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Thao 26

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Sie legte ihre Hand auf den Ärmel von Thaos Lederjacke.

„Bea hat mir von deinem Freund und seinen Studienplänen erzählt. Du gehst wegen ihm weg, richtig?"

Thao starrte vor sich hin. Sie hatte zu lange gezögert, die Gräfin wusste jetzt, dass sie mit ihrer Annahme recht hatte.

„Wollte er, dass du hier aufhörst?"

Die Punkerin stand auf und ging zur Tür.

„Ich gehe jetzt lieber."

Die Gräfin sah ihr nach.

„Ich wünsch dir Glück, Thao!"

Das Mädchen blieb stehen und drehte sich noch einmal zu ihrer ehemaligen Chefin um.

„Danke!"

46. Abschied

„Kannst du mich holen kommen?"

Thao ging ein Stück die Straße hinunter bis zu einer Bushaltestelle, in welcher sie sich auf eine der Bänke setzte.

„Wie ist es gelaufen? Geht es dir gut?"

Das Mädchen presste sich das Handy ans linke Ohr. Sie hatte für eine Berichterstattung im Moment keinen Nerv.

„Ich habe einfach gekündigt und bin gegangen."

Er seufzte demonstrativ auf.

„Ich bin gleich da."

Sie wollte auflegen.

„Thao?"

Sie hob ihr Handy noch einmal ans Ohr.

„Du hast wirklich gekündigt, oder?"

Sie schloss die Augen und rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn.

„Ja, Karl, habe ich. Was denkst du sonst, weshalb ich heute so früh aus dem Haus gegangen bin?"

Ihre Stimme klang mehr als nur gereizt.

„Werd nicht gleich wieder scheiße zu mir. Mann, ich bin doch auch schon völlig gaga. Ich bin gleich da."

Sie hielt sich ihr Handy an die Stirn und versuchte, das Gespräch mit der Gräfin aus ihrem Kopf zu verdrängen, doch es gelang ihr nicht.

„Thao?"

Das Punkermädchen hob den Kopf und riss die Augen auf. Beatrice lief auf sie zu, in Overknee-Stiefeln, schwarzem Minirock, engem Oberteil, aus dem ihre Brüste herauszufallen drohten, und einem viel zu kurzen Lackmantel. Sie musste sich gerade für eine Session fertiggemacht haben.

„Ja!?"

Die Bizarr-Lady zeigte der Punkerin eine beleidigte Miene und stieß ihr gegen die Schulter.

„Wolltest einfach so abhauen? Scheiße! Nicht mal einen Abschied gönnst du mir? Was bist du denn für eine Freundin?"

Thao schämte sich und wurde augenblicklich rot im Gesicht.

„Eh Mann, Bea, ich wollte da nur noch raus. Glaub mir, ich hätte mich schon gemeldet bei dir."

„Aus Hamburg oder wenn du deinen Doktor hast?"

Die Punkerin grinste und legte ihre Arme um die so provokant gekleidete Frau.

„Danke, dass du mir hinterhergekommen bist."

Beatrice nickte ihr traurig zu.

„Heulen wir jetzt ne Runde zusammen? Dann muss nämlich Angela gleich noch mal ran."

Thao musste lachen. An die graue Maus in der Garderobe hatte sie zu ihrer Schande überhaupt nicht mehr gedacht.

Sie schlossen sich in die Arme. Beatrice presste Thao an sich, mit einem tiefen Schluchzen entlud sich deren ganzer Frust.

Die Punkerin konnte es nicht verhindern, sie war gerührt und auch ihr kamen die Tränen. Sie hatten einige tolle Monate miteinander erlebt und sie würde noch lange daran denken müssen. Karl verlangte in diesem Punkt zu viel von ihr. Sie würde diese Zeit nicht einfach so ausklammern können.

„Thao?"

Beatrice löste sich und wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Kannst du es dir nicht noch mal überlegen? Ich kann mit Karl reden, du wolltest doch ohnehin erst im nächsten Jahr studieren. Scheiße, ich mag nicht ohne dich dort sein."

Sie sah den Groll in Thaos Augen, spürte deren aufsteigenden Zorn.

„Sei bitte nicht böse auf mich. Ich kann nur nicht anders. Glaub mir das, okay!?!"

Sie legte der Punkerin ihre Hand auf deren Oberschenkel.

„Ich hab dich lieb. Echt jetzt. Werd glücklich mit deinem Karl dort oben, hörst du? Damit es sich wenigstens für dich ausgezahlt hat."

Sie weinte immer noch und schluchzte laut auf. Thao fingerte eine Packung Taschentücher aus ihrer Jacke und holte eines davon heraus, um ihrer Freundin die Tränen zu trocknen.

„Bea ..."

Ihre Exkollegin schüttelte den Kopf.

„Passt schon. Ich komme damit klar. Vielleicht ist es ganz gut so. Wenn ich selbst aufhören will, habe ich jemanden, der mir zeigt, wie es geht."

Sie drückte das junge Mädchen noch einmal an sich.

„Weißt du, was krass ist? Der Gräfin geht es richtig scheiße damit. Die hat dich schon gemocht, Thao, vielleicht gerade deshalb, weil du dich von ihr nicht verbiegen hast lassen."

Das Punkermädchen hob die Schultern.

„Tust du mir einen Gefallen, Bea? Mir geht es selbst im Moment nicht so gut. Können wir in ein paar Tagen telefonieren? Dann habe ich bessere Laune als heute."

Beatrice stimmte widerwillig zu.

„Aber wirklich, ja? Thao, ich habe nicht viele Freunde. Wir halten den Kontakt, versprich es mir!"

Die Punkerin nickte. Sie sah das Auto von Karls Vater langsam heran rollen. Sie wusste, dass die Anwesenheit von Beatrice ihrem Freund ein Dorn im Auge sein würde.

„Ich verspreche es dir. Und nun geh schon wieder rein!"

Beatrice stand auf, sah ihre Ex-Kollegin nochmals an, beugte sich zu ihr hinab, um sie ein letztes Mal zu drücken. Dann klapperte die Bizarr-Lady den Gehweg hinauf zum Eingang des Palais. Ein paar Passanten starrten hinter ihr her, sie aber schien dies nicht einmal zu bemerken.

47. Hölle

„Was wollte die denn?"

Karl warf einen Blick in den Rückspiegel und sah Beatrice gerade noch durch die große Eingangstür des Palais verschwinden.

„Sie wollte sich verabschieden. Wir haben uns ziemlich gut verstanden."

Der Junge sah über die Schulter und ordnete sich wieder in den Verkehr ein.

„Wer es glaubt."

Thao sah zu ihm hinüber.

„Wie meinst du das?"

Der Junge ließ den Wagen Fahrt aufnehmen und warf ihr einen flüchtigen Blick zu.

„Du glaubst also im Ernst, dass sie sich von dir nur verabschieden wollte? Wie naiv bist du eigentlich? Die wollen doch nur, dass du dort weiterhin die ... Ach, Scheiße, lassen wir das. Es ist jetzt vorbei und wir fangen ein neues Leben an. Hauptsache, du bekommst diese Grütze endlich aus deinem Kopf."

Thao starrte ihn vom Beifahrersitz aus entgeistert an. Das war nicht ihr Karl, der das gesagt hatte, das konnte und durfte nicht sein.

„Merkst du eigentlich, was du mir gerade antust? Wie scheiße du zu mir bist? Dort arbeiten Freunde und Bekannte von mir, Menschen, die ich sehr gern habe. Natürlich wollen sie, dass ich bleibe. Was ist so verkehrt daran?"

Karl warf ihr einen düsteren Blick zu.

„Ich bin scheiße zu dir? Fuck, Thao, ich habe es monatelang ausgehalten, dass du dort Schwänze von fremden Kerlen gewichst, irgendwelche lächerlichen Freaks gequält und vor dir winseln lassen hast, und alles nur, damit du dein krankes Ego beruhigen konntest!"

Das Punkermädchen starrte ihn böse an.

„Du hast mir nie wirklich zugehört, oder? Das, was ich dir dazu gesagt und erklärt habe, lässt du einfach nicht gelten. Scheiße, jetzt verhöhnst du mich auch noch. Du bist ein Arschloch! Ein richtiges Arschloch."

„Ich bin ein Arschloch? Ich habe monatelang darauf gewartet, dass du wieder zur Besinnung kommst. Dass du normal im Kopf wirst und ich dir endlich reiche. Du hast nie begriffen, wie sehr ich unter dieser Scheiße gelitten habe."

Thao schrie wie wahnsinnig auf.

„Ich habe dir das Gefühl gegeben, dass du mir nicht reichst? Hast du denn nie gespürt, wie sehr ich dich ..."

Sie schlug ihm auf den Oberarm, während die Tränen in ihre Augen schossen.

„Wie kannst du das nur sagen?!"

Er stieß sie zurück.

„Fass mich nicht an! Geh zurück in dein Scheiß-Bordell und melk weiterhin deine verfickten Sklaven. Anders kannst du ja nicht glücklich sein, wie es scheint."

Er lenkte den Wagen an den Straßenrand, hielt an und sah demonstrativ aus dem Seitenfenster der Fahrertür. Sie aber starrte ihn an, konnte es einfach nicht glauben.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?"

Karl antwortete ihr nicht.

„Du, so geht das nicht."

Sie beugte sich zu ihm hinüber, packte seinen linken Arm und versuchte, ihn zu sich herumzudrehen.

„Rede mit mir!"

„Geh! Deine Scheiße hat alles zwischen uns kaputtgemacht! Ich hab´s dir immer und immer wieder gesagt. Ich will das einfach nicht mehr!"

Thao starrte ihn an. Es war ihr, als würde sie träumen. Das, was gerade passierte, konnte einfach nicht wahr sein.

„Karl! Bitte lass uns reden. Ich habe doch dort aufgehört. Wegen dir!"

Er drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen.

„Es ist in deinem Kopf, Thao. Damit komme ich einfach nicht mehr klar. Natürlich hast du wegen mir dort aufgehört, aber genau das reicht mir eben nicht. Du checkst es echt nicht."

Die Punkerin starrte ihn an, dann wandte sie sich ab, öffnete die Wagentür, stieg aus und eilte am Gehweg die Straße hinab. Der Junge sah ihr nach, sein Herz schien für einen Moment auszusetzen. Kurz überlegte er, ob er ihr nacheilen sollte, dann aber gab er Gas.

Nein! Kein Zweifel, er war im Recht!

48. Entwurzelt

Thaos ganzer Körper schien zu reagieren. Übelkeit stieg in ihr auf, ihr schwindelte, Tränen rollten unkontrolliert ihre Wangen hinunter. Sie spürte die Blicke der an ihr vorbeigehenden Passanten, erkannte in diesen Mitleid und Neugierde. Sie suchte nach einem klaren Gedanken, nach einer Möglichkeit, ihrem Schmerz zu entkommen, doch hatte sich eine tiefe Ratlosigkeit in ihr breitgemacht, die alles andere verdrängte.

Instinktiv wandte sie sich nach Hause, wollte sich in das Vertraute flüchten, das Einzige, das ihr noch geblieben war. Vielleicht war ihre Mutter ja daheim? Wie gerne wäre sie jetzt von ihr in den Arm genommen worden.

Sie ging weiter in Richtung Innenstadt, die nächste U-Bahnstation war nicht mehr weit.

„Guten Tag, Frau Passow!"

Die alte Frau warf einen besorgten Blick auf das Mädchen. Sogar ihre Tür schien dieses Mal weiter geöffnet zu sein als üblich. Die Punkerin konnte sogar einen Flurspiegel im Hintergrund erkennen, es kam ihr absurd vor, dass sie diese Tatsache in ihrer Situation überhaupt registrieren konnte.

Sie suchte ihre Schlüssel, fand sie endlich in einer ihrer Innentaschen und öffnete mit zitternder Hand die Tür. Das verzweifelte Mädchen prallte regelrecht zurück, Umzugskartons standen im Flur, ein Bohrschrauber surrte im Wohnzimmer.

„Mama!?"

Thaos Augen füllten sich sofort wieder mit Tränen.

„MAMAAAAA!"

Der Bohrschrauber verstummte und Rüdiger erschien in der Wohnzimmertür.

„Thao?! Anne ist nicht hier. Sie müsste aber jeden Augenblick zurück sein."

Das Punkermädchen starrte ihn an.

„Was machst du da? Was soll diese Scheiße hier?"

Rüdiger schien zu spüren, dass etwas passiert sein musste.

„Deine Mutter möchte hier nicht mehr alleine wohnen bleiben und zu mir ziehen, wenn du weggehst. Sie scheint ein ziemliches Problem damit zu haben, dass du bald nicht mehr in der Stadt bist, Thao."

Thao hob den Kopf, sah zur Decke hoch, sammelte die ihr noch verbliebenen Kräfte und nickte schließlich.

„Rüdiger, ich gehe mal in mein Zimmer, ja? Oder habt Ihr da auch schon ...?"

Der Mann sah dem Mädchen erstaunt hinterher. Sie wirkte nicht aggressiv und unbeherrscht wie sonst, ein Umstand, der ihm Sorgen bereitete. Dem Mädchen musste offenbar etwas passiert sein.

„Thao? Kann ich reinkommen?"

Sie antwortete nicht.

Vorsichtig betrat er das Zimmer, in dem er zuvor noch nie gewesen war, obgleich er mehrmals die Möglichkeit gehabt hätte. War es Desinteresse für das Mädchen gewesen, Respekt oder vielleicht sogar Furcht?

Er hörte die Tochter seiner Freundin hinter dem Bücherboard weinen. Wahrscheinlich lag sie auf ihrem Bett. Er ging um die Trennwand herum und sah sie mit dem Rücken zu ihm auf dem Bett liegend. Sie hatte sich zusammengekauert und schien verzweifelt zu sein. Behutsam setzte er sich zu ihr.

„Ist was mit Karl?"

Sie schien nicht antworten zu wollen. Trotzdem ließ sie es zu, dass er seine Hand auf ihren Oberarm legte.

„Ist es vorbei zwischen Euch?"

Er spürte das Zucken in ihren Achseln, dann sah er sie kurz nicken. Rüdiger atmete tief durch. Er musste sich beherrschen, seine eigenen Gedanken verdrängen. Wenn Thao in der Stadt bleiben würde, bedeutete dies wohl auch einen Rückzieher Annes.

„Möchtest du reden?"

Das Punkermädchen konnte es kaum glauben, doch Rüdigers Stimme wirkte tatsächlich beruhigend auf sie.

„Würdest du mich allein lassen?"

„Klar. Ich bin draußen, wenn was ist."

Er stand vom Bett auf und wandte sich zur Tür.

„Danke."

Ihre Stimme klang brüchig und dennoch war es das erste Mal, dass sie seine Gegenwart wirklich akzeptiert hatte.

„Ruf mich, wenn was ist."

Thao hörte noch, wie der Freund ihrer Mutter die Zimmertür schloss, dann war sie wieder allein. Unaufhaltsam liefen ihr die Tränen über die Wangen und ihre Augen blieben auf die Finger ihrer rechten Hand gerichtet, die den Zipfel ihrer Bettdecke verdrehten.

49. Karls Wut

„Sagst du mir jetzt endlich, was passiert ist?"

Es war an sich nicht die Art seines Vaters, laut zu werden.

„Wo ist Thao?"

Karl starrte vor sich hin, wollte sich an seinem Vater vorbeipressen, der ihm den Weg zu seinem Zimmer versperrte. Er hatte sich den ganzen Nachmittag in seinem Zimmer eingeschlossen, laut Musik gehört und war nur rausgekommen, wenn ihn ein dringendes Bedürfnis dazu genötigt hatte.

„Sie ist nicht da, wie es scheint. Ruf sie doch an! Frag sie, was ihr ins Hirn geschissen hat.", kreischte der Junge seine Antwort regelrecht durchs Haus.

Harald packte ihn am rechten Arm und zog ihn hinter sich her. Sein Sohn mochte nun vielleicht kräftiger sein als er, dennoch verbot ihm der Respekt vor seinem Vater jegliche Gegenwehr.

„Setz dich dahin und rede!"

Harald drückte seinen Sohn in einen der Sessel. Der aber schien immer noch nicht bereit zu sein, sich zu öffnen.

„Habt Ihr euch getrennt?"

Der Junge starrte eine kleine Ewigkeit vor sich auf den Boden. Schließlich hob er den Kopf, sah seinem Vater in die Augen und nickte. Der hagere Arzt konnte es nicht glauben.

„Und warum?"

Karl ballte seine Fäuste.

„Weil sie lieber eine Nutte ist, Papa. Deshalb."

Dem Jungen fiel es leichter, wenn er sie so sah. Es entfachte seine Wut immer wieder aufs Neue.

„Tut mir leid, Karl, aber Thao kann keine Nutte sein. Das glaube ich einfach nicht."

Sein Sohn sah neuerlich zu ihm auf und schüttelte nur den Kopf.

„Dann nenn sie eben Domina, denn das ist ihre Fachrichtung gewesen."

Harald starrte seinen Sohn verständnislos an. Er konnte und wollte es einfach nicht glauben.

„Wie hast du es erfahren?"

Die Frage kam für Karl völlig überraschend, sie nahm seiner Feststellung die Härte.

„Sie hat es mir gesagt."

„Heute?"

Der Junge wurde unsicher.

„Nein. Es ist schon länger her."

Sein Vater zog den zweiten Sessel heran und setzte sich seinem Sohn gegenüber.

„Erzähl, Karl! Rede es dir von der Seele! Wenn das vielleicht auch kein Trost sein mag, wird es dir möglicherweise aber doch helfen."

Minutenlang saßen sich die beiden schweigend gegenüber. Der hagere Arzt ahnte, was in seinem Sohn vorgehen musste, und ließ ihm die Zeit, die er benötigte. Dann brach es regelrecht aus Karl heraus, all der monatelang aufgestaute Frust und sein Leid bahnten sich dammbruchartig einen Weg nach außen. Nichts ließ der deprimierte Junge dabei ungesagt. Er erzählte seinem Vater von Thaos Fotoshootings, ihren dunklen Fantasien, ihrem Job im Palais und selbst von ihren gemeinsamen Spielen im Sama.

Harald benötigte eine Weile, um das Gehörte verdauen zu können. Sicher, Katja und er selbst hatten oft genug gehört, wie lebhaft die beiden Teenager ihrer Leidenschaft nachgegangen waren, doch dass dies noch zu toppen war, überraschte ihn jetzt überaus.

„Ihr habt miteinander SM praktiziert? So, wie in den Klubs im Fernsehen, die man ab und zu in den Reportagen sieht?"

Harald starrte seinen Sohn nachdenklich an. Der nickte nur, man sah ihm deutlich an, wie peinlich berührt er war.

„Und sie war deine Herrin? Das sagt man doch so, oder?"

Karl sah ihn auf seltsame Weise an, er wollte sich eigentlich nicht mit seinem Vater über dieses Thema unterhalten.

„Papa, bitte lassen wir das. Du kannst mir da nicht helfen. Ich muss damit allein zurechtkommen."

„Ich stehe natürlich hinter dir, Karl. Du bist mein Sohn. Aber ich möchte dir eins sagen dürfen ..., sie liebt dich über alles. Ich glaube, das weißt du auch selbst und auch, was das wert ist."

Der Junge starrte weiter vor sich hin, während sein Vater sich zurück in den Sessel lehnte und ihn beobachtete. Sein Sohn würde sich an ihn wenden, wenn er ihn brauchte.

Harald dachte an das Punkermädchen. Er fühlte sich bleischwer bei dem Gedanken, dass er sie nicht mehr an der Seite seines Sohnes würde sehen können.

„Kämst du denn damit klar, wenn du an meiner Stelle wärst?"

Haralds Augen huschten nervös hin und her.

„Ich kann das nicht sagen, Karl. Es ist schon sehr ungewöhnlich, was du erlebt hast. Jeder mag seine Geheimnisse haben, aber dieser SM zwischen Euch ... ich kann mir das nur sehr schwer vorstellen."

Der Junge verschränke seine Finger ineinander und ließ sie knacken, ein ekelhaftes Geräusch dabei verursachend. Harald enthielt sich eines Kommentars.

„Weißt du, seit Wochen liegt das zwischen uns. Ich habe sie immer wieder dazu gedrängt, dort endlich aufzuhören. Sie hat mir so wehgetan, wenn sie mir gezeigt hat, wie schwer es ihr fiel."

Eine Träne löste sich aus Karls linkem Auge und lief seine Wange hinunter.

„Und heute, als sie zu mir ins Auto gestiegen ist, blieb dieses Gefühl. Selbst als sie mir gesagt hat, dass sie gekündigt hat. Es ist so, als ob irgendetwas von ihr dort festgehalten wird und einfach nicht mehr zu mir zurückkommen kann. Ich spüre ja, dass sie es will, sich für mich entscheiden möchte, aber auch, dass sie aus irgendeinem Grund die Kraft dazu nicht findet."

Harald ließ ihn reden. Er kannte selbst solche verzweifelten Momente nur zu gut, in denen man sich Luft verschaffen musste, um nicht vor Schmerz wahnsinnig zu werden.

„Ich habe mir selbst die Schuld gegeben, dachte, vielleicht könnte ich es akzeptieren lernen. Aber es geht nicht. Ich schaffe es einfach nicht. Ich habe dieses eine Bild im Kopf und auch wenn sie mir immer wieder versichert, dass ich ihr unrecht damit tue, ist es trotzdem da."

Karl dachte an die letzten Monate.

„Und dann, auf der anderen Seite, sehe ich die letzten Monate. Ihr wart in Schweden und wir beide haben hier den Laden geschmissen. Es war eine unglaubliche Zeit. Wir waren so glücklich miteinander. Und Thao war begeistert von ihrer Rolle hier. Auch wenn man es ihr nicht hätte sagen dürfen, aber die Hausfrau steckt ihr irgendwie im Blut."

Sein Vater musste lächeln. Thao hätte ihnen die Augen ausgekratzt, wenn man ihr so gekommen wäre.

„Das, was ich wirklich nicht konnte, woran ich immer wieder verzweifelt bin, war der Gedanke, dass dieses Scheiß-Palais eine Rolle dabei gespielt hat. Dass ich vielleicht einen Teil ihres Glücks ausmache, aber nicht das ganze."

Der Junge wischte sich eine weitere Träne von seiner Wange, räusperte sich und setzte dann fort.

„Am Anfang hat sie mir davon noch erzählt, du hättest hören sollen, wie begeistert sie war, wie sehr sie sich an dieser Arbeit berauscht hat, doch dann spürte sie selbst, wie weh sie mir damit tat und ab diesem Moment lag diese Scheiß-Domina in ihr wie Blei zwischen uns."

Er schwieg wieder, sammelte seine Gedanken.

„Als ich heute heimgekommen bin, habe ich versucht, mir vorzustellen, wie es ohne sie sein würde. Wie es wäre, wenn ich nicht mehr ihre Stimme hören, sie nachts nicht mehr bei mir schlafen würde, wie das Gefühl wäre, wenn sie mir nicht mehr nahe ist."

Harald spürte den Kampf seines Jungen.

„Ich weiß einfach nicht mehr, was das Richtige ist, was ich machen soll. Thao zu verlieren scheint mir so bescheuert zu sein. Ich liebe sie doch und sie mich. Warum liegt das also zwischen uns? Ich meine, nicht nur ich leide darunter, sondern sie doch auch."

Er sah seinen Vater Hilfe suchend an.

„Weißt du, Karl, alles, was ich dir raten kann, ist für euch beide einen Weg zu suchen. Eine Lösung, mit der ihr beide leben könnt. Aber sie aufgeben? Ich habe Angst, dass damit ein Mensch aus deinem Leben verschwindet, den du nicht mehr so ohne weiteres ersetzen können wirst."