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War er so lange wütend gewesen? Hatte er seinen Hass so lange genährt, bis er sie vernichten wollte?

Ihr gesamtes Leben würde in Flammen aufgehen, wenn er dieses Bild veröffentlichen würde. Alles wäre vergebens gewesen.

Mit zitternden Fingern, rasendem Puls und einem sehr flauen Gefühl im Magen antwortete sie ihm: ‚Was verlangst du?'

Seine Antwort war nicht länger als die vorherige Nachricht: ‚Du wirst tun was ich dir auftrage, wie ich es dir auftrage und wann ich es dir auftrage. Verstanden?'

‚Ja.'

Zu mehr war sie nicht mehr fähig gewesen und es kam auch keine unmittelbare Antwort von ihm.

Bis zum Abend hatte sich weder ihr Puls noch das Zittern ihrer Hände beruhigt. Und auch die Magenschmerzen wurden schlimmer.

Gebannt wartete sie auf Anweisungen, die nicht kamen. Drückte ständig reload in ihrem Mailprogramm. Und dann kamen die Tränen.

Erst spät in der Nacht rollte sie sich auf ihrem Bett zusammen. Den Blick noch immer auf den Bildschirm des Laptop gerichtet. Irgendwann übermannte sie die Erschöpfung.

Doch all die Tränen hatten ihr Erleichterung verschafft. Ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen galt Dingo: ‚Zumindest hat er mich nicht vergessen.'

Die folgenden Tage verbrachte sie wartend. Ihr sorgsam konstruiertes Leben war in akuter Gefahr, aber sie wartete beinahe schicksalsergeben auf die nächste Mail. Niemand bekam sie zu Gesicht. Ihr Anrufbeantworter war bald voller Nachrichten von ihrer Familie, ihren Freundinnen und natürlich ihrem Verlobten. Aber sie wollte niemanden sehen.

Sie konnte sich kaum überwinden etwas zu essen und ihr Blick löste sich nicht länger als unbedingt nötig vom Bild ihres Mailprogramms. Aber erst am Freitagmorgen kam eine neue Mail von ihm. Die Mails anderer Leute hatte sie schlicht ignoriert.

Und als sie den Absender las, er verwendete seine alte Mailadresse, setzte ihr Herz wieder einige Schläge aus.

Sofort war sie wieder nervös. Sofort war ihr Puls wieder auf hundertachtzig. Mit zitternden Fingern veranlasste sie die Mail, sich zu öffnen.

‚Heute kommt ein Paket für dich zu deiner WG-Adresse. Was darin ist, wirst du heute Abend tragen.

Du wirst nichts sonst tragen und außer dreißig Euro nichts mitnehmen, wenn du das Haus verlässt.

Du wirst ein Taxi rufen und einsteigen. Es soll dich zur folgenden Adresse bringen ...'

Die weiteren Anweisungen waren nicht weniger präzise. Sogar was sie zu sagen hatte, wann sie nichts sagen durfte und wie sie sich verhalten sollte, war minutiös beschrieben.

Nur der letzte Satz beinhaltete eine Drohung:

‚Und denk daran: nur ein einziges Wort ...'

Als hätte sie sich jemandem anvertrauen können. Niemand durfte davon erfahren. Nicht einmal die Polizei. Vor allen Dingen keine Fremden wie Polizisten.

Sie hatte keine Wahl. Sie musste tun, was er ihr befahl.

Und nachdem sie sich das eingestanden hatte, fühlte sie sich besser.

Sicher, sie war immer noch nervös. Ihr Puls wollte sich nicht beruhigen. Ihre Hände nicht aufhören zu zittern. Aber sie hatte ja keine Wahl.

Das Paket kam wie angekündigt und darin befand sich das ‚Kleid' aus metallenen Kettengliedern, die unmöglichen Schuhe und ein Halsband aus schwarzem Samt mit einer Brosche daran, die einen blauen Stein hielt.

Ein Outfit wie aus einer ihrer Geschichten. Und das Halsband war ein aufregender Scherz aus ihren Mails gewesen. Lediglich eines fehlte daran.

In jener Mail hatte er vorgeschlagen, in dem Halsband könne etwas stehen wie ‚Eigentum von Dingo'.

Doch in diesem Halsband war keine Inschrift zu finden.

Sie machte sich zurecht, wie er ihr aufgetragen hatte. Rasierte sich am ganzen Körper, obwohl es Stunden dauerte.

Nur ihr Haar hatte keine Erwähnung in der Mail gefunden. Normalerweise trug sie es in einem Dutt. Einer einfachen Hochdreh-Frisur, die keinen Aufwand machte. Ihr Verlobter mochte das. Er fand ihre langen, schwarzen Haare lästig, wenn sie nicht gebändigt waren.

In den letzten Tagen hatte sich Anna ziemlich vernachlässigt und ihr Haar hatte die meiste Zeit in dieser Form verbracht. Nachdem sie es nun gewaschen und getrocknet hatte, fiel es nicht so glatt wie sonst, sondern legte sich in lange Wellen. Sie beließ es dabei. Nicht weil sie sich erinnerte, dass Dingo einmal gesagt hätte, er hasse Dutts, sondern weil er selbst das bisschen Mühe nicht wert war, die Haare hochzudrehen.

Und nun war sie hier. In der Disko. Und stand noch immer in der Ecke.

Hier beachtete sie niemand. Beinahe niemand. Nur ein paar Jugendliche hatten sie erspäht und versuchten Genaueres zu erkennen.

Nun war es soweit. Sie konnte sich nicht länger drücken. Hatte ohnehin schon länger hier gestanden, als sie gedurft hätte.

Ihr nächstes, vorgegebenes Ziel war die Tanzfläche. Die war kaum auszumachen, weil sich alle möglichen Menschen überall im Takt der Musik bewegten, doch an einer Stelle war es etwas heller im nebligen Dunst. Dort schienen einige Metallstangen bis zur Decke zu ragen. Dort musste es sein.

Anna war sich nicht sicher, ob sie die kommende Aufgabe bewältigen konnte, aber er hatte ihr klar eröffnet, dass sie beobachtet werden würde. Und wenn sie versuchte eine seiner Anweisungen nicht auszuführen, wäre ihre Vereinbarung geplatzt.

Seufzend löste sie sich aus der relativen Sicherheit ihres Verstecks.

‚Kopf hoch, Brust raus', ermahnte sie sich in Gedanken. ‚Er mag mich zwingen können hier wie eine Schlampe herumzulaufen und mich vor Hunderten von Menschen zu erniedrigen, aber wenn ich ihm gestatte, meinen Stolz zu brechen, dann hat er gewonnen.'

Woher nur kam dieser Schauder bei dem Gedankengang?

Ekel natürlich. Was sonst?

So gut es ihr möglich war, hielt sie sich gerade und aufrecht. Sich selbst konnte sie damit nicht täuschen, aber ein paar der Umstehenden, die zufällig in ihre Richtung blickten, machten ihr tatsächlich ein wenig Platz.

Deren Blick ruhte allerdings nicht auf ihrem Gesicht, dessen Ausdruck sie so unnahbar wie möglich hielt, sondern auf ihrem Körper.

Beinahe wäre sie vollkommen zusammengebrochen, als ihr klar wurde, wie sich ‚Brust raus' in diesem verdammten Kleid auswirken musste. Ihre Brustwarzen rieben sich nun nicht mehr an der Innenseite der Kettenglieder, sondern reckten sich eindeutig hindurch.

Aber jetzt der Scham nachzugeben, hätte sie ihre letzten Kraftreserven gekostet. Sie hätte verloren.

Also hielt sie sich mit allem verbliebenen Mut weiter gerade und ignorierte so gut wie möglich die Blicke. Auch wenn ihr Kopf aussehen musste wie eine Tomate.

Und erstaunlicherweise funktionierte es.

Man machte ihr Platz. Nicht viel, aber genug, dass sie nicht weiterhin Angst vor den Zigarettenenden und Ellenbogen haben musste, oder um die Unversehrtheit ihrer Füße.

Trotz der unwahrscheinlichen Situation verspürte Anna ein seltsam erhebendes Gefühl, als sie bemerkte, wie sich der Hinweis auf ihr Vorankommen ungefähr einen Meter vor ihr fortpflanzte. Betrunkene stupsten Nüchterne an, Männer Frauen. Und sie alle schauten, was es zu sehen gäbe.

Sie alle musterten die Frau, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war und nun - stolz wie eine Diva und scheinbar ohne nennenswertes Schamgefühl - in Richtung der Tanzfläche schwebte. Sie musterten den aufregenden Körper, dessen Konturen durch das Kleid ebenso gut zu erkennen waren, wie der Umstand, dass sie keine Unterwäsche trug. Und dann schauten sie in das Gesicht, das zwar vor Aufregung zu glühen schien, aber dennoch seltsam entrückt wirkte, als wäre es der Frau egal, wie ihre Show aufgefasst wurde.

Anna fühlte sich, als beobachte sie sich selbst von einem höher gelegenen Beobachtungspunkt aus. Als sei nicht sie es, die dort durch die sich teilende Menge schritt. Und unwillkürlich fühlte sie ein wenig Bewunderung für diese unnahbare, aber aufregende Frau, von der sie niemals vermutet hätte, dass sie in ihr steckte.

Ein leichtes Hochgefühl erfasste sie.

Sie würde es Dingo zeigen.

Ohne nennenswerte Hindernisse überwinden zu müssen, erreichte sie die Tanzfläche, wo die Leute sich auf sehr unterschiedliche Weise der Musik hingaben. Manche wiegten sich nur leicht, andere sprangen mit wild peitschenden Haaren durch die Gegend und gefährdeten dabei nicht nur sich selbst.

Aber Anna wollte nicht direkt auf die Tanzfläche. Ihr Ziel war das nächstgelegene der vier erhöhten Podeste, von denen aus sich die Metallstangen zur Decke reckten.

Dort hielt sich ein ziemlich betrunkener, junger Mann an der Stange fest und versuchte seine Interpretation eines anregenden Tanzes mit der Stange vorzuführen. Er war ziemlich in sein Tun vertieft, aber trotzdem bemerkte er Anna, als sie bei ihm ankam.

Sein glasiger Blick klärte sich kaum, als er ihr kurz ins Gesicht sah. Und während seine Augen sich langsam an ihrem Körper entlang nach unten vortasteten, wurde er eher noch starrer.

Ein ziemlich debiles Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. Die Bierflasche verließ seine linke und die Stange seine rechte Hand, als er nicht mehr genug Konzentration dafür aufwenden konnte, beides festzuhalten. Doch sein Blick löste sich keine Sekunde von Annas Körper, während er langsam rückwärts kippte und sich vermutlich nur wegen der ahnungslosen Körper nicht ernsthaft verletzte, die nicht rechtzeitig ausweichen konnten.

Anna sah ihm kurz dabei zu, wie er fröhlich lachend aus dem Bild kippte und in der Masse wogender Leiber verschwand. Doch dann richtete sie ihren Blick entschlossen auf die Stange und das Podest. Eleganter, als der vorübergehend losgelöste Teil ihres Selbst es für möglich gehalten hätte, stieg sie trotz ihrer hohen Absätze hinauf.

Natürlich war Anna sich der Tatsache bewusst, dass es psychologisch bedenklich sein mochte, sich selbst so losgelöst zu betrachten. Doch irgendwie gefiel ihr die ganze Situation langsam. Die Scham stand ihr nicht länger im Weg, nachdem sie sich in die Situation gefügt hatte. Und dank ihrer Losgelöstheit konnte sie die Grenzen ihrer Erziehung, die Barrieren von Anstand und Moral, einfach ignorieren.

Aus dieser Perspektive fand sie die Situation sogar anregend.

Sie war nicht länger irgendwer, sondern das Zentrum einer anzüglichen, aber auch seltsam respektvollen Aufmerksamkeit. Und die Leute wollten sehen, was sie als Nächstes tat, als wäre sie so etwas wie eine Berühmtheit.

Es gab keine Häme ob irgendwelcher Peinlichkeiten, wie sie es allzu oft erlebt hatte, wenn ihr ein Missgeschick passiert war. Keine abfälligen Bemerkungen. Die Aufmerksamkeit hatte nichts Herablassendes.

Anna schämte sich nicht, sondern war langsam aber sicher richtig stolz auf die Wirkung, die sie erzielte. Und das schien einen beträchtlichen Unterschied zu machen.

Ohne sich durch Nebensächlichkeiten wie bewusstes Nachdenken über ihr weiteres Vorgehen ablenken zu lassen, legte sie die Hände an die Stange. Das momentane Musikstück steckte in den Schlussakkorden. Und es war ohnehin nicht geeignet, irgendeine Form von Show zu bieten. Also wartete sie einfach kurz ab, ohne sich durch Konzentration auf irgendetwas anderes, als das angenehme Gefühl in ihrer Bauchgegend irritieren zu lassen.

Mit keinesfalls schamhaft, sondern eher andächtig gesenktem Kopf überstand sie eine kleine Pause, während der DJ offenbar ein anderes Musikstück vorbereitete, als ursprünglich eingeplant.

Die Klavierklänge der Einleitung zum mittlerweile schon recht alten ‚Bring me to life' von Evanescence waren allerdings überraschend genug, um ihre Entrücktheit kurz zu durchbrechen. In erster Linie, weil sie einst mit Dingo darüber gesprochen hatte, wie passend das Lied die Aufforderung repräsentierte, die sie ihm gegenüber ausgesprochen hatte: ‚Hol mich aus meinem langweiligen Leben und weck mich auf. Gib mir den Mut und die Kraft es zu wagen.'

Ein Zufall? Sein Plan?

Gleichgültig.

Etwas Passenderes hätte sie nicht auswählen können.

Die Empörung des anständigen Teils ihres Geistes verhallte ungehört.

Anna war den Kopf zurück und ließ ihr langes Haar durch die Luft rauschen. Ein beinahe fiebriges Gefühl kroch aus ihrem Bauch heraus den Hals entlang und über ihre Wangen. Hätte sie darüber nachdenken wollen, wäre sie sich des strahlenden Glanzes in ihren Augen sicherlich bewusst gewesen und hätte sich womöglich dafür geschämt.

Aber nicht jetzt ...

„How can you see into my eyes, like open doors ...?"

Es war keine bewusste Handlung, dass sie lautlos den Text mitsang, während sich ihr Bein um die Stange legte. Ebenso wenig wie sich zurück zu lehnen, bis ihr Hinterkopf beinahe den Boden des Podestes berührte.

„Without a soul, my spirit sleeping somewhere cold ..."

Es war intuitiv, sich mit den einsetzenden Gitarrenakkorden wieder hinaufzuziehen und ihren Körper an die Stange zu pressen. Sich mit dem Unterkörper daran zu reiben, als sei es ein Stab aus Fleisch und nicht aus Metall.

„Wake me up"

Der Schwung um die Stange, das Wirbeln ihrer Haare, das Rucken im Takt, waren keine bewussten Handlungen. Und dennoch war ein Teil ihres Geistes hellwach.

Natürlich war sie zu solchen Bewegungen in der Lage. Schlau genug, den Ballettunterricht der Kindheit abzuwandeln, aber woher kam dieses Feuer zwischen ihren Schenkeln? Woher kam das Flattern ihres Herzschlags?

„Wake me up inside"

Als wäre der Text für diesen Tag, diese Stunde, für sie geschrieben worden.

„Save me"

‚Rette mich? Wovor?'

„I can't wake up"

‚Kann nicht aufwachen. Nicht allein. Nicht ohne Hilfe.'

„Save me from the nothing I've become"

‚Rette mich vor dem Nichts, zu dem ich geworden bin. Dem Nichts, das ich immer war.'

Tief in einer verwirrenden Flut von Gedanken versunken war sich Anna ihrer Umgebung nicht mehr bewusst. Doch dass sie etwas heraus ließ, bemerkte sie deutlich. Etwas, das tief in ihr schlummerte. Das vielleicht nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte.

Entfernt war sie sich im Klaren darüber, dass sie sich wie eine Stripperin an einer Metallstange räkelte und es genoss als wäre sie eine Exhibitionistin. Es war ihr nicht einfach egal, dass man bei ihren wilden Bewegungen hier und da fast alles von ihrem Körper sehen konnte. Nein, sie wollte es.

„Frozen inside without your touch"

‚Erfroren ohne deine Berührung. Selbst wenn sie nur geistig ist.'

„Without your love, darling"

‚Ohne deine Liebe. Und wenn nicht das, dann wenigstens deinen Hass. Wenigstens etwas ...'

„Only you are the life among the dead"

‚Nur du hast mich so tief berührt. Hast mir einen Hauch von Leben geschenkt.'

Tränen bildeten sich unbemerkt und liefen ihr übers Gesicht. Sie hatte für einen kostbaren Augenblick das Leben geschmeckt und war geflohen, vor dem Feuer, aus Angst zu verbrennen. Und dabei war es doch genau das, was sie sich ersehnte. Verbrennen, wenn es nicht anders ging, aber wenigstens nicht mehr in der Eiseskälte weiter vegetieren.

„I've been living a lie"

‚Ich habe die Lüge gelebt glücklich sein zu können, aber du hattest mich durchschaut.'

„There's nothing inside"

‚Jetzt habe ich Nichts mehr. Keine Illusion von Zufriedenheit, aber auch dich nicht mehr.'

„Bring me to life"

‚Wenigstens für diesen einen, kurzen Augenblick. Lass mich dieses eine Mal das Leben kosten.'

Der Song verklang. Viel zu schnell.

Doch sein Ende, die letzten Worte aus dem Mund der Sängerin, rissen Anna zumindest ein wenig zurück in die Realität.

Ihr war heiß. Innerlich wie äußerlich. Schweiß lief über ihren Rücken und von ihrem Hals aus zwischen ihren Brüsten hindurch. Und er lief an ihren Oberschenkeln hinab.

Aus ihren Anweisungen wusste sie, dass er sie im ersten Stock erwarten würde, wo sich ein etwas abgetrennter Bereich zu befinden schien. Eine Treppe führte hinauf und eine Trennwand, durchbrochen von großen, fensterartigen Öffnungen, offenbarte eine kleine Bar mit einigen Gästen.

Hätte sie sich Kraft ihres Willens dorthin versetzen können, sie hätte nicht eine Sekunde gezögert, doch sie musste den langen Weg nehmen. Den Weg voller Gedanken, die sie jetzt nicht denken wollte.

Nach einem Augenblick nachdenklicher Stille setzte die Musik wieder ein und Anna wurde sich der Tatsache bewusst, dass fast jeder in ihrer Umgebung sie anstarrte.

Was war geschehen? Was hatte sie getan?

Scham ...

Nein!

Stolz.

Sie streckte die Hände leicht nach vorne und sofort reichten ihr zwei Unbekannte auf der Tanzfläche die ihren. Mit Hilfe dieser Stütze war kam sie sanft und elegant von dem Podest herunter.

Annas Blick war weiterhin auf die Empore gerichtet, als ihre Füße wie von selbst den Weg dorthin einschlugen. Nur am Rande nahm sie wahr, dass sich auch diesmal die Menge vor ihr teilte.

Am Rand der Tanzfläche stieg sie eine Stufe hinauf, als jemand sie von der Seite berührte.

Eine Hand legte sich an die Innenseite ihres Oberschenkels. Finger krochen nach oben und suchten nach dem Ausgangspunkt ihrer körperlichen Hitze.

Anna erstarrte. Ganz kurz nur wagte sie es, sich dem Traum hinzugeben, er könne es sein, doch die Berührung war plump. Unsicher kratzten Fingernägel über ihre Haut auf der Suche nach dem Zugang zu ihrem Allerheiligsten.

Es gab einen kurzen Schub der Erregung in ihrem Bauch wie in ihrem Kopf und darauf folgte sofort leichte Ernüchterung.

Das konnte er nicht sein.

Zielsicher ergriff sie das Handgelenk, hielt es fest und wendete sich dem Grabscher zu. Er war zwar nicht völlig besoffen, aber offenbar stark angeheitert. Und dass Anna ihn nicht sofort anschrie, hatte rein gar nichts mit ihm zu tun.

Sie hatte die freche Hand angehoben und irgendetwas damit tun wollen, doch nun starrte sie auf die glitschige Feuchtigkeit darauf. Ihr Verstand weigerte sich einen Moment lang zu akzeptieren, was ihre Augen und ihre Nase ihr mitteilten.

An ihren Oberschenkeln lief kein Schweiß hinab, sondern etwas anderes. Etwas, dass aus ihrer Mitte zu fließen schien wie Wasser.

Geilheit ...

Wann war sie jemals in ihrem Leben so feucht gewesen?

Annas Zorn verrauchte. Der Mann war unwichtig. Und eigentlich konnte sie es ihm nicht verübeln.

Aber dennoch hatte er kein Recht dazu.

Warum?

Das Handgelenk noch immer umschlossen drückte sie dem Unbekannten seine eigene Hand ins Gesicht.

„Näher wirst du der Quelle nicht noch einmal kommen", zischte sie ihm so aggressiv zu, dass sie selbst fast von ihrem Tonfall überrascht wurde.

Der Daumen ihrer anderen Hand legte sich unter ihr Halsband und zog es etwas deutlicher in sein Gesichtsfeld.

„Eigentum von Michael."

Der Angetrunkene schien für einen Moment protestieren zu wollen. Doch er konnte ihrem Blick nicht standhalten.

Sich abwendend murmelte er gerade noch hörbar: „Scheiß Glückspilz, der Wichser."

Anna nahm unwillkürlich ihren unterbrochenen Weg wieder auf. Doch ihre Gedanken hatten etwas Neues gefunden, was sie beschäftigte.

Michael. Englisch ausgesprochen hatte er einst geschrieben. Wann hatte sie aufgehört, von ihm in seinem Pseudonym zu denken? Wann war er zu einer realen Person geworden.

Plötzlich kam sie ins Stocken.

Es würde nicht gut ausgehen. Einst mochte er sie geliebt haben. Oder zumindest wäre Liebe eine Möglichkeit gewesen, wäre sie ihm gegenübergetreten. Aber nun hasste er sie. Nun, wo er einen Weg gefunden hatte, sie zu ihrem Glück zu zwingen.

Er wollte sie erniedrigen. Wollte ihr persönlich gegenübertreten und ihr seinen Hass ins Gesicht schleudern.

Dann würde sie ihn wenigstens noch einmal sehen. Auch wenn es kein freudiges Wiedersehen wäre. Und vielleicht, nur vielleicht würde er sie erniedrigen wollen, indem er ...

Anna setzte sich wieder in Bewegung. Schneller jetzt.

Sie hastete die Treppe hinauf. Stolperte zweimal, konnte sich aber noch abfangen.

Der halb offene Raum am Kopf der Treppe enthielt nur einige Tische und die Bar. Er war nicht annähernd so überfüllt wie der untere Bereich. Aber das interessierte sie nicht.

Ihr Blick zuckte durch die Rauchschwaden und suchte ein Gesicht oder etwas anderes Vertrautes. Und sie fanden etwas.

Mit dem Rücken zum Eingang saß dort ein Mann. Breitschultrig und hochgewachsen. Aber was noch wichtiger war: Er hatte blondes Haar, zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und an den Seiten des Kopfes kurz rasiert.