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Männergespräch

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Markus war klar, dass sie die sich anbahnende Affäre mit Wolfgangs Frau nicht lange vor ihm verheimlichen konnten. Deshalb beschloss er, ihn präventiv durch direkte Ansprache zu überrumpeln. Das viele, was er von ihm wusste, bestärkte ihn in seiner Meinung, dass Wolfgang zu alt und nicht in der Lage war, sich lange und erfolgreich gegen ihn zu wehren. Körperlich konnte Wolfgang ohnehin nichts gegen ihn ausrichten und auf intellektueller und emotionaler Ebene sah er sich auch besser aufgestellt als sein Kontrahent. Er würde ihm Sabine einfach ausspannen. Markus beschloss, Wolfgang morgen zu einem Gespräch einzuladen. Er würde ihm sagen, dass seine Frau ihn schon seit Jahren mit ihm auf emotionaler Ebene betrogen hätte, und er beabsichtigen würde, Sabine noch am selben Tag zu verführen und zu vögeln, sodass der Ehebruch vollständig und unumkehrbar wäre. Als Reaktion erhoffte er sich, dass Wolfgang entweder resignieren oder überreagieren würde. Vielleicht würde er auch ihn oder auch Sabine körperlich angreifen. Egal, wie seine Reaktion auch ausfallen würde, sie würde seine Beziehung zu Sabine stark beschädigen, wenn nicht sogar sofort zerstören.

Sabines Stimmung hingegen schwankte zwischen „Himmel-hoch-jauchzend" und „zu-Tode-betrübt". Markus war in den vergangenen Stunden so unkompliziert, so zärtlich, so intim, so spannend, so neu gewesen. Er hatte sich um sie bemüht. So hatte sie auch früher die Zeit mit ihrem Ehemann empfunden. Wo war diese Unbeschwertheit geblieben? War sie im Ehe- und im Alltagstrott schleichend verschüttet worden? Wer hatte Schuld daran? Wer musste sich mehr anstrengen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Markus war ihr Freund. Aber sein Kuss war kein Freundschaftskuss. Er hatte sich Freiheiten herausgenommen, die ihm nicht zustanden. Aber so war er auch früher gewesen. Er nahm sich das, was er wollte, ohne vorher zu fragen. Markus war der personifizierte Macho. Das genaue Gegenteil ihres Mannes. Doch statt ihn dafür zu verteufeln, führte sie unwillkürlich einen Finger an ihren Mund. Sie zeichnete mit der Fingerkuppe ihre Lippen nach, so wie es Markus mit seiner Zunge getan hatte. Sie spürte immer noch Markus' Küsse. Sie spürte seine Zunge, die mit ihrer Zunge den ewig alten Wettkampf um Zärtlichkeit und Macht durchführte. Der Kuss war gut, befand sie. Als sie ihn mit Wolfgangs Küssen verglich, war sie über das Ergebnis ihres Vergleichs erstaunt. Sie bewertete die Küsse ihres Ehemannes als viel zärtlicher, viel emotionaler, viel liebevoller und viel erotischer -- einfach lustvoller. Seine Küsse zeigten ihr, dass sie seine gleichberechtigte Partnerin war. Sie drückten seine Liebe zu ihr, zu ihrem Intellekt, zu ihrem Körper und zu ihrer Seele aus. Sie kannte diese Küsse schon fast zwei Jahrzehnte lang. War ihre Wirkung auf sie im Laufe der Jahre verblasst? Bedurfte es des Kusses eines anderen Mannes, um dieses Empfinden wieder aufleben zu lassen?

Im Gegensatz dazu drückten Markus' Küsse das Streben nach Macht und nach Unterwerfung aus. Auch diese Empfindungen entfachten Lust in ihr.

Sabine liebte diese beide Arten der Lust. Sie sehnte sich manchmal danach, nur devot sein zu dürfen und alle Entscheidungen dem Mann zu überlassen. Aber sie hatte dieses Verlangen Wolfgang gegenüber nie geäußert und ihm dadurch keine Möglichkeiten gegeben, sie so zu befriedigen. Sie hatte nur Markus diese Gedanken anvertraut. Hatte sie sich von Wolfgang entfernt? War sie auf dem besten Wege, ihm untreu zu werden?

Sie verteidigte sich vor sich selbst mit der angreifbaren Behauptung, dass es doch nur ein Kuss unter Freunden gewesen war. Sabine war nicht dumm. Sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Dieser Kuss war kein normaler Kuss. Und sie hatte ihn erwidert. Und das Schlimmste war, dass sie Markus gefragt hatte, ob sie ihn besuchen dürfte. Sie rief sich ihre Frage ins Gedächtnis zurück: „Hast du morgen Abend für mich Zeit?" Während sie auf seine Antwort gewartet hatte, hatte ihre Muschi angefangen zu kribbeln. Sie hoffte, er würde „Ja" sagen. Und als er als Antwort nur eine Uhrzeit nannte, war sie glücklich. „19 Uhr." Markus hatte sie zu sich bestellt, für 19 Uhr.

Plötzlich kippte ihre Stimmung. Ihr wurde von einem Moment auf den nächsten bewusst, dass sie Vorbereitungen traf, um ihrem Mann Hörner aufzusetzen -- falls sie dies nicht ohnehin schon getan hatte. Sie hatte sich wie eine verliebte Göre, wie eine läufige Hündin benommen. Sie hatte Markus mit der Frage nach einem Date gestanden, dass es für sie nur noch um das „Wann" und nicht mehr um das „Ob" gehen würde. Und mit der Nennung einer Uhrzeit war auch das „Wann" geklärt. Morgen Abend schon.

Sie hatte sich ihm aufgedrängt. Markus -- ihr platonischer Freund -- hatte sie doch so uneigennützig in den vergangenen Jahren im Kampf um die Rettung ihres Mannes unterstützt. Er hatte sich zu ihrem besten Freund entwickelt, einem Seelenverwandten. Nun war er dabei, ihr Freund mit Zusatzleistungen zu werden. Vielleicht auch mehr? Etwa eine Affäre? War er der Scharfrichter ihrer Ehe? Das wollte sie doch auf keinen Fall. Sie musste diese Entwicklung stoppen, bevor sie unumkehrbar wurde.

Erst als der Taxifahrer sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung wäre, realisierte sie, dass sie weinte und dabei ständig das Wort „Nein" vor sich hin sprach. Es schien, als ob sie die Folgen, die Konsequenzen ihrer physischen und geistigen Handlungen des heutigen Tages dadurch abwenden wollte.

Sabine beschloss erst einmal nichts zu beschließen. Sie war betrunken und es war schon sehr spät. Sie wollte erst eine Nacht über das Geschehene schlafen und für sich herausfinden, was sie überhaupt wollte, welches Risiko sie eingehen wollte und was sie bereit war, dafür als Einsatz aufzubieten.

Wenige Minuten später hielt das Taxi vor ihrem Wohngebäude. Sie zahlte den Fahrpreis und betrat leise ihre Wohnung. Im Flur zog sie sich bis auf ihre Unterwäsche aus und schlich sich ins Schlafzimmer. Wolfgang schlief fest und merkte nicht, wie sie sich neben ihn legte. Sie schaffte es nicht mehr, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, so schnell war sie eingeschlafen.

Am nächsten Morgen war Sabine vor Wolfgang wach. Sie drehte sich leise zu ihm um und sah ihm beim Schlafen zu. Ein bekanntes Gefühl der Liebe und Zufriedenheit durchströmte ihren Körper, das allerdings binnen kurzer Zeit durch ein Gefühl der Schuld überlagert wurde. Erinnerungen an den gestrigen Abend kamen ihr in den Sinn. Es war ein nettes Treffen mit unverfänglichen Gesprächen gewesen. Dann aber hatte sie mit Markus wie mit einem Liebhaber geknutscht und ihn obendrein noch um ein Date gebeten. Ein Date bei ihm zu Hause. Sie beide allein in seiner Wohnung. War sie unterwegs, ihren Mann zu betrügen? Sie liebte ihn und wollte ihn nicht riskieren. Sie beschloss, das Date abzusagen. Ja, sie durfte heute nicht zu dieser Verabredung gehen. Markus würde ihre Beweggründe bestimmt verstehen. Welche Beweggründe? Sie konnte Markus doch nicht sagen, dass sie sich nicht sicher war, ob sie ihrem Mann in seiner Gegenwart treu bleiben könnte. Dann könnte sie ihm ja gleich sagen, dass sie mit ihm schlafen will. Nein, sie würde niemals mehr mit ihm vögeln. Vielleicht ein paar Küsse und ein paar Streicheleinheiten? Auf keinen Fall mehr. Markus würde sich schon benehmen, davon war sie sich sehr sicher. Zumindest redete sie es sich ein. Er ist schließlich ein guter, nein, er ist ihr bester Freund. Ihr bester Freund würde doch nicht ihre Ehe in Gefahr bringen. Sie nickte zufrieden und überzeugt, als sie ihren Beschluss widerrief, auf das Treffen mit Markus in seiner Wohnung zu verzichten.

Gut gelaunt saßen Sabine und Wolfgang am Frühstückstisch. Sie war froh, dass er sie offensichtlich nicht über ihr Treffen mit Markus befragen wollte, denn er sprach das Thema nicht an. Stattdessen unterhielten sie sich über die Aufgaben ihres Tages und Belanglosigkeiten wie das Wetter. Sabine bemerkte, wie ihr Mann sie längere Zeit ansah, ohne etwas zu sagen. Sie meinte eine Spannung zwischen ihnen zu bemerken, die sich entlud, als er sie fragte: „Na, Schatz, wie war dein Abend mit deinem Freund? Ich habe gar nicht mitbekommen, wie du nach Hause gekommen bist. Habt ihr euch gut amüsiert?" Und mit einem Grinsen auf dem Gesicht ergänzte er: „Muss ich mir etwa Gedanken machen?"

Sabine sah ihn kurz fragend an und antwortete mit der einstudierten Erklärung, die sie sich unter der Dusche überlegt hatte: „Es war ein wunderschöner Abend. Wir hatten uns so viel zu erzählen. Schade, dass du nicht dabei sein konntest. Habe ich dir schon mitgeteilt, dass er in Hamburg praktizieren wird?"

Wolfgang war es nicht entgangen, dass seine Frau nicht auf seine nicht ernst gemeinte Frage, ob er sich Sorgen machen müsste, eingegangen war. Er hatte eigentlich erwartet, dass sie diese mit einem Scherz abtun würde. Er wartete noch ein paar Sekunden, doch es kamen keine weiteren Kommentare mehr von ihr.

Also antwortete er: „Ja, das hast du." Und in diesem Moment entschied er sich, ihr einen Denkzettel zu verpassen. Sie wusste, dass er ihren Ex-Verlobten nicht leiden konnte. Warum erklärte sie ihm nicht, dass er sich keine Sorgen machen musste? Wolfgang wurde ärgerlich. Er schnaubte, als er in die Offensive ging: „Dann willst du ihn ab sofort bestimmt öfter treffen, oder?" Sabine ging auf diese provokante Frage nicht ein, sodass Wolfgang weitersprach. „Weißt du?", und er legte eine kleine Kunstpause ein, um seiner folgenden Bemerkung einen hohen Wert beizumessen. „Ich habe gelesen, dass es für eine Ehe nicht gut ist, wenn die Frau oder der Mann einen nicht nur flüchtigen Kontakt zu ihrem oder seiner Ex unterhält. In der Studie, die ich dazu gelesen habe, bleiben Menschen vorrangig dann mit ihren ehemaligen Partnern in Kontakt, wenn sie sich weniger gegenüber ihrer eigentlichen Beziehung verpflichtet fühlen und einen Plan B auf Abruf haben wollen. In der Ehe exklusiv zu sein, bedeutet nicht nur körperlich treu zu bleiben, sondern dem Partner vor allen anderen, vor Freunden, Verwandten, aber insbesondere vor einem Ex-Partner den größtmöglichen Respekt zu zollen und ihn immer über alle anderen zu stellen."

Auf diesen Frontalangriff war Sabine nicht vorbereitet. Sie spürte seine Unsicherheit, seine Enttäuschung. Er war bislang doch noch nie eifersüchtig auf ihre männlichen Gesprächs- und wenigen Flirtpartner gewesen. Aber Markus war natürlich ein besonderer Fall, er war ihr Ex-Verlobter, mit dem sie jahrelang eng verbunden war. Diese Gedanken gingen ihr innerhalb von Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Aber anstatt ihm ruhig und besonnen zu antworten, wurde sie wütend. Wie konnte er ihr unterstellen, dass sie ihm keinen Respekt entgegenbringen würde? Was glaubte er denn, was sie gestern gemacht hatte? Meinte er wirklich, dass sie sich hat vögeln lassen? Er musste doch wissen, dass er sich keine Sorgen machen musste. Insgeheim realisierte sie, dass die Schuld dafür, dass ihr Mann an ihr zweifelte, bei ihr lag. Aber sie wollte ihm nicht die Genugtuung geben, recht zu haben.

„Spinnst du?", schrie sie ihn an. „Meinst du, Markus ist mein Plan B? Markus und ich sind nur befreundet. Da läuft gar nichts zwischen uns. Nur Freunde, verstehst du? Wir sind nur Freunde!"

Wolfgang hatte seine Frau nur ein wenig piksen wollen, weil sie gestern so lange mit ihrem Ex ausgegangen war. Er war nicht wirklich eifersüchtig. Das war nicht seine Art. Er vertraute Sabine. Er hätte es aber gerne gesehen, wenn sie sich gestern kurz bei ihm mit der Information gemeldet hätte, dass sie noch ein wenig länger bleiben möchte. Er verstand gar nicht, warum sich seine Frau so aufregte, wenn doch nichts Verwerfliches passiert war.

Wolfgang versuchte sie zu beruhigen: „Entschuldige bitte, mein Schatz. Ich habe dir nichts unterstellen wollen. Ich finde es nur ein wenig merkwürdig, dass ihr jahrelang nichts voneinander gehört habt und plötzlich ist er da und ruft dich an. Na ja, wir werden erleben, wie sich eure Beziehung entwickelt."

Dieses Mal sprang Sabine wutentbrannt von ihrem Stuhl auf. „Wir haben keine Beziehung!", schrie sie ihren Mann an. „Wir", sie unterbrach sich selbst und stellte dann klar, „ich meine Markus und mich, wir sind nur Freunde. Was unterstellst du mir? Meinst du, ich habe ein Verhältnis mit ihm? Er taucht auf, und ich lande sofort in seinen Armen und von dort aus in seinem Bett?" Mitten in ihrer Tirade hörte Sabine auf zu reden. Sie hielt sich eine Hand vor dem Mund, als ob sie sich selbst ein Redeverbot erteilt hätte und starrte ihren Mann mit Panik in den Augen an. In Gedanken sah sie aus der Perspektive eines Beobachters, wie Markus und sie sich gestern Nacht leidenschaftlich geküsst hatten. Sie hörte sich sagen: „Hast du morgen Abend für mich Zeit?" Sie sah ihr Gesicht. Sie sah, wie sie mit Markus den Blickkontakt hielt und wie sie lächelte, als sie diesen Satz sagte. Einen kleinen Augenblick ekelte sie sich vor sich selbst, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Ihr wurde immer und immer mehr klar, dass sie sich dem Verrat an ihrer Ehe schuldig machen würde, wenn sie Markus heute Abend treffen würde -- ohne es ihrem Mann vorab gesagt zu haben. Aber sie war jetzt noch nicht bereit, das Treffen abzusagen oder ihren Mann in Kenntnis zu setzen. Dafür hatte er sie zu sehr geärgert.

Sie beruhigte sich selbst damit, dass sie doch den ganzen Tag Zeit hätte, Markus anzurufen, um die Verabredung abzusagen. Danach könnte sie ein wenig „Gras über die Angelegenheit wachsen" lassen, und Wolfgang würde sich bald wieder beruhigen. Jetzt aber wollte sie nur einfach weg von ihm. Sie wollte weg von ihrem schlechten Gewissen. Und sie wollte den Streit mit ihrem Gatten nicht verlieren. Deshalb schrie sie ihren Mann wütend an: „Es reicht mir jetzt! Du hast mir den Appetit gründlich verdorben. Ich fahre zur Schule. Da kann ich wenigstens in aller Ruhe meinen Morgenkaffee trinken und muss mir nicht unhaltbare Beschuldigungen anhören. Ich bin gegen fünf wieder zu Hause. Überleg dir schon mal eine plausible Entschuldigung!"

15 Uhr 30 am gleichen Tag

Wolfgangs Mobiltelefon signalisierte ihm einen Anruf. Er wusste mit der Anruferkennung nichts anzufangen. Üblicherweise nahm er solche Anrufe nicht entgegen. Heute aber, einer Eingebung folgend, nahm er das Gespräch an und meldete sich mit einem unverfänglichen „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"

„Hallo Wolfgang", hörte er den Anrufer ihn begrüßen. „Ich bin's, Markus. Ich möchte dich bitten, mich gleich zu treffen."

„Warum sollte ich dies tun, Markus? Ich bin auf der Arbeit und kann nicht einfach gehen, wann ich möchte", antwortete er gereizt.

Markus hingegen sprach mit einem aufreizend arroganten Tonfall weiter: „Es geht um deine Frau, Wolfgang. Du solltest dir die Zeit für sie nehmen. Ich nehme sie mir. Natürlich steht es dir frei, an deinem Schreibtisch sitzenzubleiben. Dann beschwere dich aber später nicht darüber, dass ich dir nichts von dem gesagt hätte, von dem ich ausgehe, dass es unweigerlich so geschehen wird. Aber ich warne dich vor, es wird ein knallhartes Männergespräch werden."

Nach einem kurzen Moment der Stille, in dem keiner der beiden etwas sagte, erwiderte Wolfgang: „Du sprichst in Rätseln, Markus. Aber du hast mein Interesse geweckt. Wo wollen wir uns treffen?"

„Da, wo ich gestern Sabine getroffen habe, im Paradiso." Markus lachte frech, als er provokativ ergänzte: „Du weißt doch bestimmt, dass ‚Paradiso' italienisch ist und auf Deutsch ‚Paradies' bedeutet. Das heißt, ich war mit deiner Frau im Paradies. Ist das nicht lustig? Sei um halb fünf da." Damit legte er auf.

Wolfgang schaute noch einige Zeit auf sein Handy. Was wollte Markus von ihm? Er erinnerte sich daran, wie Sabine auf seine Stichelei von heute Morgen, sie würde fremdgehen, reagiert hatte. Anstatt mit ihm über seine als Witz angelegte „Anklage" zu lachen, hatte sie ihn angeschrien und wutentbrannt die Wohnung verlassen. Ihr ganzes Gebaren in diesem Zusammenhang war völlig untypisch für sie, befand er. Doch jetzt bekam das alles für ihn einen Sinn. Hatte sie ihn schon betrogen? Markus musste dahinterstecken.

Er bearbeite noch einen eiligen Vorgang, und meldete sich eine halbe Stunde nach seinem Telefonat mit Markus bei seiner Sekretärin für den Rest des Tages ab. Auf der Fahrt nach Altona beschloss er, sich von Markus nicht provozieren zu lassen. Er würde sich anhören, was dieser zu sagen hatte. Anschließend würde er nach Hause fahren und in aller Ruhe mit seiner Frau die Geschehnisse des heutigen Tages besprechen und zusammen bewerten. Er hielt Markus für einen Schürzenjäger. Wolfgang mochte ihn nicht, aber er würde seine Abneigung ihm gegenüber heute nicht zu erkennen geben.

Er hatte Glück und fand einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant. Um diese Uhrzeit war die Gaststätte nur spärlich gefüllt. In einer hinteren Ecke des Speiseraums erkannte er Markus, der vor einem Glas Wein saß und ihm zuwinkte. „Zumindest ist Markus vor mir da und hat auf das machohafte Verhalten, mich warten zu lassen, verzichtet", dachte er.

Die Begrüßung der beiden war frostig. Nachdem Wolfgang einen Sprudel bestellt hatte, wandte er sich Markus zu und fragte: „Nun sag mir doch mal, Markus, was du mir so dringend über meine Frau erzählen musst."

„Weißt du eigentlich, Wolfgang, dass ich so ziemlich alles über dich weiß?", begann Markus das Gespräch. „Sabine hat mir im Laufe der letzten vier Jahre alles über dich, über sich selbst und über eure Ehe erzählt. Wir telefonieren zusammen oder schreiben uns fast jeden Tag. Mir hast du es zu verdanken, dass du seinerzeit akzeptiert hast, an Burn-out erkrankt zu sein. Damals hat mich deine Frau mit der Bitte kontaktiert, ihr zu helfen, um dir zu helfen. Das habe ich mit Erfolg gemacht. Alles, was dir Sabine in dieser Zeit erzählt hat, war mit mir abgestimmt.

„Dann bedanke ich mich bei dir im Nachhinein. Auch Sabine werde ich noch einmal meinen besten Dank ausdrücken müssen, dass sie so kreativ war, dich um Hilfe zu bitten. Welche Qualifikationen hast du denn, dass du Sabine so fachkundig dirigieren konntest?", wollte Wolfgang nun wissen. Er wusste bereits von seiner Frau, dass ihr Ex als Psychotherapeut arbeitete. Insofern konnte er sich darauf konzentrieren, Markus zu beobachten, seine Gestik und Mimik zu studieren. Markus schloss seinen minutenlangen Vortrag über seine Qualifikationen mit dem Hinweis, dass er auf Paartherapie spezialisiert sei. Natürlich war es gespielt, als Wolfgang anerkennend nickte und ihn bewundernd anschaute, als er ihn fragte: „Wenn du meine Frau und mich als Paar therapieren müsstest, was könntest du mir über uns erzählen, Markus?"

„Leider nichts Gutes", erwiderte der Angesprochene. „Du weißt, was ein emotionaler Seitensprung ist?" Als Wolfgang ihn fragend anschaute, erklärte Markus: „Ganz einfach. Ein Seitensprung findet nicht nur auf körperlicher Ebene statt, sondern viel häufiger auf der emotionalen Ebene. Diese Art des Seitensprungs ist für die meisten Menschen noch viel verletzender als ein unbedeutender einmaliger Außer-Haus-Fick.

Um das Gesagte auf deine Ehe zu übertragen, muss ich dir sagen, dass es für mich eindeutig ist, dass Sabine dich nicht respektiert. Du bist schon lange nicht mehr der Mann, zu dem sie aufschaut. Sie hat mich um Rat gefragt und nicht dich. Sie wollte von mir wissen, wie sie dich dazu bringen kann, im Bett fantasievoller zu sein. Sie hat meine Dessous-Vorschläge umgesetzt und mir am nächsten Tag erzählt, wie du Sabine -- wie meistens -- links hast liegen lassen. Sie hat sich als Frau von dir zurückgesetzt gefühlt und sich dadurch mir immer mehr angenähert. Dass sie weiterhin Gefühle für mich hat, war auch nicht zu deinen Gunsten."

Wolfgang unterbrach ihn: „Markus, ich sehe das so, dass Sabine sich bei dir kostenlosen therapeutischen Rat eingeholt hat, um mir zu helfen. Das ist kein emotionaler Seitensprung, das ist wirtschaftliches Denken. Sie hat uns als Paar durch die schwere Zeit meiner Krankheit gebracht. Jetzt, wo ich weiß, wie clever sie das angestellt hat, muss ich ihr noch einmal besonders danken."