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Marion: Roxys Geheimnis 14

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„Du Roxy-Schatz, ich muss langsam los. Ich verschwinde noch kurz im Bad und pack dann meine Sachen. Fühl dich wie zuhause, such dir was Schönes zum Anziehen aus, und wenn du dann gehst, zieh einfach die Tür zu." Und bevor Roxy noch etwas sagen konnte fügte sie gleich hinzu: „Und für heute Abend koche ich uns was Gutes -- Pesto?"

„Gern!" strahlte Roxy. „Ich helf dir beim Kochen!"

„OK. Soll ich dich abholen oder kommst du mit der Bahn?"

„Mit der Bahn. Mach dir keine Umstände. Soll ich noch was besorgen?"

„Nee, lass mal. Das mach ich nach der Arbeit. Konzentrier du dich auf dein Studium. Wann kannst du denn da sein?"

„So um sieben, ist das okay?"

Marion hatte zwar gehofft, ihre große Liebe schon früher wieder sehen zu können, stimmte aber zu. Sie nahm sich dafür vor, die Zeit zu nutzen und schon möglichst viel vom Essen vorzubereiten, damit mehr Zeit zum Kuscheln bleiben würde. Und für das, was darauf folgte...

Sie umarmte Roxy noch dreimal, bis sie es endlich schaffte, ihre Wohnung zu verlassen. Es war schon eigenartig zu wissen, dass jemand bei ihr zuhause war, während sie zur Arbeit ging. Die Gewissheit, jemanden zu haben, war wunderschön. Umso mehr störte sie es, dass die Feiertage schon wieder vorbei waren.

Die Bahn war zwischen den Jahren recht leer, da viele Urlaub hatten. Nur sie nicht. So ein Mist. Aber vielleicht konnte sie ja den Rest der Woche frei machen und zuhause in Rufbereitschaft bleiben. Zuhause mit ihrer Roxy! Oh Gott, die Kleine ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie war kaum zehn Minuten weg und schon vermisste sie den süßen Wirbelwind!

Sie kramte nach ihrem Handy und tippte Roxy eine Nachricht. „Ich vermisse dich. Vielen Dank für die schönen Tage. Ich freu mich auf heute Abend. Ich liebe dich. Fünf Herz-Smileys."

Die Nachricht kaum abgeschickt, summte das Gerät schon wieder: „Ich liebe dich auch meine Große! Heute Abend lassen wir es uns gut gehen. Kanns kaum erwarten! Hechel-Smiley und sieben Herz Smileys."

Sie schickten sich noch ein paarmal süßen Quatsch hin und her. Marion fand langsam Gefallen an dieser herrlich unkomplizierten Kommunikationsart.

Am Hauptbahnhof einmal umgestiegen, traf sie um kurz nach halb zehn im Büro ein. Doro war natürlich schon fleißig und schaute gleich auf, als Marion zur Tür reinkam.

„Ach, da sind Sie ja. Guten Morgen. Ich dachte schon, Ihnen ist etwas dazwischengekommen."

Marion musste innerlich lachen. Gewissermaßen war es das ja auch. Roxy!

„Einen wunderschönen Guten Morgen, liebe Doro!" sagte Marion freudestrahlend und ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Ihre Assistentin sprang gleich auf, um ihr die Hand zu geben.

Jetzt musste sie an Roxys Frage denken. Ob Doro hübsch sei. Marion musterte ihr Gesicht, während sie ihr fröhlich lächelnd die Hand schüttelte. Sie hatte blau-grüne, große Augen, eine leichte Stupsnase, einen relativ kleinen Mund und ein eher breiteres Gesicht mit vollen Wangen. Sie war auch körperlich etwas fülliger, aber bestimmt nicht korpulent. Eine junge Mutter eben. Auch wenn sie schon einige Sorgenfältchen um die Augen und auf der Stirn hatte. Sie war nur dezent geschminkt.

Ob sie hübsch war? Ja, auf ihre Art.

„Vielen, vielen Dank für das wundervolle Geschenk. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll."

Doro winkte nur ab, sagte aber nichts.

Aus einem Impuls heraus fragte Marion:

„Darf ich Sie umarmen?" Sie wartete die Antwort gar nicht ab, sondern legte ihre Arme um die etwas kleinere Frau und knuddelte sie kurz an sich. Sie fühlte sich weich und warm an. Ganz anders als die zierliche Roxy.

Nach kurzem Zögern spürte Marion Doros Hand auf dem Rücken. Nach einem weiteren kurzen Drücker ließ Marion wieder los.

„Mensch, ich wusste gar nicht mehr, dass ich Ihnen von meinem Missgeschick mit dem Kräutermörser erzählt hatte. Das hat mich so sehr gefreut! Und ich steh jetzt ganz ohne etwas für Sie da!"

„Nein, das ist so in Ordnung. Sie haben doch schon so viel für mich getan. Und Sie waren die Tage vor Weihnachten wieder so beschäftigt, da bin ich einfach noch schnell los, und hab ihnen einen neuen besorgt. Freut mich, wenn das so gepasst hat."

„Auf jeden Fall! Nochmal, vielen Dank!" Sie nahm ihre beiden Hände und drückte sie nochmal fest.

„Tja, dann hol ich mal noch schnell die Unterlagen. Die Konferenz beginnt ja in ein paar Minuten."

„Ja. Ich dachte fast schon, Sie schaffen es nicht rechtzeitig und wollte Sie schon anrufen. Sie sind ja sonst immer ganz früh da."

„Oh ja Sorry! Ich hätte mich melden sollen, dass ich später komme." Freudig dachte Marion an den Grund für ihre Verspätung. „Kann sein, dass ich morgen auch wieder später komme. Machen Sie sich also keine Gedanken."

Offensichtlich wartete Doro auf eine Erklärung, da Marion aber dringend losmusste, setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch und widmete sich ihrem Computer. Marion schnappte sich derweil ihre Unterlagen.

Die Vorstandssitzung verlief wie vermutet. Ihr direkter Vorgesetzter, Fabian Lehmann, ein oberflächlicher Schönling, präsentierte die von ihm favorisierte Konzeption zur weiteren Marktstrategie. Marion hatte etwas Mühe, sich auf seine Ausführungen zu konzentrieren, weil sie in Gedanken immer noch bei ihrer Roxy war. Sie musste innerlich schmunzeln, als sie zurückdachte, wie sie sich über die Männer, die sie ja gar nicht kannte, aufgeregt hatte.

Unbemerkt beobachtete sie die Teilnehmer. Da war zunächst Gerd Schäfer neben ihr. Der Vorstandsvorsitzende hörte Lehmanns Ausführungen offen und interessiert zu. Ganz anders Kurt Beerwart, der Finanzvorstand. Mit verschränkten Armen und feindseligem Blick starrte er auf den großen Wandmonitor mit den Diagrammen und Schaubildern.

Gegenüber saßen Ulrich Spindler, der Entwicklungsleiter und Andreas Schnürer, seines Zeichens Vertriebschef. Auch hier das gewohnte Bild. Schnürer war noch etwas gelackter als Lehmann, zugegebenermaßen aber unverschämt gutaussehend. Er starrte gelangweilt in sein Handy. Marion stellte sich vor, wie er mit irgendeiner jungen Blondine chattete. Das würde ihm zumindest ähnlich sehen. Sofort musste sie an ihre junge Freundin denken, und dass sie jetzt auch gern mit ihr chatten würde.

Der Entwicklungsleiter wiederum tippte eifrig in seinem Laptop. Wahrscheinlich googelte er nach jedem Fachbegriff, den Lehmann fallen ließ -- und überprüfte die Daten, die Marion für die Präsentation zusammengestellt hatte. Mit seiner Nickelbrille und dem wirren weißen Haar erinnerte er Marion immer an einen ihrer Professoren an der Uni, der damals schon kurz vor der Emeritierung stand.

Lehmann kam jetzt langsam zur Kernaussage seines Vortrags. Er hatte die Präsentation nicht mehr mit ihr durchgesprochen, nachdem die Eckpunkte mal wieder wochenlang diskutiert wurden und erst kurz vor Weihnachten fertig waren. Deshalb saß Marion ja auch noch an Heiligabend, um ihr Gutachten endgültig fertigzustellen.

Jetzt ging es um die Entwicklung der Sensorik für autonomes Fahren und die Idee, mit dem aktuellen Prototypen und günstigen Preisen den Fuß breit in den globalen Weltmarkt zu bekommen. Marion meinte, ihren Ohren nicht zu trauen, als Lehmann von einem Joint Venture mit einem chinesischen Automobilhersteller sprach, bei dem die Volksrepublik Mehrheitseigner war. Sie hatte doch in ihrem Gutachten unmissverständlich klargestellt, dass sie dafür nie eine Genehmigung bekommen würden. Weder aus China noch aus Deutschland.

Prompt meldete sich Beerwart, der Betonkopf von Finanzvorstand. Lehmann druckste etwas herum und schaute dann hilfesuchend zu Marion. Diese schaute wiederum zu Gerd Schäfer, dem Vorstandsvorsitzenden, um sich ein Zeichen abzuholen, dass sie das Wort bekam. Freundlich lächelte er Marion zu:

„Frau Zimmermann wird diese Frage sicher in ihrer gewohnt kompetenten und charmanten Art beantworten können."

Kurz stieg Marions Puls stark an, bis sich eine Erklärung gefunden hatte, die zwar nicht falsch war, aber auch ihren Chef nicht bloßstellen würden. Dann sprach sie gefasst und professionell:

„Meine Herren, ich danke für die Gelegenheit, auf mein Gutachten etwas genauer eingehen zu dürfen. Wie Sie, Herr Beerwart..." sie schaute ihn kurz kühl an „... zutreffend angemerkt haben, bestehen in der Tat kaum Aussichten auf eine offizielle Genehmigung dieser Unternehmensvariante durch die Kartellbehörden. Was Herr Lehmann aber mit diesem Vorschlag sagen will, ist dass es kreative Möglichkeiten gibt, die Genehmigung auf Umwegen zu bekommen..."

„Kreative Möglichkeiten!" bläffte ihr Beerwart ins Wort. „Das heißt, mehr oder weniger illegal."

Marion schaute wieder zu Schäfer, der ihr wortlos und aufmunternd bedeutete, fortzufahren.

„Wenn ich von Möglichkeiten spreche, dann spreche ich nicht von illegalen Möglichkeiten. In diesem Rechtsgebiet ist vieles Auslegungssache, und es bestünden durchaus Chancen, damit durchzukommen."

„Soso, durchkommen. Das klingt für mich äußerst halbseiden. Wie soll das denn vonstattengehen, bitte schön?" schoss Beerwart gleich wieder dagegen.

Marion nahm einen tiefen Atemzug und erwiderte ohne Beerwart anzuschauen: „Zunächst müssten wir eine Untergesellschaft in einem Staatsgebiet gründen, in dem das Kartellrecht nicht ganz so..."

„Eine Briefkastenfirma! Haben wir das jetzt etwa schon nötig? Da stimme ich nie und nimmer zu!" fuhr ihr Beerwart ins Wort.

„Kurt, bitte hör dir doch wenigstens den Vorschlag an" beschwichtigte Schäfer und wand sich an Lehmann. „Die Zeiten sind herausfordernd und deshalb sollten wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Auch die ‚kreativen'. Herr Lehmann, bitte fahren Sie fort."

Der Chefstratege wurde nun sichtlich nervös und klickte sich hektisch durch verschiedene Folien. Marion fragte sich, wonach er denn suchte. Er hatte doch überhaupt keine Ahnung von Gesellschaftsrecht und wie man das -- zugegebenermaßen in der Tat halbseiden -- lösen konnte. Und in den Folien fand sich doch sicher auch nichts.

Alle starrten ihn ungeduldig an. In diesem Moment tat Marion der arme Lehmann leid. Als er kurz zu ihr aufschaute, bedeutete sie ihm unauffällig, dass sie das übernehmen könnte. Lehmann war zwar oberflächlich, aber nicht ungeschickt. Er stellte jetzt das Rumklicken ein und sagte zu Marion:

„Frau Zimmermann, ich kann im Moment ihre Folie zur China-Connection nicht finden. Aber wie ich Sie kenne, haben Sie die wichtigsten Fakten auch schnell mündlich parat."

Jetzt schauten alle erwartungsvoll auf Marion, und ihr Puls nahm sprunghaft zu. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und knüpfte an das Gesagte an:

„Natürlich Herr Lehmann. Bitte entschuldigen Sie meine Herren, aber ausgerechnet diese Folie fiel leider unseren Bemühungen, die Präsentation zu straffen, zum Opfer. Sie sollten sich aber ohnehin nicht zu sehr mit diesen Detailfragen beschäftigen müssen. Darum kümmern wir uns dann selbstverständlich, sobald es notwendig wird. Viel wichtiger ist es -- wie Herr Lehmann ja schon ausgeführt hat -- den Fuß in den Zukunftsmarkt in China zu bekommen..."

„... indem wir unsere gute Sensorik an die Schlitzaugen verramschen!" vollendete Beerwart sarkastisch.

„Verramschen ist ... äh... in diesem Zusammenhang nicht ganz der richtige Ausdruck..." versuchte Lehmann den Angriff zu parieren.

Marion war empört über Beerwarts respektlose Ausdrucksweise und sein zunehmend feindseliges Auftreten. Einerseits war die Taktik ja aufgegangen, nachdem sie geschickt von Lehmanns Eigentor ablenken konnten. Doch jetzt stand er schon wieder in der Defensive. Und Beerwart hatte sich auf ihn eingeschossen. Er würde ihm jetzt so lange Finanzkennzahlen um die Ohren hauen, bis selbst der sonst eher aufgeschlossene Schäfer an der strategischen Ausrichtung zweifeln würde.

Sie war jetzt hin und her gerissen. Einerseits war sie nicht Mitglied des Vorstands, nahm auch nur teil, wenn es um strategische Fragen ging, und hatte letztlich auch kein Stimmrecht. Und eigentlich konnte ihr es auch egal sein, was heute dabei rauskam, denn am Ende würde ein externes Gutachten die Dinge sowieso wieder ins Lot bringen.

Andererseits war Lehmanns Auftritt so schwach, dass Beerwart sich womöglich durchsetzen würde, ohne dass es überhaupt noch zu einem externen Gutachten käme. Und dann wäre sie auch persönlich beschädigt.

Scharf nachdenkend schaute sie in die Runde. Ihr war, als hätte sie ein Deja Vu. Lehmann wurde zunehmend zur Luftpumpe, Beerwart machte auf starken Max, Spindler und Schnürer schauten aufgeschreckt, aber wortlos zu, und Schäfer schien nicht mehr zu wissen, wem er denn nun in dieser wichtigen Entscheidung folgen sollte. Da fielen ihr Roxys Worte ein: selbstgefällige Säcke, die nur heiße Luft labern und nicht den Arsch in der Hose haben, wichtige Entscheidungen zu treffen! Wie nannte sie die Runde? Eine Gurkentruppe? Auf wundersame Weise hatte diese faszinierende junge Frau einmal mehr den Zustand in den Vorstandsetagen kurz und prägnant beschrieben, als ob sie selbst dabei wäre.

Inspiriert von dieser wundersamen Fügung nahm sich Marion ein Herz. Sie stand auf und sprach mit fester, lauter Stimme:

„Meine Herren, dürfte ich bitte auf meine Ausführungen zurückkommen?" Marion schaute demonstrativ Schäfer an. Die beiden Streithähne schwiegen irritiert, während Spindler und Schnürer sie erwartungsvoll anschauten. Schäfer schien etwas zerstreut, stimmte dann aber zu.

Sie nahm sich vor, ihren favorisierten Weg konsequent vorzustellen und sich von Beerwarts Zwischenrufen nicht unterbrechen zu lassen. Dazu begann sie zunächst nochmal mit einer Zusammenfassung der aktuellen Situation, die im Grunde auch keinen Widerspruch duldete, und den Fokus der Beteiligten wieder auf die Fakten lenkte.

„Wie Sie ja wissen, steht unser Markenkern mit der Automotive-Abteilung stark unter Preisdruck. Die Umsätze steigen stetig, was die gute Arbeit unseres Vertriebs bestätigt." Sie nickte Schnürer zu, der selbstgefällig seine Krawatte glattstrich, und zurücknickte. Als sie weitersprach registrierte sie, dass er ihr nun auf die Beine glotzte. Das ließ sie jedoch nicht aus dem Konzept bringen.

„Trotzdem machen uns die sinkenden Preise zu schaffen. Die Konkurrenz produziert wesentlich günstiger, wenn auch mit qualitativen Abstrichen. Mit unserem Technologievorsprung haben wir noch eine Nische im Premiumsegment. Allerdings schmilzt unser Vorsprung täglich, obwohl unser Unternehmen nie mehr Neuentwicklungen und Patentanmeldungen hervorgebracht hat, wie in den letzten Jahren." Sie schaute dabei anerkennend zu Spindler, der sich dabei etwas verlegen die Brille zurechtrückte.

„Unsere Liquidität und unsere Eigenkaptialrate sind dank jahrelanger, solider Finanzwirtschaft..." sie versuchte jeglichen Sarkasmus aus ihren Worten herauszuhalten, als sie Beerwart anschaute „...derzeit äußerst solide. Das sollte uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dringend Handlungsbedarf besteht."

Marion musterte Beerwart aus den Augenwinkeln, während sie eine kurze Pause machte, damit alle die Situationsanalyse noch einmal verinnerlichen konnten. Sie wollte gewappnet sein, wenn der Finanzvorstand wieder dazwischen grätschen wollte.

„Alle seriösen Marktexperten -- und das werden auch unsere externen Gutachter bestätigen -- sehen in den nächsten fünf Jahren eine extreme Nachfrage in unserem Marktsegment. Industrie 4.0, KI, Autonomes Fahren -- um nur ein paar Schlagwörter zu nennen -- überall hält die High-Tech-Elektronik Einzug. Und zwar in hoher Stückzahl. Die Zeiten, in denen wir exklusiv für wenige Sparten maßgeschneiderte Lösungen entwickelten und fertigten..."

Marion ließ demonstrativ den Kopf hängen

„... und das schmerzt mich persönlich sehr, da ich diesem Unternehmen seit fast fünfzehn Jahren und damit mein ganzes bisheriges Berufsleben auf das Engste verbunden bin..." Sie schaute jetzt Schäfer an, der ihr aufmerksam und ergriffen lauschte.

„... diese Zeiten unserer unangefochtenen Marktführerschaft haben leider den Zenit überschritten."

Wieder machte Marion eine Pause, um zu sehen, ob sich Widerspruch regte. Als dies nicht der Fall war, wusste sie, dass sie nun zum Streitthema kommen musste.

„Der Markt ruft nach Massenproduktion, und die Konkurrenz wird diesem Ruf folgen, egal ob wir handeln oder nicht. Es ist deshalb geboten, unsere High-End-Produkte für den breiten Markt zu öffnen. Wenn wir ..."

„Glauben, Sie etwa, der breite Markt..." wollte Beerwart eingrätschen, doch Marion fuhr unbeirrt fort, indem sie den Satz nochmal lauter begann:

„Wenn wir hohe Stückzahlen günstig produzieren, können wir die Preise senken und so unsere Marktführerschaft halten und in die Breite ausbauen."

„Angenommen wir würden immense Investitionen in Massenfertigungsanlagen stecken, und es tatsächlich schaffen, unsere Bestqualität zu marktüblichen Preisen anbieten zu können..." Beerwart schaute nun zum Vertriebsleiter „... wer garantiert uns dann, dass die Firmen uns die Ware auch tatsächlich abnehmen? Sie kennen doch die protektionistischen Tendenzen in Ostasien und Amerika."

Marion reagierte schnell: „Das kann Ihnen niemand garantieren. Aber ich habe in meinem Papier ein Bündel an Maßnahmen aufgelistet, die mit hoher..."

„Jaja, das heißt, die ganze Sache kann..."

„...die mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen. Garantieren kann ich ihnen andererseits aber, dass unsere Automotive-Sparte untergehen wird, wenn wir nichts tun. Und anders als vor Jahren die Mobilfunk-Sparte wird unser Unternehmen das nicht kompensieren können. Also lassen sie uns denselben Fehler nicht ein zweites Mal begehen."

Jetzt sprang Beerwart auf und zeigte mit dem Finger auf Marion.

„Jetzt passen Sie mal auf, Schätzchen..."

Marion machte große Augen, stemmte die Hände in die Hüfte und wollte schon empört zurückschießen, doch Schäfer reagierte schneller:

„Kurt! Respekt! Reiß dich zusammen!"

Beerwart schluckte und murmelte eine unverständliche Entschuldigung, setzte dann aber seine verbale Attacke fort:

„Wie lange wollen Sie mir eigentlich noch die Schuld für die Entlassungswelle damals in die Schuhe schieben?"

„Ich habe niemandem jemals die Schuld dafür gegeben. Auch Ihnen nicht. Es geht hier nicht darum, jemandem die Verantwortung für etwas in der Vergangenheit zuzuschieben, sondern im Gegenteil darum, die Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen."

„Das haben Sie jetzt aber schön formuliert" spuckte Beerwart sarkastisch. „Aber dann reiten Sie gefälligst auch nicht auf den Fehlern der Vergangenheit herum!"

„Doch, denn wenn wir es künftig besser machen wollen, müssen wir aus der Vergangenheit lernen. Damals hatte man sich entschieden, nicht zu expandieren. Man hatte gute Gründe dafür, die Zeichen waren damals alles andere als eindeutig. Im Nachhinein hat es sich als falsch herausgestellt, aber..."

„Hinterher ist man immer schlauer. Sie haben gut reden, Sie mussten damals wie heute auch keine Entscheidungen treffen."

„Richtig, und dass Sie auch in schwierigen Zeiten immer Entscheidungen treffen, verdient höchsten Respekt." Sie schaute demonstrativ zu Spindler und Schnürer. „Noch wichtiger ist aber, die Entscheidung gut vorzubereiten und zu begründen. Wenn es dann am Ende anders kommt als erwartet, ist das höhere Fügung und kein Unvermögen."

Marion machte eine Pause und musterte die fünf Herren unauffällig. Schäfer und Lehmann schienen beeindruckt, Schnürer nachdenklich, Spindler pikiert und Beerwart irritiert.

„Wir haben drei mögliche Wege ausgearbeitet; die innovativste, aber auch riskanteste vertritt Herr Lehmann. Das wird von ihm als Innovationstreiber auch erwartet. Von Ihnen, Herr Beerwart, wird erwartet, dass Sie die Finanzen zusammenhalten, deshalb gibt es auch eine Variante, die auf sehr vorsichtig geschätzten Faktoren basiert. Und falls Sie meine Meinung interessiert, dann würde ich auf die goldene Mitte setzten. Vielen Dank meine Herren."

Marion setzte sich und schaute zu Schäfer, der ihr anerkennend zunickte. Im selben Moment begann Lehmann beifallspendent mit den Fingerknöcheln auf den Tisch zu klopfen. Marketingchef Schnürer stimmte sogleich mit ein. Der Entwicklungsleiter Spindler machte dann zögernd mit, stellte es aber wieder ein, als Beerwart ihn anfunkelte.