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Thao 17

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11.2k Wörter
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Teil 17 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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32. Simon

Das Handy klingelte. Karl riss sich seine Kopfhörer vom Kopf und stürzte zu dem Gerät, welches auf seinem Schreibtisch lag. Er hoffte, dass es Thao war. Vielleicht wollte sie ja doch bei ihm schlafen. Er hatte große Sehnsucht danach, ihren Körper zu fühlen.

„Hey! Wie geht's?"

Karl war enttäuscht, es war Simons heisere Stimme, welcher er hörte.

„Geht so. Frag nicht!"

Sein Freund schien wesentlich bessere Laune zu haben.

„Weißt du, wer mich bei Facebook geaddet hat? Lena!"

Karl seufzte.

„Ich habe dir doch erzählt, dass sie lesbisch ist, oder?"

Simon lachte.

„Sie ist bi. Ist das nicht toll? Wir haben uns darüber im Chat unterhalten. Sie kommt morgen zu mir und dann jammen wir eine Runde. Du bist doch dabei?"

„Du, Simon, ich habe so viel Stress an der Backe. Hab echt keinen Bock drauf. Ehrlich nicht."

Für einen Moment blieb es ruhig im Telefon.

„Karl! Bitte! Das ist vielleicht meine Chance, an ein Mädchen zu kommen. Mach schon! Sei nicht so!"

Karl dachte an den morgigen Tag.

„Eine Stunde! Mehr geht bei mir nicht." Willigte er ein, sich an die Krankheit seines Freundes erinnernd.

Simon schien erleichtert.

„Bist ein Kumpel! Wirklich! Mann, ich schulde dir was." Am anderen Ende wurde es still, dann ertönte Simons Stimme erneut. Das Gespräch war anscheinend noch nicht zuende.

Simon schien sich darauf zu besinnen, was Karl gesagt hat.

„Ist was passiert?"

Karl atmete tief durch.

„Heinrich ist gestorben. Und meine Eltern wollen für ein halbes Jahr zusammen verreisen."

„Das mit Thaos Freund ist schade. Wie geht´s ihr damit?"

„Eigentlich ganz gut. Aber sie braucht halt Zeit für sich, um damit abschließen zu können. Sie schläft heute bei sich zu Hause, das macht mich echt fertig."

Simon lachte.

„Weil du nicht mit ihr schlafen kannst, oder?"

Karl ärgerte sich darüber, aber sein Freund hatte recht.

„Ja, auch. Aber es ist auch einfach cool, wenn sie bei mir ist."

„Und deine Eltern? Machen die eine Weltreise oder was?"

Karl dachte an das Gespräch zurück, es war seitdem noch keine Stunde vergangen.

„Sie versuchen, ihre alte Liebe wiederzuentdecken. Ich glaube, bei denen ist´s 5 vor 12."

Simon verstand sofort, was er meinte.

„Ich habe sie ja auch schon öfters streiten sehen, hoffentlich packen sie es. Ich mag deine Alten."

„Was ist mit Deinen? Sind sie zurück?"

Simon stöhnte.

„Meine Schwester und ich kotzen. Sie jammern herum, weil sie wegen mir und meiner Krankheit antanzen und sich kümmern mussten. Doch jetzt, wo es mir mit den Medikamenten und der Therapie besser geht, haben sie einen Grund gefunden, mir unterschwellig Vorwürfe zu machen. Sie sind ja jetzt ganz umsonst zu ihren Kindern gereist. Ironie?!"

Karl konnte sich das kaum vorstellen. Aber oft hatte er Simons Eltern nicht zu Hause gesehen. Früher war es ein Kindermädchen gewesen, das die beiden Geschwister mehr oder weniger aufgezogen hatte. Mit Sophies Volljährigkeit hatte man diese dann eingespart, obwohl sie für beiden eine wichtige Rolle gespielt hatte.

„Hast Lust, vorbeizukommen?"

Karl verneinte sofort.

„Ey Sorry! Nicht wirklich. Es ist fast 22 Uhr. Ich müsste eigentlich noch lernen. Lass uns auflegen, okay? Vielleicht ruft Thao noch an."

Simon war einverstanden.

„Vergiss aber morgen nicht! Bitte!"

Karl versprach es ihm.

33. Thaos Abend

Das Punkermädchen saß an seinem Schreibtisch. Sie hatte das Bild ihres Vaters neben dem von Heinrich gestellt. Sie wollte sich das Gesicht ihres Vaters in Erinnerung rufen und das von Heinrich nicht vergessen. In ihrer Vergangenheit suchte sie nach Worten, Sätzen und Momenten, die ihr gewidmet gewesen waren und heute wie Geschenke wirkten, die ihr die beiden einst gemacht hatten.

Sie horchte. Ihre Mutter saß im Wohnzimmer und arbeitete. Das Mädchen schloss die Augen. Es war ihre Arbeit, die sie verrichtete, der Auftrag ihrer eigenen Tochter, den sie bearbeitete. Ein unangenehmer Gedanke. Aber warum eigentlich? Tatsächlich hatte sich etwas geändert, ihre Mutter wirkte auf einmal zuversichtlich und energievoll. Aber machte sie sich jetzt nicht umsonst Hoffnungen?

Sie war noch nicht einmal zur Tür hereingekommen, als ihre Mutter sie auch schon umarmt und begrüßte hatte. Vielleicht war es doch so, wie sie vermutet hatte? Dass ihre Mutter sich aus finanziellen Gründen Rüdiger in die Hand gegeben hatte. Dass sie wieder freier wurde und ihn anfing zu meiden. Wenn es wirklich so war, würde sie alles tun, damit es so blieb. Und wenn sie als Domina dafür arbeiten gehen musste, war es nun mal so. Irgendwann würde ihre Mutter wieder alleine auf den Füßen stehen können. Sie dachte an Kali. Durch den Tod Heinrichs hatte sie den Mittwoch fast vollständig aus ihrem Bewusstsein gestrichen. Sie sah auf die beiden Bilder vor sich. Bestimmt hätte sich keiner dieser beiden Männer vorstellen können, dass sie als Domina für Geld andere Menschen quälen und demütigten würde. Sie selbst ja auch nicht.

Sollte sie nicht doch Karl einweihen? Irgendetwas hinderte sie daran. Sie war sich nicht sicher, wie er reagieren würde. Schon jetzt war seine Distanz zum SM ziemlich groß. Vielleicht hatte sie auch Angst davor, dass er es total ablehnen und sie vor die Wahl stellen könnte? Es wäre der Bruch ihrer Beziehung, selbst wenn sie nachgeben würde. Aber wenn er den Grund dafür kennen würde? Konnte er sie dann noch dafür verurteilen? Er wusste doch dann Bescheid darüber, wofür sie das Geld verwenden würde. Es waren solche Momente in der letzten Zeit, die sie verzweifeln ließen. Wie konnte sie jemanden anlügen, den sie so sehr liebte? Und dennoch schien es der einzige Weg zu sein.

Ob er schon wieder von Xena zurück war? Was sie ihm wohl gezeigt hatte? Sie musste lächeln bei dem Gedanken. Sie konnte sich ihren Karl immer noch nicht als Dominus vorstellen. Würde er ihr wirklich weh tun können? So wie sie ihm? Thao dachte an den Moment zurück, als sie ihm die Maske vom Kopf gezogen und das Ausmaß seines Schmerzes begriffen hatte. Ihr Herz zog sich zusammen, bei dieser Erinnerung. Wer weiß, ob sie es selbst bei ihm noch konnte oder wollte. Thao sah wieder auf die beiden Bilder vor sich. Sah in die Augen der zwei Männer, die sie so geliebt hatte. Sie würde Karl reinen Wein einschenken. Nur der Zeitpunkt musste passen.

„Kommst du essen Kind?"

Anne steckte ihren Kopf durch den Spalt der geöffneten Tür. Thao lächelte.

„Gern! Was gibt es denn?"

Ihre Mutter hängte ihre Nase in die Luft.

„Versuche, es zu erraten!"

Das Mädchen grinste.

„Kartoffeln mit Würstchen? Geil!"

Sie mochte deftiges Essen, ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter.

„Danke, Mama!"

Anne freute sich riesig. Thao war immer noch nicht leicht, zu handhaben, und jedes falsche Wort konnte eine Welle des Zorns bei ihr auslösen. Aber die sanften Momente zwischen ihnen waren häufiger geworden und ließen etwas zwischen ihnen gesunden, von dem beide angenommen hatten, dass es längst verloren gegangen war.

„Woran arbeitest du gerade?"

Thao sah zu dem Computer ihrer Mutter hinüber. Anne antwortete etwas verlegen.

„Ach, ein Atelier. Nichts Aufregendes."

Das Punkermädchen konnte nur mit Mühe ernst bleiben.

„Und wozu brauchen die eine Lektorin?"

„Für ihre Webpräsenz. Sie ist richtig gut geworden, finde ich. Sehr originell und einfallsreich."

Thao wurde rot. Sie konnte es gar nicht verhindern.

„Ist alles in Ordnung, Kind?"

Das Punkermädchen nickte.

„Hab auf ein Pfefferkorn gebissen."

Ihre Mutter stutzte.

„Ich hab doch gar keine reingetan?"

„Geht es dir gut Schatz? Du wirkst auf mich so, als ob du viele Sorgen hast. Stimmt was zwischen dir und Karl nicht?"

Thao warf ihr einen seltsamen Blick zu. Schon dachte Anne, sie hätte wieder etwas Falsches gesagt. Innerlich versuchte sie, sich auf einen Ausbruch ihrer Tochter vorzubereiten.

„Heinrich ist gestern gestorben."

Ihre Mutter sah sie bestürzt an.

„Das ...", sie schob den Stuhl zurück und kam um den Tisch herum, „ ... tut mir so leid. Ich weiß, wie sehr du ihn gemocht hast."

Thao ließ die Umarmung über sich ergehen. Die Anteilnahme ihrer Mutter wirkte zwar echt, aber sie half ihr nicht.

„Was ist passiert?"

„Lungenkrebs. Karl und sein Vater haben ihn ins Krankenhaus gebracht."

Thaos Mutter war verwirrt.

„Mein Gott, wann ist das passiert? Du hast mir nichts davon erzählt."

Es war der Moment, wo sie den Kampf ihrer Tochter förmlich mit ansehen konnte. Sie schien mit sich selbst zu ringen, krampfhaft darum bemüht die Atmosphäre zwischen ihnen aufrechtzuerhalten.

„Du warst kaum da."

Thao konnte anscheinend nicht anders. Es klang wie ein Vorwurf. Ihre Mutter aber war fassungslos. Vielleicht spürte sie jetzt, dass ihre Tochter ein Leben hatte, das an ihr vorbeizuziehen drohte, ohne dass sie etwas davon erfuhr.

„Thao ich ...,", Anne kniete vor ihr nieder, „... ich bin dir keine gute Mutter gewesen. Ich weiß das."

Sie sah zu ihrer Tochter auf.

„Aber ich habe es versucht, weißt du? Ich habe oft gegen den Schweinehund gekämpft, wollte mich mehr um dich kümmern, mehr mit dir machen und erleben ... Aber ich habe so oft verloren und mich wichtiger genommen. Ich dachte, nachdem mich dein Vater deshalb verlassen hat, würde mir das nicht auch noch bei dir passieren. Und jetzt hocke ich hier und sehe, wie du andere Menschen brauchst, um Trost zu finden, den dir deine eigene Mutter nicht geben kann."

Sie sahen einander traurig an. Keine wollte etwas sagen, keine von ihnen einen Schritt wagen, der sie voneinander entfernte oder wieder näherbrachte.

Es war Thaos Handy, das die Stille zwischen ihnen durchbrach. Entnervendes Geschrei einer Deathmetalband zerfetzte förmlich Gedanken und Gefühle der beiden. Anne raffte sich auf, streichelte durch das Gesicht ihrer Tochter und nickte ihr zu.

„Geh schon ran!"

Thao blickte kurz zu ihrem Gesicht auf, dann drückte sie ihren Kopf gegen den Bauch ihrer Mutter und ließ das Handy klingeln. Thao schloss die Augen. Die eigene Mutter konnte man nicht aus dem Leben streichen, genauso wenig, wie sie das eigene Kind.

34. Versaut

„Hey! Sorry, Süßer! Aber ich habe mich gerade mit meiner Mam unterhalten."

Thao lächelte ihrer Mutter zu und ging aus dem Wohnzimmer. Karl fragte, wie es lief, wahrscheinlich aus Sorge um die Stimmung bei ihr zuhause.

„Geht so. Ein wenig besser. Wie klappt es bei dir mit dem Lernen?"

Thao blieb im Flur stehen.

„Was? Ein halbes Jahr? Krass! Da wüsste ich auch nicht, ob ich mich drüber freuen oder heulen sollte. Aber ich gebe dir recht, es hört sich überhaupt nicht gut an. Ich kann ihnen da wirklich nur Glück wünschen und hoffen, dass sie es beide schaffen."

Sie fühlte in ihren Freund hinein. Es ging ihm nicht gut damit.

„Es reißt nicht ab, oder?"

Thao fasste für sich einen Entschluss.

„Magst du herkommen?"

Karl antwortete nicht, stattdessen hörte sie das Freizeichen. Erstaunt sah sie ihr Handy an. Er hatte einfach aufgelegt.

Es klopfte an der Tür. Immer noch verwirrt über seine Reaktion, ging sie hin, um zu öffnen.

„Du?"

Karl grinste.

„Ich wollte dich eigentlich überreden, dass ich bei dir schlafen darf, aber da hast du es mir schon angeboten."

Thao umarmte ihn, gab ihm einen Kuss und lachte über seiner Schulter hinweg zur Tür der Nachbarin hinüber, die wieder einen schmalen Spalt weit offenstand.

„Guten Abend, Frau Passow!"

Sie zog den Jungen in die Wohnung.

„Komm erst einmal rein!"

Sie nahm ihm seine Jacke ab und hängte sie an der Garderobe auf.

„Sag meiner Mutter Hallo! Sie freut sich bestimmt, wenn sie dich sieht."

Karl ging zum Wohnzimmer, während Thao zu ihrem Zimmer vorausging.

Weshalb war Karl zu ihr gekommen? Weil er bloß mit ihr schlafen wollte? Weil er mit ihr reden musste über seine Sorgen? Vielleicht, weil er aufgedreht war wegen der Prüfung? Sie würde es sehen. Unruhe machte sich in ihr breit. Was, wenn er nur wegen dem Ficken gekommen war? Thao fühlte in sich hinein. Sie schämte sich, weil sie schlecht von ihm dachte und doch blieb dieses Gefühl in ihr präsent. Sie hatte sich vorher nie Gedanken darüber gemacht, wie viel Karl noch in ihr sah, wenn man den Sex wegließ. Woher kam das auf einmal? Sie fasste sich an den Kopf und legte sich ins Bett. Sie wollte nicht so denken und konnte es trotzdem nicht verhindern.

Thao hörte ihre Zimmertür gehen und das Tapsen seiner Schritte. Er klappte die Bügel seiner Brille zusammen, legte diese auf ihren Schreibtisch und kam dann zu ihr. Sie aber rührte sich nicht und wollte alles auf sich zukommen lassen. Sie spürte sein zusätzliches Gewicht auf der Matratze und den sanften Druck seines Armes auf ihrem Bauch.

„Bist du eingeschlafen?", hörte sie ihn flüstern.

„Nein. Ich bin nur nicht so gut drauf, weißt du?"

Thao hielt die Luft an. Seine Hand strich über ihre Brüste, streichelte diese, zwirbelte kurz an ihrem linken Nippel und wanderte dann zurück auf den Bauch.

„Wer kann es dir verdenken. Er war dein bester Freund, das steckt man nicht einfach so weg."

„Kann ich dich was fragen?"

Thaos Stimme klang gereizt.

„Bist du hergekommen, um mit mir zu vögeln?"

Karl blieb eine Weile ruhig. Er war nicht blöd, wusste wahrscheinlich sofort, worum es ihr ging.

„Auch. Ja. Ich schlafe gern mit dir. Aber ich habe mir auch schon gedacht, dass du nicht in Stimmung bist. Tut mir leid, wenn du denkst, es wäre der einzige Grund."

Es blieb still zwischen ihnen. Beide wollten diesen Dialog nicht fortführen und trotzdem musste genau das passieren.

„Hättest dir vielleicht lieber einen wichsen sollen."

Das Mädchen spuckte diesen Satz förmlich aus. Karl richtete sich auf und legte ihr wieder seine Hand auf den Bauch.

„Was ist los? Wo liegt das Problem, Thao? Habe ich dich bedrängt? Habe ich versucht, dir die Klamotten vom Leib zu reißen?"

Er atmete schwer durch.

„Und ich dachte, nur meine Eltern hätten Probleme."

Thao war wütend. Sehr sogar. Er leugnete nicht, dass es für ihn der Hauptgrund war. Ihre Gedanken rasten. Sie wollte ihn in diesem Moment nicht bei sich haben.

„Es ist vielleicht besser, wenn du nach Hause gehst! Ich habe im Moment keine Lust auf dich."

Sie griff nach dem Lichtschalter und schaltete ihn ein. Grelles Licht aus der Leselampe flutete das Bett. Karl sah sie erschrocken an und schüttelte den Kopf.

„Ich gehe nicht. Du tust mir nämlich Unrecht, checkst du es nicht? Es ist nicht schlimm, dass ich dich vögeln möchte, das kann kein Verbrechen sein. Aber der Hauptgrund für mich, zu dir zu kommen, ist deine Nähe. Ich will mich nicht alleine fühlen und ich will auch nicht, dass du dich allein fühlst."

Er beugte sich über sie und löschte wieder das Licht. Thao hasste ihn in diesem Moment, genauso, wie sich selbst. Sie hatte die Stimmung zwischen ihnen provoziert, ohne es zu wollen. Jetzt steckten sie in einer Sackgasse und wussten nicht weiter. Das Bett schaukelte, als sich der Junge zur Wand drehte. Er schob seine Hand unter seinen Kopf und blieb regungslos liegen.

„Ich will nicht nur die Muschi sein, die dich auf andere Gedanken bringt, Karl. Kapierste das?"

Sie konnte nicht aufhören. Er hob seinen Kopf und drehte ihn ein Stück in ihre Richtung.

„Scheiße, du hast recht. Ich sollte nicht hier sein. Keine Ahnung, was dir ins Hirn geschissen hat."

Thao war erstaunt und verblüfft. Die Härte des letzten Satzes war nicht seine Art gewesen. Er kletterte über sie drüber, griff nach seinen Schuhen und ging, ohne sich noch einmal zu ihr umzusehen. Sie hörte, wie er die Tür hinter sich zuzog und dann aus der Wohnung trat. Es wurde wieder still. Sie horchte hinterher, bis sie die Gewissheit hatte, dass er nicht wiederkommen würde. Sie setzte sich auf und begriff sich selbst nicht. Was war das? Was hatte sie getan? Wollte sie, dass er ging? Hatte sie dabei an den nächsten Morgen gedacht? Sie staunte. Es war ihr nicht gut gegangen, aber Karl doch auch nicht? Wie ging es ihnen jetzt? Ihr Magen zog sich zusammen. Angefangen hatte alles mit diesem einen Gedanken.

Das Punkermädchen konnte nicht mehr schlafen in dieser Nacht. Längstens galten ihre Gedanken nicht mehr Heinrich oder ihrem Vater. Einzig Karl blieb in ihrem Kopf, in einem engen Reigen mit ihrem schlechten Gewissen dabei tanzend. Es war fünf Uhr in der Früh, als sie zur Erkenntnis kam, dass das Einzige, was ihnen beiden wirklich gutgetan hätte an diesem Abend, ein wenig Liebe gewesen wäre.

Sie hob ihr Handy und sah aufs Display. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr geschrieben hatte. Warum auch? Aus seiner Sicht hatte er nichts falsch gemacht. Thao legte es wieder beiseite. Und aus ihrer Sicht? Sie schüttelte den Kopf. Auch nicht.

35. Scheißtag

Auch Karl hatte kein Auge zugetan. Wie auch? Thaos Vorwurf hatte ihn wachgehalten. Sie hatte sich selbst zu einem Sexobjekt degradiert und er hatte nicht gewusst, wie er darauf auf rechte Weise reagieren konnte. Auf einmal war alles andere unwichtig geworden. Mathematik, seine Eltern, Simon .... Er war so unsagbar wütend auf Thao. Waren all die Wochen vorher eine Farce gewesen? Hatte sie denn nicht gespürt, wie viele Momente es zwischen ihnen gegeben hatte, wo Sex keine Rolle gespielt hatte? Wo sie sich auf eine Weise geliebt hatten, die nichts mit ihren Genitalien zu tun gehabt hatte?

„Karl, du musst in die Schule!"

Harald steckte seinen Kopf durch die Tür und sah ins Zimmer seines Jungen. Es war nicht dessen Art, zu spät aufzustehen.

„Ich bin gleich soweit."

Sein Vater nickte.

„Ist alles in Ordnung?"

Der Junge saß im Bett und starrte vor sich hin.

„Thao hat mir vorgeworfen, dass ich gestern nur zu ihr gegangen bin, um mit ihr zu schlafen."

Die Tür öffnete sich und sein Vater kam herein.

„Es geht ihr nicht gut, Karl. Sie wird sich wieder beruhigen."

Karl war nicht traurig, sondern wütend.

„Scheiße, als ob ich nicht damit gerechnet hätte, dass sie nicht in Stimmung ist. Ich wollte einfach bei ihr sein, weißt du? Nicht mehr."

Er schüttelte ungläubig seinen Kopf und sah seinen Vater an.

„Ich bin doch kein Arschloch, Papa, oder?"

Harald legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.

„Weißt du, Junge ... Frauen haben andere Taktiken, mit seelischem Leid umzugehen, als wir Männer. Gib ihr Zeit! Sie hat einen Teil von ihrer Last auf dich abgewälzt, ohne es bewusst zu wollen. Vielleicht war es die einzige Möglichkeit für sie, vom eigentlichen Grund ihres Schmerzes abzulenken. Sie liebt dich, Karl. Daran musst du glauben und festhalten!"

Der Junge sah seinem Vater ins Gesicht.

„Geht es dir oft bei Mama so?"

Der hagere Mann nickte.

„Ja! Und umgekehrt sicher auch."

Karl atmete aus.

„Soll ich mich bei ihr melden?"

Harald wusste nicht recht, was er seinem Sohn raten sollte.

„Gib ihr vielleicht etwas Zeit, mit sich selbst klarzukommen! Rührt sie sich bis morgen nicht, geh auf sie zu!"

36. Blau

Karl zog die Haustür hinter sich ins Schloss. Ihn fröstelte. Er fühlte sich müde und ausgelaugt. Für ihn die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für seinen Test. Immer wieder kreisten seine Gedanken um seine Freundin. Er fühlte sich nach wie vor ungerecht von ihr behandelt. Vor allem, weil sie es doch war, die ihn mit SM konfrontiert und dabei von ihm Verständnis und Offenheit verlangte hatte. Er selbst hatte gar nichts von ihr eingefordert, nur hatte er nicht gelogen, als er ihr gestanden hatte, gern mit ihr schlafen zu wollen. Absurd, ausgerechnet wegen Sex zu streiten. Es war bisher das gewesen, was sie beide genullt und ihre Sorgen wenigstens für einen Moment außen vor gelassen hatte.

Er sah sich kurz um. Kein Simon, keine Thao. Sogar der Schulweg würde scheiße werden. Er dachte an das Wochenende. Die Feier, Heinrich, Amelie und jetzt Thao. Wie konnte so etwas sein? So viel auf einmal um ihn herum passieren?

Die erste Stunde war Latein. Vielleicht konnte er ja noch einmal Mathe durchgehen, wenn ihn Schamlippchen ließ. Er fühlte sich hundeelend, übermüdet und ausgezehrt.