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Thao 08

Geschichte Info
Sorge um die Mutter, Treffen mit Kali.
12.7k Wörter
4.63
10.1k
0

Teil 8 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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1. Die Überraschung

„Wie fandest du die beiden?"

Thaos Stimme spiegelte ihre Begeisterung wider. Karl aber dachte angestrengt nach. Er wusste nicht, wie er es sagen sollte.

„Ich finde, sie waren freundlich und nett, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihnen."

Sie sah ihn überrascht an.

„Warum glaubst du das?"

Thao war bestürzt über seine Einschätzung. Karl legte ihr seine Hand auf die Hüfte.

„Ich irre mich bestimmt, es war halt ein Gefühl."

Sie sah ihn ungläubig an.

„Kannst du nicht etwas präziser werden?"

Karl wusste nicht, wie er es ihr sagen sollte, ohne dass ein falscher Verdacht bei ihr entstehen würde.

„Lassen wir das Thema, Thao! Dir macht es Spaß, die Bilder sind toll. Ich freue mich für dich."

„Warte mal! Da steht jetzt nichts zwischen uns, oder?"

Ihre braunen Augen fixierten ihn, energisch strich sie durch ihre Strähnen. Karl nahm sie in den Arm.

„Scheiße! Wie könnte es das? Ich liebe dich doch!"

Sie sah ihn nachdenklich an.

„Wirklich, oder?"

Sie fühlte sich scheiße wegen dem, was er gesagt hatte. Sie konnte nicht nachvollziehen, warum er so über Bernard und Sylvia dachte. Sie sah auf seine Hand hinunter. Sie war so unglaublich enttäuscht von ihm. Hatte er solche Probleme mit ihrem SM? War es das?

Karl spürte, wie sehr er sie verunsichert hatte. Er war sensibel genug, um ihre Gedanken zu erahnen.

„Ich freue mich auf unser kleines Event."

Sie sah ihn nachdenklich an.

„Ist das wirklich so? Oder sagst du das nur, um mich zu beruhigen?"

Karl atmete aus.

„Thao! Ich habe natürlich Schiss vor Deinen Quälereien. Aber ich kriege bei dem Gedanken schon einen Harten, wenn ich an dein Outfit denke."

Sie grinste und fasste ihm prüfend in den Schritt.

„Da hast du jetzt aber mal Schwein gehabt!"

Er lachte.

„Wollen wir nach Hause gehen?"

Ihr Blick war erwartungsvoll.

Er schüttelte den Kopf.

„Komm! Ich zeige dir jetzt auch mal was Geiles."

Er führte sie zur nächsten U-Bahnstation, verriet ihr aber nicht sein Ziel.

Sie stiegen in einem abgelegenen Viertel aus, in dem Thao zuvor noch nie gewesen war. Kleine Häuschen drängten sich aneinander, mit noch kleineren Gärtchen davor.

„Das hier gehört einer alten Genossenschaft. Nicht gerade ein großzügiges Wohnkonzept, ich weiß."

Karl durchschritt zielstrebig eine Pforte und ging zwischen zwei kleinen Häuschen hindurch in einen Hinterhof.

„Wahnsinn!"

Thao war verblüfft. Eine große Grünfläche breitete sich vor ihnen aus. Obstbäume, ein kleiner See und dazwischen etwa fünfzig, zumindest 2 Meter hohe Steinskulpturen, jede davon mit sehr abstrakten Motiven, sohin Unikate.

„Franz!?"

Ein dicker, gemütlicher Herr mit Baskenmütze und einer kurios wirkenden, roten Fliege drehte sich zu den beiden Jugendlichen um.

„Ah! Der Karl! Grüß dich! Wen hast denn da mitgebracht?"

Karl stellte Thao vor, sie sah unsicher aus und wusste nicht, was ihr Freund beabsichtigte. Sie hatte ein seltsames Gefühl im Magen.

„Kann ich es haben?"

Der Alte nickte und deutete auf eine Holzkiste.

„Liegt immer noch dort, wo du es abgelegt hast."

Karl öffnete die Kiste und nahm ein Blatt Papier raus. Er hielt es Thao unter die Nase.

„Was willst du damit, Karl?"

Er zog sie einfach weiter und drückte sie am Ufer des Sees ins Gras.

„Es ist ein Geschenk für dich ..., das heißt, eigentlich eher für mich selbst. Aber ich denke, es wird auch dir gefallen."

Thao sah ihn gespannt an. Sie hoffte, dass jetzt nicht irgendetwas passierte, was ihr nicht gefiel.

„Was hast du mit dem Alten zu schaffen?"

Karl winkte ab und bat sie, ruhig zu sein.

„Ich habe ihn über einen Bekannten gefunden. Nicht der typische Rentner, aber du wirst ja sehen."

Thao begriff nicht.

„Sagst du mir jetzt, was los ist, oder was?"

Karl reichte ihr das einfache, holzfreie Papier.

„Ungefähr in dieser Größe will ich es haben."

Sie starrte ihn ungläubig an.

„Du willst das als Tatoo?"

Karl nickte.

„Und was werden deine Eltern dazu sagen?"

„Nichts! Ich bin doch Rocker, die haben solche Faibles."

Thao warf einen Blick auf sein T-Shirt, er hatte recht.

„Das bin ich, oder?"

Karl grinste.

„Gefällst du dir?"

Sie sah auf die Frau in Lack und Leder hinab, die auf dem Papier in eine unbestimmte Richtung sah. Sie hatte eine Kette in der Hand, die zu einem freiliegenden Herzen führte.

„Das ist total krass. Ich sehe wirklich so aus, oder?"

Karl nickte.

„Ich habe ein paar Fotos abfotografiert, damit Franz was in der Hand hatte."

Sie war sprachlos.

„Eigentlich wollte ich dich ja vor vollendete Tatsachen stellen, aber vorhin habe ich mich scheiße gefühlt und wollte nicht, dass du sauer auf mich bist."

Thao warf einen ungläubigen Blick auf den alten Mann.

„Und der soll dich tätowieren?"

Karl nickte.

„Er ist eine Größe und arbeitet nur auf Hören-Sagen."

„Teuer?"

Er bestätigte ihr auch das.

„Und wenn es zwischen uns nicht klappt?"

Sie war immer noch erstaunt über seine Absicht.

„Du bist meine erste Liebe, da hast du immer ein Stück Herz von mir, oder nicht?"

Thao lachte.

„Du bist so doof!"

Sie hätte fast wieder Spasti zu ihm gesagt.

„Gefällt es dir denn gar nicht?"

Sein Punkermädchen sah noch einmal auf das Papier hinab.

„Es ist super gezeichnet. Das hätte auch Heinrich gefallen. Okay! Vom Motiv her wahrscheinlich nicht."

Sie sah ihn gedankenverloren an.

„Du tust das nur für dich, versprich mir das!"

Karl sah sie erstaunt an.

„Weshalb denn sonst?"

Sie hielt ihm das Blatt an die Brust.

„Kommt es hier hin?"

Er nickte.

„Sonst würde es ja nicht mit dem Herzen passen, oder?"

Sie lachte lauthals.

„Lass mich dabei sein, wenn er es dir sticht, okay?"

Karl wurde blass.

„Willst mich leiden sehen, gelle?"

Sie nickte freudig und gab ihm einen Kuss.

Langsam gingen sie wieder zu dem Alten zurück. Er bearbeitete mit einer kleinen Fräse eine weitere Skulptur. Thao sah ihm interessiert dabei zu. Sie war wirklich sehr detailliert bearbeitet worden, bis zu einzelnen Hautfalten des herausgebildeten Gesichts hin.

„Wer wird das?"

Franz unterbrach seine Arbeit und hob den Kopfhörer an.

„Waaaas?"

Thao wiederholte ihre Frage.

„Wer das wird?"

Der Alte grinste.

„A Mischung zwischen dem Andreas Hofer und dem Michael Jackson. Passt irgendwie. Findst net?"

Erst jetzt fiel ihr seine bayrische Mundart auf. Sie lachte und hob den Daumen.

„Sehen wir sie uns an?"

Karl sah Thao fragend an.

„Klar! Die schauen super aus."

Karl nahm sie bei der Hand und führte sie über das Grün.

„Dort hinten sind die Musiker. Mal sehen, welche von ihnen du erkennen kannst."

Sie seufzte.

„Ich kenne mich doch da gar nicht aus."

Thao irrte sich. Stevie Wonder, Frank Sinatra, Kurt Cobain, Hendrix aber auch Bach und Mozart starrten ihnen mit steinernem Antlitz entgegen.

„Warum stellt er das nicht aus? Das ist einfach großartig."

Karl grinste.

„Naja, er setzt sie in andere Epochen. Bach als Bandleader von Metallica und Frank Sinatra als Rapper? Das könnte manchen Leuten sauer aufstoßen."

Thao war fasziniert.

„Man erkennt sie an ihren typischen Posen, finde ich."

Karl nickte. Franz hatte ein Gefühl für Körpersprache, unbestritten.

Thao spielte mit Karls Jeansjacke.

„Ich dachte schon, du wolltest mir zu einem Ersatz für Heinrich verhelfen."

Der Junge war entsetzt.

„Für so bescheuert hältst du mich nicht wirklich, oder?"

Sie zeigte ihm ein verzweifeltes Gesicht.

„Doch. Irgendwie schon."

Karl seufzte.

„Da haben wir noch einiges vor uns, oder?"

Sie nickte.

„Bleiben wir noch ein bisschen?"

Karl lächelte und nahm sie mit nach unten ins Gras. Ihre Köpfe näherten sich einander, dann trafen sich ihre Lippen. Franz aber hatte sich ihr Bild eingeprägt und spontan ein neues Motiv in Planung.

2. Ein Sonntagmorgen

„Du bist schon angezogen?"

Thao warf ihm einen Blick zu und nickte.

„Ich konnte nicht mehr schlafen, Süßer."

Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen langen Kuss. Karl wollte sie festhalten, aber sie riss sich wieder los.

„Bitte, Karl! Lass mich mal, okay!"

Der Junge wurde unruhig. Thao bedrückte etwas. War es der gestrige Abend gewesen? Er schloss das für sich aus, das konnte eigentlich nicht sein. Sie hatten zusammen gekocht (wenn man Brote schmieren so nennen durfte), ferngesehen und waren dann zusammen ins Bett gegangen. Sie hatten gekuschelt, aber sogar das erste Mal auf Sex verzichten können, ohne dass sich einer von ihnen gleich Sorgen machen musste. Es war einfach ein anderes Verlangen vordergründiger gewesen.

„Hab ich was falsch gemacht?"

Sie schüttelte den Kopf.

„Wir wollten offen zueinander sein, oder?"

Sie nickte und zeigte ihm das Handy.

„Meine Mutter hat mich heute Nacht angerufen, dreimal hintereinander."

Er sah sie fragend an.

„Machst du dir Sorgen, dass ihr etwas passiert sein könnte?"

Thao sah vor sich auf den Boden und rang mit sich.

„Karl, ich bin eine ziemlich kaputte Tussi, wie du weißt, aber das kommt nicht von ungefähr."

Er schüttelte den Kopf und wollte etwas erwidern, aber sie bat ihn, ruhig zu bleiben.

„Ich habe viel von meiner Mutter, obwohl ich versuche, mich dagegen zu wehren."

Karl unterbrach sie.

„Aber was hat das jetzt damit zu tun, dass du dir um sie Sorgen machst?"

Sie setzte sich neben ihn und legte seine Hand in ihren Schoß.

„Weil sie auch auf die gröberen Spielarten steht, wie ich. Ihre Ehe ist sogar daran kaputt gegangen."

Sie warf Karl einen unsicheren Blick zu.

„Bist schockiert, oder?"

Karl nickte.

„Ein wenig schon. Aber ich kann sie mir als dominante Frau gar nicht vorstellen."

Thao seufzte.

„Ist sie auch nicht. Sie ist Masochistin, habe es selbst erst vor kurzem erfahren. Das sind so kaputte Wochen, Karl."

Sie strich ihm über die Stirn.

„Ich bin so froh, dass du da bist, ich hätte das alles sonst nicht geschafft."

Eine Träne lief über ihr Gesicht.

„Ich habe Angst, dass ihr was passiert ist. Und ich hab es noch vibrieren gehört, aber ich war müde und hab es gar nicht recht wahrgenommen. Scheiße, wäre ich doch rangegangen."

„Ist sie nicht bei ihrem Freund? Wie hieß er nochmal?"

Thao wurde blass.

„Du meinst Rüdiger!"

Sie wurde wütend, Karl spürte das.

„Der ist ein Sadist durch und durch. Meine Alte steht ja drauf, aber das letzte Mal habe ich ihn rausschmeißen müssen, weil es selbst für sie zu viel geworden ist. Sie haben sich wieder versöhnt, aber ich hab Angst, dass er dort wieder angefangen hat, wo er das letzte Mal aufhören musste."

Karl verstand sie jetzt. Seine Mutter kam ihm in den Sinn, aber er kannte schon vorher ihre Antwort. Sie würde diese Hilfe nur als allerletzten Ausweg zulassen.

„Was sollen wir machen?"

Thao sah ihn ungläubig an.

„Wir?"

Karls Gesichtsausdruck wurde angespannt.

„Klar! Mensch, Thao, jetzt lass es endlich zu. Wir sind füreinander da, oder nicht?"

Sie atmete aus und schloss die Augen.

„Ich spüre auch nichts. Ich weiß nicht, ob es vielleicht nur eine Bagatelle ist und ich mich umsonst sorge. Keine Intuition, nichts!"

Es blieb ruhig zwischen ihnen. Beide dachten darüber nach, was zu tun war.

„Weißt du was von Rüdiger? Nachname oder Adresse?"

Thao schüttelte den Kopf. Sie führte beide Hände an ihre Stirn und konnte nur mit Mühe ihre Wut und Angst unterdrücken. Es war einer der Momente, wo sie spürte, wie sehr sie eigentlich ihre Mutter lieb hatte.

„Vielleicht können uns Sylvia und Bernard helfen? Sie kennen sich doch aus in der Szene. Sie kennen diesen Rüdiger wahrscheinlich sogar."

Sie sah ihn erstaunt an. Das wäre wirklich eine Möglichkeit. Trotzdem zögerte sie. Sie schreckte davor zurück, ihre Mutter als Masochistin bloßzustellen.

„Gib mir die Nummer! Ich rufe sie an!"

Thao war skeptisch.

„Was willst du denn sagen?"

Karl hielt ihr die offene Hand hin.

„Du, ich frage ganz indirekt. Vertrau mir einfach!"

Karl nahm das Schnurlostelefon und las die Nummer von ihrem Handy ab. Es klingelt ein paarmal, wahrscheinlich schliefen die beiden noch.

„Hallo?!"

„Hallo, Bernard! Ich bin es, Karl. Thaos Freund."

Es wurde kurz ruhig am anderen Ende der Leitung.

„Thao sagt aber nicht ab für Montag, oder?"

Karl lächelte.

„Keine Angst, bis jetzt ist alles gut."

Bernards Stimme wurde verhaltender.

„Ist was passiert, Junge?"

Karl versuchte, es zu bagatellisieren.

„Ach, es geht um Thaos Mam, sie ist mit ihrem Freund unterwegs, der ebenfalls in Eurer Szene verkehrt. Thao hat lange nichts mehr von ihr gehört und hat aber auch keine Nummer oder Adresse von ihm, um sich nach ihr zu erkundigen."

Bernard blieb eine Weile stumm. Er schien zu überlegen.

„Wie lange ist sie denn schon weg?"

Karl hatte vorher den Lautsprecher angestellt, sodass Thao mithören konnte. Sie hob vier Finger.

„Vier Tage schon."

Auch Bernard empfand das als lange.

„Ist das schon öfter bei ihr vorgekommen?"

Thao schüttelte den Kopf.

„Nein! Das erste Mal."

Bernard fasste einen Entschluss.

„Wie heißt denn der Knabe?"

Thao flüsterte Karl die Beschreibung ins Ohr.

„Rüdiger, ist um die fünfzig, hager, so groß wie Thao und hat eine Platte."

Thao tippte ihm an die Brille.

„Ach ja. Ein Nasenfahrrad hat er auch."

Bernard blieb still.

„Warte mal kurz, Karl! Ich spreche gerade mit Sylvia."

„Was ist er denn für ne Seite, Junge?"

Karl verstand sofort, was er meinte.

„Dom!"

Bernard sprach weiter mit Sylvia.

„Meine Frau glaubt, einen Rüdiger zu kennen, ist sich aber nicht hundert Prozent sicher. Sie würde sich am Montag mal erkundigen, wenn Ihr bis dahin nichts gehört habt. Ist das okay für Euch?"

Thao nickte.

„Danke Euch! Thao lässt grüßen."

Bernard Stimme brummte ruhig vor sich hin.

„Drück sie von uns! Sag ihr, sie soll sich noch keine Sorgen machen. Wir finden schon was raus."

Karl legte auf.

„Geht es dir besser?"

Thao nickte.

„Danke dir! Das war sehr gut."

Der Junge sah Thao an und grübelte vor sich hin.

„Erzähl mir mal, wie du die beiden genau erwischt hast."

Sie stöhnte auf.

„Karl! Das kannst du jetzt nicht wirklich von mir verlangen, oder?"

Karl nickte.

„Doch! Weil es um deine Mutter geht. Ich will halt einfach alles versucht haben."

Thao bekam wieder Angst. Sie hatte durch den Anruf bei Bernard und Sylvia wieder Mut geschöpft. Warum machte er das jetzt wieder kaputt?

„Du hast doch Bernard gehört, Karl! Es wird schon nichts passiert sein und am Montag erfahren wir dann mehr über ihn."

Der Junge schüttelte den Kopf.

„Es gibt noch jemanden, der uns helfen kann, oder?"

Thao dachte an Annabelle.

„Du meinst die von gestern?"

Karl verneinte.

„Was sollte sie wissen, was Bernard und Sylvi nicht kennen? Ich meinte diese Domina."

Thao sah ihn erstaunt an.

„Wenn sie so hart drauf ist, kennt sie vielleicht auch die extremen Sadisten in der Szene, oder nicht?"

Die Punkerin zögerte, das konnte nicht wirklich sein Ernst sein. Sie kannte diese Frau doch kaum.

„Ich glaub nicht, dass sie mir helfen würde."

Karl schüttelte den Kopf.

„Glauben heißt nicht wissen, Thao, und erst dann haben wir alles versucht."

Thao dachte an Heinrich in diesem Moment und daran, wie Karl reagiert hatte.

3. Xena hilft

„Hier ist ihre Nummer! Rufst du für mich an?"

Karl zögerte. Es fiel ihm schwer, jemand Fremden anzurufen und schon zweimal, wenn es eine Frau wie Xena war. Thao bemerkte sein Zögern und wollte ihm das Telefon wieder aus der Hand nehmen. Doch Karl zog sie zurück und wählte die Nummer, welche sie ihm zeigte. Es klingelte nicht lange, dann war eine kräftige Frauenstimme zu hören.

„Ja?"

„Hallo Xena! Hier ist Karl, Thaos Freund."

Es blieb ruhig. Klar! Sein Anruf kam auf jeden Fall für sie überraschend.

„Und?"

Ihre Stimme klang unhöflich und gereizt. Karl verstand jetzt, wodurch ihr Ruf zustande kam.

„Wir bräuchten deine Hilfe."

Xenas Stimme klang jetzt interessierter.

„Ist Thao etwas passiert?"

Karl verneinte.

„Aber vielleicht ihrer Mutter."

Xenas Stimme wurde ungeduldig.

„Jetzt erzähl schon! Wie heißt du nochmal?"

Karl rollte genervt mit seinen Augen. Er mochte diese Frau nicht.

„Karl!"

Xena trieb ihn weiter an. Er war kurz davor, wieder aufzulegen.

„Also was ist los mit ihrer Mami?"

Karl bemerkte den Spott in ihrer Stimme, es war einfach zum Kotzen.

„Du, es war eine blöde Idee, Xena, ich hätte auf Thao hören sollen."

Die Domina am anderen Ende blieb für einige Sekunden sprachlos.

„Warte! Magst mir Thao geben?"

Karl sah seine Freundin fragend an. Aber die war längst wieder angepisst auf diese Frau und schüttelte energisch mit dem Kopf.

„Du, es geht ihr nicht so gut, kann ich es dir erzählen?"

Xena wurde friedlich.

„Alles klar. Schieß los!"

Sie unterbrach ihn nicht und hörte sich an, was er ihr zu sagen hatte. Karl versuchte, nichts zu vergessen, und machte dieses Mal auch vor den masochistischen Wünschen Thaos Mutter nicht Halt. Seine Freundin konnte damit kein Problem haben und Xena? Sie ganz gewiss auch nicht. Ihr ganzes Leben bestand aus den zwei Buchstaben.

„War es das?"

Ihre Stimme trug wieder viel Arroganz in sich. Vielleicht fiel es ihr selbst nicht auf.

„Ja!"

Es blieb eine Weile ruhig im Hörer.

„Ich komme vorbei. Gebt mir Eure Adresse!"

Thao starrte Karl entsetzt, mit weit aufgerissen Augen an. Sie schüttelte den Kopf und machte verneinende Gesten. Karl zögerte, aber er sah die Möglichkeit.

„Hast du was zu schreiben?"

Thao wollte ihm den Hörer aus der Hand reißen, doch er stieß sie energisch zurück. Sein Blick hatte etwas, das sie so vorher noch nicht gesehen hatte.

„Gut! Dann bis später."

Er legte auf.

„Was war das jetzt, Thao?"

Seine Stimme klang enttäuscht.

„Warum soll sie nicht herkommen und uns helfen?"

Die Punkerin starrte ihn wütend an.

„Checkst du es nicht? Die will doch eigentlich gar nicht. Wahrscheinlich braucht sie wieder nur ein Ohr, bei dem sie sich ausheulen und verlustieren kann."

Karl war verblüfft.

„Weißt du, wie scheiße das jetzt ist? Du schiebst sie in eine Schublade, wie Bernard und Anabelle gestern. Warst du es nicht, die sie gestern verteidigt hat?"

Thao zögerte.

„Sie kennt sich mit SM aus und vielleicht fallen ihr Möglichkeiten ein, die Bernard und Sylvia nicht bedacht haben."

Thao grollte ihm und wandte sich von ihm ab. Er machte wahrscheinlich aus einer Mücke einen riesigen Elefanten.

Eine halbe Stunde später klingelte es. Thao schmollte vor sich hin, Karl war es in diesem Moment egal. Er warf ihr einen missmutigen Blick zu und ging öffnen. Er hörte Stiefelabsätze auf den steinernen Treppenflurboden knallen und sah dann eine weißblonde Frau mit Lederjacke, Lederhose und hohen Stiefeln die Treppe heraufkommen.

„Vierter Stock!"

Sie warf einen Blick nach oben und nickte. Thaos Nachbarin wurde hinter einem Spalt ihrer Wohnungstür sichtbar und musterte den Jungen vor sich.

„Guten Tag!"

Die Alte nickte und schloss die Tür wieder. Karl musste grinsen, er hörte, wie sie die Abdeckung des Spions zur Seite schob. Als er sich der Treppe zuwenden wollte, stand Xena bereits vor ihm. Sie sah mit kühlem Blick auf ihn hinunter.

„Karl?"

Er nickte.

„Hab mir dich anders vorgestellt."

Er schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Er musste seine aufsteigende Wut wieder unterdrücken.

„Geht vielen so."

Xena lächelte.

„Gib schon dein Patschhändchen!"

Sie hielt ihm ihren Lederhandschuh hin. Er grinste und schüttelte ihre Hand, bat sie herein und führte sie ins Schlafzimmer zu Thao.

„Hey Babybitch!"

Thao hob ihren Kopf und versuchte zu lächeln.

„So schlimm?"

Das Mädchen nickte der Domina zu.

„Möchtest du etwas trinken, Xena?"

Die große Frau war gerade dabei, sich zu Thao zu setzen, und wandte sich Karl zu.

„Hast du ein Wasser für mich?"