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Gejagt - Teil 01

Geschichte Info
Ein junger Student wird bedroht und weiß nicht warum
10.8k Wörter
4.69
37.6k
24
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 10/13/2019
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„Versteck dich, schnell! Es wird gefährlich", sagt mein Vater ganz aufgebracht am Telefon. „Sie sind hinter uns her."

„Wer ist hinter uns her?", frage ich überrascht. Ich verstehe nicht, was er von mir will. „Warum? Was soll das?"

„Mach, was ich dir sage! Tauch einfach ab und lass dich nicht erwischen. Diese Typen sind zu allem fähig.", antwortet er.

Noch bevor ich Luft holen kann, um zu antworten, knackt es kurz und die Leitung ist tot. Er hat das Gespräch einfach abgebrochen. So etwas! Seit Jahren habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr zu meinem Vater und heute meldet er sich, einfach so aus heiterem Himmel. Kein Hallo, kein Gruß, einfach nur diese eigenartige Warnung. Auch der Umstand, dass er das Gespräch ohne Gruß beendet hat, ist nicht nach meinem Vater. Soweit ich mich erinnern kann, hat er Unhöflichkeit immer gehasst. Auch wenn unser Verhältnis schlecht ist, er würde unter normalen Umständen niemals seine gute Bildung über Bord werfen. Wenn er sich so verhält, hat er vermutlich allen Grund dazu. Und genau das macht mir Angst.

---

Es ist kurz nach 23 Uhr und ich bin auf dem Weg zu meinem Wagen. Das heute war eine Ausnahme. Ich habe mich mit zwei Freunden getroffen, um nach ewig langer Zeit endlich wieder einmal zu quatschen und ein Bier zu trinken. Natürlich ist es nicht bei einem Bier geblieben und es ist inzwischen spät geworden. Ich habe die freie Zeit in vollen Zügen genossen. Es war für mich eine mehr als willkommene Abwechslung zum sonst sehr monotonen Alltagstrott. Als Chemiestudent kurz vor dem Abschluss hat man keine Zeit für Ablenkung. Da heißt es lernen, lernen, lernen. Um nicht ganz durchzudrehen, habe ich meine Freunde angerufen und mich mit ihnen verabredet. Genau aus diesem Grund war der Abend etwas ganz Besonderes. Bis zum Läuten meines Handys war ich völlig entspannt, entspannt wie schon lange nicht mehr. Doch damit ist jetzt schlagartig Schluss. Die wenigen Worte meines Vaters holen mich beinahe brutal in die Wirklichkeit zurück.

Ganz instinktiv schaue ich mich um. In etwa zehn Meter Entfernung kann ich einen Mann ausmachen. Er geht in dieselbe Richtung. Weit hinter ihm ist eine junge Frau zu sehen. Die ist harmlos. Sie macht keinen gefährlichen Eindruck. Außerdem scheint es eine zierliche, junge Frau zu sein. Der Mann dagegen hat einen auffallend schnellen und entschlossenen Schritt. Für diese Zeit ist das eher ungewöhnlich. Wer hat um diese Zeit noch Stress? Vermutlich muss er schnell nach Hause, weil die Frau wartet, rede ich mir ein. Allerdings schaut er bullig aus. Ich bin kein ängstlicher Typ. Unter normalen Umständen würde ich mich erst gar nicht umschauen. Doch der Anruf meines Vaters bereitet mir unwillkürlich Sorgen. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ein flaues Gefühl macht sich in meiner Magengrube breit. Es ist schon komisch, wie man einem Menschen mit so wenig Worten Furcht und Schrecken einjagen kann.

Das Parkhaus, in dem ich meinen Wagen abgestellt habe, ist nur wenige Schritte entfernt. Einen Moment lang überlege ich, ob es möglicherweise besser wäre, den Wagen stehen zu lassen. Ich könnte auch ein Taxi nehmen. Im Parkhaus ist um diese Zeit keine Menschenseele mehr unterwegs. Wenn es tatsächlich jemand auf mich abgesehen hat, dann wäre das der perfekte Ort, um mir aufzulauern. Nachts kann ich dort unmöglich auf Hilfe hoffen. Da bin ich allein. Andererseits könnte ich mich in meinen Wagen flüchten, diesen verriegeln und davonfahren.

Ich überlege fieberhaft. Welche andere Möglichkeit bleibt mir? Die Straße ist auch nicht sonderlich sicher. Sie ist dunkel und weitgehend menschenleer. Nur vereinzelte Personen sind noch unterwegs. Sie gehen schnell und wollen einfach ihr Ziel erreichen. Ich bin in einer typischen Nebenstraße in irgendeinem Vorort. In dieser Gegend machen sich Jugendliche einen Spaß daraus, mit Steinen die Straßenlampen zu zerschießen. Deshalb liegt das Viertel auch in einem gespenstischen Halbdunkel. Um den nächsten Taxistand zu erreichen, ist es noch ein schönes Stück zu Fuß. Außerdem habe ich keine Ahnung, ob ich in dieser Gegend um diese Zeit noch ein Taxi bekomme.

Ich nehme also meinen ganzen Mut zusammen und betrete das Parkhaus. An der Kasse entwerte ich den Parkschein. Dabei behalte ich mit einem Auge die Umgebung im Blick. Ich habe ein ungutes Gefühl, auch wenn ich niemanden ausmachen kann, der mir folgt oder sich auffällig verhält. Trotzdem traue ich dem Frieden nicht. Ich hasse es, dass mich die Warnung meines Vaters dermaßen einschüchtert. Ich kann aber nichts dagegen tun. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch gehe ich weiter. Eine kahle Betontreppe führt hinab ins untere Stockwerk. Dort betrete ich das Parkdeck. Ich schaue mich immer wieder nervös um und gehe mit schnellem Schritt auf meinen Wagen zu. Warum habe ich so weit vom Ausgang entfernt geparkt?

Als ich etwa auf halbem Weg zwischen Eingang und Auto bin, fällt mir ein Mann auf. Er taucht auf, wie aus dem Nichts. Folgt er mir? Wenn ich mich nicht irre, ist es der Typ, der mir bereits auf der Straße aufgefallen ist. Es wäre schon ein verdammt großer Zufall, wenn er im selben Parkhaus, im selben Stockwerk und im selben Bereich seinen Wagen abgestellt hat. Die Warnung meines Vaters war wohl doch nicht aus der Luft gegriffen.

Zu wissen, dass mein Vater Recht hatte, beruhigt mich kein Bisschen. Vielmehr frage ich mich, was das Ganze soll. Mir ist zwar klar, dass ich höchst wahrscheinlich in der Klemme stecke, ich habe jedoch keinen blassen Schimmer, warum. Was will dieser Mann von mir? Worum geht es? Ich habe keinen blassen Schimmer. Es muss mit meinem Vater zu tun haben. Deshalb frage ich mich, was das Ganze mit mir zu tun hat. Meinen Vater habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.

Tatsache ist aber, der Mann ist hinter mir her. Im Moment ist das Warum eher zweitrangig. Ich muss meine Haut retten. Genau darum geht es im Moment. Ich gehe also etwas schneller. Mit Sorge stelle ich fest, dass auch der Mann seinen Schritt beschleunigt. Allmählich bekomme ich es mit der Angst zu tun. Das kann kein Zufall mehr sein. Der Mann hat es eindeutig auf mich abgesehen!

Ich drehe mich noch einmal um. Er ist groß und äußerst kräftig gebaut. Er könnte Bodyguard oder Rausschmeißer in einem Club sein. Er verbringt mit Sicherheit sehr viel Zeit in der Muckibude. Gegen so einen Gorilla habe ich doch nie im Leben eine Chance. Ich bin schließlich ein ganz normaler Student. Ich bin zwar durchaus sportlich, aber ich mache kein Krafttraining. Ich betätige mich lieber an der frischen Luft. Das empfinde ich wohltuender und entspannender, als mich in einem Fitnessraum an Geräten und Maschinen abzumühen. Mich stört auch der Geruch von Moder und Schweiß, der dort in der Luft hängt.

Ich habe nur noch ein Ziel. Ich will meinen Wagen erreichen, einsteigen und mich darin verbarrikadieren, bevor mich der Typ einholt. Das ist vermutlich meine einzige Chance gegen diesen Kraftprotz. Mit Entsetzen muss ich aber feststellen, dass er aufholt. Der Abstand zwischen mir und ihm verringert sich deutlich schneller, als der zwischen mir und meinem Wagen. Allmählich steigt Panik in mir hoch. Mir wird immer stärker bewusst, dass ich es kaum schaffen werde, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen.

Im nur schwach beleuchteten Parkhaus bin ich eine leichte Beute für den bulligen Mann. Ich gehe noch etwas schneller. Das reicht nicht. Ich beginne zu laufen. Ich muss unbedingt vor ihm am Wagen sein. Das ist meine einzige Chance. Im Laufen ziehe ich den Autoschlüssel aus der Tasche und betätige den Knopf, damit sich die Zentralverriegelung mit dem Aufleuchten der Winker und dem typischen Geräusch die Türen entsperrt. Das beruhigt mich für einen ganz kurzen Augenblick. Die Rettung scheint in greifbare Nähe zu rücken.

Ich habe gerade das Heck des Wagens erreicht, da passierts. Zu allem Unglück fällt mir dieser verdammte Schüssel aus der Hand und rutscht ein ganzes Stück über den Boden. Zum Glück schlittert er nicht weit und bleibt neben der Fahrertür liegen.

Ich bücke mich eilig, um ihn aufzuheben. Ich danke Gott, dass er nicht unter den Wagen gerutscht ist. Dann wäre es endgültig um mich geschehen. Großen Unterschied macht es am Ende dann doch nicht. Als ich mich aus der Hocke aufrichte blicke ich direkt in die Klinge eines Springmessers. Scheiße! Das war´s!

„Mach keine Schwierigkeiten!", brummt der Typ.

Seine Stimme klingt gelassen. Er lässt mich deutlich spüren, dass er mich für keinen gefährlichen Gegner hält. Er nimmt mich nicht ernst. Und genau das schüchtert mich noch mehr ein.

„Was wollen Sie von mir?", frage ich mit belegter Stimme. Meine Knie beginnen weich zu werden. Ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Scheißangst.

„Das wirst du noch rechtzeitig erfahren", antwortet er unfreundlich. „Steig in den Wagen und keine Tricks."

„Ich gebe Ihnen alles Geld, das ich dabeihabe. Ich bin Student und sicher nicht reich. Aber was ich habe, können Sie nehmen", biete ich an.

„Du weißt genau, was ich will."

„Nein, keine Ahnung."

„Dein Alter hat lange genug Verstecken gespielt", kontert er. „Wenn er nicht will, dass dir Böses widerfährt, soll er endlich spuren."

„Ist das eine Drohung?", erkundige ich mich.

Der Typ lacht nur hämisch. Seine Augen fixieren mich selbstbewusst. Er weiß genau, dass es für mich kein Entkommen gibt. Offenbar macht es ihm Spaß, mit mir zu spielen. Er ist die Katze, ich bin die Maus. Das ist ein Scheißgefühl. Echt!

„Über die Drohungen sind wir lange schon hinaus. Langsam machen wir Ernst", kontert er. „Steig in den Wagen Freundchen und keine Faxen! Das wäre nicht gut für dich."

„Sie wollen mich entführen?", frage ich entsetzt.

„Aber nicht doch, entführen ist ein so hässliches Wort. Sagen wir, ich lade dich ein."

„Und wenn ich nicht mitkomme?"

„Du wirst mitkommen. Keine Sorge! Das verspreche ich dir."

Er lächelt belustigt. Gegen diesen Muskelberg habe ich keine Chance. Wenn ich nicht riskieren will, das Messer zwischen den Rippen stecken zu haben, werde ich wohl besser machen, was er von mir verlangt. Er schaut finster drein und ich traue ihm alles zu. Deshalb drehe ich mich zum Wagen und öffne die Fahrertür.

„Nicht so schnell mein Freund!", höre ich plötzlich eine Frauenstimme.

Ich habe keine Ahnung, wo die plötzlich herkommt. Als ich mich neugierig umdrehe, wird mir klar, dass auch mein Angreifer überrascht ist. Sie gehört also definitiv nicht zu ihm. An seinem verdutzten Gesicht kann ich ablesen, dass auch er nicht mit ihrer Einmischung gerechnet hat. Die Frau ist wie aus dem Nichts aufgetaucht. Keine Ahnung, wo sie herkommt und wer sie ist. Sie muss sich angeschlichen haben, während er mich bedroht hat. Ich verstehe nur noch Bahnhof.

Mein Verfolger braucht nicht lange, um seine Fassung wiederzuerlangen. Er wirbelt trotz seiner Masse überraschend beweglich um die eigene Achse, da die Frau hinter ihm steht. Sie ist noch sehr jung. Meiner Einschätzung nach ist sie Mitte Zwanzig. Ich kann sie allerdings nur teilweise sehen, da ein Großteil von ihr vom Fleischberg verdeckt wird.

„Was willst du denn?", fährt er sie an. Er lacht dabei verächtlich. „Du kümmerst dich besser um deinen eigenen Kram. So etwas wie dich, vernasche ich zum Frühstück. Es wäre also gesünder für dich, wenn du nichts gesehen und gehört hast. Verstanden?"

„Sorry, das kann ich nicht. Ich muss dich aufhalten!", kontert sie überraschend gelassen.

„Du halbe Portion?", meint er verächtlich lachend. „Schau, dass du Land gewinnst. Dich zerdrücke ich mit nur einer Hand."

Er vermittelt den Eindruck, dass er sich ärgert, dass ihm die junge Frau in die Quere kommt. Er stuft sie aber nicht als Gefahr ein. Sie ist ihm offensichtlich einfach nur lästig. Was ich von ihr sehe, lässt vermuten, dass sie sportlich aber nicht übertrieben kräftig ist. Sie scheint im Gegenteil einen sehr schlanken und ausgesprochen attraktiven Körper zu besitzen. Auch ich frage mich, wo sie nur den Mut hernimmt, sich mit solcher Entschlossenheit dem Muskelprotz in den Weg zu stellen.

Der Typ ist offenbar überzeugt, sie leicht in die Flucht schlagen zu können. Er fuchtelt ein paarmal eher halbherzig mit seinem Messer vor der Frau in der Luft herum und startet zweimal einen Scheinangriff. Sie aber bleibt überraschend cool. Sie zuckt nicht einmal mit der Wimper und lässt sich von seinem Gehabe ganz offensichtlich nicht aus der Ruhe bringen.

„Mehr hast du nicht zu bieten?", meint sie gelangweilt. Sie tut, als müsste sie gähnen und scheint ihn provozieren zu wollen. Für mich völlig unvorstellbar, mit welcher Gelassenheit sie sich dem Mann gegenübertritt. Dieser wird Zusehens wütend. Ich beobachte die Szene mit wachsender Sorge, kann mich aber nicht von der Stelle rühren. Angst und Neugier lähmen mich.

Völlig überraschend prescht der Mann plötzlich vor. Er will sich diesmal tatsächlich auf die junge Frau stürzt. Es ist ein gezielter Angriff und er versucht, ihr das Messer gezielt in den Bauch zu rammen. Sie aber weicht geschickt zur Seite. Mit einer geschmeidigen Bewegung kommt sie hinter ihm zu stehen und versetzt ihm dann einen kräftigen Tritt in die Nieren. Er brüllt vor Schmerz laut auf und geht wimmernd zu Boden. Das Messer fällt ihm durch die Wucht des Trittes aus der Hand. Es fliegt im hohen Bogen durch die Luft und schlittert schließlich unter einen in der Nähe geparkten Wagen. Es ist weg. Da kommt er nicht mehr dran. Das ist schon einmal gut.

Die junge Frau scheint ihm einen gezielten Tritt versetzt zu haben. Sie weiß offenbar, was sie tut. Der Mann wimmert wie ein verletztes Tier und windet sich einige Zeit am Boden. Sie dagegen bleibt gelassen und mit dem nötigen Sicherheitsabstand neben ihm stehen. Ihr Blick ist abwartend und ausdruckslos. Der am Boden liegende Kerl schaut taxierend zu seiner Gegnerin hoch. Ihm ist nun offenbar bewusst, dass er sie sträflich unterschätzt hat. In seinem Blick blitzt unbändiger Hass auf.

Vor allem aber ist er in seinem Stolz verletzt. Damit ist er noch weitaus gefährlicher als zuvor. Die junge Frau sollte sich lieber in Acht nehmen. Sie aber bleibt nicht weit von ihm entfernt stehen und beobachtet ihn aufmerksam. Sie scheint absolut keine Eile zu haben. Sie hat auch nicht die Absicht, zum Gegenangriff übergehen zu wollen. Darauf wartet jedoch ihr Gegner. Beide verhalten sich abwartend. Doch es geschieht nichts. Nach einiger Zeit erhebt sich der Typ mühevoll. Er ist noch etwas wackelig auf den Beinen, schnaubt aber gefährlich.

„Komm her, du Schlampe. Jetzt mache ich dich platt!", keucht er.

Sein Gesicht ist immer noch schmerzverzerrt. Aber auch Wut blitzt in seinen Augen auf. Die Unbekannte scheint eine sehr empfindliche Stelle getroffen zu haben. Sie lässt sich von seinen Sprüchen aber nicht beeindrucken. Sie tänzelt vielmehr wachsam aber ohne jede Angst, um ihm herum. Sie hält die Hände abwehrend vor der Brust. Aus der Art, wie sie die Situation handhabt schließe ich, dass sie Kampfsporterfahrung hat. Bei ihr sieht alles ausgesprochen locker und grazil aus. Ihre Bewegungen gleichen eher einem Ballett als einer Schlägerei.

„Halt endlich still oder hast du Angst?"

„Vor dir?"

„Ja, genau vor mir!", faucht er. „Wenn ich dich in die Finger kriege, dann wirst du es bereuen, dich mir in den Weg gestellt zu haben. Ich zerdrücke dich wie eine Fliege."

Sie aber grinst eher verächtlich. Die junge Frau scheint unbekümmert aber voll konzentriert zu sein. Sie lässt den Angreifer nicht den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Ansonsten allerdings wartet sie einfach nur geduldig ab, was er als nächstes vorhat. Sie hat ganz offensichtlich alle Zeit der Welt. Sie wartet geduldig auf den richtigen Moment. Das wiederum scheint den Mann nervös zu machen. Er weiß genau, dass die Zeit gegen ihn spielt. Je länger sich das Ganze hinzieht, umso wahrscheinlicher wird es, dass jemand zufällig vorbeikommt. Dieser könnte dann Hilfe holen.

Ihm ist klar, dass er handeln muss und startet auch wenig später seinen zweiten Angriff. Trotz seiner Schmerzen will er sich mit einem gewaltigen Satz auf die junge Frau stürzen. Sie aber ist erneut auf der Hut und weicht ihm auch diesmal geschickt aus. Mit einer fließenden Drehung kommt sie neben ihm zu stehen. Während er das Nachschauen hat, reagiert sie blitzschnell. Sie tritt mit großer Kraft von der Seite gegen sein linkes Knie. Ich kann deutlich das Splittern von Knochen hören. Es ist gruselig. Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken. Dieses Geräusch fährt mir durch Mark und Bein. Es hallt schaurig von den Wänden des Parkhauses wider.

Der Mann, der mich offenbar entführen wollte, stößt Schmerzensschreie aus, wie ich sie noch nie gehört habe. Sie sind nicht mehr menschlich. Er muss Höllenschmerzen erleiden. Ihr Tritt saß perfekt. Das zerstörte Knie bietet dem Mann absolut keinen Halt mehr. Es knickt zur Seite hin weg. Er kommt ins Wanken und knallt der Länge nach auf den Betonboden. Das klatschende Geräusch des Aufpralls lässt erahnen, dass die Landung ausgesprochen unsanft ist.

Die junge Frau dagegen geht völlig ungerührt erneut in Abwehrhaltung. Wie schon vorher behält sie ihren Gegner im Blick. In ihrem Gesicht zeichnet sich nicht der blasseste Schimmer von einem Gefühl des Mitleids ab. Es ist nahezu ausdruckslos. Sie ist immer noch im Kampfmodus. Der Mann dagegen windet sich fürchterlich schreiend am Boden. Das Knie scheint komplett zertrümmert zu sein. Der untere Teil des Beines hängt nur noch lose am Oberschenkel. Ich muss mich abwenden, denn allein der Anblick des verdrehten Gelenks lässt Übelkeit in mir aufsteigen.

„Ich bin´s. Bin im Parkhaus auf minus Eins. Ich habe einen Angreifer ausgeschaltet. Er liegt verletzt am Boden. Könnt Ihr ihn abholen? ... Ach ja, er war mit einem Messer bewaffnet. Es liegt unter einem Volvo."

Als ich mich wieder zur jungen Frau umdrehe, steckt sie gerade das Handy lässig in die Gesäßtasche ihrer Jeans und kommt auf mich zu.

---

„Alles in Ordnung?", erkundigt sie sich. Auch jetzt kann ich keine Emotion in ihrer Stimme ausmachen.

„Ja, ich denke schon", stottere ich. Der Schrecken sitzt mir noch immer gewaltig in den Knochen.

„Gib mir die Autoschlüssel", fordert sie mich auf. „Wir verschwinden."

Ohne lange nachzudenken, reiche ich ihr den Schlüssel für meinen Wagen. Sie nimmt ihn, als wäre nie etwas geschehen. Sie setzt sich hinters Lenkrad, als sei es das Normalste der Welt.

„Steig ein!", treibt sie mich an. „Nun mach schon!"

Wie ferngesteuert gehorche ich. Ich denke gar nicht lange nach, was ich eigentlich mache. Ich bin unfähig zu denken. Deshalb eile ich brav um den Wagen herum und setze mich auf den Beifahrersitz. Noch bevor ich mich anschnallen kann, braust sie auch schon los.

„Etwas lahm die Karre", meint sie.

Ihr Blick ist starr auf den Weg gerichtet, den sie nimmt. Auch beim Fahren ist sie vollkommen konzentriert. Mich würdigt sie keines Blickes. Mit einer Geschwindigkeit, wie ich sie nie in einem Parkhaus für möglich gehalten hätte, schlängelt sie sich durch die Pfeiler und die wenigen noch abgestellten Autos, fährt mit quietschenden Reifen über die Rampe hinauf zum oberen Parkdeck und dann Richtung Ausfahrt. Sie sagt kein Wort. Kurz vor der Ausfahrt halte ich ihr den Parkschein hin, da ich der Meinung bin, dass sie ihn braucht. Sie aber nimmt keine Notiz davon. Vielmehr zieht sie ein kleines Kästchen aus der Hosentasche, drückt darauf einen Knopf und die Schranke öffnet sich. Ohne anzuhalten verlassen wir das Parkhaus und sie braust mit relativ hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden davon. Ich hätte nie gedacht, dass man noch so viel aus meinem alten Golf herausholen könnte.

Ihre Augen wechseln blitzschnell zwischen der Straße und dem Rückspielgel hin und her. Erst nach etwa einem Kilometer geht sie ein wenig vom Gas und normalisiert allmählich die Geschwindigkeit. Auch sie entspannt sich sichtlich.

„Ich bin übrigens Fee", sagt sie.

„Angenehm, ich bin Tomaso", antworte ich.

Zum ersten Mal blickt sie zu mir herüber. Sie schaut mich dabei mit einem wissenden Lächeln an. Allmählich beruhige auch ich mich und mein Hirn beginnt langsam wieder normal zu arbeiten. Diese Frau war nicht zufällig zur Stelle. Sie weiß wer ich bin und um was es geht. Vermutlich weiß sie mehr, als ich selbst.