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Thao 26

Geschichte Info
...weniger als hundert Seiten.
10.5k Wörter
4.69
8.2k
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Teil 26 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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39. Ankunft im Sama

„Karl! Thao! Schön Euch zu sehen."

Die Frau hinter dem Tresen freute sich aufrichtig.

„Hallo Sabine!", erwiderten die beiden jungen Erwachsenen.

Das Punkermädchen beugte sich über die Theke und gab der Dame einen Kuss auf die Wange.

„Haste uns vermisst?"

Die Frau lachte.

„Klar! Vor allem eure Gesichter, wenn ich euch meine Zettel gebe."

Die beiden Gäste stöhnten wie aus einem Munde auf.

„Komm schon! Wir kennen den Mist mittlerweile auswendig."

Sabine kannte kein Erbarmen.

„Jetzt macht schon, Kinder. Jedes Mal das gleiche Gemecker."

Sie lächelte, drehte sich um und stellte zwei Tassen in die Kaffeemaschine.

„Einen trinkt ihr mit, bevor Ihr Euch vergnügen geht, oder?"

Karl warf seiner Freundin einen fragenden Blick zu, die jedoch bereits mit dem Ausfüllen der Zettel beschäftigt war.

„Gerne! Langweilig heute?"

Sabine nickte.

„Bei dem Wetter? Ihr seid die einzigen Gäste im Haus."

„Beide Milchkaffee, richtig?"

Thao hob ihren Kopf und schob der Frau ihr Formular hin.

„Fertig! Alle Bilder angemalt."

Sabine warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf.

„Richtig ausfüllen, Thao!"

Das Punkermädchen war enttäuscht.

„Du hast ja gar nicht gelesen, was ich geschrieben habe."

Sabine winkte ab und stellte ihr eine Tasse Kaffee vor die Nase.

„Füll es jetzt richtig aus. Sonst darf ich Euch nicht rauf lassen."

„Ich bin fertig."

Karl lehnte sich zufrieden zurück und warf Thao einen triumphierenden Blick zu. Die aber grinste nur und streichelte ihm über den Kopf.

„Und ganz ohne bei der Mama abzuspicken. Fein! Zeig mir dein Hausaufgabenheft und ich gebe dir einen Bienenstempel, ja?"

Der Junge seufzte und trank von seinem Kaffee.

„Der ist echt lecker."

Sabine nickte.

„Wenn der nicht wäre, hätte ich hier schon längst gekündigt, bei all den Verrückten hier."

Thao und Karl lachten.

„Komm schon! Uns hast du mittlerweile richtig lieb, oder etwa nicht?", meinte die Punkerin mit schelmischem Grinsen.

Die Rezeptionistin nickte.

„Das habe ich wohl tatsächlich. Schön, wenn ihr immer ein bisschen zum Reden bleibt. Das tun die wenigsten hier."

Sie beugte sich unter die Bar und schien etwas zu suchen.

„Moment! Ich habe etwas für euch. Das wird Spaß machen."

Karl runzelte seine Stirn und sah Thao fragend an. Doch die zuckte nur mit ihren Achseln.

„Hier!"

Sie knallte ein weiteres Blatt Papier auf den Tresen.

„Umfrage vom Geschäftsführer. Sauberkeit der Zimmer, Ausstattung, festgestellte Mängel ..."

Thao starrte sie an, blinzelte, krampfte plötzlich und rutschte vom Stuhl herunter. Karl lachte sich tot.

„Du bist hier die Haussadistin, kann das sein? Mensch, wir haben für das Zimmer bezahlt. Das kann doch nicht euer Ernst sein."

Sabine blieb resolut und klopfte auf das Papier.

„Morgen ausgefüllt abgeben, sonst bekommt ihr eure Kaution nicht wieder."

Thao und Karl kannten Sabine gut genug, um zu wissen, dass diese „Drohung" scherzhaft gemeint war.

40. Auf dem Zimmer

„Die hat sie wirklich nicht mehr alle. Die nehmen wir das nächste Mal mit aufs Zimmer, dann sind wir beide Subs.", scherzte die Punkerin.

Karl grinste und schloss die Tür des Zimmers auf.

„Die bringt bestimmt ein Haufen Formulare mit, die wir dann im Akkord ausfüllen müssen.", blieb auch er die Pointe nicht schuldig.

Er stellte die Tasche in die Ecke, packte dann Thao an den Schultern und zog sie zum Bett.

„Komm! Kurz noch mal küssen, bevor du mir gleich die Herrin machst."

Sie ließ sich ins Bett fallen und zog ihn mit sich.

„Ich hab dich lieb, Süßer."

Karl drückte seine Lippen auf ihren Mund.

„Ich liebe dich, Thao."

Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und blieb ruhig auf ihr liegen.

„Du denkst gerade über meine Titten nach, oder?"

Typisch Thao, Karl konnte einen Lacher nicht unterdrücken.

„Scheiße! Woher weißt du das?"

Das Mädchen zwinkerte ihm zu.

„Weil ich dich kenne?"

„Ja das tust du wirklich."

Sie blieben eine Weile so liegen, küssten sich und labten sich an ihrer Nähe zueinander. Es war einer jener wichtigen Momente, in denen sie sich immer wieder fanden. Nach etwa zehn Minuten blickte Karl Thao ins Gesicht. Sie schien ihm irgendwie nicht da zu sein.

„Woran denkst du?"

„Alles Mögliche, Süßer. Nichts Spezielles."

„Willst du dich umziehen?"

Thao nickte und klopfte ihm auf seine Schulter, als Zeichen dafür, dass er von ihr herunter sollte.

41. Es geht nicht mehr

Thao stand im Badezimmer vor dem Spiegel, über eine halbe Stunde schon. Der Rohrstock lag vor ihr, für das gemeinsame Spiel war alles vorbereitet. Wieder warf sie einen Blick in den Spiegel, Tränen liefen in einer wahren Sturzflut aus ihren Augen. Sie konnte sich einfach nicht zusammenreißen. Sie blickte auf das schwarze Oberteil mit dem tiefen Ausschnitt und dem Stehkragen, den kurzen Lederrock mit den kniehohen Stiefeln, ihr Stachelhalsband, welches sie so gern an sich sah ...

„Wie lange brauchst du noch?"

Karl horchte an der Tür.

„Warte, verdammt! Bleib vor der Tür!"

Sie hatte nicht wie sonst geklungen, sofort begann sich der Junge zu sorgen.

„Stimmt was nicht, Thao? Was ist denn los?"

Er sah, wie sich die Klinke nach unten bewegte und die Tür sich einen Spalt breit öffnete. Thao lehnte mit dem Rücken zum Waschbecken an diesem und starrte vor sich hin.

„Karl, ich möchte ganz damit aufhören."

Der Junge glaubte, sie nicht richtig verstanden zu haben.

„Womit? Was meinst du jetzt?"

Thaos Augen richteten sich auf ihn.

„Mit SM! Ich möchte lernen, ohne auszukommen."

Karl sah sie verstört an.

„Aber es hat doch Spaß gemacht, oder nicht? Warum willst du uns das wegnehmen?"

Thao starrte wieder vor sich hin, mied seinen Blick und schien wütend auf ihn zu sein.

„Habe ich was falsch gemacht?"

„Hören wir mit SM auf! Ganz, meine ich. Das ist doch das, was du immer wolltest."

Karls Gedanken begannen zu rasen.

„Machst das jetzt, weil ich mit deiner Palais-Domina ein Problem habe? Willst du mir eins auswischen? Mich dafür bestrafen, dass ich darunter leide, wenn du anderen Männern die Domina machst?"

Thao hob ihren Kopf und sah ihn wütend an.

„Du redest so eine Scheiße, weißt du das? Ich versuche, unsere Beziehung wieder in den Griff zu bekommen. Mich von dem zu lösen, was dich stört, mir selbst aber viel gibt. Denkst du, das ist so einfach für mich? Dir das zu geben, was du zulassen kannst, selbst aber auf der Strecke bleiben zu müssen?"

Karl wurde blass. Er hatte ihren letzten Satz falsch verstanden.

„Du kannst dich wieder beruhigen, ich rede nicht vom Sex zwischen uns. Du weißt genau, wie glücklich ich damit bin. Bloß kann ich dich nicht so behandeln, wie meine Kunden im Palais. Ich kann dich nicht einfach so schlagen, quälen und demütigen, wie ich es bei ihnen mache. Ich liebe dich doch! Weißt du noch, wie ich es versaut habe? Ich wollte das damals nicht. Und ich werde das auch nie wieder mit dir machen! Aber wenn ich vom SM loskommen soll, dann will ich auch nicht ständig daran erinnert werden, verstehst du das? Ich werde nie die flotte Tante werden, für die du dich nicht zu schämen brauchst, aber ich will auch versuchen, dir soweit gerecht zu werden, wie ich es kann. Und das bedeutet, dass ich was gegen die Perverse in mir machen muss."

Karl starrte sie entgeistert an. Er wusste genau, wie sehr sie sich dafür verbiegen würde müssen. Er selbst war gegenüber den gemeinsamen Spielen im Sama immer aufgeschlossener geworden. Sie bescherten ihrem Sex etwas Außergewöhnliches, wobei Schmerz und Demut die notwendige Kulisse für ihre besondere Art von Lust bauten.

Karls Augen tasteten Thaos Outfit ab, abgesehen von ihrem verweinten Gesicht war alles wie sonst auch. Würde sie ihren Vorsatz wahr machen, wäre es an diesem Abend das letzte Mal, dass er sie so sehen durfte.

„Siehst du denn keinen anderen Weg für dich?"

Er wusste selbst, wie egoistisch seine Frage war.

„Ich möchte mich jetzt wieder ausziehen und abschminken, Karl."

„Soll ich hier bleiben?"

Thao schüttelte entschieden ihren Kopf.

„Lass mich bitte allein. Zieh dich wieder an und packe unsere Sachen, ja!?! Mir wäre es ganz recht, wenn wir den Abend bei Euch verbringen würden."

„Thao, so habe ich das nicht gewollt."

Das Punkermädchen nickte ihm zu.

„Ich auch nicht, Karl. Aber was hilft es? Wir müssen einen gemeinsamen Nenner finden, und so, wie es jetzt ist, glaube ich damit zurechtkommen zu können."

Karl warf ihr einen gereizten Blick zu.

„Du glaubst das wirklich?"

Die Punkerin winkte ab.

„Ich will nicht mit dir streiten, Karl, ich habe es dir oft genug zu erklären versucht. In diesem Punkt kannst du mich einfach nicht verstehen. Vielleicht fehlt dir einfach die Meise, die ich unter meinem Pony habe. Keine Ahnung."

Der Junge ging aus dem Bad und schloss hinter sich die Tür. Eigentlich hätte er jetzt im Triumph schwelgen müssen, endlich nahm sie ihn wichtiger als ihre SM-Spiele ... und dennoch konnte er in diesem Moment kein Glück für sich entdecken.

„Thao!?"

Er öffnete nochmals die Tür. Das Mädchen hatte gerade den Lederrock ausgezogen und stand mit nacktem Unterleib vor ihm.

„Und wenn ich nichts dagegen hätte, dass du als Domina arbeitest, wäre alles okay für dich?"

Sie sah ihn entgeistert an.

„Nein! Wäre es nicht! Vielleicht, wenn ich wüsste, dass du wirklich damit klarkommen könntest, aber das tust du eben nicht. Ich möchte mit dir zusammenbleiben, verstehst du? Schau dir deine Eltern an! Sie sind wieder glücklich miteinander. Wir kriegen uns auch wieder in die Spur, wirst sehen."

Karl nickte, ihre Argumente hatten ihn überzeugt.

„Du glaubst daran, oder?"

Sie sah ihn fragend an.

„Du etwa nicht?"

„Doch! Na klar! Hast du gleich Lust auf ein Bad?"

Sie lächelte, näherte sich ihm und drückte sich an seine Brust.

„Darauf freu ich mich sehr. Gute Idee!"

Sie grinste.

„Können wir dieses Mal die Gehirnerschütterung weglassen?"

Er boxte sie gespielt auf den Oberarm.

„Ich wusste genau, dass du das sagen würdest."

Sie küssten sich und hielten einander fest.

„Danke!"

Dieses eine Wort tat ihr ungemein gut. Sie drückte ihn noch einmal an sich, spürte seinen Atem auf ihrer Haut, fühlte seine rechte Hand über ihren Rücken streicheln.

„Na komm! Ich packe alles wieder ein und dann machen wir los."

42. Nächtliches Gespräch mit Harald

„Was bist du denn so spät noch auf? Kannst nicht schlafen?"

Harald saß auf der Treppe, welche vom Garten aus zur Haustür hinaufführte und hielt ein Glas in seinen Händen. Thao war erleichtert, es war kein alkoholisches Getränk darin.

„Ich komme noch nicht so richtig mit dem Klimawechsel klar. Die Luft ist hier irgendwie anders. Ich komme mir ziemlich matt und schlapp vor."

Er lächelte zu ihr auf.

„Und was ist mit dir? Vor einer Stunde habe ich euch noch gehört."

Thao wurde rot. Sie hätte Harald solch eine trockene Feststellung nicht zugetraut.

„Na ich musste kacken."

Harald lachte leise vor sich hin. Der Blick der Punkerin fiel auf die kleine Laterne über der Tür, bei der sich unzählige Insekten eingefunden hatten.

„Hast du einen Schlüssel?"

Er deutete auf die Tür.

„Ich habe den Schnapper hochgedrückt."

Sie setzte sich zu ihm. Gemeinsam sahen sie einem langsam vorbeifahrenden Auto nach.

„Meinst du, Ihr habt das zwischen euch geklärt?"

Harald verstand nicht sofort, worauf das Mädchen an seiner Seite hinauswollte.

„Was genau meinst du?"

„Na Eure Probleme. Hast du nicht Angst, dass Ihr hier wieder zu streiten anfangen könntet?"

Er legte ihr seinen Arm um die Schulter.

„Mach dir keine Sorgen. Natürlich werden wir wieder streiten, vielleicht werden wir auch mal wieder auf Abstand gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen, aber wir wissen jetzt etwas, das wir vorher nicht gewusst haben, Thao."

Sie sah neugierig von der Seite zu ihm auf.

„Dass wir sehr glücklich miteinander sein können und es Ursachen für unsere Krisen gibt."

Er blickte in sein mittlerweile leeres Teeglas.

„Magst auch einen?"

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

„Nee. Ich werde nur wieder munter davon."

Harald ließ sie für einige Augenblicke allein, um sein Glas nachzufüllen, setzte sich dann aber wieder zu ihr auf die Treppe. Nachdenklich nahm der hagere Mann einen Schluck aus seinem Glas und sah in den kleinen Garten vor der angrenzenden Straße hinunter.

„Sogar darum hast dich gekümmert?"

Thao lächelte.

„Karl hat schon geholfen, so ist es nicht."

„Du scheinst ihn gut im Griff zu haben."

Das Mädchen schüttelte ihren Kopf.

„Eher umgekehrt, Harald."

„Vielleicht ergänzt Ihr Euch ja auch?"

Thao warf ihm einen flüchtigen Blick zu und nickte dann.

„Katja und ich sind sehr froh, dass er dich hat, Thao. Du bist wirklich nicht verkehrt, Mädchen."

Die Punkerin winkte ab.

„Jetzt hör auf damit, ich kann damit nicht umgehen. Ich werde dann doch tussig."

Sie zeigte Harald einen weinerlichen Gesichtsausdruck, der Karls Vater ein Lachen abrang.

Eine Weile saßen die beiden schweigend nebeneinander, dann kam dem hageren Arzt ein Gedanke.

„Sei mal ehrlich, Thao. Habt Ihr Party gemacht? Die Nachbarn sagen es uns sowieso."

Thao grinste.

„Scheiße! Ich wusste, wir haben was vergessen."

Harald lachte.

„Was seid Ihr beide denn für Teenager? Ihr hattet sturmfrei! In eurem Alter, da haben wir ..."

„... ABBA gehört?"

Haralds Lachen zerriss die Stille erneut.

„Eigentlich müsstet Ihr das noch nachholen. Findest du nicht? Ich meine, Ihr seid doch bald weg. Ladet doch noch mal alle Freunde ein und lasst die Sau raus. Ich kann Alfred drüben eh nicht leiden."

Thao schüttelte ihren Kopf.

„Lass mal. Lieb gemeint, aber ich glaube, wir suchen lieber ohne Pauken und Trompeten das Weite."

Karls Vater schien enttäuscht. Er hatte mit mehr Begeisterung gerechnet.

„Warum seid Ihr denn eigentlich nach Hause gekommen? Ich dachte, Ihr wolltet heute bei euren Freunden übernachten?"

Thao fühlte sich unbehaglich, da sie diese Frage nur mit einer Lüge beantworten konnte.

„Sie hatten wider Erwarten doch keine Zeit für uns."

Die Nacht war wunderschön. Die Hitze des Tages verflüchtigte sich und die Temperatur wurde erträglich. Beide hatten im Moment nicht das Gefühl, etwas sagen, oder das Gespräch krampfhaft am Laufen halten zu müssen.

Thao dachte an ihren Vater. Harald war mit der Zeit irgendwie ein Ersatz für ihn geworden. Sie mochte ihn sehr. Bei ihm fühlte sie sich geborgen und glaubte, sich ihm in allem anvertrauen zu können.

43. Hamburg

„Wenn die jetzt auch nichts ist, kann ich nicht mehr."

Karl lehnte sich neben der Eingangstür an die Hauswand.

„Das Viertel ist auch nicht das Beste, Süßer. Ich hab darüber einiges gelesen."

Der Junge nickte.

„Komm! Wir gehen wieder zum Parkhaus. Wenn die letzten beiden auch nichts sind, haben wir mal ein fettes Problem."

Wie so oft, wenn es um die Planung ihres neuen Lebens ging, antwortete Thao auch diesmal nicht. Karl hatte gehofft, es würde ihr leichter fallen, wenn sie erst einmal die neue Stadt sehen würde, in der sie zusammen wohnen sollten, aber außer Akzeptanz war nichts in ihren Äußerungen zu finden. Auch hatte sie darauf bestanden, in ihren normalen Klamotten zu den Besichtigungen zu gehen, was allerdings der gemeinsamen Sache nicht gerade förderlich war. Trotzdem hielt sie sich bei den Maklern zurück, sah sich alles in Ruhe an, blieb aber sonst schweigsam.

„Lass uns erst mal gucken. Wird schon."

„Könntest du dich beim nächsten Mal ein wenig mehr äußern? Schließlich ist es ja dann auch deine Wohnung."

Thao sah ihn gereizt an.

„Ich möchte nicht wieder zicken, okay? Lass uns einfach schauen, wie die Buden aussehen."

Der Junge seufzte. Er hatte gewusst, dass dieser Tag anstrengend werden würde, er zog Thao regelrecht durch die Stadt. Auch wenn sie bislang nichts Negatives gesagt hatte, war sie stets schweigsam geblieben, wodurch die Sache für Karl nicht gerade vereinfacht wurde. Er hatte sie auf viele Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die diese Stadt für sie beide bieten würde, doch, abgesehen von Floskeln, hatte sie ihm bislang nichts gegeben, woran er sich festhalten hatte können.

Schweigend fuhren sie in den Süden der Stadt, wo ein dreistöckiger Plattenbau auf sie wartete. Eingeschlossen von niedrigen Einfamilienhäusern wirkte er nicht so abweisend, wie jene Wohnobjekte, die sie bisher gesehen hatten. Einige große Laubbäume taten ihr Übriges, um die Gegend für sie attraktiver erscheinen zu lassen.

„Das ist der Deich zur Elbe hin, oder?"

Thao sah auf der Karte nach.

„Ja, scheint so. Das ist ja mal geil."

Karl warf ihr einen erleichterten Blick zu. Es war die erste wirkliche Regung, die sie in dieser Stadt gezeigt hatte. Er fand einen Parkplatz an der Straße, wenig später klingelte er bei dem Namensschild, das ihm am Telefon genannt worden war.

Eine junge Frau öffnete ihnen, sie schien einen Migrationshintergrund zu haben, Indien oder Sri Lanka vielleicht. Thao und Karl warfen sich erstaunte Blicke zu. Sie hatten in dieser Gegend wirklich nicht damit gerechnet.

„Ihr seid Thao und Karl, oder?"

Die beiden nickten der Frau zu.

„Ich bin die Anelise. Kommt rein! Mein Vater ist arbeiten, sonst hätte er Euch die Wohnung gezeigt."

Thao konnte sich ein Lachen nur schlecht verkneifen. Karl sah sie flehentlich an, aber sie konnte nicht aus ihrer Haut heraus.

„Du heißt Anneliese?"

Die Angesprochene drehte sich um und lachte. Sie bemerkte sofort, wie peinlich berührt Karl war und winkte ab.

„Kein Problem damit, Karl. Thao kann ruhig fragen."

Sie wandte sich wieder der Punkerin zu.

„Ich heiße Anelise, nicht Anneliese. Die Vokale sind lang, das n kurz."

Thao versuchte es, bekam es aber nicht hin, was bei den Frauen Gelächter auslöste.

„Nennt mich Anneliese, ich bin es gewohnt, mir macht das nichts aus."

Sie warf einen Blick auf Thaos Klamotten.

„Bist in der Szene aktiv? War ich früher auch mal. Unten beim Markt hatten wir unseren Platz. Aber seitdem meine Mutter tot ist, spannt mich mein Paps in alles ein, jetzt fehlt mir die Zeit zum Gruften."

Die junge Frau mit dem schwer auszusprechenden Namen zwinkerte Thao zu, während Karl seine Verwunderung nicht zurückhalten konnte. Sie stiegen die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Ganz beiläufig fragte Anelise die beiden jungen Interessenten über deren Situation und Absichten aus.

„Thao ist aber auch nicht gerade ein deutscher Vorname, oder?"

Karls Freundin schüttelte ihren Kopf und hielt Anelise ihre Kaugummipackung hin.

„Meine Mutter ist halbe Vietnamesin. Sie selbst heißt Anne und so meinte sie, dass sie bei mir ihre eigenen Ursprünge wachrufen müsste. Ist schon ätzend, sage ich dir."

Anelise legte ihren Kopf schief und sah das Punkermädchen nachdenklich an.

„Ich finde, er passt gut zu dir. Siehst ja an mir, dass es noch schlimmer geht."

Sie deutete auf die Wohnungstür und bat die beiden einzutreten.

„Ihr hättet drei Zimmer und ein kleines Bad zur Verfügung. Der Flur ist ziemlich klein, aber mit Mühe passt ne kleine Garderobe rein. Dafür habt Ihr eine geräumige Küche, über die Ihr auch auf den Balkon kommt. Ich wohne unten im Erdgeschoß, wenn Ihr also Probleme habt, könntet Ihr euch sofort an mich wenden. Als Gegenleistung müsstet ihr mit Ashna klarkommen, meinem Spitz. Der kläfft ziemlich viel."

Sie führte die jungen Leute herum.

„Scheiße! Man kann den Fluss sehen! Schau mal!"

Thaos Gesicht zeigte, ihren Blick auf das Fenster gerichtet, deutlich ihre Begeisterung. Lebhaft tasteten ihre braunen Augen die Umgebung ab und schienen deren Anblick regelrecht aufzusaugen. Karl schien wie erlöst zu sein und folgte ihr hinaus auf den Balkon.

„Sieh dir das an! Ein paar Stühle und ein Tisch, ... was denkst du, wie geil es wäre, hier zu essen?"

Sie lehnte sich an das Geländer und sog die Luft ein. Thao bildete sich ein, das Meer riechen zu können. Die große Brücke beeinträchtigte vielleicht etwas die Aussicht, doch grundsätzlich erschien ihr dieser Balkon wie ein kleines Paradies.