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Thao II - Teil 11

Geschichte Info
Treffen mit Anna, Steven hat ein Problem, Karls Erinnerungen.
10.2k Wörter
4.83
4.8k
1

Teil 38 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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Thao hatte vor allem dann ihre Schwierigkeiten, wenn sie etwas zu entscheiden hatte. Sie fand sich zwar schnell mit Gegebenheiten ab, arrangierte sich und versuchte, das Beste daraus zu machen. Doch genau das hatte ihr in den letzten Jahren gefehlt und das Einzige, das ihr, neben Anelise, etwas Stabilität gegeben hatte, war ihre Arbeit als Sozialarbeiterin gewesen.

Sie hatte sich bei verschiedenen Stellen und karitativen Verbänden beworben, sich auch persönlich vorgestellt. Doch wie aus dem Nichts waren ihre Bewerbungen, selbst nach anfänglichen Zusagen, abgelehnt worden. Überqualifiziert angeblich, oder die Stelle war intern besetzt worden, gleich zwei Damen waren früher aus dem Mutterschutz zurückgekehrt. Es schien wie verhext zu sein.

Zu ihrer alten Dienststelle hatte sie jeglichen Kontakt abgebrochen, selbst Herbert, der ihr zu einen echten Freund geworden war, hatte sie zum Schluss nur noch gemieden. Sie hatte nicht noch einmal einen Fuß in die Behörde gesetzt und sich sogar ihre persönlichen Sachen zuschicken lassen.

Der Einzige, der stets glaubhaft über der ganzen Angelegenheit gestanden war, war Tom. Der Betreuer hatte sie angerufen, sie sogar gemeinsam zusammen mit seiner Frau besucht und ihr versprochen, sie weiterhin über ihre Sorgenkinder zu informieren. Dimitri entwickelte sich gut und schien jetzt aus eigenen Stücken den durch sie initiierten Weg weiterzuverfolgen.

„Und wenn du umziehst? Ich meine ... in eine andere Stadt?"

Thao sah nach Ashna, der irgendwo an der Düne herumtollte.

„Ich weiß nicht, Anna. Sicher, es wäre eine Möglichkeit, aber dann bin ich ja wieder ganz alleine. Und ich habe auch keine Lust den Rückzug vor diesen Spasten anzutreten."

Die junge behinderte Frau lächelte von ihrem Rollstuhl aus zu ihr auf. Thao schien sich nicht wirklich verändert zu haben. Sie verhielt sich noch genauso wie damals, als sie sich kennengelernt hatten. Ihr Wortschatz an derben Ausdrücken war nahezu grenzenlos, wenn sie sich nicht zusammenreißen musste.

„Arbeitest du eigentlich noch als ... naja, du weißt schon."

„Ja, und ich höre auch nicht damit auf. Hab jetzt sogar ein paar Termine mehr angenommen. Tut mir leid, dass ich dir davon erzählt hab, sehe es dir an, dass du dich damit schwertust."

Anna hatte tatsächlich ein echtes Problem damit, sich Thao als Domina vorstellen zu müssen. Für sie war die Freundin immer ein Mensch gewesen, der ihr, trotz der rauen Schale, immer ein sicherer Hort gewesen war, in dem sie jederzeit Hilfe gefunden hatte. Ein Hort, um sich auszusprechen und neue Hoffnung zu schöpfen.

Als Thao ihr von der Kündigung und ihrem bis dato geheim gehaltenen Nebenberuf erzählt hatte, konnte sie im ersten Augenblick die Kollegen ihrer Freundin verstehen. Auch sie hatte verstört reagiert und konnte sich auch heute noch nicht erklären, warum ein derart intelligenter, gebildeter, in seinem Beruf erfolgreicher Mensch es nötig hatte, sich in der Erotikszene zu prostituieren.

Dass Thao ihr versichert hatte, dass sie nicht körperlich mit ihren Kunden verkehrte, tröstete sie keineswegs. Auch wenn sie vielleicht gewisse Neigungen hatte, so brauchte man die nicht auch zwangsläufig auszuleben. Zumal Thao zwar eine arschige Art haben konnte, dabei jedoch auch durchaus Grenzen kannte. Es erschien Anna mittlerweile sogar plausibel, dass Karl Thao verlassen hatte. Wahrscheinlich hatte auch er seine Probleme mit ihrem Wunsch gehabt ihre Neigung auf professioneller Schiene auszuleben und hatte sich irgendwann überfordert gezeigt.

Anna hatte sich im Internet darüber zu informieren versucht, was es mit den professionellen Dominas so auf sich hatte, nach wenigen Zeilen jedoch angewidert abgebrochen. Sie war derart schockiert, als Thao sich ihr anvertraut hatte, dass sie im ersten Moment nicht wusste, ob sie weiterhin zu ihr Kontakt haben wollte.

Doch dann hatte sie daran gedacht, was sie ihrer Freundin alles zu verdanken hatte, und auch wie Thao ihr geholfen hatte, die eigenen Komplexe Frank gegenüber zu überwinden. Der Junge hatte sich so ehrlich um sie bemüht und sich ihre Liebe treuherzig erarbeitet. Und die erste Nacht? Es war für sie alles andere als ein Genuss gewesen und dennoch hatte sie auch diese Hürde schließlich, vor allem dank Thaos Hilfe, zu überwinden gewusst. Jetzt hatte sie Spaß am Ficken, wie Thao sich auszudrücken pflegte, selbst die Vorstellung, einmal Kinder zu bekommen, erschien ihr nicht mehr unrealistisch.

„Wann holt dich Winnie Puuh ab?"

Anna stöhnte auf und versuchte vergeblich, aus ihrem Rollstuhl heraus nach Thao zu boxen, die ihren Schlägen lachend auswich.

„Nenn ihn nicht so! Er ist dann immer richtig angepisst."

Thao meckerte auf.

„Aber wenn er nun mal so aussieht? Ich kann doch auch nichts dafür."

Tatsächlich war Annas Freund ein hochgewachsener, behäbiger Junge mit leichten Übergewicht und semmelblonden Haaren. Vielleicht kein Traumtyp, aber vom Scheitel bis zur Sohle eine nette und integre Haut. Er hatte viel auf sich genommen, um Anna lieben zu dürfen, sorgte sich um sie und hatte auch die Kraft, sie zu bewegen, wenn es darauf ankam. Ein gemütliches Haus, das wenig sprach und dennoch nie langweilig auf Thao wirkte.

„Er war das letzte Mal richtig wütend auf dich. Du kannst ziemlich bescheuert sein."

Thao winkte ab.

„Du meinst wegen deinem Honigtopf? Was ist denn schon dabei? Genießt das doch einfach! Ich werde da höchstens neidisch."

Anna seufzte. Es waren diese Momente, in denen Thao nur schwer zu ertragen war.

„Also?"

Anna blickte auf ihre Armbanduhr.

„In einer Stunde ungefähr."

Die behinderte junge Frau deutete auf Thao, die noch immer auf dem Pappendeckel saß.

„Komm! Es ist kalt und auch mit der Pappe holst du dir was weg."

Thao rief nach dem Hündchen, kam etwas unbeholfen zum Stehen, löste Annas Bremse und half ihr an jenen Stellen des ausgetretenen Deichweges vorwärts, an denen der Motor des Rollstuhls überfordert schien. Schweigend legten sie ein großes Stück des Weges zurück, bis es Anna schließlich zu viel wurde und erneut das Gespräch suchte.

„Weißt du, was ich nicht verstehe? Warum praktizierst du nicht? Ich meine, das wäre doch auch eine Möglichkeit."

Thao blickte erstaunt auf die junge Frau herunter. Sie hatte selbst auch schon daran gedacht, diesen Gedanken dann aber immer wieder verworfen. Sie hatte ihn sogar schon weiter gesponnen und ...

„Denkst du darüber nach?"

Thao strich sich die Haare aus dem Gesicht und nickte zögerlich.

„Ja, aber anders als du glaubst. Ich müsste erst einmal meinen Therapieschein machen und dann könnte ich vielleicht Menschen bei ihren partnerschaftlichen Problemen helfen."

Anna war sofort Feuer und Flamme für diese Idee.

„Das ist doch super! Paartherapeutin! Ich meine, wenn ich Probleme mit Frank hätte, wärst du die Erste die ..."

Thao winkte ab.

„Nein! Wie kommst du denn auf diese Idee? Aber so in die Richtung würde das schon gehen, nur halt mit dem Sexuellen als Thema. Weißt schon, Sexualtherapie. Ich meine, ich kriege viel mit als ..."

Sie bemerkte den Unwillen in Annas Gesicht, sich mit ihr darüber auszutauschen, und brach enttäuscht ab. Dass sich ihre Freundin damit so schwertat, störte sie ziemlich.

Also schwiegen sie wieder, genossen das sonnige Wetter und den sich in der Natur abzeichnenden, Einzug haltenden Frühling. Die ersten Frühblüher zeigten ihre Blüten und auch die Vögel zwitscherten ihre Lieder im Geäst der Bäume. Es war schön und vielleicht auch nicht der richtige Zeitpunkt, um weiter über Probleme zu sprechen.

„Sag mal, wie läuft es mit diesem Jungen. Wie heißt er noch?"

Thao seufzte. Anna ließ heute wirklich kein Thema aus.

„Steven. Und es läuft gar nichts. Wir waren zweimal was trinken, das ist aber auch schon alles."

„Warum sagst du das so bestimmt? Ich meine, der Junge sieht gut aus, ist klug und hat auch andere Qualitäten, so wie du dich ausgedrückt hast."

Thao grinste.

„Mein Gott, Anna! Warum bist du so eine Spießerkuh geworden, das gibt es doch nicht. Sag es doch einfach gerade heraus! Es hört uns doch keiner. Er hat einen dicken, langen Schwanz. Ist doch nicht schwer."

Anna schüttelte gefrustet ihren Kopf.

„Und deshalb verstehe ich dich nicht. Er wäre doch eine gute Partie."

„Ich hab es versucht, aber ich empfinde einfach nichts für ihn. Mehr kann ich dazu nicht sagen."

Anna dachte an Karl. Thao hatte ihr davon erzählt, wie übel sie ihrem Ex anfangs mitgespielt hatte.

„War das nicht bei Karl auch so?"

Thao schüttelte den Kopf.

„Nein. Karl hat mich richtig erobert und außerdem konnte ich sehen, dass er ehrlich verknallt in mich war. Das ist bei Steven anders."

Anna spürte Thaos Hand auf ihrer linken Schulter.

„Lassen wir das Thema, ja?! Lass uns einfach das schöne Wetter genießen. Das ist doch nur noch geil! Spürst du die Wärme auf deiner Haut? Das ist einfach nur super, endlich ist dieser Scheißwinter vorbei."

Sie breitet ihre Arme aus, klatschte dann in die Hände, feuerte Ashna an und lief ein Stück voraus, bis sie schließlich mit dem laut bellenden Hündchen stehenblieb und auf die Rollstuhlfahrerin wartete. Thao hatte ja recht und Anna nahm sich vor, es jetzt gut sein zu lassen.

Eine halbe Stunde später standen sie vor Thaos Haustür. Da Anna noch Zeit hatte, beschlossen sie, Aneliese zu besuchen und dort gemeinsam auf Frank zu warten. Thao, die mit der körperlichen Beeinträchtigung ihrer Freundin routiniert umzugehen wusste, bat Aneliese um Hilfe. Gemeinsam hoben sie die junge Frau im Rettungsgriff aus dem Rollstuhl und trugen sie die Treppe hinauf in Anelieses Wohnung, die die Tür vorsorglich offenstehen gelassen hatte.

„Na? Bist du deinen Bräutigam endlich losgeworden?"

Im Vorbeigehen hatte Thao einen Blick auf das eingeschaltete Notebook geworfen.

Aneliese, die weder über Thaos Kraft noch deren Ausdauer verfügte, war sichtlich außer Atem und antwortete erst, nachdem sie Anna auf der Couch abgesetzt hatten.

„Er will mich nicht mehr. Mein Vater ist außer sich."

Ihre Worte klangen nahezu beiläufig, während ihr Gesichtsausdruck ihre Ratlosigkeit zum Ausdruck brachte.

Thao blickte ihre Nachbarin verwundert an.

„Bitte was? Ihr seid einander seit vielen Jahren versprochen und jetzt zieht er den Schwanz ein?"

Annas sichtlich verwirrter Blick wanderte von Thao zu Aneliese.

„Er hat sich verliebt. In ein Mädchen aus der Stadt."

Thao lachte schallend auf.

„Was? Er? Dieser Idiot?!"

Aneliese ärgerte sich. Thao hatte nur zweimal mit ihrem Versprochenen über das Internet geredet. Sie kannte ihn kaum, hatte sich aber sofort ein Urteil über ihn gebildet. Es war denkbar schlecht ausgefallen, wie immer, wenn sie eilig urteilte. Primitiv hatte sie ihn genannt, dumm und frauenfeindlich.

„Was ist los mit dir? Freu dich doch! Du bist ihn los."

Aneliese senkte den Blick und begann zu weinen. Anna spürte sofort, was in ihr vorging.

„Sie fühlt sich gedemütigt, Thao."

Thao senkte nun ebenfalls den Blick, ärgerte sich über ihr schlechtes Gewissen, das sie nun plagte. Langsam trat sie an Aneliese heran, zögerte einen Moment, dann schloss sie ihre Freundin in die Arme.

„Dieser Idiot weiß doch gar nicht, was für eine Frau er an dir verloren hat. Du solltest dich darüber freuen, Aneliese, dass du endlich frei bist."

Doch Aneliese schüttelte den Kopf. So einfach, wie Thao glaubte, war das alles nun beileibe nicht. Sie brauchte einen Moment, dann hatte sie sich wieder einigermaßen gefasst.

„Mein Vater wird jemanden anderen suchen und dieses Mal wird es sehr schnell gehen. Ich werde nicht jünger, es wird schon jetzt nicht einfach für ihn sein."

Anna ging es wie Thao, sie konnte nur schwer begreifen, dass jemand anderes, auch wenn es der Vater war, über Anelieses Leben entschied.

„Und wenn du mit ihm redest? Mein Gott, du bist hier geboren und aufgewachsen. Er kann dich doch nicht einfach so verramschen."

Aneliese trocknete ihre Tränen, nickte Thao zu und setzte sich dann neben Anna auf die Couch, die sofort ihren Arm um ihre Schultern legte.

„Er ist doch selbst auf diese Weise nach Deutschland gekommen. Es gäbe mich gar nicht, wenn er nicht selbst versprochen worden wäre."

Thao blieb ratlos vor dem Couchtisch stehen und wusste nicht, wie sie Aneliese helfen konnte. Am liebsten hätte sie deren Vater sofort angerufen und für die Freundin Freiheit eingefordert. Doch Aneliese wäre damit nicht einverstanden, obgleich in Deutschland aufgewachsen, war sie ihrer Kultur und Familie stets treu geblieben und würde sich deren Entscheidungen fügen wollen.

Als zehn Minuten später Frank auftauchte, um seine Freundin abzuholen, wirkte das wie eine Befreiung. Zwar überhäufte Thao Annas Freund mit ihrem Spott, doch der nahm es kommentarlos hin und zeigte seiner Freundin lediglich ein hilfloses Gesicht. Schließlich war es Anna, die für Ruhe sorgte und von Franks Armen aus Thao in die Schranken wies. Dieses kleine Bündel Mensch konnte, wie damals schon, ziemlich energisch auftreten, wenn sie wollte. Thao freute sich eher darüber, als dass sie sich ärgerte, die beiden bewiesen ihr immer wieder aufs Neue, dass sie füreinander einstanden.

„Tschüss, ihr Süßen. Und Winnie Puuh, ... viel Spaß mit ihrem ..."

Anna drohte ihrer Freundin mit der Faust.

„Sag es nicht! Wehe!"

Thao lachte schallend. Kaum, dass sie die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, platzte es auch schon aus ihr heraus.

„Honigtöpfchen."

Aneliese hatte sich wieder im Griff, klappte das Notebook zu, stellte es zurück ins Wohnzimmerregal und fragte dann Thao, ob sie zum Essen bleiben wollte. Die zeigte sich einverstanden und folgte ihrer Freundin in die kleine Küche.

„Aneliese?"

„Thao, sei mir bitte nicht böse, aber ..."

Die ehemalige Punkerin gab sich entrüstet.

„Hey! Ich wollte dich nicht blöd anmachen, beruhige dich mal. Mir ist da nur ein Gedanke gekommen."

Aneliese seufzte, wandte sich dann aber mit ziemlich genervtem Gesichtsausdruck zu Thao um.

„Dein Vater hat für dich noch niemanden, richtig?"

Anstatt zu antworten, wartete Aneliese ab, worauf Thao hinauswollte.

„Fahr runter und suche dir selbst jemanden! Ich meine, das ist er dir schuldig."

Thao wusste, dass Aneliese immer nur für wenige Wochen in Indien gewesen war, nie aber über einen längeren Zeitraum hinweg. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit für sie, selbst Kontakte zu knüpfen und die Liebe fürs Leben zu finden.

„Du, ich fühle mich dort nicht so wohl. Meine Familie ist nett zu mir und ich kann mich auch anpassen, aber ich bin immer froh, wenn ich wieder zu Hause bin. Ich gehöre da einfach nicht hin."

„Du warst aber nie allein dort unten, stimmt's?"

Aneliese schüttelte ihren Kopf.

„Nein. Da hast du recht."

„Mach das, Aneliese! Such dir jemanden, bevor dein Vater es für dich tut. Geh runter, wenigstens für ein paar Monate."

„Und Ashna?"

Thao lächelte.

„Der bleibt bei mir."

Aneliese wollte noch nicht zusagen, auch wenn Thaos Vorschlag vielleicht eine einmalige Chance für sie darstellte. Sie würde mit ihrem Vater zu reden versuchen, wahrscheinlich blieb ihr seine Erlaubnis für diese Reise ohnehin verwehrt.

In Gedanken bei jemand anderem

„Kommst du, Karl? Wir müssen los."

Katja warf einen Blick ins Zimmer ihres Jungen, der gedankenverloren auf dem Bett saß und vor sich hinsinnierte. Obgleich er zum Mann gereift war und das kindliche Gesicht und der einstmals schmächtige Körper männlich markanten Zügen und einer deutlich robusteren Statur gewichen waren, blieb er dennoch ihr Kind und der Mittelpunkt ihres Lebens. Vieles hatte sich für ihn verändert in den letzten Jahren. Nicht nur die Trennung von Thao und der Umzug in eine andere Stadt, auch die harte Arbeit als Assistenzarzt und die Beziehung mit dieser ...

Kurz blickte der junge Mann zu seiner Mutter auf, wich deren Blick dann aber sofort aus. Sie wusste genau, an wen er dachte, das ganze Zimmer steckte voller Erinnerungen an sie.

„Karl! Ella und Papa warten auf uns."

Der junge Mann nickte ihr zu, stand vom Bett auf, griff nach seiner Jacke und folgte seiner Mutter hinaus in den Flur. Egal, wohin er sah, sie schien überall zu sein. Anfangs hatte Ella ihm wirklich alles gegeben, was er sich von Thao gewünscht aber zu wenig bekommen hatte. Offenheit seinen Freunden gegenüber, ernsthafte Gespräche über Gott und die Welt, keine Peinlichkeiten, mit denen sie ihn vor anderen bloßzustellen suchte.

Sie nahm auch jetzt an seinem Leben teil, ging auf ihn ein, liebte ihn aufrichtig, kümmerte sich um ihn und dennoch fehlte ihm das Wesentliche. Anfangs hatte er es gar nicht mit Worten auszudrücken vermocht. Ella war nüchtern, sehr kritisch, intelligent und höflich. Schwer aus der Fassung zu bringen, stets elegant und konservativ gekleidet, bemüht um den Status einer selbstbewussten Frau, die ihr Leben zu meistern verstand und ihre Ziele konsequent verfolgte.

„Kann ich dich etwas fragen?"

Katja blieb stehen und drehte sich zu ihrem Jungen um.

„Es geht um sie, oder?"

Karl nickte.

„Denkst du manchmal an sie?"

Die kleine Frau blickte an ihrem Sohn vorbei ins Zimmer. Jedes Mal, wenn sie es betrat, dachte sie nicht nur an ihren Sohn dabei. Thao war ihr zur Tochter geworden und es hatte sie schwer geschockt, als die Liebe der beiden ein Ende gefunden hatte. War es gut, ihm das zu sagen? Sie zögerte, doch dann brach es aus ihr heraus.

„Oft. Ich vermisse sie."

Karl wich dem Blick seiner Mutter aus und zeigte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Es waren Erinnerungen, nicht mehr.

Ella war in ihrem hübschen Kostüm durchaus eine ansehnliche Erscheinung. Die Haare offen, das Gesicht sorgfältig geschminkt und die Handtasche adrett in ihrer rechten Hand haltend, wirkte sie apart und selbstbewusst. Tatsächlich hatte sie nicht viele Schwächen, bemühte sich um Perfektion und versuchte, jegliche Störungen ihrer Ordnung sofort zu beseitigen.

Ein kurzer Kuss, dann hängte sie sich auch schon bei ihm ein. Haralds Pate hatte geheiratet, eine junge Rumänin, gegen den Willen seiner Eltern. Es hieß, dass sie ihn ausnutzte. Karl jedoch hatte einen durchaus integren Eindruck von ihr, welcher ihm auch durch Ella bestätigt wurde.

Wieder kreisten seine Gedanken um seine Ex-Freundin. Wie er sie damals kennengelernt und sie ihm gezeigt hatte, wie körperliche Liebe funktionierte. Ihn piesackte und ärgerte, ihn aber dennoch über alles liebte. Er war sich ihrer Gefühle immer gewiss gewesen ... doch jetzt ...?

Ein kurzer Blick auf Ella, sie schien ihn nicht zu spüren. Sie war zwar keinesfalls unsensibel, das konnte er nicht behaupten, doch emotional eben auch nicht. Sie ging das Leben rational und nüchtern an. Wenn er ihre körperliche Nähe wollte, musste er sie einfordern, um sie zu bekommen. Dabei war es keinesfalls so, dass sie sich dazu überwinden musste. Sie konnte leidenschaftlich und zärtlich sein, doch kam es eben nicht von allein. Sie gab ihm einfach nur das, wovon sie glaubte, dass er es brauchte, um mit ihr glücklich zu sein.

Weitere Erinnerungen kamen in ihm hoch. Sie kamen auf dem Weg zur Kirche an jenem Bushäuschen vorbei, in dem er Thao so wild geliebt hatte. An Simons Haus und auch an den irischen Pub, wo sie sich beinahe um einen freien Sitzplatz geprügelt hätten.

Simon! Es war eine schwere Zeit gewesen damals. Ab und an hatte er noch mit Sophie gesprochen, auch später noch, als er sich mit Thao nach einem heftigen Streit wieder versöhnt hatte. Einige Male hatte er auch noch die Eltern seines verstorbenen Freundes gesehen, doch selbst nach all den Jahren vermochte er es nicht, sie zu grüßen oder auch nur eines Blickes zu würdigen.

„Karl?"

Er wandte sich seiner Freundin zu, die ihn von seiner Seite aus kritisch musterte.

„Was ist los?"

Er winkte ab, riss sich zusammen und folgte ihr ins Innere der Kirche. Viele ihm bekannte Gesichter tauchten auf, fragende, teilweise auch irritierte Blicke. Zweimal wurde von der Verwandtschaft nach Thao gefragt und erst nach einigen peinlichen Momenten waren alle über Karls neuen Beziehungsstatus aufgeklärt. Ella blieb souverän wie immer und selbst wenn sie sich durch irgendetwas gestört fühlte, so sah man es ihr nicht an. Sie hatte sich und ihre Emotionen im Griff, wie sonst auch.