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Homo Superior 11: Karina

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"Er hat da eine Theorie", sagte Kathi — kichernd, also möglicherweise war es auch Karina.

"Welche denn?"

"Dass alle unsere Namen ein th enthalten. Ohne dass unsere Mütter etwas voneinander wussten."

Ich blickte erstaunt von einem zum anderen.

"Ich bin die Ausnahme", meinte der junge Pascal. "Ich bin ja auch sein Sohn und sein Enkel."

Einatmen — Luft anhalten — ausatmen. Normalerweise läuft Inzest ja anders. Väter, die ihre Töchter — und gelegentlich auch ihre Söhne — vergewaltigen, gab es einige. Mütter, die ihre Söhne verführten, schon weniger. Aber das hier —

"Sie heißt eigentlich Margarethe — mit th. Aber sie wollte immer Marga genannt werden."

Alle lachten auf.

"Also hast du ihr einfach nachgegeben?", fragte Kathi. Wer von uns beiden war denn der Therapeut?

"Ich habe viel zu viel nachgegeben", stellte ich fest. "Ich habe sie ihr eigenes Leben leben lassen, weil ich einfach zu wenig Zeit hatte."

"Und jetzt?"

"Wir haben so gut wie keinen Kontakt mehr. Sie spielt bei einer Berliner Punkband und reagiert nicht auf meine Anrufe."

"Hast du sie verletzt?"

Hatte ich das? "Ganz sicher nicht bewusst. Ich liebe meine Tochter, und sie hat immer alles von mir bekommen, was sie brauchte."

"Außer Zuwendung?"

Ich holte tief Luft. "Außer Zuwendung."

Karina

Ich verfolgte fasziniert die Gespräche um mich herum. Ob die Frau mir — und Kathi — wohl helfen konnte?

Mich störte es natürlich auch, wenn wir die Plätze tauschten. Vor allem, weil es von meiner Seite einfach so passierte. Wenn ich mal wieder etwas nicht verstand, war es einfacher zu fragen, als mich mühsam durch Kathis Erinnerung zu wühlen. Der hätte etwas mehr Ordnung in ihrem Kopf sehr gut getan.

Wenn wir beide allein waren, ging es einfacher, denn da beantwortete sie alle meine Fragen. Doch wenn sie mit jemand anderem sprach, kam nahezu immer der Moment, wo ich auf dem Schlauch stand.

Was mir klar geworden war, ohne dass ich danach gefragt hätte, war, dass die Tochter der Frau eine Schwester von uns war. Und "Kein Kontakt" war für meine anderen Geschwister keine Option. Also würde wohl jemand die junge Frau besuchen müssen. Pascal oder Thomas waren die besten Kandidaten.

Vor allem Thomas, mein großer Bruder, mein Geliebter.

Nur gut, dass das Zweite in dieser Familie kein Problem war. Nach allem, was ich inzwischen mitbekommen hatte, außerhalb davon schon.

"Ich denke", sagte Kathi gerade, "keine Zuwendung ist vielleicht besser als die Art von Zuwendung, die Karina so lange Zeit hat erdulden müssen."

War das so? Waren die warmen Gefühle, die mein Verhältnis zu Papa geprägt hatten, so falsch gewesen?

"Papa war immer nett zu mir", sagte ich und merkte zu spät, dass ich mich mal wieder in den Vordergrund gedrängelt hatte. "Sorry, big sis."

"Mach nur", sagte sie.

Renate hatte offensichtlich den Platzwechsel mitbekommen. "Das ist der einzige Trost an der ganzen Sache", sagte sie. "Ohne ihn gekannt zu haben, kann ich natürlich nur Vermutungen anstellen. Ich vermute, dass seine Liebe zu dir genauso echt war wie sein krankhaftes Verhalten. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass er immer jegliche Erinnerung an dieses Verhalten getilgt hat. Missbrauchsopfer leiden unter ihren Erinnerungen. Es ist sehr langwierig, daran zu arbeiten, dass sie sie akzeptieren."

"Was auch vorteilhaft sein dürfte", mischte sich Martha ein — meine Fürsprecherin in der Gruppe — "ist, dass er seine gerechte Strafe bekommen hat."

"Gar nicht vorteilhaft ist, dass Karina diejenige war, die ihn bestraft hat. Tut mir leid, Kleines, wenn ich das so direkt sage, aber das Trauma kommt sicher irgendwann hoch."

Ich zuckte die Schultern. "Hauptsache, wir reden darüber. Was denkst du denn, wie lange es dauert, bis Kathi und ich uns integrieren."

"Das hängt leider von sehr vielen Faktoren ab, über die niemand eine Kontrolle hat. Den größten Schritt habt ihr schon getan. Bei den meisten dissoziativen Persönlichkeiten wissen die einzelnen Personen nichts voneinander. Jede wundert sich über Erinnerungslücken und Blackouts. Ihr beiden seid darüber hinaus. Ihr könnt miteinander sprechen." Sie runzelte die Stirn. "Was laut der Literatur hilfreich sein kann, ist, sich ein gemeinsames Ziel zu setzen. Eine Aufgabe, die ihr beide verfolgt, kann euch näher zusammenbringen."

"Hast du einen Vorschlag?", fragte ich.

"Das wäre eine schlechte Idee. Ihr müsst etwas finden, was euch beide interessiert und vor eine Herausforderung stellt." Sie wackelte lächelnd mit dem Finger. "Und damit meine ich nicht, alle Star-Trek-Serien und -Filme an einem Stück zu sehen."

Ich musste lachen. Star Trek war tatsächlich ein Laster von Kathi und mir — und scheinbar auch allen anderen hier.

"Ich wüsste etwas", sagte Kathi, "aber das sollten wir beide in Ruhe besprechen."

...

Glücklicherweise störte sich niemand im Resort daran, wenn irgendwo im Gras ein Nackter — oder eine Nackte — lag. Meine Familie machte sich nicht viel daraus, sich in der Freizeit etwas anzuziehen. Die Einzigen, die sich nie auszogen, waren die Angestellten. Zumindest solange, wie sie im Dienst waren.

Frau Sägmüller muss sich am Anfang gelegentlich aufgeregt haben. Thandi hatte damals mit Pascal und Ruth geschlafen, während sie offiziell im Dienst war. Doch irgendwann hatte sie wohl alle zusammengerufen und klargestellt, dass es sie nichts anging, wie die Angestellten ihre Freizeit verbrachten, solange sie nicht den "richtigen" Gästen über den Weg liefen.

Doch die hatten inzwischen auch mitbekommen, dass das Resort neuerdings "clothing optional" war. Im Gegensatz zur neuen Sittlichkeit, die eine der derzeitigen Regierungsparteien predigte, huldigten sie lieber der Sonnenanbetung. Nur Sex im Freien war strikt untersagt — tagsüber zumindest.

Auf jeden Fall war die beste Gelegenheit, ein bisschen Abstand von meiner Familie zu bekommen, mich irgendwo in die Sonne zu legen und so zu tun, als ob ich schlief.

"Also", sagte ich dann. "Welche Idee ist dir gekommen?"

"Renate leidet. Sie spielt es runter, aber sie macht sich Sorgen um ihre Tochter."

"Hmmm. Eine junge Frau aufspüren, die sich — wie stand das in einem deiner Bücher — erfolgreich abgenabelt hat, und sie in den Schoß der Familie zurückzuführen —"

"Wenn du das so ausdrückst, klingt das nach keiner guten Idee."

"Habe ich nicht gesagt. Aber der Ansatz 'Hallo, Margarethe, ich bin deine schizophrene Schwester —'"

"Wir sind nicht schizophren."

"Klar, aber wir benehmen uns so."

"Martha hat gesagt —"

"Ich war bei dem Gespräch dabei. Das betrifft aber nur die Familie. Wenn du einer Fremden gegenüber den rebellischen Teenager raushängen lässt —"

Sie lachte auf. "Sagt das Mädchen, das am liebsten acht geblieben wäre."

"Verklag mich doch! Ich fühle mich wohl in meinem präpubertären Mädchenkörper. Ich muss nicht jedes Mal geil werden, wenn eines meiner Geschwister in die Nähe kommt."

Sie schmollte. "Nicht jedes Mal."

Ich würdigte sie keines Kommentars. Wenn es in den letzten Tagen eine Gelegenheit zum Sex gegeben hatte, die sie ausgelassen hatte, musste ich wohl die ganze Zeit gepennt haben. Und es war ja nicht so, dass ich es nicht auch genoss, von Brüdern und Schwestern verwöhnt zu werden oder sie zu verwöhnen.

Geilheit schön und gut, aber andauernd Sex —

"Also", sagte sie. "Machen wir es?"

"Ich würde schon gerne —"

"Aber?"

"Ihr solltet es auf keinen Fall auf eigene Faust machen", kam Ruths Stimme wie aus dem Nichts.

Ich zuckte zusammen. "Du kannst uns hören?"

Sie setzte sich neben mich ins Gras. "Nicht wirklich. Aber man muss kein Telepath sein, um mitzukriegen, dass ihr etwas ausheckt. Unsere Gedanken laufen parallel. Mein erster Gedanke vorhin war: Jemand muss mit Marga reden. Der zweite: Wär' doch eine interessante Aufgabe für meine dissoziativ persönliche Schwester. Der dritte: Daran haben die beiden wahrscheinlich auch schon gedacht. Und zuletzt: Die wollen das bestimmt allein durchziehen." Sie legte den Kopf schief. "Und? Liege ich richtig?"

"Warum nicht allein? Ich bin erwachsen."

Ruth legte den Kopf schief. "Wirklich? Tief im Inneren eher nicht. Euch beiden fehlen viele Jahre an Erfahrung. "

Ich holte Luft, doch sie hob die Hand. "Das sind Fakten und keine Herabsetzung. Bücher zu lesen kann das nicht ersetzen."

Kathi drängelte sich nach vorn. "Was schlägst du vor?"

Ruth lächelte verschmitzt. "Ich rede mit deinem großen Bruder. Er soll aus der Entfernung auf euch aufpassen, ohne einzugreifen, solange nichts Schlimmes passiert. Der Kerl ist schließlich Polizist. Der weiß, wie er jemanden beschattet."

"Aber ohne uns Vorschriften zu machen. Ich sehe ihn schon ankommen —"

"Nur keine Panik. Ihr habt eure Entführung sehr gut auch ohne Hilfe gemeistert. So schlimm wie das kann es sicher nicht werden."

Margarethe

"Hey, Garth, kümmerst du dich um den Amp?"

"Ich bin nicht dein Dienstmädchen — Detlev."

Er hieß genauso wenig Detlev wie ich Garth. Aber obwohl ich meinen Spitznamen ziemlich cool fand, konnte man ihn mit jeder Andeutung auf die Palme bringen, die ihm Homosexualität unterstellte.

In unserer Band war Domingo der bestgekleidete. Was in einer Punkband nicht viel hieß, doch er hätte sich niemals mit einem ungewollten Loch oder einer durchgescheuerten Stelle in seiner Designerjeans erwischen lassen.

Auch seine Sneakers waren brandneu. Und er wechselte bei jedem Konzert zweimal das T-Shirt. Zugegebenermaßen trugen solche Angewohnheiten des Leadsängers zur Bekanntheit einer Band bei. Bei unserem letzten Gig in Hamburg war das sogar einer Journalistin der Morgenpost aufgefallen.

Sie hatte eine begeisterte Rezension unseres Konzerts geschrieben, was allerdings auch daran gelegen haben mag, dass sie die Nacht mit den drei Jungs verbracht hatte.

"Ich bezahl dir ein Bier", sagte er. "Aber ich kann wirklich nicht —" Er breitete hilflos die Arme aus.

Ich winkte ab. "Ein Colafleck auf deinen Jeans, das wäre eine Katastrophe. Verzieh dich, ich mach das Ding sauber."

Ich wusste nicht, warum es Leute gab, die so ein chemisches Gesöff aus Zucker und schwarzer Farbe tranken. Und dann den Becher auf unserem Verstärker abstellten, wo ihn der nächste umwerfen konnte.

Die Box sollte eigentlich wasserdicht sein, doch sie war letztens heruntergefallen und hatte eine gewaltige Macke abgekriegt. Wir hätten uns spätestens vor dem heutigen Open-Air-Gig auf dem Gendarmenmarkt eine neue kaufen sollen, doch meine Bandkollegen waren chronisch knapp bei Kasse.

Ich hatte genug Geld, schon allein aus dem Grund, weil ich keine Miete zahlen musste, und mich auch nicht an den Alkoholexzessen meiner Kollegen beteiligte. Also war das Sümmchen, das von meiner Mutter monatlich auf meinem Konto ankam, mehr als genug zum Leben.

Manchmal überlegte ich mir, dass ich meine Brücken zu ihr nicht so endgültig hätte abbrechen sollen, doch sie hatte mich noch nie verstanden. Warum sollte sie es jetzt tun? Das letzte Mal, als wir miteinander geredet hatten, begann unmittelbar nach dem "Wie geht's?" das Therapiegespräch. Würg!

Manchmal überlegte ich mir, ob ich nicht meine Nummer wechseln sollte, damit sie nicht mehr versuchte, anzurufen. Auf das Geld, das sie schickte, war ich nicht wirklich angewiesen, doch es tat gut, unserer Band ab und zu einen Gefallen zu erweisen. Auch wenn die Kerle das nicht würdigen konnten.

Aber den Amp bezahlen, den Rico und Munch ruiniert hatten? Nein danke.

Die Cola hatte auch nicht zu viel Schaden angerichtet. Feucht abwischen, zwei Streifen Gafferband darüber, fertig. Ich machte einen Schritt rückwärts, um mir mein Werk anzuschauen und wäre beinahe über eine Kabelrolle gefallen. "Kreuzdonnerwetter! Welcher Hirni hat das hier liegen lassen."

"Nu mach mal halblang, Garth", meine Rico. "Du bist heute aber besonders übel drauf."

Ja, war ich. Ich funkelte ihn an. "Wenn du jetzt die Buchstaben PMS auch nur denkst, stoße ich dich von der Bühne."

Er riss die Augen auf, bückte sich nach dem Kabel und verschwand.

Das Schlimmste war, dass ich tatsächlich unter PMS litt. Oder etwas Ähnlichem. Dem Frust hauptsächlich, dass ich so ziemlich alle negativen Seiten des Frauseins in mir vereinte. Ich litt während meiner Tage ständig an Krämpfen im Unterleib. Das war so schlimm, dass ich tatsächlich den Mut aufgebracht und mit meiner Mutter darüber gesprochen hatte. Nur, außer Schmerzmedikamenten gab es nur ein probates Mittel: Sex. Orgasmen setzten scheinbar so viele Hormone frei, dass Frauen mit regelmäßigem Geschlechtsverkehr signifikant weniger darunter litten als solche, die enthaltsam lebten.

Tja. Sex. Kein Interesse. Nicht viel zumindest. Ich war keine Jungfrau mehr. Welche Zweiundzwanzigjährige war das noch? Doch ich hatte einfach nicht viel Spaß daran, mich mit einem Kerl zwischen den Laken zu wälzen. Oder einem Mädchen.

Doch das war momentan nicht wichtig. Das Konzert würde in einer Stunde beginnen, und bis dahin gab es noch viel zu tun. Ich warf noch einen kurzen Blick auf die sich langsam versammelnden Zuhörer. Unsere Band mit dem kreativen Namen "Drei plus Eine" war nur Vorgruppe für die Ärzte, doch wir waren in Berlin und Umgebung — und neuerdings auch in Hamburg — schon bekannt, und ich konnte ein paar Gesichter ausmachen, die bei jedem unserer Gigs auftauchten.

Doch dann fiel mein Blick auf jemand in größerer Entfernung: Eine Frau in einem kurzen weißen Kleid, die angestrengt herüberschaute, doch sich in dem Moment abwandte, als mein Blick auf sie fiel.

Wahrscheinlich nur eine zufällige Passantin, allein schon die Farbe ihres Kleides passte nun überhaupt nicht in unser normales Publikum. Aber irgendetwas — Ich schob den Gedanken beiseite und widmete mich meinen Aufgaben.

...

Unser Konzert war vorbei und unser Equipment stand gestapelt hinter der Bühne — wir würden es sowieso heute nicht mehr wegbringen können, denn der Gendarmenmarkt stand gerappelt voll mit Fans, die auf den Auftritt der Ärzte warteten.

Also hatte ich erst einmal nichts mehr zu tun. Ich schnappte meine Klamottentasche und lief dahin, wo meine Kerle herumstanden, Bier tranken und rauchten.

Und sich mit einer jungen Frau in einem kurzen weißen Kleid unterhielten. Meine Augenbrauen gingen hoch.

"Das war toll!", sagte sie gerade. "Sagen" war allerdings leicht untertrieben. Sie fuchtelte mit ihren Händen durch die Luft und schien sich vor Begeisterung nicht mehr einzukriegen. "Ich hatte ja keine Ahnung —" Sie sah mich und erstarrte. Ihr Blick war — seltsam.

Ich stiefelte näher und musterte sie von oben herab. Plateausohlen haben so eine Wirkung. "Hallo, Kleine", sagte ich. "Wie kommst du denn hierher?" Sie trug nämlich keinen Backstage-Pass.

"Ich — ich bin vorhin zufällig hier vorbeigekommen. Ich habe euch spielen gehört und — Wow! Das ist — so voller Energie! Dumm — dumm — däng-däng-däng." Sie spielte Luftgitarre und Drums gleichzeitig.

Ich musste lachen. "Es hat dir also gefallen."

Sie blickte mir ins Gesicht. Ihr Gesichtsausdruck war voller Begeisterung und Liebe. Was?

"Es war einfach überwältigend. Und du —" Ihr Blick glitt über meinen Körper. "So voller Selbstvertrauen und Kraft."

Ich? "Kraft" vielleicht, wenn man nach meinen Muskeln ging. Doch "Selbstvertrauen". Ich war ein Ausbund an Selbstzweifel und Selbsthass. "Die Kerle haben dich hoffentlich noch nicht für die Nacht mit Beschlag belegt?" Moment mal, was war das?

Sie lachte auf. "Sie haben's versucht. Aber — Nein. Ich bin frei. Soll das heißen, du willst —"

Seltsamerweise ja. "Ich muss mich umziehen", sagte ich. "Da hinten gibt es ein veganes Restaurant. Wir können zusammen essen?"

"Cool! Klar."

Kathi

Meine Schwester sah beeindruckend aus. Sie trug schwarze Stiefel mit himmelhohen Plateausohlen und lief darauf, als wären sie ein Teil von ihr.

Sie hatte hüftlanges schwarzes Haar mit Strähnen in rot, blau und grün. Sie trug einen langen roten Mantel aus Latex über einem schwarzen Body aus Leder, mit einem Korsett, das ihre Taille einschnürte und ihre Brüste betonte.

Brüste, wie ich sie momentan überhaupt nicht besaß.

Ich hatte Karina gefragt, wie wir uns denn anziehen sollten.

"Am liebsten würde ich ja als kleines Mädchen gehen", gab sie zurück. "Aber ich sehe ein, dass ich damit bei einem Punkkonzert unter die Räder kommen würde. Aber können wir wenigstens diese —"

Meine Hände bewegten sich nach oben und legten sich unter meine Brüste. Ich hatte eine sehr befriedigende Nacht mit meinen drei Brüdern hinter mir, und meine Oberweite entsprach dem, worauf ihre Unterbewusstseine sich hatten einigen können. Und das ging eher in Richtung Matt als Thomas.

"Klar. Ich kann sie kleiner machen."

"Und — Ganz ohne?"

Ich stellte mich vor den großen Spiegel in der Kleiderkammer und fuhr meine Oberweite herunter. "Äh —"

"Es gefällt dir nicht!" Karinas Stimme war fast panisch.

"Naja. Es ist nicht so schlimm, wie ich dachte." Ich drehte mich nach links und rechts, machte meinen Hintern etwas kleiner. "Ich fürchte nur, hier gibt es nichts, was mir jetzt passt."

"Doch", sagte sie, "ich denke schon." Sie lief ganz ans Ende der Kleiderstange und griff nach etwas weißem.

"Hu!", entfuhr es mir. "Das ist — überraschend sexy für deinen üblichen Geschmack." Es war ein weißes Minikleid mit Spaghettiträgern. Aus Latex. Hauteng geschnitten.

"Du weißt doch, wie unwohl ich mich immer mit normalem Stoff auf meiner Haut fühle."

"Da können wir aber nicht viel darunter anziehen. Normale Höschen würden auftragen. Aber Mini und kein Höschen wäre mir ein bisschen zu gewagt."

Letzten Endes einigten wir uns auf einen Tangaslip und die glitzernden, weißen Highheels vom ersten Tag. Und selbst ohne Brüste fand ich mich ganz okay.

Anfang September, und die Nacht in Berlin würde nicht unter zwanzig Grad fallen. In irgendwelchen Strümpfen würde ich wohl eingehen.

Marga, die bei den Kerlen, warum auch immer, "Garth" hieß, trug Strümpfe — aus schwarzem Latex, und mit Strumpfhaltern an ihrem Korsett festgemacht. Sie hatte auch eine Menge Metall in ihrem Gesicht, und ich fragte mich, wie sich das wohl an meiner Zunge anfühlen würde.

Ihre Musik — Im ersten Moment hatte ich nur grässliche Geräusche gehört und Karina hatte in meinem Kopf panikerfüllt aufgeschrien. Doch dann hatte ich mich auf Marga konzentriert, hatte mehr gefühlt als gehört, wie sie mit ihrer Bassgitarre einen Teppich aus tiefen Noten unter die Gitarre und den Gesang legte, ein Gerüst, an dem die beiden sich halten und aufrichten konnten, während das Schlagzeug mit Gewehrsalven dagegenhielt.

Die Texte waren eher nichtssagend, aber die Musik viel besser als ich sie nach meinen Recherchen über dieses Genre erwartet hätte.

Marga war die Seele dieser Band, das war mir sofort klar. Genau wie der Schmerz in ihrem Blick. Was war da geschehen?

Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr näherkommen sollte, also bezirzte ich einen der Securitykerle, mich zu den Männern von "Drei plus Eine" durchzulassen. Es war klar, was für eine Intention er mir unterstellte, doch das störte mich nicht.

Umso überraschter war ich, dass Marga mich sofort eingeladen hatte. Wir liefen am Rand des Gendarmenmarkts entlang, und ich hatte das Gefühl, dass ihr Blick immer wieder zu meinem Oberkörper abirrte.

"Sie ist geil auf uns", meinte Karina.

"Das Gefühl habe ich auch."

"Und sie steht auf 'kein Busen'."

"Das überrascht mich allerdings."

Wir erreichten das "vegane Restaurant", das eher nach einer Studentenkneipe aussah, suchten uns einen Tisch und Marga — ich sollte sie besser mit ihrem Bandnamen ansprechen — verschwand Richtung Damentoilette.