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Tröstung andersherum.
12.3k Wörter
3.84
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Zur Übersicht für die geneigte Leserin und den geneigten Leser -- es gibt ja deren einige, denen meine Geschichten gefallen -- hier noch einmal eine chronologische Übersicht meiner bisherigen Geschichten:

VOREHELICHES

[Der Unterschied]

[Die Grundbegriffe]

Das Obligatorische

[Über einen starken Typ]

[Ferienspaß I]

PennälerInnenfeten

Lernen fürs Abitur

[Ferienspaß II]

Erstes "Eheleben"

ERSTE EHE NEBST NEBENBESCHÄFTIGUNGEN

Auf Schlingerkurs in den Hafen (mit Ferienspaß III)

Der weltberühmte Pianist hat heute nicht seinen besten Tag

Auf der Durchreise

Der Wanderclub

Die Ernennung

[Hinter unverschlossenen Türen]

Vetternwirtschaft

Vom anderen Ufer

An der Ostsee hellem Strande ...

Wenn der Herr außer Haus ist, tanzt das Mäuslein im Bette

Die Sportskanone

Rameaus Geburtshaus

Die Rettung aus der Gosse

Die Tröstung

NACH DER SCHEIDUNG: FREI FLOATEND

Gartenarbeit

Das Cembalo

Urlaub mit Mama

Als Scheidungswitwe -- Ehevermittlung die erste

Nachgeholte Schülerliebe -- oder Ehevermittlung die zweite

Heldenzeugen

Die Viererbande

Nachhutgefecht

AUSFLUG INS HORIZONTALE GEWERBE

Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt

Der Rußlandheimkehrer

Fast, aber nur fast

Der Ausstieg

Der Segeltörn

WEITER WIEDER ALS "NORMALE" SCHEIDUNGSWITWE

Spanische Tage und Nächte und ein Abend in Frankfurt

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Die mit [] markierten Texte sind nicht in Literotica zu finden, denn sie handeln von Jugenderlebnissen, bei denen einige der handelnden Personen noch keine achtzehn Jahre alt sind, oder sie sind kürzer als 750 Wörter. Wer auch diese Texte lesen möchte, melde ich bei mir, möglichst per E-Mail.

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Ich muß mich entschuldigen, daß wieder einmal eine Tagungs-Geschichte kommt. Aber es ist ja so bei Tagungen: Nach interessanten -- auch uninteressanten -- wissenschaftlichen Vorträgen, überstandenen Referaten, nach Ausflügen und weinseligen Empfängen sind die Sinne offen für neue Kontakte -- nicht nur wissenschaftliche. Und so gibt es durchaus das Pendant des allbekannten Kurschattens; allerdings, von einem "Tagungsschatten" redet niemand.

Wir wollten uns mit Siggi auf der deutschen Altphilologen-Tagung in Darmstadt treffen. Aber leider mußte er wenige Tage vorher wegen einer schweren Grippe absagen. Er sandte mir sein angemeldetes Referat zum Verlesen, und Herta lud mich am Telephon ein, doch nach der Tagung bei ihnen vorbeizuschauen -- "von Darmstadt nach Marburg gehen direkte Züge, wenn du nicht mit dem Auto kommst -- ich such dir die Abfahrtszeiten raus und ruf dich dann noch mal an!" -- Schade! Zum Glück fand ich noch ein Zimmer in einem günstigen Hotel.

Ich selbst hatte aus Ärger über die Schulbehörde, von der ich den Eindruck hatte, als ob sie keine andere Sorge hätte als den altsprachlichen, insbesondere den Griechischunterricht immer mehr zurückzufahren, ein Referat angemeldet, in dem ich vorschlug, wenn schon nur noch eine alte Sprache unterrichtet würde, dann sollte man Latein und nicht Griechisch streichen. Diesen -- wie mir klar war: unrealistischen -- Vorschlag untermauerte ich mit Ausführungen über den allbekannten hohen künstlerischen Rang der griechischen Literatur und der gar nicht so schwer erlernbaren griechischen Sprache. Auch zitierte ich einen bekannten Literaturwissenschaftler, der über Iulius Caesar, dessen "Bellum Gallicum" immer noch als erstes "literarisches" Werk im Lateinunterrich gelesen wird, sagte: "Dieser öde Kriegsschriftsteller!" Wie wahr! Ich hatte einen kleinen Bammel, wie die Fachkollegen meinen mit vielen ironischen Seitenhieben gespickten Vortrag aufnehmen würden, und hatte wenig von der Tagung, da mein Vortrag am letzten Tag angesetzt war.

Nach dem Vortrag brach ein Sturm der Entrüstung los. Hielten die Lateinlehrer meine Vorschläge wirklich für realistisch, und hatten sie wirklich Angst, arbeitslos zu werden? Nur ansatzweise entstand eine Diskussion auch zur Sache:

"Auf dem Lateinischen basiert doch unsere ganze europäische Kultur!"

"Auf dem Griechischen ebenso."

"Und wer soll ohne Latein die ganzen Urkunden lesen?"

"Sie meinten wahrscheinlich ,alle Urkunden`. -- Um die Urkunden und überhaupt das mittelalterliche Latein kümmern sich die Schul-Lehrpläne doch sowieso nicht. Und auf der Uni kann man dann ja Latein lernen."

Mit der Standard-Korrektur "alle" statt "die ganzen" habe ich mich natürlich auch nicht beliebter gemacht. Jedenfalls wurde ich auf dem abendlichen Schlußempfang regelrecht geschnitten, nur einmal wurde ich gefragt: "Ist Ihr Marburger Kollege diesmal nicht mit dabei?"

"Der ist leider krank und mußte absagen."

"Schade! Grüßen Sie Herrn Kroll von mir, Herbert Langner aus Freiburg."

Daraus konnte ich entnehmen: a) Siggi und ich waren als Paar registriert worden; b) ich allein galt als schräge Zicke, die das Deutsch gestandener Kollegen korrigiert; c) Siggi war bekannt und offenbar auch beliebt.

Während ich mit einem Weinglas in der Hand durch den Saal ging und Ausschau hielt, zu welchem Gesprächsgrüppchen ich mich stellen könnte, hörte ich hinter mir Gesprächsfetzen, die ich mir so zusammenfügte: "Der Knaack ihr Freund aus Marburg ist diesmal nicht hier -- die hat in Salamanca doch allen Ernstes vorgeschlagen, erotische Texte auf der Schule zu lesen -- und jetzt will sie das Latein abschaffen -- die braucht wohl mal wieder einen drinne, der es ihr ordentlich besorgt -- der Kroll aus Marburg fällt ja diesmal aus, ha, ha! -- knackig ist die Tante ja für ihr Alter --"

Mir kamen die Tränen, ich fand kein Grüppchen, das mich gelockt hätte, ich verzichtete auf den Tanz, der noch angesagt war -- wer von den Kollegen, die mich auffordern würden, tat das, um derjenige zu sein, der es mir "drinne" besorgt -- mir hing diese ganze deutsche Kollegen-Mischpoche zum Hals raus -- wenn ich mich nur an Siggis lustige englische Kollegen erinnerte, die sich für unanständiges Benehmen wenigstens nett entschuldigten --, und ich ging zu meinem Hotel.

Als ich auf dem Gang mein Zimmer aufschloß, kam auch gerade mein Zimmernachbar, ein gleichaltriger Herr, oder auch ein wenig älter als ich. Ich hatte ihn in den vergangenen Tagen schon einige Male getroffen, und bei der ersten Begegnung stellte er sich formvollendet vor:

"Darf ich mich vorstellen: Wilhelm Keiser mit e-i aus Hamburg."

"Auch aus Hamburg! Melanie Knaack -- sind Sie auch wegen der Altphilologentagung hier?"

"Nein, ich bin Apotheker -- hier läuft auch ein Pharmazistenkongreß. -- Wenn Sie mal was brauchen -- einige Standardmittelchen habe ich dabei -- klopfen Sie bei mir oder lassen Sie einen Zettel für mich an der Rezeption!"

"Danke, Herr Keiser -- im Moment brauch ich zum Glück nichts -- guten Abend!"

Dieser Herr Keiser kam also gerade und sah gleich, daß mit mir etwas nicht stimmte.

"Ist Ihnen nicht gut, Frau Knaack?", fragte er.

"Doch, Herr Keiser, ich bin nur etwas müde -- guten Abend!"

"Guten Abend --?"

Und wir gingen in unsere Zimmer.

Hier mußte ich richtig losheulen -- diese unzüchtigen Reden -- die mußten doch gemerkt haben, daß ich noch in Hörweite war -- der Tanzabend vermasselt, auf den ich mich eigentlich gefreut hatte -- ein netter Kollege aus München, der beim vorjährigen Kongreß oft mit mit getanzt hatte, hatte mich heute nicht einmal gegrüßt, als ich den Saal verließ -- da klopfte es an der Tür.

Ich wischte mir die Tränen ab und öffnete, weil ich dachte, das wäre der Kellner mit dem Viertele Kaiserstühler, das ich bei der Rezeption bestellt hatte -- aber nein, so schnell geht das nicht in manchen Hotels: Es war Herr Keiser von nebenan, der mit freundlicher Stimme fragte:

"Was ist denn so schrecklich, Frau Knaack, wenn ich fragen darf? Warum sind Sie so traurig? Heute war doch Ihr Schlußempfang -- darf ich kurz reinkommen -- hier auf dem Flur --"

"Ja, kommen Sie, mir ist wirklich nicht so gut, ich hatte heute solchen Ärger mit meinen Kollegen -- bringen Sie sich nicht noch ein Glas von drüben, ich hab ein Viertele bestellt."

"Dann muß ja gleich der Kellner kommen, dann bestell ich auch für mich. -- Wollen Sie nicht sagen, was Sie bedrückt?"

Noch schluchzend erzählte ich:

"Ich hab heute einen Vortrag auf dem Kongreß gehalten, da hab ich gefordert, wenn schon alles abgeschafft wird, dann nicht Griechisch, sondern Latein -- und das haben meine idiotischen Kollegen für ernst genommen statt für eine Provokation zum Nachdenken -- ich wurde nur beschimpft, und auf dem Empfang hat man noch Zoten über mich gemacht --"

Hier wurden wir von dem Kellner unterbrochen, der meinen Wein brachte und Herrn Keisers Bestellung entgegennahm -- "und, Frau Knaack, darf ich Sie zum Abendessen einladen, die haben hier eine gute Küche!"

"Ich weiß, mir ist aber nicht danach, unter Menschen zu gehen -- hier wohnen noch mehrere meiner Kollegen --"

"Dann -- Frau Knaack -- darf ich Sie zum Abendessen in mein Zimmer nebenan einladen -- da hab ich einen schönen Tisch -- wir bestellen etwas Leichtes und köpfen den Sekt aus unseren Minibars."

"Danke, Herr Keiser, aber mir ist wirklich nicht sehr nach Gesellschaft --"

"Ein gutes Essen richtet Sie bestimmt innerlich wieder auf -- kommen Sie, geben Sie sich einen Ruck --"

"Na gut -- was empfehlen Sie denn?"

"Zigeunerschnitzel -- das machen die hier ganz wunderbar!"

"Das soll was Leichtes sein?"

"Wir können ja eine kleine Portion bestellen."

"Okay!"

"Also: zwei kleine Zigeunerschnitzel und noch einen halben Liter offenen trockenen --"

"Höchstens halbtrocken", warf ich ein.

"Oder lieber gleich lieblich, Frau Knaack?"

"Das wäre mir lieber."

"Also lieblichen Weißwein -- das Ganze ins Zimmer nebenan!"

"Sehr wohl, meine Herrschaften."

"Sie sind es wohl gewohnt zu kommandieren?", setzte Herr Keiser das Gespräch fort.

"Das muß man manchmal als Lehrerin -- aber entschuldigen Sie meine Unterbrechung, aber die deutsche Vorliebe für trockene Weine teile ich nicht."

"Natürlich ganz, wie Sie wünschen -- ich hätte Sie vor der Bestellung fragen sollen -- entschuldigen Sie."

"Wir entschuldigen uns schon laufend wie alte Bekannte", sagte ich lächelnd.

"Wie schön, daß Sie wieder lachen, Frau Knaack -- wollen Sie noch über Ihren Empfang sprechen oder lieber alles vergessen?"

"Beides! -- Zum Wohl, Herr Keiser -- ach so, Ihr Wein ist ja noch nicht gekommen! -- Also zum Empfang -- dazu muß man wissen, daß ich mit einem Kollegen auf der internationalen Tagung im vorigen Jahr in einem Vortrag vorgeschlagen habe, im Schulunterricht auch erotische Texte zu lesen -- die Jungs und Mädchen wissen heute in der Abiturklasse mehr als unsereins ich weiß nicht wann -- das hatten sich die Knacker offenbar behalten und machten heute anzügliche Reden darauf."

"Wie gemein!"

"Ich bräuchte mal wieder einen, der --"

"Ich kann mir schon denken, wie das weitergeht -- sagen Sie mal, Frau Knaack, bei Ihnen waren doch Lehrer und Universitätswissenschaftler auf der Tagung --"

"ja --"

"-- und dann solche Reden. Bei meiner Tagung sind ja Ärzte und Pharmazisten, da hört man manches deftige Wort, zum Beispiel in der Morgenskaffeepause Empfehlungen aus der Nachterfahrung, aber bei Lehrern und Wissenschaftlern --?"

"Ach, wissen Sie, Herr Keiser -- der Mann als solcher -- der Mann in seiner biologischen Funktion -- also, ich glaub, da sind die Unterschiede nicht allzu groß. Aber es gibt natürlich Unterschiede in ,Büldung` und Erziehung: Die einen halten sich vor Frauen etwas zurück, die anderen benutzen vor Weibern extra unanständige Ausdrücke, und die dritten sind schon so hinüber, daß sie nicht mehr ganz wissen, was sie reden. Ich glaub, das war der Fall."

Es kam der Wein für Herrn Keiser -- "Nochmal prost -- und vielen Dank, daß Sie Ihre Zeit für mich opfern!"

"Das ist doch kein Opfer -- es freut mich, daß wir Zimmernachbarn uns kennengelernt haben, statt noch vor der Glotze zu sitzen oder in ein halbseidenes Nachtlokal zu gehen."

"Waren Sie hier mal in so einem?"

"Ja, aber das kann man einer Frau gar nicht erzählen."

Das Viertele Wein begann zu wirken, sonst hätte ich wohl nicht gesagt:

"Mir kann man alles erzählen, mir schon!"

"Vorgestern abend war ich in einer Oben-Ohne-Bar, die man mir empfohlen hatte, ein Bier trinken, aber es war ein mieser Schuppen, und hinten --"

"-- hinten war auch unten ohne --"

"Woher wissen sie -- kennen Sie das Lokal?"

"Sicher nicht -- aber so ist es doch in vielen Oben-Ohne-Bars -- manchmal aber nicht hinten, sondern oben."

"Ich hab dann gerade noch die Kurve gekriegt, bevor mich die fette Tanja vollends nach hinten schleppt, immerhin schleifte sie mich so weit, daß ich ein Zimmer inspizieren konnte -- das war wohl das teuerste Bier, das ich je getrunken hab, für den Preis hätt ich hier ein oder zwei Flaschen Schampus gekriegt."

"Und die Nacht war damit im A... -- entschuldigen Sie -- vielleicht etwas viel Wein auf den nüchternen Magen -- und zum Essen haben Sie noch mehr bestellt -- na, was das wohl wird."

"Ja, für die Nacht war ich bedient -- und wissen Sie, was ich dann gemacht hab?"

"Nein -- keine Ahnung -- Ihre Kollegen gewarnt?"

"Im Gegenteil: weiterempfohlen: knackige Bedienung (so war Natascha, aber maulfaul), sehr offenherzig und für alles aufgeschlossen (die fette Tanja), gediegenes Ambiente (Bett, Nachttisch, Kleiderhaken) -- na, und so weiter!"

"Sie sind ja ein kleines Teufelchen!"

"Es war mir danach, nach dem Reinfall."

Nach dem langen Warten auf den Wein kam der Kellner mit dem Essen unerwartet schnell; er klopfte bei mir und fragte:

"Darf ich drüben decken?"

"Ja, ja, wie ich gesagt hab!"

"Was haben Sie denn noch gesagt?", fragte ich, denn Herrn Keisers Stimme klang irgendwie geheimnisvoll.

"Nichts, gar nichts; Sie waren doch die ganze Zeit dabei, wie ich bestellt hab!"

Wir nahmen unsere noch nicht ausgetrunkenen Weingläser und begaben uns über den Flur ins Nachbarzimmer. Als der Kellner fertig gedeckt hatte, fragte er vorsichtig:

"Soll ich vielleicht die Verbindungstür zwischen Ihren Zimmern aufschließen, daß Sie leichter hin und her können?"

"Nein, danke, das ist nicht nötig", sagte Herr Keiser und ich praktisch gleichzeitig: "Ja, danke, geht das denn?"

Der Kellner schaute uns unentschlossen an und wußte nicht, welcher Aufforderung er nachkommen sollte, da sagte Herr Keiser:

"Ja, wenn Sie meinen, Frau Knaack, es ist ja wirklich einfacher -- ich hab zum Beispiel gerade meine Brille bei Ihnen liegengelassen -- wir werden uns schon anständig benehmen."

"Davon bin ich überzeugt!", sagte ich darauf.

Der Tisch war festlich gedeckt, das Essen war gut und reichlich, der Wein auch.

"Wo wohnen Sie eigentlich in Hamburg, Frau Knaack?"

"Im Nordosten, Richtung Volksdorf."

"Kenn ich -- ich wohn in Lokstedt -- als Kind dachte ich immer, da gäbe es besonders viel Lokomotiven."

"Ich auch -- mein Bruder hat mich mal auf den Güterbahnhof mitgenommen -- als er das naiv meinen Eltern erzählte, sind sie fürchterlich wütend geworden. Dabei war das gar nicht gefährlich, von unserem Versteck beim Rangieren zuzusehen."

"Haben Sie sonst noch Familie?"

"Zwei Brüder, und meine Mutter lebt noch."

"Nicht verheiratet?"

"Geschieden."

"Und Sie leben jetzt allein?"

"Halb."

"Wieso halb?"

"Sie sind ja ganz schön neugierig, Herr Keiser -- ich hab einen Freund, der mich manchmal besucht -- und Sie?"

"Meine Tugend bewacht meine eifersüchtige Rosi -- wir sind seit fast zwanzig Jahren verheiratet -- sie ruft vielleicht noch an."

"Dann sollte ich vielleicht bald gehen?"

"Nein, nein, Frau Knaack, erstens glaub ich nicht, daß sie heute noch anruft -- morgen komm ich ja nach Hause -- und außerdem machen wir doch nichts Verbotenes!"

"Haben Sie Kinder?"

"Das hat sich irgendwie nicht ergeben."

Nachdem wir fertig gespeist und wir auch den restlichen Wein ausgetrunken hatten, wollten wir als krönenden Abschluß noch die Piccolo-Sektflasche der Minibar köpfen. Entgegen unserer festen Überzeugung war in Herrn Keisers Minibar keine solche Flasche --

"Sie haben Sie wohl in einer der vorigen Nächte ausgetrunken, ohne es bemerkt zu haben!"

"Das wird des sein, Frau Knaack, ganz bestimmt war es so!", sagte Herr Keiser lachend.

"Gehen wir doch durch die Verbindungstür kurz zu mir; bei mir ist ganz bestimmt eine Piccolo im Kühlschrank, die hab ich selbst gesehen!"

"Wann denn?"

"Als ich das Zimmer bezogen hab."

"Dann haben Sie sie vielleicht auch ausgesoffen, ohne es gemerkt zu haben!", lachte Herr Keiser.

"Ausdrücke haben Sie einer Dame gegenüber -- ich wollte das auch von Ihnen sagen, hab dann aber ein anderes Wort gewählt."

Wir gingen lachend zu mir rüber -- und richtig: Die Piccolo stand in der Minibar, hinten versteckt sogar noch eine zweite.

"Sie haben meine irgendwann geklaut -- das wird's sein!"

Wir fanden auch Sektgläser und tranken erst die eine, dann die andere Piccolo leer und unterhielten uns weiter angeregt über unsere Berufe und unser Leben im Allgemeinen. Wir fanden, daß wir beide jetzt fern der Heimat wohnten, das heißt mindestens fünf Kilometer vom Stadtteil, in dem wir unsere Kindheit verbracht hatten. Herr Keiser war Geschäftsführer einer Apotheke in Hamburg, die ich der Lage nach kannte, aber in der ich noch nie gewesen war -- "bei der Apotheke gibt es ja praktisch keine Parkplätze!"

"Fußgehen oder Radfahren ist viel gesünder!"

Endlich kam doch der Zeitpunkt, an dem sich Herr Keiser höflich verabschiedete und sagte:

"Gute Nacht, Frau Knaack, ich geh dann zu mir rüber. Brauchen Sie noch was, ein Aspirin oder --?"

"Geh nicht weg, Willy -- laß mich diese Nacht nicht allein!"

"Aber ich --"

"Es war so ein schöner Abend mit dir -- du warst so lieb mich einzuladen -- wärmst du mich nicht auch weiter noch ein bißchen?"

"Beim Schlafen?"

"Oder willst du die ganze Nacht aufbleiben?"

"Aber ich bin doch --"

"-- verheiratet, das hast du mir erzählt. Wär das eine große Katastrophe für deine Ehe, wenn du eine Nacht -- ich meine ja nur --"; dabei hängte ich mich zart an seinen Arm.

"Nein -- das --"

"-- Das hast du wahrscheinlich das eine odere andere mal schon gemacht --"

"Ja, aber -- wir kennen uns doch erst seit ein paar Stunden -- ich weiß auch noch gar nicht, wie du heißt."

"Melanie, Melanie Knaack."

"Ach ja, das sagtest du einmal -- und du willst wirklich mit mir --"

"Bei dir schlafen -- mich bei dir geborgen fühlen -- ob sich noch was ergibt -- wir werden ja sehen."

Allmählich hellte sich Willys Miene auf in dem Maße, in dem er begriff, welch herrliche Aussichten ihm da winkten.

"Immer die alte Frage", sagte er lächelnd, "gehen wir zu dir oder zu mir? Ich schlage vor: zu mir, denn ich hab eine Badewanne und du, glaub ich, ,nur` eine Duschzelle."

"Du wirst mich doch nicht in der Badewanne schlafen lassen, du Sadist!"

"Natürlich nicht! Aber da könnten wir jetzt oder morgen früh ein Bad nehmen."

"Zusammen?"

"Ja, zusammen!"

"Ist das nicht eine enge Angelegenheit, mehr was für ganz junge Leute?"

"Es wird schon gehen-- wir sind doch junge Leute -- oder etwa nicht? -- Also: holst du deine Sachen rüber?"

"Ich mach mich bei mir etwas frisch und komm dann durch die Verbindungstür."

"Jetzt geht mir ein Licht auf: Du hast das von Anfang an geplant und daher den Kellner die Tür aufsperren lassen!"

"Nicht ganz -- ich hatte diese Idee eigentlich wohl nur im Unterbewußten."

"Also lass ich die Wanne vollaufen?"

"Ja, tu das!"

Ich duschte schnell bei mir, zog mir die schwarze Glitzer-Reizwäsche an, die ich auf alle Fälle mitgenommen hatte, falls Siggi doch noch kommen würde, und begab mich wieder in Willys Zimmer. Willy formte mit den Lippen ein "Wow!", sprach dieses damals allmählich aufkommende neudeutsche Wort aber nicht aus, sondern blieb erst einmal mit offenem Mund stehen und sagte dann: