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Thao II - Teil 11

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Steven hat ein Problem

Thao begriff im ersten Moment nicht, dass es an ihrer Wohnungstür schellte. Das sonore Rasseln dröhnte ihr zwar unangenehm im Kopf, doch der verzweifelte Versuch, es zu ignorieren, unterlag rasch ihrer Neugierde. Wer konnte das sein? Aneliese vielleicht? Nein, die würde mit Sicherheit klopfen, wie immer, wenn sie sich nicht sicher war, ob Thao schlief.

„SCHEISSE!"

Sie riss die Decke von ihrem Leib, kletterte aus ihrem Bett, stakte aus den Schlafzimmer, durch das Wohnzimmer hindurch in den Flur und krächzte mit heiserer Stimme ins Mikrofon der Gegensprechanlage.

„Ja?!?"

„Ich bin es, Steven."

„Steven?!? Was willst du denn hier? Kannst nicht vorher anrufen?"

„Thao, ich brauche dringend deine Hilfe."

Sie drückte auf die Taste, welche die Tür mit einem Summen öffnete. Dass sie nur mit Slip und T-Shirt bekleidet war, störte sie nicht weiter. Nackt hatte er sie ja schließlich schon gesehen.

Sie lauschte ins Treppenhaus. Die Tür schloss sich wieder, dann hörte sie von unten Schritte. Scheinbar war Steven nicht allein gekommen, eine zweite Person schien noch bei ihm zu sein. Sie runzelte die Stirn, unterließ es aber, sich etwas anzuziehen.

Augenblicke später stand Steven mit einem stämmigen, dunkelhaarigen Jungen an der Seite vor ihrer Tür.

„Thao! Das ist Erik."

Nach einem kurzen musternden Blick, mit dem sie Stevens Freund taxierte, bat sie die beiden jungen Männer einzutreten.

„Was ist denn los?"

Sie tapste hinter den beiden her ins Wohnzimmer, bot ihnen das Sitzen an und ließ sich dann neben Steven auf die Armlehne der Couch nieder. Der kramte auch schon in seiner Umhängetasche, holte einen dicken Ordner heraus und reichte ihn ihr.

„Sieh es dir bitte an. Wir kommen einfach nicht weiter."

Thao griff erstaunt nach den Papieren, die mit mathematischen Gleichungen und Funktionen beschrieben waren.

„Wir müssen heute Nachmittag abgeben, haben die ganze Nacht daran gesessen, finden das Problem aber nicht."

Sie blickte abwechselnd die beiden Männer mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Und ich soll euch helfen?"

Steven nickte.

„Du kennst dich doch aus mit Mathe, das hast du mir ziemlich eindrücklich bewiesen und vielleicht ist es auch ganz gut, dass du nicht zu tief in der Materie mit drinnen hängst. Es geht um Statistik und Prognose, also Bereiche, die in deinem Studium eine Rolle gespielt haben."

Thao blickte ziemlich erschlagen von dieser Erwartung auf Steven hinab. Erik schien in sie keine allzu großen Hoffnungen zu setzen, jedenfalls sprach sein Gesicht Bände. Übrigens ein ziemlich süßer Typ, wie sie fand. Dunkelhaarig, einen kleinen Kussmund, markante Wangenknochen, schien er nicht nur apart, sondern auch auf natürlich Art sympathisch zu sein.

„Gut, ich mach uns mal Kaffee, dann könnt ihr mir erklären, worin genau euer Problem besteht."

Die beiden jungen Männer folgten ihr in die Küche, klärten sie über die Projektarbeit, den Lösungsansatz und die einzelnen Funktionen, die ihnen stimmig erschienen, dann aber doch zu einem ernüchternden Ergebnis führten, auf. Die Prognose lieferte kein nachvollziehbares Resultat, sondern einen Wert, der um ein Vielfaches über jenen lag, die man in der Vergangenheit hatte beobachten und messen können.

„Kommst du mal kurz?!"

Thao entschuldigte sich bei Erik, bat Steven ins Schlafzimmer und schloss hinter ihnen die Tür.

„Wusste ich es doch, dass wir über kurz oder lang wieder hier landen.", witzelte Steven.

Thao jedoch blieb ernst.

„Was soll das? Traust du mir wirklich zu, euch da zu helfen? Oder ist das nur eine Masche, um mein Interesse an dir zu wecken?"

Steven entgleisten beinahe die Gesichtszüge.

„Thao! Wir waren jetzt zweimal zusammen unterwegs. Habe ich dich da jemals irgendwie dumm angemacht? Bin ich aufdringlich geworden? Nein, bin ich nicht! Also hör auf mit dem Scheiß, okay!?! Ich habe Interesse an dir, keine Frage. Aber solange du es nicht erwiderst, wird von mir nichts weiter kommen, das habe ich dir versprochen."

Thao blickte ihn misstrauisch an. Der Wunsch, sich vor ihm zu rechtfertigen, ließ sich kaum noch unterdrücken.

„Steven, ich bin einfach zu belegt im ..."

Ihr junger Verehrer winkte ab.

„Wir haben das hinlänglich geklärt, Thao. Und jetzt hilf uns bitte!"

Thao blieb immer noch kritisch.

„Wie kommst du auf die Idee, dass ich das könnte? Das begreife ich einfach nicht."

„Probiere es!"

Sie seufzte, wischte sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht, ging zurück in die Küche, drückte den Jungen Kaffeetassen in die Hände und nahm selbst Zucker und Milch mit. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch und versank in den Ordner mit seinen vielen Blättern. Anfangs wollten Erik und Steven ihr über die Schultern gucken, sie aber lehnte mit der Begründung sich sonst nicht konzentrieren zu können vehement ab und forderte Distanz ein.

„Und du glaubst wirklich, sie wird uns helfen können?"

Steven lächelte.

„Du wirst dich noch wundern. Sie ist, was das betrifft, der Hammer."

„Eine Domina hilft uns bei unserer Projektarbeit, auch nicht schlecht. Damit kommen wir garantiert in die Fakultätsnachrichten.", meinte Erik trocken.

Nun lachte Steven ungehemmt los.

„Na Hans darfst davon aber nichts erzählen."

Erik wollte es jetzt genau wissen.

„Erkläre mir das noch mal bitte. Sie hat dir damals, während eurer Session, eine Matheprüfung auferlegt, das hab ich verstanden. Aber die kann sie ja auch irgendwo abgeschrieben haben, oder? Wieso glaubst du, dass sie wirklich einen mathematisch-analytischen Verstand haben könnte?"

„Sie hat sie in so kurzer Zeit korrigiert, wie nicht einmal Behrens es vermocht hätte. Und sie hat alle Böcke gefunden, die ich in der Eile geschossen habe. Das war einfach unglaublich."

Steven stieß Erik an und deutete auf Thaos Rücken.

„Warte! Ich zeige dir noch etwas."

Er stand auf, ging zu Thao und stellte ihr die Kaffeetasse auf den Schreibtisch. Sie nickte kurz, dann war sie aber auch schon wieder in ihrer Arbeit versunken.

„Thao? Kannst du dich noch daran erinnern, was ich im Seltsam getrunken habe?"

Sie wandte sich ihm zu und rümpfte die Nase. In diesem Moment zweifelte sie augenscheinlich an seinem Verstand.

„Wie kommst du denn jetzt auf diesen Scheiß?"

„Ich wollte es einfach nur wissen, es kam mir nicht teuer vor und ich wollte mal mit den Jungs hingehen."

Thao seufzte.

„Und wegen so etwas störst du mich jetzt? Ich dachte ..."

„Jetzt sag schon."

„Du hattest einen Maj Thai, zwei Wodka Bull, eine Cola, einen Espresso und zum Schluss einen Old Fashioned. Hätte 24,70 ausgemacht, du aber hast der blöden Kuh auf dreißig aufgerundet. Eine Schnepfe war das ..."

Sie schüttelte den Kopf.

„Und besoffen warst du auch nicht, das macht mir echt Sorgen, da solltest auf dich aufpassen."

Steven lächelte und wandte sich dann Erik erwartungsvoll zu.

„Ist das krass? Weißt du, was sie hat?"

Erik schüttelte den Kopf.

„Ein eidetisches Gedächtnis. Wissen tut sie es allerdings nicht, überhaupt scheint sie ihrer Intelligenz wenig Bedeutung beizumessen."

„Und woher weißt du es dann?"

„Warte!"

„Das Buch, das ich dir geliehen habe ... weißt schon ... das von Mulisch, bist da weitergekommen?"

Thao war jetzt richtig angepasst.

„Maaaannn! Jetzt lasst mich doch endlich mal in Ruhe! Ja, bin ich!"

Steven ließ nicht locker.

„Und wie weit?"

Thao erzählte von der Stelle, an der Antons Ehe scheiterte. Sie war also schon beinahe durch.

„Wow, hast du aber schnell gelesen. Auf welcher Seite war das denn?"

Sie nannte ihm die Seitenzahl, während Erik das Buch vom Tisch nahm und nachblätterte.

„Und? Ich merke mir auch die Seiten, wo ich stehengeblieben bin. Das macht doch jeder so.", warf Erik ein.

Steven hob die Augenbrauen und hieß ihn abwarten.

„Weißt du noch die Stelle, wo die Gestapo seine Eltern abgeholt hat? Ich finde sie gerade nicht."

„Leute, ich würde euch gerne helfen, aber ihr müsst mich dafür schon in Ruhe lassen."

„Wir stören dich nicht weiter. Nur das eine noch, damit ich Erik die Stelle zeigen kann."

„Sechsundvierzig."

Erik blätterte nach und sah Thaos Antwort bestätigt. Staunend sah er zu Stevens Freundin rüber.

„Und sie selbst weiß das nicht?"

Steven verneinte.

„Und sie ist diplomierte Psychologin! Ein totaler Fehlgriff von der Berufswahl her. Manchmal hat ihr Verhalten autistische Züge, finde ich, dann aber auch wieder nicht. Schwer einzuschätzen. Auf jeden Fall hat sie ziemliche Probleme im zwischenmenschlichen Bereich."

„Kannst du deshalb bei ihr nicht landen?"

Stevens Miene verfinsterte sich sofort.

„Ich weiß nicht. Sie hängt noch ziemlich an ihrem Ex."

Geduldig warteten die jungen Männer, dass Thao ihnen etwas lieferte. Doch die Zeit verstrich, ohne dass Stevens Schwarm sich erklärte. Schweigend saß sie da und starrte auf die Blätter, eins nach dem anderen nach und nach vom Stapel nehmend und zur Seite legend. Mehrere Stapel bildend, schien sie einer gewissen Ordnung zu folgen.

„Hier! Ich hab es. Da habt ihr die Negation vergessen. Deshalb rechnet ihr mit positiven anstatt negativen Werten. Das zieht sich dann wie ein roter Faden bis zum Ende hin durch."

Beide Jungen sprangen auf und blickten ihr über die Schultern. Sie schien den Fehler tatsächlich gefunden zu haben und sofort begannen sie den Sachverhalt zu kontrollieren. Emsig tippten die beiden auf den Tasten ihre Taschenrechner ein, plapperten aufgeregt durcheinander und fieberten dem Ende ihrer Berechnungen entgegen.

Nach einer halben Stunde stellte sich Frust ein, das Ergebnis stimmte immer noch nicht. Unter den drei jungen Menschen machte sich eine tiefgehende Enttäuschung breit. Erik winkte ab. Musste eben der Professor nach dem Fehler suchen, sie hatten jetzt alles Erdenkliche getan, um die Aufgabe zu lösen. Für eine mittelmäßige Punktzahl würde es schon reichen.

„Danke, Thao. Immerhin ein Fehler weniger. Zumindest sind wir jetzt weitaus näher dran als vorher."

Thao blickte die beiden auf derart eindeutige Art und Weise an, dass sich diesen allein dadurch schon erschloss, was die junge Frau über sie dachte. Pfeifen! Sie nahm Steven die Blätter aus der Hand, legte sie vor sich auf den Tisch und begann von neuem.

„Ihr seid ja wohl bescheuert! Jetzt finden wir auch noch den Rest. Wieviel Zeit bleibt euch jetzt noch?"

Steven blickte auf seine Uhr.

„Wenn du uns fährst ... vier Stunden. Wenn ich uns fahre, viereinhalb."

Erik lachte, Steven hatte ihm von Thaos Fahrkünsten erzählt.

„AUA! Scheiße, das hat wehgetan."

Thao grinste schadenfroh, während Steven seinen muskulösen Oberarm rieb.

„Brutales Weib."

Dieses Mal gingen sie das Projekt gemeinsam durch. Auch wenn Thao den Fehler nicht finden konnte, so blieb sie immer wieder an ein und derselben Stelle hängen. Obgleich sie die Jungen auf genau diesen Punkt aufmerksam machte, konnten auch die beiden keinen weiteren Fehler erkennen.

„Und trotzdem sieht das nicht richtig aus. Ich meine ... spielt dieser Wert denn überhaupt eine Rolle?"

Steven und Erik blickten sich an, rechneten nach und tatsächlich ... genau diese Variable ergab die Differenz in ihren Berechnungen.

„Scheiße ist das krass, Thao! Du hast recht und unrecht zugleich. Der Wert ist richtig, aber die Vorlage ist falsch. Der Prof hat sich verrechnet! Der Behrens! Wahnsinn! Natürlich spielen die Umwelteinflüsse eine Rolle, auch wenn sie damals noch nicht statistisch erfasst worden sind. Und der Prof hat sie einfach weggelassen, um seinen Lösungsansatz nicht korrigieren zu müssen. Der war einfach nur zu faul und hat uns damit in den Regen geschickt. So ein Arschloch, wir hätten in einem Monat noch hier sitzen können."

Steven küsste Thao überschwänglich und traf dabei ihren Mund. Erschrocken sahen sich die beiden an, während Erik, davon unbeeindruckt, im Hintergrund weiter jubelte.

„Das heißt also, dass auch ich falsch lag?"

Ihr Ablenkungsversuch wurde Steven sofort bewusst.

„Du bist nur genauso bequem gewesen wie er und hast dich rein auf die Vorlagen verlassen. Wir haben aber noch weitergeforscht und andere Werte mitberücksichtigt. Diese rausgerechnet ergeben genau sein Ergebnis. Und genau das war unser Problem. Wahnsinn!"

Erik klopfte Thao sachte auf den Rücken.

„Ich würde dich jetzt auch gerne umarmen, einfach weil wir ohne dich da mit Sicherheit nicht draufgekommen wären."

Mit hilfloser Miene ließ Thao die Begeisterungsbekundungen der beiden Jungen über sich ergehen. Dass sie aber im Grunde genommen falschgelegen hatte mit ihrer Berechnung, wurmte sie sehr.

„Du bist nach ein paar Stunden soweit gewesen, wie wir nach ein paar Wochen. Dafür brauchst dich nicht zu schämen. Nochmals danke, Thao."

Erik nickte ihr zu und griff nach seiner Jacke.

„Soll ich euch nun fahren oder nicht?"

Steven winkte ab.

„Danke, aber wir haben es eilig."

Thao verzog das Gesicht und trat nach ihm.

„Du bist so ein Arsch!"

Der Junge wich ihr aus und lachte.

„Aber wenn, dann eins mit Bravour, sag ich dir. Nochmal, Thao, ... danke, wir machen das wieder gut bei dir!"

Sie winkte ab, doch Steven hatte jetzt einen Vorwand, sie wiederzusehen.

Die beiden Jungen gingen die Straße entlang, um die Bushaltestelle zu erreichen, von der aus sie zum nächsten U-Bahnhof gelangen konnten. Sie sputeten sich, auch wenn sie nun deutlich mehr Zeit hatten, als sie bis vor Kurzem noch angenommen hatten.

Erik dachte an Stevens Freundin, die tatsächlich etwas Faszinierendes an sich hatte. Etwas, das er auch bei seiner Thea finden konnte. Unkompliziertheit, etwas Kumpelhaftes, sie schien ziemlich gerade und direkt zu sein. Ob es Steven auch darum ging? Bei ihm konnte man sich dessen nie sicher sein, doch zumindest schien er in den letzten Wochen keine andere Frau privat getroffen zu haben. Vielleicht war er ja wirklich in Thao verknallt.

„Du denkst über sie nach, richtig?"

Erik nickte.

„Ja, ich glaub, ich kann verstehen, warum sie dich interessiert. Für mich ist es aber nicht ihre Intelligenz, sondern eher, dass sie ziemlich nüchtern ist. Sie inszeniert sich nicht, hab ich den Eindruck."

Steven stimmte ihm zu.

„Aber sie findet auch klare Worte, wenn ihr etwas nicht passt. Nicht einfach, sag ich dir."

Erik wollte etwas anderes von ihm wissen.

„Und du? Du akzeptierst doch, dass sie nichts von dir will, oder?"

Steven blickte seinen Freund seltsam an. Erik schüttelte enttäuscht den Kopf.

„Also nein. Find ich scheiße, ehrlich jetzt."

Steven stieß ihn hart vor die Schulter.

„Was ist da so schlimm daran? Ich hab noch nie so schnell aufgegeben. Sie ist okay, ich mag sie wirklich."

Erik blieb stehen.

„Und was ist mit ihrer Trennung? Du hast erzählt, dass sie ein Jahr gebraucht und sich selbst jetzt noch nicht ganz davon erholt hat und du willst trotzdem mit ihr anbändeln? Du weißt, wie es bei dir läuft. Spätestens dann, wenn sie dir ihre Gefühle zeigt, schießt du sie in den Wind."

Steven winkte ab. Es störte ihn dieses Mal, dass Erik so von ihm dachte, vielleicht, weil er damit seine eigenen Bedenken aufgegriffen hatte.

„Vielleicht ist sie die Richtige? Ich meine, vor Thea warst du ja auch nicht anders drauf."

Erik konnte diesen Einwand nicht gelten lassen.

„Nee, Steven. So wie du nicht. Dir geht es nur ums Erobern, Abschleppen und Flachlegen. Manchmal glaube ich, dass es dir sogar Spaß macht, sie wieder wegzuschicken und ihnen ihre Illusionen zu rauben. Zumindest hört es sich so an, wenn du davon erzählst."

„Ich rede immer Klartext!"

Erik seufzte.

„Nein, wenn du dir selbst zuhören könntest, dann würdest du erkennen, dass du ihnen immer ein Fünkchen Hoffnung lässt. Du manipulierst sie und nutzt sie aus."

„Schwachsinn!"

„Lass sie einfach in Ruhe und genieße ihre Freundschaft! Ich glaube, das würde dir mehr bringen."

Steven reagierte jetzt richtig angepisst.

„Hör doch mal auf mit dem Scheiß! Lass uns einfach die Arbeit abgeben, okay? Versau mir nicht den Tag!"

Erik gab auf. Es tat ihm leid um Thao. Steven würde auch sie verletzen, in dem Punkt war er sich sicher. Doch was ging ihn das letzten Endes auch an? Er kannte Thao kaum und Steven war sein Freund. Er konnte ihm raten, aber nicht über sein Leben bestimmen.

So stiegen sie in den Bus, witzelten über ihren Professor und freuten sich auf den Moment, in dem sie ihm ihren Triumph vor Augen führen konnten.

Thao indessen ärgerte sich immer noch. Sie hatte die Herausforderung gesehen und sie gerne bestanden. Aber auch sie hatte ihre Grenzen gefunden und konnte nicht voraussetzen, dass sie, bei all ihrer Begabung, zwei beinahe fertig studierten Mathematikern etwas vormachen konnte.

Sie dachte an Steven und fühlte sich geschmeichelt, dass er sie als seine Problemlösung sah. Er hatte ihr nie gezeigt, dass er sie in dieser Richtung für befähigt hielt. Steven war im Grunde gar nicht so verkehrt, sie ärgerte sich selbst über ihre Vorbehalte ihm gegenüber. Um wie viel einfacher wäre es jetzt für sie, wenn sie ihren Ängsten und Sorgen mit einem Partner an ihrer Seite begegnen könnte.

Sie blickte an sich hinunter und stricht sich mit dem Zeigefinger über ihren Venushügel. Ab und zu ein wenig vögeln, das allein schon würde ihr helfen. Sie seufzte und erinnerte sich an ihren Vorsatz, sich nicht so schnell wieder an einen Mann zu binden. Karl hatte ihr eine tiefe Wunde gerissen und die Angst, dass ihr jemand noch einmal auf die gleiche Weise zusetzen könnte, war noch zu präsent in ihr.

Sie nahm das Buch vom Tisch, das Erik dort abgelegt hatte, stellte es zurück ins Regal und setzte sich auf die Couch. Süß war er, Stevens Freund. Er wirkte sympathischer und nicht so ich-bezogen wie Steven. Sie stöhnte auf. Mein Gott, was war auf einmal mit ihr los? Sie lachte über sich selbst.

Ach was sollte es, scheiß Männer.

Sie überlegte, womit sie sich beschäftigen konnte. Die Wohnung war pikobello, Aneliese bei deren Eltern und auch sonst hatte sie nichts Besonderes zu erledigen. Ein Blick aus dem Fenster, die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite, genauso wie die Tage zuvor. Der Frühling hielt endlich Einzug, sie hatte sich so auf ihn gefreut. Warum sollte sie bei solch einem Wetter zu Hause bleiben? Einfach ein wenig raus in die Sonne, ein wenig bummeln gehen, vielleicht auch irgendwo einen Kaffee trinken? Was auch immer, Hauptsache, es gelang ihr das Loch, welches die Arbeitslosigkeit in ihr Leben gebracht hatte, irgendwie zu füllen.

Ein kurzer Blick in den Flurspiegel ... sie hatte sich nicht großartig zurechtgemacht. Warum auch? Die Sonnenbrille wollte sie dennoch mitnehmen, holte sie aus dem kleinen Bord und ließ sie in die Tasche gleiten, wo sich schon ihre Brieftasche und Amelies Handy befanden. Scheiße, sie hatte es ihr immer noch nicht zurückgegeben. Sie sollte sich endlich ein neues kaufen.

Der Weg in die Stadt war mühselig. Thao hatte vergessen, auf die Uhr zu blicken, der Berufsverkehr setzte genau um diese Zeit ein. Sie schaltete das Radio ein und hing ihren Gedanken nach.

Xena stand auf ihrem Programm, Ruth, die ihr eine E-Mail geschrieben hatte ebenso. Sie wollte sich unbedingt bei den Freunden melden und den eben erst geknüpften Kontakt nicht wieder abreißen lassen. Ob Xena und Gerd ihr Wochenende genossen hatten? Seltsam, Xena hatte sie eigentlich allein schon deshalb anrufen wollen.

In Thaos Gedanken tauchte eine unangenehme Erinnerung auf. Das SM-Appartement im Sama, ihr böses Spiel mit Karl, dann ihr totales Versagen. Fast wäre ihre Beziehung daran kaputtgegangen. Und Xena? Sie war bei der Gräfin im Ruf gestanden, frei von jeglichen Skrupeln zu sein und ihren Kunden auf fast brutale Art und Weise zuzusetzen.

Komisch, sie störte sich an dem Gedanken, dass ausgerechnet Xena ihrem Partner gegenüber mehr Feingefühl zeigen könnte, als sie selbst dazu in der Lage war. Mehr Gedanken gemacht hatte sich die große Blondine um ihren Gerd auf jeden Fall. Mehr Sorgen wohl ebenfalls. Vielleicht auch aus Angst vor sich selbst? Thao grübelte vor sich hin, während der Verkehr Stop-and-go weiterging.