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Merlins Kinder 07 Drachenjagd 3

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"Und was heißt das für mich, dass ich von einer Hexe abstamme?"

"Hexenmagie wird über das X-Chromosom vererbt. Die Gene sind dominant, müssen aber in den meisten Familien durch ein Ritual aktiviert werden. Da deine Urgroßmutter keine Töchter hatte, und recht früh -- äh -- gestorben ist, ist das Wissen darüber bei euch höchstwahrscheinlich verschütt gegangen."

Sie starrte mich an. "Ich bin eine Hexe."

Ich nickte. "Genau wie etwa ein Prozent der weiblichen Bevölkerung. Aber davon kennt nur ein Bruchteil ihre Abstammung."

"Ich könnte also --" Sie legte den Kopf schief.

"Du hast ziemlich sicher das Talent. Doch wenn deine Uroma keine Aufzeichnungen hinterlassen hat, ist es nicht möglich, das Ritual durchzuführen, um deine Familienmagie zu aktivieren." Ich holte tief Luft. "Was vielleicht auch ganz gut ist --"

"Warum das?"

"Die Familie Schwarzer hat sich -- nomen est omen -- mit dunkler Magie befasst. Über ein Dutzend deiner weiblichen Vorfahren wurde deswegen verurteilt und hingerichtet. Nicht --" unterbrach ich ihren Einwand "-- weil sie Hexen waren, sondern weil jede davon sich einer Reihe schwerer Verbrechen schuldig gemacht hatte."

Sie atmete schwer. "Scheiße", murmelte sie und blickte zu Boden.

"Das sollte dich aber nicht daran hindern, 'normale' Magie auszuüben."

Sie blickte auf. "So wie Schuhe rot zu färben oder schwere Koffer hochzuheben."

"Physikalische Magie --" Ich merkte, dass ich in meine Dozentenstimme verfiel. "-- ist deswegen die einfachste, weil du in der Regel direkt eine Rückmeldung bekommst, wenn sie funktioniert."

"Kannst du mir das beibringen?"

"Hmmm."

Ihr Gesicht fiel herunter. "Ich -- ich würde dich dafür bezahlen."

Sie hatte doch gar kein Geld. War ihr das wirklich so viel wert? "Ich will kein Geld. Es geht nicht darum, ob ich will, sondern ob ich das kann."

"Hä?"

"Ich habe noch nie jemand anderem das Zaubern beigebracht. An der Uni geht es entweder nur um die Theorie oder darum, Magiern beizubringen, wie sie die Theorie in die Praxis umsetzen. Zaubern können die alle schon."

"O-kay. Und wie hast du es gelernt."

Ich musste grinsen. "Überhaupt nicht. Ich hab' mit acht Jahren einen Computer in der Schule dazu gebracht, mir etwas zu zeigen, was 'überhaupt nicht möglich' war."

Sie blickte mich verständnislos an.

"Lesbische Pornovideos", erklärte ich. "Nur wusste ich das damals nicht."

"Aha!"

"Danach hat meine Oma mich zur Seite genommen und mir erklärt --"

"Mit acht Jahren?"

Ich lachte auf. "Nicht das. Nein. Sie hat mir klar gemacht, dass ich meine Fähigkeiten etwas vorsichtiger einsetzen musste."

"Du hast also einfach so gezaubert."

Ich nickte. "Aber ich kann dir ein paar Tipps geben." Ich öffnete das kleine Fach an meinem Rucksack. "Hier!" Ich reichte Carina die Kupfermünze, die ich seit meinem Abenteuer in der "SM-Parallelwelt" vor über zehn Jahren mit mir herumschleppte.

"Was soll ich damit machen?"

"Leg sie auf den Tisch und versuch dann, sie mit deinen Gedanken zu bewegen."

"Muss ich dann etwas wie 'Abrakadabra' sagen?"

"Nope. Neurolinguistische Programmierung macht nur dann Sinn, wenn die Komplexität des Spruchs dreihundert Millihawking überschreitet."

"Hä?"

Ich grinste verlegen. "Sorry, da ging mal wieder die Dozentin mit mir durch."

"Dozentin? Ich dachte, du studierst noch."

"Upps. Ja. Nebenbei gebe ich Anfängervorlesungen."

"Moment mal. Wie alt bist du?"

"Zwanzig, warum?"

Sie schüttelte langsam den Kopf. "Irgendwann musst du mir erzählen, warum du als Prostituierte arbeitest. Aber jetzt nochmal: Ich lege die Münze auf den Tisch. Und dann?"

"Versuch, dir vorzustellen, dass sie sich bewegt. Stell eine Verbindung zu ihr her. Fühle ihre Identität. Gib ihr den Befehl, sich zu bewegen. Irgendetwas in der Art."

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich.

Ich spürte, dass sie das Talent besaß, doch nichts geschah.

"War wohl nichts", seufzte sie nach ein paar Minuten.

"Kein Problem. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Mein Bruder hat damals einen ganzen Monat gebraucht."

"Und wie alt war er?"

"Zwölf, aber das ist egal. Du hast es gerade zum ersten Mal versucht. Setz dich einfach einmal am Tag hin und versuch es eine Viertelstunde lang."

* * *

Als Carina am nächsten Morgen aus ihrem Zimmer kam, waren ihre Augen blutunterlaufen. Sie hatte offensichtlich eine laaange Nacht hinter sich.

Ich lachte auf. "Wie lange hast du es versucht?"

Sie winkte schwach. "Keine Ahnung", krächzte sie und verschwand im Bad.

Als sie nach überraschend kurzer Zeit wieder herauskam, sah sie schon viel besser aus - sie hatte offensichtlich Übung darin, die Folgen einer langen Nacht zu vertuschen.

"Wow!", sagte ich bewundernd. "Ich hätte dir ja einen Kaffee gezapft, aber da ich nicht weiß --"

"Schwarz", gab sie zurück. "Zwei Stück Zucker, damit mein Hirn auf Touren kommt." Sie schlurfte zur Kaffeemaschine -- eine Bewegungsart, die man hier auf dem Mond sehr schnell lernte -- und drückte die entsprechenden Knöpfe. Dann blickte sie stirnrunzelnd die andere Maschine an.

"Stimmerkennung", sagte ich. "Sag einfach, was du willst."

Ihre Augenbrauen gingen hoch. "Ein Croissant", sagte sie ziemlich laut. "Butter. Orangenmarmelade."

Ein paar Sekunden später antwortet eine sympathische Männerstimme. "Ihre Bestellung wird zubereitet. Lieferung an Ihren Tisch in drei Minuten."

"Ist schon ziemlich luxuriös hier", kommentierte ich. "Glücklicherweise ist das Essen inklusive."

"Tja --", sagte sie langsam und setzte ihre Tasse vorsichtig vor sich ab. "Gehen wir zusammen arbeiten?"

Ich schüttelte den Kopf. "Ich will mir erst einmal die Stadt ansehen." Ich hob meinen Arm, an dem ein silbernes Band das Handgelenk "verschönte". "Zumindest so weit, wie ich berechtigt bin."

Ihre Augen zuckten von meinem Gesicht zu meinem Arm und wieder zurück. "Ich -- äh -- Sollten wir nicht lieber zu zweit --"

"Warum? Du willst sicher keine Anfängerin mit dir herumschleppen. Außerdem läufst du hier keine Gefahr, überfallen zu werden. Die Kriminalitätsrate ist gleich null."

Das stimmte natürlich nicht hundertprozentig. Überall, wo Menschen zusammenleben, gibt es Kriminalität. Nur war Luna City sozusagen ein Überwachungsstaat. Außer den Armbändern, die ständig unsere Position und Lebenszeichen übermittelten, gab es auch noch an allen Ecken Kameras.

Jeder, der hierherkam, musste unterschreiben, dass er diese Überwachung akzeptierte. Die einzige Strafe für Gesetzesverstöße war die sofortige Abschiebung zur Erde. Ohne Chance auf Rückkehr.

Abgesehen davon gab es hier sehr wenige Jugendliche und schon gar kein organisiertes Verbrechen. Wer Drogen konsumieren wollte, konnte die überall kaufen. Wer Drogen exzessiv konsumierte und dadurch negativ auffiel -- siehe oben.

Und Diebstähle? Bargeld gab es nicht, Handys zu stehlen war witzlos, und wer teure Wertgegenstände herumtrug, war selbst daran schuld.

Carina legte den Kopf schief. "Ich dachte --" Doch in dem Moment öffnete sich eine Klappe vor ihr im Tisch und ihr Frühstück kam heraus -- das Croissant dampfte noch.

Carina

Zwei Tage später machte Patrizia immer noch keine Anstalten, mit mir oder ohne mich anschaffen zu gehen.

Sie war die ganze Zeit unterwegs gewesen, angeblich zum Sightseeing -- als ob es hier irgendwelche Sehenswürdigkeiten gäbe. Mit unseren Armbändern kamen wir nur in die Wohn- und Freizeitbereiche der Stadt. Das einzig Interessante war die Aussichtskuppel an der Oberfläche. Doch dafür brauchte man vielleicht eine Stunde und keine zwei Tage.

Außerdem hatte sie an beiden Abenden zusehends schlechtere Laune. Ich wagte schon gar nicht mehr, nach weiteren Zaubertipps zu fragen.

Doch als sie dann auch schon beim Frühstück mit finsterer Miene herumlief, musste es einfach raus.

"Also", sagte ich und lehnte mich zurück. "Wieso läufst du hier Spuren in den Boden."

"Ich -- Was?"

"Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass du Probleme hast. Was ist es, das du vorhast und das nicht klappt?"

Sie starrte mich eine Zeitlang stumm an, dann ließ sie sich auf den nächsten Stuhl gleiten. "Ist das so offensichtlich?"

Ich nickte. "Auch, dass du nie vorhattest, auf den Strich zu gehen. Du brauchst das Geld doch gar nicht."

Sie schüttelte langsam den Kopf. "Ich bin auf einer Mission", sagte sie dann -- langsam und vorsichtig, als wollte sie kein falsches Wort sagen. "Ich suche nach einem Mädchen."

"Mädchen? Kinder gibt es hier eigentlich gar keine."

Sie lachte humorlos auf. "Sie ist ziemlich genau so alt wie ich. Also eine junge Frau. Japanerin. Seit eineinhalb Jahren verschwunden."

Ich runzelte die Stirn. "Und du denkst, sie ist hier? Die ganze Zeit?"

Sie nickte bestimmt. "Sie ist am siebzehnten Juli letzten Jahres zum Mond geflogen und seitdem nie wieder zur Erde zurückgekehrt."

"Auch nicht in ein anderes Land?"

"Ihre Eltern hätten das gemerkt."

"Hmmm. Die sind auch Zauberer?"

Sie zögerte. "So in etwa. Ich darf nicht --"

Ich hob die Hand. "Ist mir klar. Wenn das Mädchen die ganze Zeit hier ist, dann müsste sie doch auf den Überwachungskameras auftauchen."

Sie holte tief Luft. "Nein, müsste sie nicht. Sie ist -- äh -- unsichtbar -- für Kameras meine ich."

Ich legte den Kopf schief. Sehr seltsam. Doch es schien, als ob Patrizia die Wahrheit sagte.

Wenn das Mädchen wirklich nicht auf Kameras auftauchte, dann musste man irgendwelche Leute fragen, ob sie sie gesehen hatten. Was Patrizia wohl die letzten beiden Tage getan hatte. Doch niemand hatte ihr helfen können -- oder wollen. Sie kannte sicher nicht die richtigen Leute. Aber ich kannte inzwischen einige, die mir wohl Antworten geben würden.

Außerdem -- "Ich glaube", sagte ich, "ich kann dir möglicherweise helfen."

Ihre Augen leuchteten auf. "Wirklich?"

"Aber es kostet dich etwas --"

"Ich habe ein unbegrenztes Spesenkonto."

"Nein, nein. Kein Geld. Du--" Mein Zeigefinger beschrieb kleine Kreise. "Du hast mich belogen. Das gehört bestraft."

Sie grinste verlegen. "Ich verstehe ", sagte sie dann. "Worin besteht meine Strafe?"

"Wir gehen zusammen aus. Und du trägst deine roten Schuhe."

"Jawohl, Herrin."

Meine Augen wurden groß. Hatte ich etwa so befehlend gesprochen? Doch ihr breites Grinsen sprach irgendwie dagegen.

Nichtsdestoweniger machte ich weiter. "Außerdem habe ich auch ein Kleid, das du anziehen wirst."

Jetzt blickte sie mich mit großen Augen an. "Du weißt schon", meinte sie und legte ihre Hände von unten gegen ihre voluminösen Brüste, "dass meine Oberweite ein bisschen --"

"Ist egal", unterbrach ich sie. "Strafe muss sein."

* * *

Ich muss sagen, sie ertrug die Strafe gelassen. Zwar versuchte sie immer wieder, den Rocksaum etwas tiefer zu ziehen, während wir durch die Tunnel des Freizeitbereichs schlenderten, doch Leuten, die uns entgegenkamen, blickte sie freundlich ins Gesicht.

Es wunderte mich, dass keine der Männer uns ansprachen, doch obwohl hier in Luna City rund um die Uhr gearbeitet und also auch gefeiert wurde, war der Morgen für Sexarbeiterinnen eher eine ruhige Zeit.

Doch nachdem zum vierten Mal zwei Kerle uns zuerst mit begehrlichen Blicken angeblickt hatten, aber dann kurz vor uns abgebogen waren, musste ich mir Patrizia zur Brust nehmen.

Ich blickte sie an, doch sie zuckte nur die Schultern. "Meine Familie ist übervorsorglich."

"Was heißt denn das schon wieder?"

"Als ich meiner Uroma erklärte, was ich vorhabe, hat sie meine Schutzzauber erneuert. Und offensichtlich noch eine Komponente drangehängt, von der sie mir nichts gesagt hat."

Ich runzelte die Stirn. "Eine Komponente, die Männer abschreckt. Mein Gott, die hat aber bei dir den Daumen drauf."

Sie zuckte wieder die Schultern. "Das ist eine andere Generation. Leon hat nichts dagegen."

"Leon?"

"Mein -- äh -- Lebensgefährte?"

"Echt jetzt? Du hast einen Kerl und erzählst ihm, dass du zur Tarnung Sex mit fremden Männern haben willst?"

"Tjaaa --"

Ich schüttelte stumm den Kopf. Eine Mission? Wichtiger als ihre Beziehung?

Patrizia

Als ich damals in der neuen Welt ankam, wohnte Papa schon jahrelang mit Mama zusammen bei uns im "Hexenhaus". Und ich stand staunend vor seinen Regalen mit Büchern. Fantasy und Science-Fiction. Zum Teil fünf Jahrzehnte alt.

"Dein anderes Ich hat sie mit Begeisterung verschlungen", erklärte er grinsend.

Ich schüttelte nur den Kopf. "Ich weiß nicht."

Er griff in die Mitte und hielt mir ein schwarzes Taschenbuch entgegen. "Hier", sagte er. "Das ist mein Lieblingsschriftsteller."

Ich runzelte die Stirn. "Heinlein? Ist das der mit dem schrecklichen Film? Mit den Sternenkriegern?"

Er lachte auf. "Die Bücher sind um Klassen besser. Und das hier wird dir gefallen. Da spielt ein intelligenter Computer eine Hauptrolle."

Ich nahm das Buch zögernd entgegen. "Wenn du meinst..."

Es dauerte Wochen, bis es mir zu einem Zeitpunkt wieder in die Hände fiel, wo ich Zeit dafür hatte. Also ließ ich meine wissenschaftlichen Abhandlungen liegen und begann zu lesen.

Eine Stunde später stand ich vor dem Regal und holte mir das nächste Buch und das nächste und das nächste.

Ich konnte gar nicht aufhören. Natürlich war die Technologie in den Büchern total veraltet. Aber RAH, wie seine Fans ihn nannten, war ein begnadeter Geschichtenerzähler.

Das Buch mit dem denkenden Computer -- "Revolte auf Luna" -- spielte größtenteils in Luna City. Und die Beschreibung von riesigen, von Menschenmassen bewohnten, Höhlen prägte mich und mein Bild von der Metropole.

Ich wusste -- vom Kopf her --, dass das echte Luna City ganz anders war. Und doch war ich ein bisschen enttäuscht. Auf dem Mond hatte es nie Vulkanismus gegeben. Also auch keine natürlichen Höhlen. Jeder einzelne Tunnel, jede einzelne Kammer der Stadt waren aus dem Mondstein herausgebohrt worden. Und natürlich machte man sie nur so groß wie nötig.

Tunnel, in denen Fahrzeuge unterwegs waren, waren für Fußgänger verboten. Es gab einfach nicht genug Platz. Und die meisten Fußgängertunnel außerhalb der Freizeitgebiete waren gerade so breit und hoch, dass man keine Platzangst bekam.

Die dreißigtausend Einwohner verliefen sich einfach. Außerhalb der Freizeitgebiete traf man nur selten jemand anderen.

Kein Wunder, dass meine Frustration in den zwei Tagen, in denen ich allein durch die Tunnel streifte, immer mehr angestiegen war. Also war es fast schon eine willkommene Abwechslung, mit Carina auf Männerfang zu gehen. Doch auch das war nur ein Schuss in den Ofen. Ich wusste echt nicht, ob ich Uroma Sabine danken oder sie verfluchen sollte.

"Okay", sagte Carina in meine Gedanken hinein. "Hier kommen wir nicht weiter."

Ich legte den Kopf schief. "Aber du hast eine Idee?"

"Jepp. Wir müssen mit Chantal reden."

"Äh -- Chantal?"

"Genau. Komm."

Wir bogen in einen breiten, schlecht beleuchteten Tunnel ab. Einen für Müllautos vielleicht. Ich hatte mich tunlichst aus diesen Röhren herausgehalten, weil ich nicht überfahren werden wollte. Doch Carina hatte scheinbar keine Bedenken.

"Wer ist denn diese Chantal?"

"Das erfährst du noch früh genug. Hier hinein."

Die Tür war nicht verschlossen oder gesichert. Aber es gab auch keinerlei Hinweis, wohin sie führte.

Doch dahinter wurde es mir schnell klar. Alle Wände waren mit rotem Samt verkleidet, und flackernde Lampen imitierten Kerzenlicht. Auch wenn ich noch nie zuvor in einem Bordell gewesen war -- das hier war unzweifelhaft eines.

Komplett mit Bordellmutter. Eine Frau kam auf uns zu, für die nur der Begriff "gewaltig" passte. Sie war nicht hochgewachsen, aber ihr Umfang -- Auf der Erde hätte sie wohl an die zweihundert Kilo gewogen und wäre nur schwer aus dem Bett gekommen. Hier -- sie bewegte sich schon fast graziös.

"Chantal", sagte Carina. "Das ist Patrizia."

"Pat", murmelte ich und streckte die Hand aus. "Freut mich --" Ich stockte.

Chantal lachte auf. "Geschockt?", fragte sie und griff nach meiner Hand.

"Ich hätte nicht vermutet --"

Sie zuckte die Schultern, "Tja, ich war auch einmal so schlank wie du, Kleines, doch dann wurde ich krank. Schilddrüsen-Unterfunktion."

"Das kann man doch heilen."

"Inzwischen bin ich auch wieder gesund, aber weißt du was? Ich fühle mich hier oben ziemlich wohl und --" Sie grinste frech. "Ich verdiene ganz gut."

Ich hatte schon davon gehört, dass es Männer gab, die auf Frauen von Chantals Format standen. Und wenn es ihr nichts ausmachte...

Sie winkte uns zu folgen. Wir setzten uns auf ein rotes Plüschsofa -- natürlich. "Willst du einen Kaffee?", fragte sie.

"Pat ist endlich mit der Wahrheit herausgerückt", mischte sich Carina ein.

Chantal hob eine Augenbraue. "Ja?"

"Ich suche jemanden."

"Eine junge Japanerin", erklärte Carina.

Chantal runzelte die Stirn. "Die meisten Japaner hier in LC arbeiten im Dienstleistungssektor. Die zentralen Küchen sind fest in japanischer Hand."

Ich winkte ab. "Hab' ich schon durch. Keiner kennt sie."

"Oder sagt es nicht."

Ich lächelte. "Ich hab' da so meine Methoden."

"Was ist mit den Wissenschaftlern?"

"Da, wo eine Zwanzigjährige ohne Studium beschäftigt wird, war ich auch schon."

"Bliebe nur der Unterhaltungssektor. Hast du eigentlich ein Foto von der Frau?"

Ich schüttelte den Kopf. "Das ist -- kompliziert. Außerdem weiß ich nicht, ob sie ihr Aussehen verändert hat."

"Hmmm."

"Was?"

Sie griff in ihr Kleid und holte ein Telefon heraus. "Ich meine mich zu erinnern..." Sie tippte ein paarmal darauf.

"Woran?", fragte ich.

Sie hob den Finger. "Jessica-Baby? Chanty hier. Hattest du mir nicht einmal von einer Japanerin erzählt -- Ja, etwa zwanzig. Wo? Okay. Danke. Du hast was bei mir gut." Sie steckte das Handy wieder weg. Ihr Gesicht war ernst geworden.

"Was ist?", fragte Carina und ich wie aus einem Mund.

"Es gibt einen Club --" Sie sprach nicht weiter.

"Einen Sexclub?", fragte ich.

"Einer von der härteren Sorte."

"SM?"

"Das Gates to Hell?", fragte Carina.

Chantal nickte.

"Ich dachte, das wäre nur eine Legende", fuhr Carina fort.

Chantal schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Es ist schon Realität."

Ich runzelte die Stirn. "Was hat es mit diesem Club auf sich?"

"Man kommt da nicht so leicht rein."

"Eine hohe Gebühr? Das ist kein Problem."

Chantal schüttelte wieder den Kopf. "Die lassen keine Singles hinein. Und auch keine 'normalen' Paare."

Ich blickte zu Carina. Ihre Augen waren groß wie Untertassen.

Ich grinste sie an. "Wie gut kannst du Domina?"

Sie zuckte zusammen. "Ich? Überhaupt nicht. Jemanden schlagen? No, njet, never."

Ich wandte mich wieder an Chantal. "Kannst du mir jemand --"

"Aber ich kann Sub", unterbrach Carina mich. "Den Mund halten und Befehle befolgen kann so schwer nicht sein. Und solange du nicht zu hart zuschlägst..."

Ich musterte sie und leckte mir über die Lippen.

Carina grinste breit. "Ich bin nicht lesbisch. Das heißt aber nicht, dass ich überhaupt keine Erfahrung mit Frauen habe."

"Sieh an, sieh an. Stille Wasser --"

"Also. Wir ermitteln gemeinsam." Sie wandte sich an Chantal. "Was brauchen wir, um da reinzukommen?"

Die blickte mich stirnrunzelnd an. "Und du glaubst, du kannst das? Hast du das denn schon gemacht?"

Ich schüttelte lachend den Kopf. "Ich bin eine Leseratte. Was ich momentan noch nicht über BDSM, Fetische, Spanking oder Bondage weiß, lese ich mir heute Nacht an. Ich bin sicher, ich kann die Rolle so gut spielen, dass ich nicht auffalle."

Chantal nickte langsam. "Wenn du meinst -- Ich besorge euch eine Einladung."

"VIP, wenn möglich", meinte ich. "Meine Auftraggeber bezahlen alles."

* * *

Einen Tag später

Ich kam aus meinem Zimmer in unserer Wohnung, und Carina kniete auf dem Boden. Sie trug ein weißes Negligé, so dünn, dass klar sichtbar war, dass sie keinen BH darunter trug.