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Merlins Kinder 07 Drachenjagd 1

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Ihre Augen wanderten von mir zu Leon und wieder zurück. "Ihr seid zusammen?"

Die Frage klang nicht so verurteilend, wie ich es gelegentlich zu Hause erlebt hatte. Selbst Oma Melanie hatte zu schlucken gehabt, als ich ihr unsere Beziehung erklärte.

Ich legte meine Hand auf seine und blickte ihm tief in die Augen. "Ja. Das sind wir."

"Ich bin Maria und mir gehört der Laden." Sie lächelte. "Freut mich, euch kennenzulernen. Ruft einfach, wenn ihr etwas braucht." Damit wandte sie sich ab und lief zum großen Tisch hinüber.

"Wir sind wohl in ihrer Einschätzung aufgestiegen", meinte Leon.

"Sieht so aus", gab ich zurück. "Aber jetzt sollten wir uns unserem Abendessen widmen."

* * *

"Seismische Ereignisse", sagte Christian am nächsten Morgen und wies auf einen Bildschirm an der Wand, der eine Karte der Insel mit Markierungen zeigte. "Klein, nicht zyklisch, nicht aus der Tiefe, sondern direkt an der Oberfläche entstehend. Hier und an nahezu allen aktiven Vulkanen weltweit, an denen entsprechende Sensoren installiert sind."

"So", sagte ich nachdenklich, "als ob ein schwerer Körper auf den Boden fällt."

Er nickte. "Genau. Verbunden mit lokalen Temperaturerhöhungen und Windböen."

"Aber nichts auf den Kameras?", fragte Leon.

"Nur aufgewirbelter Staub, der genauso gut vom normalen Wind stammen könnte."

Ich runzelte die Stirn. "Und daraus schließt du auf Drachen?"

Er grinste verlegen. "Um es mit Sherlock Holmes zu sagen: Wenn du das Unmögliche ausschließt... Es gibt natürlich noch eine Menge mehr Indizien, die zur Theorie passen --"

"Aber wir sollten es langsam angehen. Du hast solche Ereignisse auch hier schon beobachtet?"

"Ja. Ich habe sogar Filmkameras installiert. Rein mechanische, die durch die anderen Effekte ausgelöst werden."

"Ich nehme an, du hast eine Menge Film verbraten."

Er zuckte die Schultern. "Eine Menge Geld in den Sand gesetzt. Filme sind sauteuer. Und mechanische Kameras fehleranfällig."

"Gibt es denn Stellen, an denen diese Ereignisse häufiger vorkommen als anderswo?"

Er wies wieder auf den Bildschirm. "Die drei rot markierten Bereiche im Krater, an denen sie sich häufen."

"Und außerhalb?"

Wieder zuckte er die Schultern. "Ich habe nicht das Budget, die ganze Insel mit Sensoren zu pflastern."

"Hmmm", meinte ich.

"Den Gesichtsausdruck kenne ich", kommentierte Leon. "Sie hat eine Idee."

"Ich nehme alles, was ich kriegen kann."

"Man müsste ein großflächiges quantenmagisches Feld mit einem schnellen Computer verbinden. Ein Feld, das die ganze Insel abdeckt und genau die drei Merkmale ständig protokolliert. Der Computer muss dann alles in Echtzeit auswerten und gegebenenfalls die Kameras einschalten."

"Aber ihr beide", meinte Leon, "seid die einzigen Magier hier, die so ein Feld mit Energie füttern könnten."

"Selbst wenn", warf Christian ein. "Ich denke nicht, dass mein Talent dafür ausreicht."

Ich winkte ab. "Meines auch nicht. Wir brauchen einen Stromgenerator, ein Artefakt, um das Feld aufzubauen, eine Verbindung zwischen Generator und Artefakt, die Elektrizität in Magie umwandelt, und eine, die die Daten vom Artefakt zum Computer schickt. Wenn wir den ganzen Aufbau einmal triggern, läuft er, solange der Generator nicht versagt."

"Kannst du denn so etwas bauen?"

"Nö."

Sein Gesicht fiel herunter.

"Aber Uronkel Franz-Josef hat die Connections zur Fakultät für magisches Ingenieurwesen an der Uni. Ich hänge mich gleich ans Telefon. Ich muss dann 'nur noch' das Computerprogramm schreiben, das die Daten analysiert." Ich holte tief Luft. Dann blickte ich Leon bedauernd an. "Ich fürchte, ich werde in den nächsten Tagen wenig Zeit für dich haben."

Er winkte ab. "Ich muss den ganzen Stoff seit Semesteranfang nachholen. Du brauchst jemanden, der dich mit Kaffee und kalter Pizza versorgt. Außerdem habe ich mich mit Jabari verabredet, um in Erinnerungen zu schwelgen."

"Kalte Pizza?", fragte Christian und erschauerte.

Ich lachte auf. "Ich nehme auch etwas anderes, aber wenn du eine ganze Nacht lang am Computer sitzt, wird eine Pizza zwangsläufig kalt."

"Also", sagte Leon grinsend, "kann sie genauso gut schon gleich kalt sein."

Leon

Die Woche war schnell herumgegangen. Heute früh hatte sich Patrizias Großonkel gemeldet und versprochen, dass die Technik in drei Tagen ankommen würde. Auch ihr Programm war so weit fertig, dass als nächster Schritt der Integrationstest anstand.

"Wir haben uns einen freien Abend verdient", sagte sie. Sie hatte wieder ihre "dezente" Kombination aus Bluse und Rock angezogen. Ich trug heute eine schwarze Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck "To Hell and Back", das ich mir auf Simbas Wunsch gekauft hatte. Er meinte damals, irgendwann würde er es bestimmt schaffen, einen Teil des immensen Vermögens, das ihm unerwartet zugefallen war, von der Hölle auf die Erde zu transferieren. Aber bis dahin musste ich selbst bezahlen.

"Fangen wir mit einem Essen in der Cantina an?"

Ihre Augen blitzten. "Hast du von deinem neuen Lover noch nicht genug?"

Ich winkte grinsend ab. "Jabari ist auf Teneriffa. Er muss sich bei der Einwanderungsbehörde melden." Ihre Sticheleien trafen mich nicht. Ja, Jabari sah toll aus. Und ja, inzwischen gehörten Intimitäten mit einem Mann durchaus zu den Fantasien, die ich nicht sofort unterdrückte.

Doch er war überhaupt nicht der Typ dafür. Umarmungen: ja. Weitergehende Zärtlichkeiten: nein.

Außerdem hatten wir im Laufe der Woche genug Zeit zum Reden gehabt.

"Nein", fuhr ich fort. "Ich werde wohl mit meiner Geliebten Vorlieb nehmen müssen. Es sei denn, Maria..."

Sie boxte mir in die Rippen. "Die Frau könnte meine Mutter sein. Deine auch."

"Ja, und? So etwas heißt doch 'MILF', oder?"

Sie lachte auf, hängte sich bei mir ein und öffnete das Portal in unsere Savanne. Wir schritten hindurch, und ich atmete tief ein. Heimatluft. Mit dem nächsten Schritt waren wir kurz vor dem Fischerdorf.

Die schwarze Katze saß wieder -- oder immer noch -- an derselben Stelle. Auch sonst hatte sich im Ort wenig verändert. Selbst die älteren Männer am Stammtisch in der Cantina waren noch dieselben und musterten uns argwöhnisch.

Nur Marias Verhalten war um einiges freundlicher als letzte Woche. Sie kam direkt an unseren Tisch und stellte Karaffen mit Wasser und Wein und die Gläser dafür hin. "Buenas tardes. Wenn ihr wieder Fisch essen wollt, müsst ihr noch etwas warten. Unser Lieferant hat sich verspätet. Ihr könnt aber auch Kaninchen haben."

Ich musste lachen. Kaum gab es auf dieser Insel die ersten Fleckchen mit Gras, waren Wildkaninchen aufgetaucht. Eine echte Plage, die den Schafen und Ziegen das Futter abspenstig machten.

"Der Salat war gut", meinte Patrizia. "Ich brauche heute nicht so viel -- Machst du mir eine große Portion davon?"

"Mir auch", fügte ich hinzu, "und ein paar von den Papas."

"Geht klar." Sie verschwand in der Küche.

"Kann ich dir beim Aufbau des Sensorfeldes zur Hand gehen?", wandte ich mich an Patrizia.

Sie grinste mich an und ließ dann ihre Augen über das recht eng sitzende T-Shirt wandern. Dann leckte sie sich demonstrativ über die Lippen und schüttelte bedauernd den Kopf. "Auch wenn ich dir liebend gerne dabei zusehen würde, wie du schwere Dinge durch die Gegend schleppst, gibt es nichts zu schleppen. Generator und Computer kommen in einem Container, und das Artefakt ist noch nicht mal so groß wie ein Smartphone." Sie legte ihre Hände auf meine, und Schauer durchliefen mich. "Spar dir deine Energie lieber für mich auf."

Plötzlich erstarrte sie. Sie runzelte ihre Stirn und drehte dann den Kopf. Ich folgte ihrem Blick und sah einen alten Mann, der -- einen großen Fisch auf der Schulter -- hereingekommen war. Das war dann wohl der verspätete Lieferant. "Was ist?", fragte ich.

Er hatte lange weiß-graue Haare und einen ebenso weiß-grauen Bart, der seine nackte Brust fast komplett bedeckte. Eine enge Hose bedeckte seine Beine zu drei Vierteln und wurde an der Taille mit einem dicken Strick zusammengehalten. Seine Füße waren nackt und starrten vor Dreck, genau wie die Hose.

Der Kerl schwankte unter dem Gewicht und verschwand in der Küche. Einen Atemzug später kam er -- ohne Fisch -- heraus und lief schnurstracks hinter die Theke. Er griff sich eine der Schnapsflaschen im Regal, zog den Korken heraus, setzte sie an seinen Mund und ließ den starken Alkohol in seine Kehle laufen. Er schien noch nicht einmal zu schlucken, doch der Flüssigkeitsspiegel in der Flasche sank zusehends.

Patrizia starrte ihn immer noch an, ihre Hände auf meinen hatten sich verkrampft. Mir fiel auf, dass die Gespräche am anderen Tisch verstummt waren. Von den Männern dort blickte keiner in die Richtung des alten Manns; die meisten warfen verstohlene Blicke in Richtung Küche, als ob sie auf ein Eingreifen von Maria hofften.

Der Kerl setzte die fast leere Flasche ab, wischte sich über den Mund und blickte dann in unsere Richtung.

Unvermittelt stieß er ein Brüllen aus, das einem Löwen Ehre gemacht hätte, sprang über die Theke und stürmte auf uns zu. Noch bevor ich reagieren konnte, war Patrizia aufgesprungen und hatte beide Hände in seine Richtung ausgestreckt. Sie murmelte zwei Silben.

Der Kerl machte noch zwei Schritte auf uns zu und fiel dann um. Einfach so. Ha, nimm das! Das ist meine Frau!

Ich sprang auf und lief mit ihr zusammen zu dem Mann.

Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, dass die Männer am anderen Tisch aufsprangen und auf uns zu kamen. Drohend auf uns zu kamen. Einer griff sogar nach einem Messer, das er im Gürtel stecken hatte.

Patrizia legte ihre Finger an den Hals des Gestürzten. Dann streckte sie ihre andere Hand abwehrend in Richtung der Männer aus. "Kein Grund zu Panik", sagte sie. "Er schläft nur."

Die Männer hielten kurz inne, doch dann bewegten sie sich weiter auf uns zu.

"¡Alto!", schnitt plötzlich Marias Stimme durch den Raum.

Die Kerle erstarrten.

Sie kam näher und beugte sich über den Mann. "Es geht ihm gut?", fragte sie Patrizia.

"Klar. War nur ein Schlafzauber. Ich kann ihn aufwecken, wenn du willst."

Maria holte tief Luft und winkte den Männern, sich wieder hinzusetzen. "Du bist eine bruja?"

Patrizia blickte sie an. "Soy yo", gab sie zu.

"Kannst du -- kannst du dich um ihn kümmern? Ihm helfen?"

Das war nun mal eine seltsame Frage.

Patrizia runzelte die Stirn. Dann blickte sie zwischen Maria und dem Mann hin und her. "Ist er dein Vater?"

Maria lachte humorlos auf. "¡Pero no!", sagte sie. "Das ist Pedro. Mein missratener Sohn."

Pedro

Ich schlug die Augen auf und fand mich an einem mir unbekannten Ort wieder. Mein Blick war reichlich verschwommen. Nun ja, das war nicht wirklich etwas Besonderes.

"Halt die Luft an", sagte eine Männerstimme.

"Wa--?" Ich versucht, meinen Kopf zu drehen, doch ein stechender Schmerz hinter meiner Stirn ließ mich aufkeuchen.

"Ich mache jetzt die Dusche an", sagte er. Und im nächsten Moment ergoss sich lauwarmes Wasser über meinen Kopf.

Ich hatte die Luft natürlich nicht angehalten, also lief mir die salzige Brühe aus meinen Haaren in den Mund und die Luftröhre. Ich hustete mir die Lunge aus dem Leib, doch ihn schien das nicht zu stören.

"Ich wüsste ja gerne", sagte er, "wie es kommt, dass alles an dir mit Salz verkrustet ist. Badest du in einer Saline, oder was?"

Selbst, wenn ich in dem Moment hätte antworten können, hätte ich es nicht getan.

"Wo --", keuchte ich stattdessen. "Wo bin ich eigentlich?"

"Unter der Dusche?"

Ich konnte sein Grinsen nicht sehen, aber es richtiggehend spüren. "Red' kein Scheiß."

"Das hier ist ein Gästehaus der vulkanologischen Station auf La Isla Nueva."

"Und wie zum Henker komme ich hierher?"

Er lachte. "An was erinnerst du dich denn noch?"

Ich grübelte. Ich war mit einem Thunfisch in die Cantina gegangen. Jabari war nicht in der Küche. Ich erinnerte mich, dass er ein paar Tage auf Teneriffa war und beschloss, meinen Frust darüber hinunterzuspülen. "Ein Schluck Rum. Ein großer." Und dann --

"Mann", sagte er. "Wie lange hast du denn den Bart gezüchtet?"

"Vier Jahre", murmelte ich.

"Und dich in der ganzen Zeit nie geduscht?"

Ich zuckte die Schultern.

"Weißt du, dass ich dich für einen alten Mann gehalten habe?"

Ich blickte hoch, ganz vorsichtig. Es war ein Schwarzer. Im ersten Moment konnte man ihn locker mit Jabari verwechseln. Langsam wurde mir klar, dass ich genau das im Vollsuff gemacht hatte.

"Sorry", murmelte ich.

"Willst du den Bart behalten oder loswerden?"

Ich runzelte die Stirn. Ich spürte nichts von dem Rum, den ich getrunken hatte. "Wie lange war ich weggetreten?"

"Zehn Minuten."

"Diese Frau --"

Er grinste. "Meine Frau. Die beste Magierin der Welt. Kein anderer hätte dich so schnell flachlegen können."

Niemand hätte das können sollen. Wenn ich nicht so besoffen gewesen wäre --

"Also: Bart oder kein Bart?"

"Hast du denn eine Schere hier?"

"Nö, aber ich kann auch ein bisschen zaubern."

Hmmm. Interessant. "Na, dann mach ihn halt weg."

Er legte einen Finger an mein Kinn und murmelte ein paar harsch klingende Silben.

Aber hallo! "Du sprichst Devoc?"

Er grinste. "Nur ein paar Brocken. Ich hatte mal ein Dämon -- zum Freund."

Ich spürte ein Kribbeln, das sich von meinem Bart über meine Brust und Bauch bis zu meinen Füßen erstreckte und blickte nach unten. "He!" Nicht nur mein Bart war verschwunden, sondern auch mein Brusthaar. Und, da auch meine Hose weg war, konnte ich sehen, dass meine Beine nackt waren, genau wie mein --

"Huch! Sorry", sagte er. "Da bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Ist mir aber bei mir noch nie passiert."

Er hatte etwas mehr als "etwas" übertrieben. Ich griff nach oben. Von meinem Haupthaar war nur noch ein Zentimeter übriggeblieben. Wenigstens meine Augenbrauen waren noch da.

Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was geschehen war. Er war nicht wirklich daran schuld. Also winkte ich ab. "Ist nicht so schlimm -- falls es wieder wächst."

"Das wird es sicher. Ich suche dir mal eine Hose. Wir sind ja nicht so unterschiedlich gebaut. Komm ins Wohnzimmer, wenn du fertig bist."

Damit verschwand er.

Ich blickte in den großen Spiegel über dem Waschbecken. Hey, ich sah ja plötzlich gut aus. Ich holte tief Luft. Allerdings würde sich das wohl bald wieder ändern. Ich konnte ja schlecht dauernd hierherkommen, um zu duschen. Und Mamá dauernd zu besuchen und mir ihre Vorhaltungen anzuhören, war auch nichts, worauf ich Lust hatte.

Also sollte ich das hier ausnutzen. Ich blickte umher. Am Waschbecken lag eine noch eingepackte Zahnbürste. Ja, das sollte ich mir gönnen.

Fünf Minuten später warf ich mir ein Handtuch um die Hüften und lief nach draußen. Die Badezimmertür führte in einen kurzen Flur und dann in ein großes Wohnzimmer, das an einer Seite komplett offen war und auf eine Terrasse führte.

Der Schwarze lag neben einer blonden Schönheit auf einer breiten Liege. Er hatte immer noch das T-Shirt mit dem Spruch "To Hell and Back" an, wohl eine Musikgruppe, der Schrift nach zu urteilen. Sie trug einen fast durchsichtigen Bademantel über einem Bikini und hatte auch die Kurven dafür. Sehr ausgeprägte Kurven. Ich schluckte.

"Komm ruhig her, Pedro", sagte sie, ohne den Kopf zu drehen.

"Ich --"

Der Schwarze schaute mich an. "Ich heiße übrigens Leon und das ist Patrizia. Setz dich erst mal hin." Er wies auf einen Sessel vor der Liege.

Ich zögerte. Sollte ich nicht besser verschwinden? Doch dann lief ich hinüber und setzte mich. Auf einem Tischchen neben dem Sessel stand eine Karaffe voll mit einer gelben Flüssigkeit und ein Glas.

"Frisch gepresster Orangensaft", erklärte Patrizia und blickte mich lächelnd an. "Gegen den Kater. Ich hab' dir den Alkohol aus dem Blut geholt, doch besser ist besser."

"Danke", murmelte ich, schenkte das Glas voll und nahm einen großen Schluck. Ich hatte zwar keinen Kater, doch der Orangesaft schmeckte gut. Ich sah, dass die beiden auf ihrem Tisch eine Karaffe voll Rotwein hatten, die offensichtlich aus der Cantina meiner Mutter stammte.

"Ihr trinkt den Wein aus der Cantina?", fragte ich, um unverbindliche Konversation zu machen.

Patrizia nickte. "Der schmeckt besser als das Zeug, was sie hier im Kühlschrank haben."

"Malvasier", meinte ich, "von Lanzarote. Mamá sagt immer, er erinnert sie an ihre jungen Jahre."

Patrizia runzelte die Stirn. "Warum hat deine Mutter uns gebeten, uns um dich zu kümmern?"

Okay, das war direkt. Ich holte tief Luft.

"Wenn dir das unangenehm ist --", sagte sie langsam.

Ich zuckte die Schultern.

"-- solltest du es uns dennoch erzählen", vervollständigte Leon den Satz. "Oder vertraust du uns nicht?"

Ich kannte die beiden gar nicht. Wie konnte ich ihnen vertrauen? Aber wenn Mamá meinte... Ich musste ja nicht alles erzählen.

"Ich bin ihre große Enttäuschung", sagte ich und lehnte mich zurück. "Sie und Papá hatten mein ganzes Leben geplant. Es gibt da dieses Mädchen, mit dem sie mich verlobt haben, als ich zwei Jahre alt war und sie gerade geboren wurde. Es war ausgemacht, dass ich sie heiraten sollte."

Ich blickte die beiden an. Jetzt würde wohl die große Entrüstung kommen, wie so etwas heutzutage noch möglich war.

"Hmmm", sagte Patrizia. "Nach allem, was ich weiß, halten geplante Ehen im Durchschnitt länger, als wenn sich zwei junge Leute Hals über Kopf verlieben und heiraten."

"Deswegen sind wir beide auch noch nicht verheiratet", meine Leon. "Obwohl --" Er warf ihr einen Blick zu.

Sie winkte ab. "Nicht das Thema heute. Also, Pedro: Dieses Mädchen. Hast du sie jemals kennengelernt."

Ich seufzte tief. "O ja. Wir haben eine Menge Zeit miteinander verbracht, als wir noch klein waren. Damals lief alles ganz gut. Doch dann -- Plötzlich war sie ein verzogenes Gör und hat mich nur noch beleidigt. Ich wäre ein Monster, ein Tier, ein gaikokujin halt."

"Oh", sagte Patrizia, "sie ist Japanerin! Das erklärt einiges."

Leon und ich blickten sie erstaunt an. "Du kannst Japanisch?", fragte er.

"Was man so aus Mangas und Anime lernen kann, wenn man die Dinger jahrelang verschlingt."

"Ja", bestätigte ich. "Sie kommt aus Japan."

"Und du? Nicht von hier, vermute ich."

Ich nickte. "Aus Guatemala. Ein Dorf an der mexikanischen Grenze."

"Also deine Verlobte, äh --"

"Misaki."

"Sie macht dich nach Strich und Faden herunter. Und dann?"

"Meine Eltern schickten mich auf die Oberschule in Quetzaltenango -- das ist die Bezirkshauptstadt -- und ich sah sie ein paar Jahre lang nicht. Dann trafen wir uns wieder, und alles war noch viel schlimmer. Sie machte wieder herunter. Schlimmer als je zuvor. Also brüllte ich sie irgendwann an, ich würde sie niemals heiraten und lief weg."

"Okay. Bis hierher --"

"Ihre Eltern haben das mitbekommen. Seitdem reden sie nicht mehr mit meinen Eltern."

Ihre Miene verfinsterte sich. "Oh." Sie legte den Kopf schief. "Aber irgendetwas sagt mir, dass das noch nicht das Ende der Geschichte ist."

"Ich --" Konnte ich das wirklich erzählen. "Auf der Oberschule hatte ich einen Freund. Manuel. Wir --" Ich stockte.

Jetzt grinsten beide breit. "Wette gewonnen", meinte Leon.

"Ich habe nicht gegen dich gewettet."

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. "Wieso habt ihr gewettet?"

"Dass du schwul bist", sagte Leon.

"Du hast Leon mit Jabari verwechselt", stellte Patrizia fest, "und bist eifersüchtig geworden."

"Aber Jabari", meine Leon nachdenklich, "steht doch gar nicht auf Männer."

Ich runzelte die Stirn. "Hä? Hast du es etwa bei ihm versucht. Aber ihr beide seid doch --" Die beiden hielten sich an der Hand.

Patrizia lachte auf. "Hast du schon jemals den Begriff 'bisexuell' gehört? Ich war eine Zeitlang mit einer Frau zusammen."

Leon zuckte die Schultern. "Und ich bin eigentlich nicht schwul, aber --"