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Kairi

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Der Ordner handelte damit aber ganz offensichtlich nicht von Zufallszahlen. Als Tom ihn deshalb etwas durchblätterte stellte er fest, dass er viele Artikel enthielt, bei denen es sich ausschließlich um Sperma drehte. Damit ergab auch die Bezeichnung des Ordners einen ganz anderen Sinn. Nicht „Seedfunktionen und ihre Wirkung", sondern „Samen -- Funktion und Wirkung".

Jetzt verstand er. Kairi hatte ihm ja erzählt, dass sie sich lange mit der Frage beschäftigt hatte, ob sie für eine künstliche Vagina auf ihre Fruchtbarkeit verzichten sollte. Falls sie nicht ohnehin steril würde.

Und in diesem Ordner hatte sie dazu offenbar fein säuberlich alle Unterlagen zusammengestellt, die sie diesbezüglich für wichtig hielt. Um die Entscheidung rational und nicht nur aus dem Bauch treffen zu können. Wie typisch.

Dann hatte sie ihn wohl zwischen ihren Mathesachen versteckt, damit ihre Eltern ihn nicht fanden und eine Diskussion darüber anzettelten. Auch typisch. Er hatte ja am Donnerstag einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie hitzig Debatten zwischen ihr und ihren Eltern werden konnten.

Als er nun genauer hinschaute, stellte Tom fest, dass Kairi die Artikel tatsächlich alle akribisch durchgearbeitet hatte. Viele Stellen waren mit Textmarker markiert, manche auch unterstrichen oder mit einem Ausrufezeichen oder Kommentar versehen. Das hieß, er könnte dadurch sozusagen direkt in Kairis Kopf und in ihr Herz schauen und sehen, was sie bezüglich ihrer Sexualität dachte und fühlte.

Tom überlegte, ob er das tun solle? Eigentlich war es ja ihre Intimsphäre. Es war aber auch eine einmalige Gelegenheit, ihre nicht immer einfachen Gedanken besser zu verstehen. Wobei es eigentlich sogar reichte, wenn er sich nur die Stellen anschaute, die sie für sich als wichtig markiert hatte.

Verboten hatte sie ihm das ja eigentlich nicht, als er damals versucht hatte, in den Ordner hineinzuschauen. Sie hatte nur gesagt, der Inhalt sei nicht gut. Um das zu beurteilen, musste er die Artikel aber natürlich lesen. Außerdem schienen sie ja alle aus Zeitschriften und dem Internet zu stammen, waren also eigentlich nicht geheim.

Er begann daher mit der Registerkarte „Befruchtung" und schaute sich den ersten Artikel an. In dem ging es darum, ob Männer, die zu einer Frau wurden, noch Kinder bekommen konnten. Wie Kairi gesagt hatte, ging das bei den meisten durch die Hormontherapie wohl nicht mehr auf natürlichem Wege. Aber durch künstliche Befruchtung, wenn sie dafür eine Partnerin oder Leihmutter fanden.

Hier hatte Kairi zwei Sätze markiert. Dass solche Männer ihre Spermien vor der Hormontherapie einfrieren mussten, solange sie noch genug Fruchtbare hatten. Und dass das sehr teuer sei, aber nicht von der Krankenkasse bezahlt würde. Hinter diesen Satz hatte sie sogar ein Ausrufezeichen gemacht mit dem Kommentar „? Jahre", was wohl „wie viele Jahre" heißen sollte. Sicher hatte sie überlegt, wo sie so viel Geld herbekommen sollte? Falls sie Kinder wollte und Gefahr lief steril zu werden, wäre es für Kairi sicherlich ein Problem gewesen, kein Geld zu haben, um ihre Spermien rechtzeitig einfrieren zu lassen. Zum Glück hatte sich das ja erledigt, was bestimmt zum Teil ihre Freude darüber erklärte.

Unter dem Reiter „Hormone" waren dann Artikel, die sich vor allem mit den Wirkungen der Hormone beschäftigten, die im Sperma enthalten waren. Und zwar bei dem Partner, der es empfing. Tom hatte gar nicht gewusst, dass es die im Sperma überhaupt gab. Geschweige denn, wie viele es waren und alle im Spermaempfänger etwas bewirkten. Aber Kairi hatte über alle Hormone Artikel mit entsprechenden Analysen zusammengetragen.

Danach sorgte Dopamin im Sperma über die Aktivierung des Belohnungssystems dafür, dass der aufnehmende Partner sich nach dem Sex glücklicher fühlte, was sie mit einem Ausrufezeichen versehen hatte. Das hatte sie auch an das Kuschelhormon Oxytocin gemacht, das Vertrauen und Zuneigung nach dem Sex steigert. Und auch an Östrogen und Testosteron, die euphorisierend und luststeigernd wirken. Nach den Artikeln war aber auch Melatonin im Sperma, das normalerweise beruhigend und einschläfernd wirkte, was Kairi ebenfalls unterstrichen hatte.

Tom hatte gar nicht gewusst, wie stark Sperma den Partner auf diese Weise unbewusst manipulieren konnte.

Nur markiert, aber ohne Ausrufezeichen hatte Kairi dagegen, dass das ebenfalls im Sperma enthaltene Prostaglandin Wehen auslösen konnte. Das hielt sie also für nicht so wichtig, was ja nachvollziehbar war.

Unter der Registerkarte „chemisch" ging es dann nicht mehr um Hormone, sondern andere chemische Substanzen im Sperma. Zum Beispiel Spermidin, das die Alterung verzögern und wohl Alzheimer und Parkinson verzögern konnte. Oder bestimmte Proteine, die den Eisprung auslösen konnten und Vitamine, die gesundheitsfördernd waren.

In einigen Artikeln wurden sogar antibakterielle Effekte von Sperma beschrieben. Aber nichts von alledem schien Kairi so wichtig gewesen zu sein, dass es ein Ausrufezeichen oder einen Kommentar wert gewesen wäre, weshalb er die Artikel auch nur überflog.

In dem einzigen Artikel, in dem sie unter dem Reiter „Chemie" zumindest etwas unterstrichen hatte, ging es darum, dass homosexuelle Männer beim Analverkehr nachweislich eigene Immunität gegen bestimmte Krankheiten auf den Partner übertragen konnten, weil wohl Antikörper ausgetauscht wurden.

Unterstrichen hatte sie jedoch nicht dieses Forschungsergebnis, sondern die Feststellung, dass dieser Effekt bislang nur bei homosexuellen Männern und nicht bei heterosexuellen Paaren beobachtet werden konnte, weil Sperma vom darauf spezialisierten Anus viel schneller und vollständiger absorbiert wird als von der Vagina. Was ja irgendwie auch logisch war, denn der war dafür ja gedacht und die Vagina nur als Weg zum Ei. Und auch Schlucken ging nicht, weil es dann von der Magensäure zerlegt wurde, bevor es vom Körper aufgenommen werden konnte.

Daneben hatte Kairi „generell!" geschrieben, wohl um festzuhalten, dass das dann sicher für alle Substanzen im Sperma galt, also auch die Hormone und sonstigen Stoffe. Was logisch schien und hieß, dass in den Po injiziertes Sperma zwar natürlich nicht befruchten kann, dafür aber seine vielen anderen Wirkungen besonders stark entfaltet, weil es vollkommen pur und unverfälscht in den Körper gelangt. Wie ein superpotentes Zäpfchen.

Tom ging nun zum Reiter „Mikro-Chimärismus" über, wobei ihm das Wort allerdings überhaupt nichts sagte. Zum Glück erklärte bereits der erste Artikel, dass es so bezeichnet wurde, wenn ein Körper fremde DNA aufnahm. Und zwar richtig in die Zellen, nicht nur im Magen oder im Blut. Und auch geschlechterübergreifend. Tatsächlich war das wohl in der Natur durchaus kein ungewöhnlicher Vorgang. So nehmen laut des Artikels Frauen häufig die DNA ihrer Babys in bestimmte Organe auf, selbst wenn es Jungs sind. Das hieß, sie hatten dort dann neben ihrer eigenen auch Männer-DNA. Und sie geben auch ihre eigene DNA an ihre Kinder weiter, die damit ihre eigene und die der Mutter haben.

In dem Artikel ging es allerdings darum, dass Forscher auch männliche DNA in Frauen gefunden hatten, die nicht von ihren Kindern oder ihren Eltern stammte. Vor allem im Gehirn. Kairi hatte zwei Überschriften von Artikeln zu diesem Thema nicht nur mit einem Ausrufezeichen versehen, sondern sogar eingekringelt: „Frauen absorbieren die DNA von allen Männern, mit denen sie Sex hatten" und „WEGEN SPERMA! DESHALB GEHT EUCH EUER EX NICHT AUS DEM KOPF". Dass man sich über Sperma für immer eindeutig und nachweisbar in seinem Partner verewigen könnte, schien Kairi also besonders zu interessieren.

Allerdings war gemäß den Artikeln noch unklar, warum die Natur das so eingerichtet haben sollte? Einige Forscher mutmaßten jedoch, dass der Körper durch die fremde DNA zusätzliche Eigenschaften bekommen könnte, über die er selbst nicht verfügte und damit seine Überlebenschancen erhöhte.

Unter dem Reiter „Erklärung" hatte Kairi dann Artikel gesammelt, in denen Wissenschaftler zu erklären versuchten, warum Sperma überhaupt so viele Effekte jenseits der reinen Befruchtung hatte? Was ja wirklich eine interessante Frage war.

Wie Tom sah, gab es dazu durchaus verschiedene Meinungen. Die Quintessenz von ihnen schien jedoch zu sein, dass ein Mann über das Sperma die einmalige Chance hat, einer Frau etwas tief in ihren Körper zu injizieren, ohne dass sie sich dagegen wehrt. Meist wollte sie es ja sogar.

Und diese besondere Gelegenheit nutzt die Natur, um über das Sperma ihre Körperchemie und ihre Psyche so zu beeinflussen, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines gemeinsamen Kindes und damit der Erfolg der Paarung erhöht.

Die Frau war gemäß dieser Theorie durch diese Substanzen nach ihrer Besamung entspannt und gelöst, kuschelte sich glücklich und vertrauensvoll an ihren Begatter und schlief vielleicht sogar ein, was den Spermien ihren Weg erleichterte. Das erhöhte nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Befruchtung, sondern auch die, dass sie sich später noch einmal von ihm begatten ließ. Nicht nur, weil sie einen Orgasmus gehabt hatte, sondern weil sie sich auch danach so gut fühlte.

Der Mann manipulierte die Frau also mit seinem Sperma zu seinen Gunsten, wie Männchen anderer Arten es z.B. mit Pheromonen machten. Tom fand das nicht unlogisch, denn er hatte im Bio-Unterricht gelernt, dass zum Beispiel Eber die Sauen über ihren Geruch immer in eine Bewegungsstarre versetzten, gegen die sie sich nicht wehren konnten, um sie in aller Ruhe zu besamen. Was bei denen ja eine halbe Stunde dauern konnte, in denen sie ihn widerstandslos gewähren ließen. Und dass es bei Pferden ähnlich war, nur nicht so lange.

Warum sollte die Natur dann diese ganzen Stoffe ins männliche Sperma packen, wenn sie dort überhaupt keinen Effekt hätten? Das wäre doch Verschwendung.

Kairi schien das ähnlich zu sehen, denn sie hatte in diesen Artikeln wieder viel unterstrichen. Vor allem den Wunsch nach Wiederholung des Sexes und die Stärkung der emotionalen Bindung hatte sie sogar mit jeweils zwei Ausrufezeichen versehen. Sperma als Mittel zur Beziehungspflege schien ihr also wichtig.

Der Begriff „Telegonie" auf der nächsten Registerkarte sagte Tom dagegen wieder gar nichts. Bei Kairi war es wohl zunächst genauso gewesen, denn der erste Artikel dahinter beschäftigte sich vor allem mit dem Begriff selbst. Danach ist Telegonie eine Theorie, die auf Aristoteles zurückgeht und bis ins 19. Jahrhundert sehr populär war. Nach ihr beeinflussen frühe Sexpartner eines Weibchens über ihr Sperma auch den Phänotyp von Kindern, die sie später mit anderen Partnern hat.

Vor allem im 19 Jahrhundert gab es viele Versuche, mit denen diese Theorie bewiesen werden sollte. Zum Beispiel eine Fuchsstute, die zuerst von einem Zebra gedeckt worden war und danach auch mit normalen Deckhengsten nur noch gestreifte Fohlen warf. Oder Sauen, die mit Wildebern gepaart wurden und deren Ferkel danach auch nach Wildebern aussahen, wenn ihr Vater ein Hausschwein war. Sogar Charles Darwin hatte in seinen berühmten Büchern über diese Fälle geschrieben.

Die Theorie verschwand dann allerdings mit dem Aufkommen der mendelschen Vererbungslehre so ziemlich in der Schublade. Trotzdem lassen wohl noch heute manche Tierzüchter ihre reinrassigen Weibchen nur von reinrassigen Männchen decken, nicht von Mischlingen.

Aber warum hatte Kairi dann extra eine Registerkarte dafür gemacht, in der sogar ziemlich viele Artikel waren?

Tom schaute sich den nächsten Artikel an, der sie, nach den vielen Markierungen, Ausrufezeichen, Kommentaren und Unterstreichungen zu urteilen, eindeutig besonders beschäftigt hatte.

Er war von Forschern der australischen University auf New South Wales und hieß „Revisiting telegony: offspring inherit an acquired characteristic of their mother´s previous mate." Offenbar hatten die Forscher also doch Belege für Telegonie gefunden. Das klang interessant und Tom begann zu lesen.

Nach dem was da stand, hatten sie in einer umfangreichen Studie noch nicht geschlechtsreife Fliegenweibchen zunächst gezielt mit großen oder kleinen Männchen gepaart, was natürlich zu keinem Nachwuchs führte.

Sobald die Weibchen geschlechtsreif wurden, paarten sie sie dann wieder gezielt mit großen oder kleinen Männchen, wobei die Weibchen stets Nachwuchs bekamen, der groß oder klein wie ihr Erstbesamer war, nicht wie der spätere leibliche Vater. Egal wie die Forscher es kombinierten.

Hatte ein kleines Weibchen ihren ersten kinderlosen Sex mit einem großen Männchen, waren auch ihre späteren Nachkommen mittelgroß bis groß, selbst wenn der leibliche Vater klein war. Und umgekehrt. Das klappte aber nur, wenn die nicht geschlechtsreifen Weibchen beim ersten Mal auch tatsächlich besamt worden waren, nicht wenn sie nur so mit den Männchen zusammen waren. Andere Ursachen als das Sperma schlossen die Forscher daher aus.

Sie vermuteten deshalb, dass diese Erstbesamer den noch jungfräulichen Körper der Weibchen über ihr Sperma irgendwie genetisch „umbauten", so dass die ihre Eigenschaften auch später noch an Kinder von anderen Männchen weitergeben konnten. Sie „prägten" sie mit ihrem Samen sozusagen für die Zukunft. Als Grund für dieses Phänomen vermuteten die Forscher eine von der Natur gewollte Anpassung des Nachwuchses an Umweltbedingungen. So waren zum Beispiel Kinder im Vorteil, die groß wurden wie der wohlgenährte, große Erstbesamer ihrer Mutter, wenn genug Nahrung vorhanden war. Auch wenn sie nur einen kleinen Vater hatten.

In dem Artikel hatte Kairi sogar einen Satz mit ganz vielen Ausrufezeichen versehen: „a male can leave a mark on his mate´s body, causing the female´s subsequent offspring to resemble their first mate, despite being sired by another male." Die Worte "first mate" und "mark" hatte sie sogar unterstrichen. Falls die Theorie stimmte, war es also entscheidend, der Erste zu sein, wenn man das Weibchen prägen wollte.

Direkt hinter diesem Artikel war auch einer vom SPIEGEL, in dem die australischen Forscher zu ihren Ergebnissen befragt wurden. In dem hatte Kairi zwei Stellen unterstrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. Die eine war: „Genetiker haben eine Vielzahl von Theorien schlechtgemacht, die unvereinbar mit den mendelschen Regeln der Vererbungslehre erschienen, weil lange angenommen wurde, dass nur ein einziger Mechanismus die Vererbung bestimmt. Heute wissen wir aber, dass verschiedene Vererbungsmechanismen parallel wirken." Die andere: „Das Potenzial für Telegonie existiert in jeder Art, die sich mehrfach verpaart."

Ganz sicher schien Kairi allerdings noch nicht zu sein, ob sich Erbgut und Fortpflanzung eines Lebewesens von außen tatsächlich so steuern ließen. Wohl deshalb hatte sie unter dem Reiter auch einige Artikel über Epigenetik abgelegt.

Die kannte Tom aus dem Bio-Unterricht und wusste daher, dass es bei Epigenetik nicht um die Gene selbst ging, sondern darum, wie äußere Einflüsse veränderten, welche von ihnen aktiviert oder deaktiviert und wie sie ausgelesen wurden. Was ja tatsächlich erheblichen Einfluss auf den Körper selbst und sein Erbgut hatte. Und viel leichter und schneller manipulierbar war. Der Lehrer hatte dazu damals das Beispiel von Grünem Tee gebracht, der wohl ein bestimmtes Anti-Krebs-Gen aktivierte, weshalb Japaner weniger Krebs hatten als andere.

Der erste von Kairis Artikeln dazu stammte vom Max-Planck-Institut und hieß „Epigenetik zwischen den Generationen". Die Forscher hatten wohl ähnlich Forschungen wie die Australier gemacht und waren zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen. Eine Passage hatte sie dabei besonders hervorgehoben: „Wissenschaftler nahmen an, dass das epigenetische Gedächtnis, das während des gesamten Lebens angehäuft wurde, bei der Entwicklung von Spermien und Eizellen vollständig gelöscht wird. Erst vor kurzem wiesen mehrere Studien nach, dass epigenetische Markierungen tatsächlich an folgende Generationen weitervererbt werden." Das „wiesen mehrere Studien nach" hatte sie sogar doppelt unterstrichen.

Dann folgten ein paar Artikel mit Beispielstudien. In einem hatten Forscher nachgewiesen, dass Eltern, die eine Hungersnot erlebten und deren Körper sich deshalb umstellte, diese Veränderung über Generationen an ihre Nachkommen weitergaben. Die Kinder, Enkel und Urenkel aßen ebenfalls anders und hatten einen anderen Stoffwechsel. Der Effekt der Hungersnot wurde quasi vererbt.

In einer anderen Studie hatten Forscher Mäusen immer wieder Angst gemacht und dann geschaut, was das für ihre Kinder hieß. Hier hatte Kairi ebenfalls eine Aussage mit vielen Ausrufezeichen markiert: „Wir haben aus dem Sperma von traumatisierten Mäusen RNA extrahiert und in befruchtete Eizellen injiziert. Die Nachkommen entwickelten Symptome eines Traumas, ohne je einem solchen ausgesetzt gewesen zu sein. Die Sperma-RNA selbst reicht aus, um die Symptome in Nachkommen auszulösen". Den letzten Satz hatte sie sogar wieder zweimal unterstrichen, um Sperma einen Kringel gemacht und daneben notiert „Epigenetik = Telegonie?" Eine Frage, die auch Tom sich gerade stellte.

Der letzte Artikel, der ihr wohl besonders wichtig war, handelte dann von Bienenlarven. Genauer gesagt davon, dass die Entscheidung, ob aus ihnen sterile Arbeitsbienen oder fruchtbare Königinnen werden, nur davon abhängt, wie lange sie von ihren Ammen deren selbstproduziertes Gelée royale eingeflößt bekommen. Weil dadurch in ihnen bestimmte Gene an- oder abgeschaltet werden. Allein die Ammen entscheiden also über ihr Drüsensekret, was aus Bienenlarven wird. Und nicht, was ihre Mutter und ihr Vater ihnen als Genom mitgegeben hatten.

Kairi hatte diese Aussage mehrfach unterstrichen, um das Wort Gelée royale lauter kleine Spermien gemalt und daneben „Sperma = Gelée royale!!!" geschrieben.

Offensichtlich nahm Kairi wohl an, wenn schon das Füttern mit dem Drüsensekret einer Amme das Genom und damit die fundamentalen Eigenschaften eines Lebewesens so entscheidend veränderten, sollte in den Körper injiziertes Sperma das auf jeden Fall ebenfalls können. Wie die Telegonie es vorschlug. Oder die Epigenetik.

Wenn Tom die Artikel und Kairis Anmerkungen richtig verstand, ging sie wohl fest davon aus, dass sie mit ihrem Sperma einen anderen Menschen prägen konnte. Sei es durch Telegonie oder durch Epigenetik.

Was auch für Tom zumindest nicht unlogisch klang. Die Natur hatte dem Sperma schließlich schon die nachgewiesenen kurzfristigen Wirkungen über Hormone und Chemie mitgegeben. Warum sollte sie dann nicht auch die Möglichkeiten der Epigenetik nutzen, um Weibchen langfristig auf ihr Männchen zu „programmieren"? Das wäre doch sehr effektiv. Wenn getrunkener Grüner Tee das kann, der ja erst durch den Magen musste, sollte in die Vagina und erst recht in den Po injiziertes Sperma es doch schon lange können. Anders als Tee war es doch extra dazu da, menschliche Gene zu manipulieren. Und erreichte den Körper vollkommen unverfälscht.

Er musste sofort daran denken, dass er mal gelesen hatte, dass früher auch Adelige bei ihren Leibeigenen nach deren Heirat das „Recht der ersten Nacht" für sich in Anspruch genommen hatten. Also das Recht, der Erstbesamer der Frau zu sein. Wenn das alles auch für Menschen galt, wäre das ja so, als wollten sie diese Frauen und deren Nachkommen wie mit einem genetischen Stempel für die alle Zukunft als ihren Besitz markieren.

Was ihn zu dem Gedanken brachte, dass es Kairi vorhin ebenfalls wichtig gewesen war, die Erste gewesen zu sein, die ihn besamt hatte. Sie hatte ja sogar extra danach gefragt, obwohl das bei ihm doch eigentlich wirklich überflüssig gewesen wäre. Und wie zufrieden sie geschaut hatte, als er es bestätigte.

Tom schaute sich jetzt wieder Kairis handgeschriebene Tabelle vorne im Ordner an und verstand nun, dass sie darin diese verschiedenen Effekte von Sperma nach ihrer Bedeutung für sich sortiert hatte. Als Entscheidungshilfe, ob sie für eine Vagina darauf verzichten wollte, oder nicht.