo!", erwiderte ich. "Äh, das ist Latein und heisst-"

"Ich weiss, was 'quid pro quo' heisst, Klugscheisser!", fiel sie mir lachend ins Wort. "Ich. Bin. Nicht. Dumm."

"Verzeihung", meinte ich kleinlaut, jedoch schmunzelnd.

"Okay, Amadeo. Hier also meine Frage: Woran stirbst du gerade?" Ich blickte sie verblüfft an. Ich hatte ihr gegenüber nie erwähnt, dass ich krank war. Sie sprach weiter, bevor ich eine entsprechende Frage stellen konnte. "Als ich in deiner Hütte ankam, sagtest du, dir laufe die Zeit davon. Also entweder geht dir das Geld aus, oder du stirbst bald. Da du nicht wie jemand wirkst, der Geldsorgen hätte, tippe ich auf Letzteres."

"Du bist alles andere als dumm, Keara", sagte ich beeindruckt und seufzte. Ich hatte bisher nur wenigen Menschen von meiner Krankheit erzählt. Marius gehörte zu diesem 'erlauchten' Kreis von Eingeweihten. Aber ich sah keinen Grund, es vor ihr zu verheimlichen. Zudem hatte sie sich ja mir gegenüber auch geöffnet. "Ironischerweise leide ich seit etwa fünf Jahren an einer höchst seltenen, degenerativen Nervenkrankheit, zu der es keine Heilung gibt. Es gibt zwar Medikamente, die den Verlauf verlangsamen können, aber sie endet immer tödlich."

Kearas Gesicht war ernst, aber auch mitfühlend geworden.

"Kannst du die erkrankten Nerven nicht ersetzen?"

Ich musste unwillkürlich schmunzeln und fragte mich erneut, was wohl aus ihr, unter anderen Umständen, geworden wäre.

"Leider nein, da sie bereits Teile des Gehirns befallen hat. Ich bin unwiederbringlich dem Tode geweiht, Keara."

"Wie lange?"

"Schwer zu sagen", gab ich gleichmütig zurück. "Wochen? Monate? Bestenfalls ein paar Jahre."

Sie musterte mich eingehend. Und ich bin mir sicher, sie hätte mich jetzt in den Arm genommen, wenn sie Arme gehabt hätte. Stattdessen schwebte sie näher und drückte mir einen langen, zärtlichen Kuss auf die Wange. Erneut hatte ich das Gefühl, glühendes Eisen berührt zu haben. Zudem revidierte ich meine vorherige Einschätzung, denn ich war inzwischen sicher. Ich war längst in sie verliebt. Dann sagte sie etwas vollkommen Unerwartetes.

"Zum dritten Mal: Danke, Amadeo. Danke, dass du dich vorhin betreffend der Eigenschaften von Regenbögen nicht über mich lustig gemacht hast."

"Keine Ursache", krächzte ich.

"Okay! Genug Trübsal geblasen!", erklärte sie und schwebte zu meinem Bedauern wieder etwas weg. "Lass uns aus der uns verbleibenden Zeit in diesem Scheiss-Universum das Beste machen! Picknick ist angesagt! Also, Doc, welche Leckereien hast du da in deinem Rucksack?" Wie so oft war ihre mit Wucht zurückgekehrte gute Laune ansteckend.

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