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Homo Superior 09: Der Kommissar II

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"Wie reagiert sie in einem solchen Fall? Legt sie euch übers Knie?"

"Müsste ich ihr mal vorschlagen", sagte sie nachdenklich, während ihre Hand hinter den Küchenschrank fuhr und mit Spinnweben behangen zurückkehrte. "Ts, ts, ts", machte sie. "Normalerweise reicht es, wenn sie einen enttäuscht anblickt. Raoul wird dann immer ganz klein mit Hut."

"Das ist kein Hotelzimmer", meinte ich. "Du darfst also gerne damit aufhören."

"Oh!", sagte sie und schob die Besteckschublade wieder zu, die sie geöffnet hatte. "Du hast Recht, Geliebter."

"Und bitte komm nicht auf die Idee, mitten in der Nacht aufzustehen und sauberzumachen. Es reicht, wenn das meine gutaussehende Nachbarin von oben tut."

Sie hob eine Augenbraue. Weitaus perfekter als ich das konnte.

"Deine Nachbarin putzt bei dir?"

"Schön wär's. Nein, sie putzt bei sich. Lautstark."

"Du kennst deine Nachbarin von oben also näher?"

"So nahe wie man sich kommt, wenn man im Aufzug miteinander fährt."

Sie machte einen Schritt auf mich zu. "So nahe?", fragte sie.

"Näher", antwortete ich.

Noch ein Schritt.

"Noch näher."

Noch ein Schritt.

Ich legte meine Arme um sie und küsste sie auf die Lippen. "Ja", meinte ich dann, "das ist ungefähr der Abstand."

"Cool. Sollen wir sie für heute Nacht einladen?"

"Bin ich mein Vater?"

"Hoffentlich nicht." Schlagartig wurde sie ernst. "Pascal sagt, wir sollten erst einmal nicht riskieren, Bastarde in die Welt zu setzen. Er hat ein paar Simulationen gefahren und da scheinen gefährliche Kombinationen dabei zu sein."

"Schade. Ich hätte da nämlich auch noch eine Kollegin, die mir seit Jahren nachstellt."

Sie zuckte grinsend die Schultern. "Solange du deinen Schwanz aus ihrer Muschi lässt, kann nichts passieren. Papa hat es schließlich auch gelernt."

Das hatte er wohl. Achtzig Kinder waren schließlich genug. Bei seinem Tempo hatte er höchstens fünf Jahre dafür gebraucht. Also war er die letzten Jahrzehnte abstinent gewesen?

"Du denkst fürchterlich laut", sagte Thandi von hinter mir.

Ich wirbelte herum. "Kannst du etwa —" mir blieb der Mund offenstehen. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie sich ausgezogen hatte.

Sie stolzierte grinsend auf mich zu und schob meine Kinnlade nach oben. "Ja", sagte sie dann. "Ich kann es hören, wenn du intensiv nachdenkst. Verstehen noch nicht, aber Pascal ist sich sicher, dass das irgendwann kommt."

"Und was denke ich gerade?"

"Das weiß ich auch, ohne deine Gedanken zu lesen." Sie sank auf ihre Knie und zog meine Hose herunter. Inklusive Unterhose.

Ich blickte nach unten. "Ach du große —" Weiter kam ich nicht.

Thandis Mund schloss sich um das Monsterding, das statt meines normalen Penis aus mir herausragte, und Denken war nicht mehr.

Eine Stunde später

"Also das war der Grund, warum du mitkommen wolltest." Mein Penis war inzwischen wieder auf Normalgröße und schlaff, also hatte ich keine Mühe die Edeljeans anzuziehen, die Thandi mir hingelegt hatte. Natürlich ohne Unterhose. Ich sollte einen guten Eindruck bei meiner Mutter machen, hatte sie gesagt. Wieso eine Unterhose das verhindert hätte, erschloss sich mir nicht wirklich.

"Nicht nur, aber auch." Sie hatte das entsprechende Damenmodell an. Machte in Summe wohl fünftausend Mark.

Ich muss sagen, dass ich mich an die lockere Art gewöhnen konnte, mit der meine Geschwister mit Geld umgingen. Beziehungsweise damit, dass wir gar keines brauchten, sondern Vater alles zur Verfügung stellten, was seine Familie zum Leben benötigte.

Und dennoch hatte er mir noch am Abend eine Kreditkarte in die Hand gedrückt. Schwarz, kein Name und kein Limit. "Junge", hatte er ernst gesagt, "ich habe in meinem Leben vieles falsch gemacht. Ich habe nicht vor, eure Zuneigung zu erkaufen. Ich will einfach, dass ihr unabhängig seid, auch von mir, und eure Entscheidungen frei treffen könnt."

In gewisser Weise hatte das mein Bild von ihm in positiver Richtung korrigiert. Aber nur etwas. Erst wenn ich wusste, was in meiner anderen Familie los war, konnte ich meine neue Familie akzeptieren. Naja, eigentlich ging es nur um ihn.

Thandi zog tatsächlich einen BH an. C-Cup. Viel weniger als im Resort. Dass wir in der Lage waren, unsere Körper zu verändern, war mir schon bei Matt klar geworden. Die "Feedbackschleife" hatte ich zuvor jedoch noch nicht in Aktion gesehen. Wenn man zu siebt im Bett liegt, geht man wohl automatisch Kompromisse zwischen den Partnern ein.

"Du siehst gut aus", sagte ich.

Sie grinste mich an. "Ditto. Auch wenn du ihn wieder hast schrumpfen lassen."

"Es ist einfach nicht praktikabel, mit so etwas herumzulaufen."

"Aber wir dürfen versuchen, F-Cups im Zaum zu halten."

"Welcher Zaum? Ihr bleibt entweder nackt oder habt dehnbare T-Shirts. Denim ist nicht so flexibel."

"Hmmm. Ich hab' auch eine Latexjeans für dich dabei."

"Hmmm", echote ich. "Vielleicht haben wir ja Zeit für einen Besuch im Sexclub."

Ihre Augen wurden groß. "Das wär' geil. Ich hab' sowas noch nie gemacht." In dem Moment brach ihr sächsischer Dialekt voll durch.

"Ich auch nicht — außer dienstlich. Ich hatte noch nie zuvor jemanden, mit dem ich das hätte machen wollen."

Sie sprang an mir hoch und küsste mich wild. Moment mal! Waren wir nicht normalerweise gleich groß? Mit den Highheels, die sie heute getragen hatte, hatte sie mich um einen halben Kopf überragt.

"Bin ich gewachsen?", fragte ich, als ich wieder atmen konnte.

Sie schüttelte den Kopf. "Es ist immer besser, wenn das Weibchen kleiner ist als das Männchen. Das sieht harmloser aus."

"Was du nicht bist."

"Genau."

Ich zog das maßgeschneiderte Seidenhemd an, das sie mir herausgelegt hatte. Das fühlte sich auf der nackten Haut schon ganz anders an als C&A. Zuletzt schlüpfte ich noch in die Mokassins von Loro Piana. Fünfstellig! Sie fühlten sich schon geil an, aber ich hätte das Geld ganz sicher nicht ausgegeben.

Sie steckte inzwischen in einem T-Shirt, mit den Buchstaben LOVE drauf. Dieses weltberühmte Logo von Robert Indiana. Wahrscheinlich keine Replik. Es schmiegte sich an ihren Oberkörper, als wäre es aufgemalt.

Sie stand inzwischen wieder auf Augenhöhe vor mir, was natürlich auf Christian Louboutin zurückzuführen war. Ein anderes Modell diesmal, eines das perfekt zu den Jeans passte.

Womit hatte ich so eine Frau nur verdient?

"Gar nicht", lachte sie, und ich zuckte zusammen.

*

Kreuzberg, Taborstrasse

"Bereit?", fragte ich.

"Nein?"

Mein Kopf schoss herum. "Wie bitte?"

"Hallo! Erster Besuch bei der zukünftigen Schwiegermutter? Das bleibt dir ja erspart."

Ich griff nach ihrer Hand und zog sie zu mir. "Sie wird dich lieben, Thandi." Ich grinste. "Schon allein, weil ich endlich jemanden habe."

Sie legte mir ihre Arme um den Hals und küsste mich wild. Plötzlich räusperte sich jemand.

Ich widerstand der plötzlichen Versuchung, sie von mir zu stoßen. Stattdessen beendete ich den Kuss, hielt sie weiter fest in den Armen, und sagte so nonchalant wie möglich. "Hallo Mama, wie geht's?"

"Noch genau wie vor vier Tagen", antwortete sie abwesend, während ihre Blicke Thandi immer wieder von oben nach unten und zurück musterten.

Zuerst hatte ich gedacht, das wäre abwertend, doch dann spürte ich eine Welle von Erregung zu mir herüberschwappen. Mama fand Thandi geil.

Ich merkte, dass es meiner Frau nicht entgangen war. Thandi löste sich von mir, sagte "Hallo, Frau Weber, ich bin Thandi", und fiel ihr einfach um den Hals.

Mama war perplex. Zumindest so lange bis Thandis Lippen ihren Mund fanden.

Ich schüttelte verstohlen den Kopf. Thandi war unwiderstehlich.

Nach einiger Zeit landeten wir auf dem großen Sofa im Wohnzimmer.

Mama rannte herum wie eine Wilde, um uns zu verköstigen.

"Kannst du dich bitte auch hinsetzen?", fragte ich. "Wir müssen mit dir reden, und das geht nicht, wenn du wie ein geölter Blitz durch die Wohnung rast."

Sie hielt inne, holte tief Luft und ließ sich dann in ihren Sessel sinken. "Sorry." Sie lächelte verlegen. "Ich habe jahrelang auf den Moment gewartet, wo du jemand mitbringst, und dann —"

"— ist es eine Schwarze?", fragte Thandi.

"O nein!", gab Mama zurück. "Ist es eine überwältigend schöne Frau, die meinem Sohn auch noch Sinn für Mode beibringt. Das allein gibt schon mindestens hundert Pluspunkte."

"Und mein Dialekt?"

Mama grinste. "Zehn Punkte Abzug, aber nur weil ich eine Kollegin habe, die unausstehlich ist und aus Dresden kommt."

"Mama", sagte ich. "Ich habe meinen Vater kennengelernt."

"Dei—" Sie starrte mich an.

"Hochgewachsen, weißhaarig, sieht mir ziemlich ähnlich. Erinnerst du dich?"

"Äh —"

Ich sprang auf, kniete mich vor sie und nahm ihre Hände in meine. "Bitte versuch dich zu erinnern. Es ist wichtig."

"Ich verstehe gar nicht —"

"Wir schon", sagte Thandi, "Papa hat so eine Art."

"Pa— Du bist — Ihr seid —"

"Ja, Mama", sagte ich leise. "Thandi ist meine Halbschwester."

"Und ihr seid zusammen?"

Ich warf Thandi einen Blick zu. "Sie nennt mich 'mein Mann'."

"Und du hast angefangen, mich 'meine Frau' zu nennen."

Ich blickte meiner Mutter in die Augen. "Aber hauptsächlich sind wir Teil einer überraschend großen Geschwisterschar."

"Ach du Scheiße!"

"Womit wir wieder bei Vater wären."

"J-j-ja, ich kann mich dunkel erinnern." Ihr Blick wurde verträumt.

Ich verzichtete darauf, sie in dem Moment daran zu erinnern, dass sie verheiratet war. "Im Jahr nach meiner Geburt hast du angefangen zu studieren."

"Ja — Medizin. Humboldt-Universität."

"Und da gab es einen weißhaarigen Studenten —"

Ihre Augen wurden groß. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. "Du musst mich hassen", brach es aus ihr heraus.

"Nicht im Geringsten. Pascal Thomsen ist unwiderstehlich."

"Dafür, dass ich meine Tochter weggegeben habe —"

"Ein Mädchen!" Ich hatte plötzlich eine weibliche Mischung zwischen Vater und Mama vor Augen, ein Mädchen um die zehn Jahre. Doch sie musste inzwischen erwachsen sein.

Thandi kniete sich neben mich. "Kannst du uns von unserer Schwester erzählen?", fragte sie leise.

Mama schüttelte den Kopf. "Ich habe sie nie zu Gesicht bekommen. Meine Mutter — Ihr müsst verstehen. Meine Eltern mussten sich schon um Thomas kümmern. Mutter hatte ihren Job aufgegeben, und Papa hatte plötzlich eine Familie zu versorgen. Und das Studium seiner Tochter zu finanzieren."

"Sie haben sie zur Adoption freigegeben."

"Ich —" Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie Spinnweben daraus vertreiben. "Ich hab' das alles völlig vergessen. Wie kann man seine eigene Tochter vergessen? Ich bin eine Rabenmutter! Ich bin Abschaum!"

Thandi war wie der Blitz auf dem Sessel neben Mama, legte die Arme um sie und drückte sie an sich. "Das bist du nicht, Sonja, Liebes", flüsterte sie. "Du hast das Beste für deinen Sohn und deine Tochter getan."

Mama schluchzte hemmungslos. Thandi hielt sie schweigend im Arm und ich hielt ihre Hand und versuchte, positive Schwingungen hindurchzuleiten. Irgendwann beruhigte sich Mama.

Sie holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich lautstark. "Ich sehe bestimmt schrecklich aus", murmelte sie.

"Als ob uns das etwas ausmachen würde", sagte ich.

"Thomas!", fauchte mich Thandi an. "Du verstehst das nicht. Du bist doch nur ein Mann."

Mama lachte hysterisch. "Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar."

Thandi blickte sie grinsend an. "Sind wir doch. Wir kennen uns schließlich schon über achtundvierzig Stunden."

Mama holte tief Luft. "Ihr müsst mir erzählen, wie ihr euch kennengelernt habt."

*

Montag, Direktion 5 K 3, Kreuzberg, Friesenstraße

Ich zögerte, bevor ich an die Bürotür meines Chefs klopfte. Ich war dabei, etwas zu tun, das ich nie hatte tun wollen. Doch dann gab ich mir einen Ruck.

"Herein!"

Ich öffnete die Tür. "Guten Morgen, Herr Polizeidirektor."

Er runzelte die Stirn. "Ich dachte, Sie wären in Urlaub, Weber. Kommen Sie rein. Setzen Sie sich."

"De jure bin ich das auch", sagte ich langsam. "Doch es gibt ein Problem. Ein persönliches."

"Es geht um deine Schwester, Junge?"

"Ja, Papa."

Hubert Groß war mein Stiefvater. Er war es, der mich für den Polizeidienst begeistert hatte. Doch wir hatten die Übereinkunft, dass er mich nicht protegieren würde. Die ersten Jahre bestand keine Gefahr, doch dann versetzte man mich aus dem Westend zur D5. Das wäre ja mein Kiez, und ich konnte nicht widersprechen.

Glücklicherweise hatten wir vorher unsere Verwandtschaft nie an die große Glocke gehängt. Seine Kollegen kannten Mama, aber mich nicht. Also waren wir beruflich per Sie. Er war derjenige, der mich runterputzte, wenn ich einen Fehler gemacht hatte, aber er war nicht derjenige, der über meine Laufbahn entschied. Jede meiner ziemlich schnellen Beförderungen hatte ich dem Polizeipräsidenten selbst zu verdanken und nicht meinem Papa.

"Du hast mit Sonjas Eltern gesprochen?"

"Leider ja."

Der Besuch am Sonntag war ein Reinfall gewesen. Ich hatte Thandi sicherheitshalber gar nicht mitgenommen, weil ich die Einstellung meines Großvaters über "das Gesocks aus Afrika" gut kannte. Von ihm aus hätte man alle anders aussehenden, anders glaubenden, anders denkenden summarisch ins Gulag verfrachten sollen — besser noch ins KZ.

Aber auch so hatten meine Großeltern sich strikt geweigert, etwas über meine Schwester auch nur zu wissen. Alle Papiere hatten sie verbrannt, und noch nicht einmal an den Namen der Agentur erinnerten sie sich.

Das Schlimme war, dass letzteres der Wahrheit entsprach. Mein "Riecher" für Lügen war unter meinen Geschwistern ziemlich einmalig, aber laut Pascal durchaus im Rahmen des Möglichen.

Also war ich niedergeschlagen zu Thandi zurückgekehrt. Auch ein Abendessen in einem der besten Restaurants von Berlin, gefolgt von einer Revue im Friedrichstadtpalast hatte meine Laune nicht bessern können.

Wir mussten nachforschen, das war uns klar. Doch als Privatleute gab es Grenzen. Wir konnten Privatdetektive bezahlen, doch ich kannte deren Qualität schon. Was über Beweisfotos für einen Seitensprung hinausging, war denen meisten zu hoch.

Wir brauchten professionelle Hilfe. Also die Polizei.

"Ich — Ich möchte dich bitten, mir zu helfen."

"Natürlich, mein Sohn. Was kann ich tun."

"Ich will dich nicht bloßstellen."

Er lächelte. "Es geht doch hier um den Fall einer verschwundenen Person, oder?"

Ich starrte ihn an. "Ja, aber —"

"Kannst du ein Verbrechen ausschließen?"

"Nein, aber —"

"Also solltest du ermitteln. Wie viele Leute brauchst du?"

"Ich — äh —" Ich zuckte die Schultern. "Karl und Monika?"

Er grinste. "Die man neuerdings in einem Atemzug nennt. Gut. An die Arbeit."

Und das taten wir dann. Wir durchforsteten Unterlagen aus dem Jahr 1987. Und den darauffolgenden Jahren. Wir fanden achtundzwanzig Adoptionsagenturen, die in und um Berlin aktiv gewesen waren — natürlich gab es manche nicht mehr, doch wir besuchten Eigentümer, Mitarbeiter, Archivare. Und gegebenenfalls mehr oder weniger glückliche Familien.

Wir gingen auch jedem einzelnen Fall nach, in dem eine Kindsleiche gefunden worden war. Nichts. Nichts. Nichts.

Donnerstag, Kreuzberg, Taborstraße

"Du weißt", sagte Papa, "dass ich mich immer aus deiner Arbeit herausgehalten habe —" Er drückte Mama an sich.

Ich zuckte die Schultern. "Ich bin inzwischen für jede gute Idee dankbar." Ich drückte Thandi an mich.

Sie war die letzten Tage nicht untätig gewesen. Monika und sie hatten die Laufarbeit erledigt — in einem eher unauffälligen Auto — während ich meine Quellen im Kiez abgeklappert hatte. Ich hatte Zwanziger verteilt und versprochen, dass es mehr gab, wenn jemand einen guten Tipp hatte. Ich hatte leicht retuschierte Fotos von Ruth verteilt, die meiner Schwester am ähnlichsten sehen sollte.

Unglücklicherweise war Ostberlin kurz vor der Wende etwas ganz anderes als es heute war. Es gab damals noch nicht einmal legale Prostitution, geschweige denn die Szene von Nachtclubs.

"Brauchst du mehr Leute?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich. Karl und Monika sind — enthusiastisch. Aber niemand in der Direktion ist ein echter Hacker. Abgesehen davon haben wir sowieso viel zu wenig von dem Material aus der Wendezeit auf den Computern."

"Hmmm", sagte er. "Und wenn ihr die ganze Sache anders angeht?"

"Wie denn?"

"Mit Profiling?"

"Wir suchen nicht nach einem Täter."

"Aber", warf Thandi ein, "ihr kennt die Beteiligten."

Ich runzelte die Stirn. "Du meinst —"

Papa blickte Mama an. "Wem würde mein liebenswerter Schwiegervater seine Enkelin anvertrauen?"

Mama schnaubte. "Einem Nazi?"

Wir lachten, doch irgendwie hatte sie recht.

Papa hob den Zeigefinger. "Nehmen wir mal an, er hat gar keine Agentur benutzt. Hätte ja Zeit und Geld gekostet."

"Eine private Adoption?" Wir hatten keine Unterlagen darüber gefunden.

"Vielleicht noch nicht einmal eine Adoption. Vielleicht ein Freund, der ein Kind wollte und bereit war, dafür zu bezahlen. Kein Vermittler, keine Adoption."

Mamas Augen wurden groß. "Kein Nazi. Aber ein Russe. Er hatte da ein paar Bekannte. Diplomaten. 'Militärattachés', die eigentlich KGB-Leute waren. Diejenigen, die von allen anderen 'Gesocks' genannt wurde."

"Hat einer davon in der Zeit ein Kind bekommen?"

Thandi richtete sich auf. "Und eventuell kurz darauf das Land verlassen, zurück in die Heimat, so dass unsere Schwester garantiert niemals ihrer leiblichen Mutter über den Weg laufen würde."

"Darüber haben wir aber keine Unterlagen bei der Polizei." Ich schüttelte den Kopf. "Das wäre Sache der Stasi —" Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. "Unser Vater war doch damals Stasi-Spitzel."

Mama schoss hoch. "Was war er?"

"Der größte Opportunist aller Zeiten", sagte Thandi lachend. "Er hat rausgekriegt, dass er von denen ausgehalten wird, wenn er gelegentlich uninteressante Informationen über Mit-Studenten preisgibt. Er ist viel zu ehrenhaft, um jemanden ans Kreuz zu nageln."

Ich holte mein Handy heraus. Kurzwahl Eins. "Ja, mein Sohn. Was kann ich für dich tun?"

Freitag, Direktion 5 K 3, Kreuzberg, Friesenstraße

Ein Kurier hatte einen versiegelten Umschlag abgegeben. Ein paar handschriftliche Blätter. Mehrere Listen mit Namen und Daten. Geburten, An- und Abreisen von Staatsbürgern des damals gerade zusammenbrechenden Ostblocks. Nicht nur Russen, doch die stellten den größten Teil.

Ein Name sprang mir ins Auge, der in allen Listen auftauchte. Iwan Pawlow. Es war einer von den hohen KGB-Funktionären, die vom Zusammenbruch der Sowjetunion massiv profitiert hatten.

Laut diesen Daten hatte ihm seine Frau Olga zwei Tage nach der Geburt meiner Schwester ein Mädchen geboren und in der orthodoxen Kirche hier in Berlin auf den Namen Jekaterina taufen lassen.

Nur war die Dame laut der anderen Liste damals achtzehn, noch gar nicht mit Pawlow verheiratet, und lebte nicht in Berlin.

"BINGO!", brüllte ich, und alle Köpfe im Büro drehten sich zu mir um.

Karl und Monika kamen angerannt. "Du hast was?"

Ich blickte mich um und winkte den beiden näherzukommen. "Sagt euch der Name 'Iwan Pawlow' etwas?" Meine Stimme war so leise, dass sie selbst am nächsten Schreibtisch nicht gehört werden konnte.

Karl schnaubte. "Welchem Polizisten in Berlin ist der unbekannt?"

Ich legte den Finger auf den Mund und die beiden nickten.

Pawlow war nicht sofort nach der "Geburt seiner Tochter" abgereist, sondern am späten Nachmittag des neunten November 1989 überhastet nach Hause zurückgekehrt. Mit Frau und Kind in einem Flugzeug des KGB.

Schon ein paar Jahre später war er wieder da und hatte von der Treuhand ein Haus gekauft. Genauer gesagt, war es nicht nur ein Haus, sondern der ehemalige Sitz der KGB in Weißensee. Direkt am jüdischen Friedhof. Kaufpreis unbekannt. Verkäufer unbekannt.