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Thao II - Teil 11

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Sie selbst hatte damals eine Fantasie wahr werden lassen wollen und geglaubt, alles im Griff zu haben. Wie sehr sich dann allerdings Praxis und Theorie unterschieden hatten, hatte Karl überaus schmerzhaft zu spüren bekommen. Thao wurde auch jetzt noch flau im Magen, dabei spielte die Trennung gar keine so große Rolle mehr. Es war damals einfach aus dem Ruder gelaufen, sie hatte mit ihren Wünschen und ihrer mangelnden Sensibilität vieles zwischen ihnen gefährdet. Eigentlich erstaunlich, dass er bereit gewesen war, diese Spiele ihr zuliebe auszuhalten. Vielleicht war es ihm über die Jahre dann aber doch zu viel geworden?

Thao schreckte auf, als hinter ihr eine Hupe ertönte. Zu dem vor ihr befindlichen Fahrzeug hatte sich eine beinahe dreißig Meter lange Lücke aufgetan. Entschuldigend hob sie die Hand, ließ den Motor aufheulen, nahm vorsichtig ihren Fuß vom Kupplungspedal und schloss zu dem vorausfahrenden Pkw auf.

Thao stellte ihren VW Polo in einem Parkhaus in der Nähe der Landungsbrücken ab. In Gedanken versunken lief sie die von Touristen und Passanten dicht bevölkerten Fußgängerpassagen entlang, blieb hier und da vor den Ladengeschäften stehen, sah sich deren Auslagen an und ging auch in das eine oder andere hinein. In diesem Punkt war sie Frau, genoss sie es doch, nach Angeboten zu stöbern, sich die Veränderungen des Trends vor Augen zu führen, sich über Dinge lustig zu machen und zu echauffieren, die so gar nicht ihren Geschmack entsprachen.

So verließ sie einen Jeansladen und prallte in dem Moment zurück, als sie auf der anderen Straßenseite ein Mädchen entdeckte, dass sie sehr wohl kannte. Charlette! Sie hatte es vor Wochen in der alten Industriebrache kennengelernt, in der die Kids Schutz vor der Witterung und Kälte gesucht hatten. Genau dort hatte sie sich mit Dimitri getroffen. Ein Junge war damals auch noch bei ihr gewesen, sie brauchte nicht lange nachzudenken, bis sie sich an seinen Namen erinnern konnte. Riko hatte er geheißen. Auch er war jetzt dabei, stand mit dem Rücken zu ihr und schnorrte die Leute an. Sie ernteten nur Missachtung statt Penunsen und schienen ziemlich gefrustet zu sein.

In dem Moment, in welchem sie sich abwenden wollte, wurde Charlette auf sie aufmerksam und stieß ihren Freund in die Seite.

„Hey! Du!"

Thao blieb stehen, sie würde jetzt nicht mehr um den Zusammenstoß mit ihrer Vergangenheit herumkommen.

„Thao, richtig? Wie schaust du denn aus?"

Charlette wurde beim Überqueren der Straße beinahe angefahren, schrie einen „Pisser", hob ihren Mittelfinger und kam mit hochrotem Kopf bei Thao an.

„Was ist mit dir passiert? Haste reich geheiratet?"

Die verwahrloste junge Frau lachte heiser.

„Nein. Ich habe euch angelogen, ich habe für die Stadt gearbeitet. Ich war Sozialarbeiterin."

Charlette blickte sie erstaunt an, dann grinste sie. Sie warf einen Blick auf die andere Straßenseite, wo sich Riko gerade anschickte, ihr zu folgen.

„Ich habe mich eh gefragt, woher du die Jacke hattest. Kamst mir gleich nicht koscher vor."

Sie schien sich in diesem Moment an Dimitri zu erinnern.

„Wo hast den Russenjungen gelassen? Hab ihn lange nicht mehr gesehen."

Thao wandte sich den beiden zu, wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie das unverhoffte Aufeinandertreffen verunsicherte.

„Ich habe ihn in einer Maßnahme untergebracht. Wenn alles klappt, braucht er nie wieder auf der Straße zu schlafen."

Riko musterte Thao neugierig, erkannte sie aber nicht wieder.

„Wer ist denn die Alte? Hängst du jetzt mit Spießletten ab, Charlette?"

„Kennst die nicht mehr? Das ist Dimitris Freundin aus der Fabrik. Die ist von der Stadt und wollte bessere Menschen aus uns machen."

Sie lachte gehässig auf.

„Scheiße! Du hast Recht! Gibbet ja nich."

Er grinste Thao keck ins Gesicht.

„Haste nich nen Euro für uns? Dann könnten wir uns was zu essen kaufen."

Thao zögerte. Sie hatte zwei gefüllte Einkaufstüten dabei, es war also offensichtlich, dass sie nicht mittellos war. Aber den beiden etwas geben? Es war fragwürdig, wofür sie es verwenden oder ob überhaupt beide etwas davon abbekommen würden.

„Dort vorn gibt es Döner, ich kauf euch beiden einen."

Sie wartete keine Antwort ab, setzte ihr Sonnenbrille auf und wechselte die Straßenseite. Die beiden Straßenschläfer sahen sich an, hoben die Schultern und folgten ihr schließlich zum Imbiss.

Ein junger Mann mit arabischem Migrationshintergrund blickte vom Stand auf die drei hinab, während er sich über die merkwürdige Zusammenstellung wunderte.

„Drei Döner, drei Coke!"

„Kalb oder Hähnchen?"

Thao ließ die beiden antworten. Sie entschieden sich für Kalb, wohl weil es teurer als Hähnchen war. Es spielte dabei keine Rolle, ob es anders schmeckte oder sie mehr bekamen. Sie nutzten einfach die Gelegenheit, so viel wie möglich bei Thao abzustauben.

„Wo wohnst du denn?", wollte Riko wissen.

Thao hob ihre rechte Hand und winkte ab.

„Nee, ganz sicher nicht. Für nen Moment zusammen abhängen ist okay, aber einquartieren werdet ihr euch bei mir sicher nicht."

Riko blickte sich zu Charlette um, die gehässig auflachte.

„Dachtest wohl, du kannst in ihrem Bett schlafen, was?"

Der Junge grinste.

„Ich hätte mich schon um euch beide gekümmert, kannste ma glauben."

Die um sie herumstehenden Passanten strafen die drei mit ihren Blicken und fühlten sich durch deren Gegenwart sichtlich gestört. Auch der Kioskbesitzer schien um seine Kundschaft zu fürchten und warf ihnen misstrauische Blicke zu. Thao spürte es zwar, doch war es ihr egal. Für den Moment würden es die Spießer schon aushalten. Guter Gott! Wie sie so etwas hasste.

„Wo hast du Dimitri damals hingebracht?"

Thao musterte Charlette skeptisch. Sie fragte sich, ob ihr Interesse einen ernsthaften Hintergrund haben könnte.

„In ein betreutes Wohnen. Soweit ich weiß, hat er aber jetzt schon eine eigene kleine Bude."

Charlette schien zu grübeln und blickte dann neugierig auf Thaos Tüten.

„Kann ich mal gucken was du gekauft hast?"

Thao überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf.

„Nein, lieber nicht. Ich sehe es dir an, dass du schräg drauf bist."

Charlette runzelte die Stirn, schien sich mit der Abfuhr aber zufriedenzugeben. Stattdessen biss sie in ihren Döner und guckte den Umstehenden in die Augen, bis diese ihren Blicken auswichen. Dabei schmatzte sie demonstrativ und schmiss die Zwiebeln, die sie nicht leiden konnte, demonstrativ auf den Boden.

„Bring mich hin."

Thao blickte Charlette misstrauisch an.

„Du meinst ... ins Betreute?"

Das Mädchen nickte.

„Ja. Wenn es für ihn okay war, dann vielleicht auch für mich. Ich habe es satt, auf der Straße abzuhängen."

Riko blickte seine Freundin erstaunt an.

„Sag mal spinnst du Kuh? Was willst du denn dort? Wir sind doch zusammen, oder nicht?"

Charlette winkte ab.

„Ach lass mich in Ruhe. Genau deshalb will ich ja hin, von Idioten wie dir habe ich die Schnauze voll."

„Und dass du auf der Straße Schulden hast, spielt keine Rolle? Du weißt schon, dass die zu mir kommen, wenn du nicht mehr da bist?"

Thao wurde hellhörig.

„Stimmt das?"

Charlette nickte.

„Zwanzig Euro, mehr sind es nicht."

Thao blickte die beiden misstrauisch an. Das war für sie nicht viel Geld, für die beiden allerdings eine hohe Summe. Sie mussten schon irgendetwas Illegales anstellen, um an einen derartigen Betrag zu kommen. Auf der anderen Seite konnte es auch sein, dass das Mädchen und der Junge improvisierten und versuchten, sie abzuziehen.

„Tut mir leid, aber ich werde dich sicher nirgendwo hinbringen, wenn das dein einziger Beweggrund ist. Ich hau jetzt ab, Leute. Hat mich gefreut."

Thao wollte sich von den beiden abwenden und losgehen, doch Charlette hielt sie auf, indem sie sie an deren linke Schulter packte.

„Fass mich noch mal an und ich vergesse mich."

„Jetzt beruhige dich mal. Was bist du denn so scheiße drauf?!? Kannst gleich dein Luxusleben weiterführen, nur gib mir die Adresse ..."

Charlette blickte Thao mürrisch an, überwand sich aber schließlich.

„... bitte!"

Thao rang mit sich, wusste ja nicht einmal, ob bei Tom etwas frei war. Und er war der Einzige, der Herbert gegenüber dichthalten würde.

„Ich muss erst anrufen."

Sie nahm Abstand zu dem Mädchen und deren Freund und wählte die Nummer des Wohngruppenbetreuers.

„Tom? ... Ich bin es, Thao. Du, ich habe eine Straßenschläferin aufgegabelt."

„Nein, jetzt lass es mich dir doch bitte erklären. Ich habe nicht wieder angefangen, kenne sie aber von früher. Charlette, eine Freundin von Dimitri, erinnerst du dich? Sie will jetzt auch zu dir."

„Hmh, schaut nicht gut aus? Gar keine Chance?"

Thao warf Charlette einen unsicheren Blick zu, die sie gespannt beobachtete. Irgendetwas stimmte mit dem Mädel nicht, das konnte sie spüren.

„Okay! Jaaaah?!? Du bist ein Schatz, ich bringe sie dir vorbei."

Sie drückte auf die Auflegetaste ihres Handys und ging zu den beiden zurück.

„Komm! Ich bringe dich zu ihm."

Riko sah die beiden Frauen wütend an.

„Und was ist mit mir? Ich komme dann auch mit."

Thao schüttelte den Kopf.

„Ich gebe dir eine Adresse. Wenn du Hilfe suchst, kannst du dich dort melden."

„Was soll denn der Scheiß? Sie ist meine Freundin."

Charlette schien zu zögern und genau das war es, warum sie allein mitgehen sollte. Wenn Riko sie negativ beeinflusste, würde sie die Maßnahme schnell wieder abbrechen, das kannte sie aus der Vergangenheit zur Genüge.

„Mir egal, dann bleibt ihr halt hier."

Thao wollte gehen und die beiden stehen lassen, doch nach einer kurzen, aber heftigen Diskussion folgte ihr das asoziale Mädchen.

„Ich komme mit, Thao."

Die Angerufene blieb stehen und nickte. Tatsächlich, Riko folgte ihnen nicht. Irgendetwas war los mit Charlette, sie musste Tom diesbezüglich unbedingt warnen.

„WOW! Du hast ein Auto? Krass!"

Charlette ließ sich in den Beifahrersitz fallen und knallte die Wagentür zu.

„Ein bisschen klein, oder? Ist er beim Waschen eingelaufen?"

Thao schüttelte den Kopf, stieg zu ihr ins Auto, steckte den Wagenschlüssel in das Zündschloss und startete den Motor. Dann schnallte sie sich an, prüfte jeden einzelnen Spiegel und legte den Retourgang ein.

„Fahren kannst du nicht besonders, richtig?"

Charlette beobachtete Thao amüsiert und grinste.

„Soll ich? Ich habe schon ein paar Autos geklaut und kenne mich mit ihnen aus."

Thao ließ sich nicht provozieren und lenkte den Wagen aus den Stadtverkehr hinaus auf den Ring.

„Was ist dein Problem, Charlette?"

Das Mädchen sah sie erstaunt an.

„Hab ich dir doch gesagt. Die Kohle ..."

Thao schüttelte den Kopf und warf ihr einen flüchtigen Blick zu.

„Du lügst. Sag mir die Wahrheit!"

Charlette spielte eine Weile die Beleidigte, spürte aber, dass sie bei der ehemaligen Streetworkerin damit ins Leere lief.

„Ich hab einen Braten in der Röhre. Tante Rosa kommt schon seit ein paar Monaten nicht mehr."

„Wie viele Monate?"

„Fünf."

Thao blickte zur Seite und musterte die junge Frau genauer. Man konnte nichts sehen, ihr Bauch wirkte relativ flach, wenn sie auch ein paar Lagen Wäsche an sich trug, um sich vor der Kälte auf der Straße zu schützen.

„Sehen kann man nicht viel."

„Habe ich gut versteckt, was?"

„Behältst du es?"

Charlette starrte auf ihren Bauch und schien mit sich zu kämpfen.

„Wie soll das gehen? Ich weiß nicht mal, wem ich es zu verdanken habe."

„Riko vielleicht?"

Charlette verneinte.

„Nee, den kannte ich da noch nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Kann mich einfach nicht daran erinnern."

Thao kannte diese Problematik. Oft war Vögeln das Einzige, was sich die Kids auf der Straße noch geben konnten, vor allem, wenn es nichts zu rauchen, essen oder trinken gab.

„Ich werde es zur Babyklappe bringen, wenn´s draußen ist."

Thao stöhnte auf.

„Das brauchst du doch jetzt nicht mehr. Wenn du es nicht willst, gibt es Hilfe für dich. Außerdem hast du noch genügend Zeit, darüber nachzudenken."

Fünf Minuten später erreichten die beiden die Wohngruppe. Tom hatte zwar kein freies Zimmer, wollte die junge Frau aber fürs Erste bei einem anderen Mädchen unterbringen. Deren Zustimmung hatte er sich bereits eingeholt. Thao klärte ihn über das Straßenmädchen und deren besondere Umstände auf, dann wollte sie wieder gehen. Tom aber bat sie zu bleiben. Thao schien einen Draht zu dem Mädchen zu haben und würde ihm den Umgang mit ihr erleichtern.

„Wie soll das gehen? Ich arbeite doch gar nicht mehr für euch."

Tom wischte ihren Protest mit einer Handbewegung einfach zur Seite.

„Ich habe auch nicht gesagt, dass ich dir etwas dafür geben will. Es ist einfach nur eine Bitte. Fülle mit ihr zusammen die Anträge aus, rufe in den Stellen an, erkläre ihr alles. Ihr habt schon ein Verhältnis zueinander, ich müsste erst eines zu ihr aufbauen. Du weißt, wie schwer das oft ist."

Thao überlegte.

„Und was ist mit Herbert? Er erkennt doch sofort meine Handschrift."

Tom winkte ab.

„Das ist mir egal. Meine Frau arbeitet auch nicht fürs Amt und hilft mir, richtig? Hat sich bisher auch keiner drüber beschwert. Mach´s einfach und später reden wir."

Thao neigte ihren Kopf zur Seite und blickte Tom misstrauisch an.

„Was ist los? Du hast doch etwas vor."

Der kräftige Betreuer winkte ab.

„Bring die Kleine erst einmal gut unter, dann erzähle ich dir alles."

Geduldig führte Thao Charlette in der WG herum und wies sie in die Abläufe ein, so wie sie es bei dutzenden von Jugendlichen zuvor auch schon getan hatte. Sofort fiel sie in die alte Routine, suchte in der Ablage auf dem Flur nach den benötigten Papieren und brachte anschließend das Mädchen auf ihr Zimmer.

„Das linke Bett ist deins, der offene Spind ebenso. Wenn in den nächsten Tagen ein Zimmer frei wird, kannst du umziehen. Das hat mir Tom versprochen."

Charlette sah sich um, warf einen Blick in den leeren Spind, dann aus dem Fenster in den Innenhof. Nach einigen Minuten setzte sie sich aufs Bett und prüfte die Weichheit der Matratze. Sie schien alles für selbstverständlich zu nehmen, doch Thao wusste aus Erfahrung, dass ihr Schützling jetzt schauspielerte und es im Grunde genommen nur um ihre Würde ging.

„War Dimitri lange hier?"

Thao verneinte.

„Hast du dich gut mit ihm verstanden? Du scheinst ihn zu vermissen?"

Charlette hob ihre Schultern, während sie auf der Matratze auf und ab wippte.

„Es ging. Er war nicht ganz so scheiße drauf wie die anderen Pfosten."

Thao sortierte die Blätter auf dem kleinen Schreibtisch am Fenster, nahm einen Kugelschreiber aus ihrer Jackentasche und wandte sich dann an Charlette.

„dir ist klar, dass du mithelfen musst, oder?"

Die Angesprochene hielt kurz in ihren kindlichen Bewegungen inne, schien zu überlegen, dann nickte sie.

„Ich glaube schon. Aber ich weiß gar nicht wie."

Thao versuchte Charlette alles zu erklären, ohne sie dabei zu überfordern. Sobald die junge, verwahrloste Frau Anzeichen von Überlastung zeigte, legte sie Pausen ein, wechselte das Thema und erzählte auch von sich selbst.

„Du warst also wirklich mal ein Punk?", lachte Charlette amüsiert.

„Das ist ja mal krass. Ein wenig sieht man es noch, finde ich."

Thao lächelte und strich mit der rechten Hand über ihre Mähne.

„Kein richtiger, aber ich fand den Look und deren Lebensart cool. Punker selbst gingen mir genauso auf den Zeiger wie alle anderen, war eigentlich eher Einzelgängerin damals. Und meiner Mutter war ich richtig peinlich, sage ich dir. Schon allein deshalb hat es mir Spaß gemacht."

Sie lachte und erzählte ein wenig von sich, dann aber auch von Karl und Heinrich. Schließlich auch, wie sie nach Hamburg gekommen war, zu studieren begonnen hatte und letztlich bei der Stadt als Sozialarbeiterin gelandet war.

„Und jetzt hast du aufgehört?"

Der traurige Unterton in Charlettes Stimme entging Thao keinesfalls.

„Ja. Es hat nicht mehr gepasst. Mein Chef ist nicht so gut mit mir klargekommen."

Seltsam, in diesem Augenblick dachte sie an Herbert und nicht an den Erlenberg.

Charlette hörte ihr aufmerksam zu, wie Thao erstaunt registrierte. Normalerweise legten es die Kids eher auf Konfrontation an, zumindest dann, wenn man etwas forderte oder ihnen ihre künftigen Pflichten und Regeln erklärte, die solch eine Maßnahme mit sich brachten.

„Meinst du, ich kann Dimitri mal anrufen?"

Thao war gerade damit beschäftigt, den Lebenslauf des Mädchens zu erstellen und hätte selbst noch einige Fragen auf den Lippen gehabt.

„Ich weiß nicht, da wirst du Tom fragen müssen. Ist eigentlich nicht üblich."

Charlette schien sich mit dieser Aussage zufriedenzugeben und begann neuerlich, auf der Matratze auf und ab zu wippen.

„Kannst du bitte damit aufhören? Du machst mich wahnsinnig damit. "

Die junge Frau hielt sofort inne.

„Tschuldige."

Etwas später suchte Thao Tom in der Küche auf, um mit ihm über den Neuankömmling zu reden. Charlette schien sich widerspruchslos in die WG eingliedern und deren Regeln einhalten zu wollen, weshalb Thao die junge Frau ohne gröbere Bedenken auf ihrem Zimmer zurückließ. Ihre Zimmerkollegin hatte ihr Hab und Gut weggesperrt, verdenken konnte man es ihr nicht.

Tom versuchte in Thaos Gesicht zu lesen, wie es um seinen Neuzugang stand. Er hatte schon vieles gesehen im Laufe seines Berufslebens, Gewaltausbrüche, Diebstähle, unterstellte wie tatsächliche Vergewaltigungen, notorische Lügner, ihn konnte kaum noch etwas wirklich überraschen. Es war eigentlich immer etwas los auf den Zimmern, so wirklich Ruhe kehrte nur selten ein. Dennoch, Tom kam gut klar mit den Kindern, wie er die jungen Erwachsenen nannte, und behielt in den meisten Fällen die Nerven.

„Und? Kommt sie zurecht?"

„Ja. Ich habe ihr meinen MP3-Player geschenkt, sie hört jetzt grade Musik. Sie hat mir versprochen, sich in allem zu fügen. Ich glaube, du wirst mit ihr keine Probleme haben. Nur zum Arzt würde ich sie schicken, allein schon wegen dem Kind."

Tom nickte.

„Hab meiner Frau schon Bescheid gegeben, sie geht morgen mit ihr zu der Ludwig."

Er blickte Thao neugierig an.

„Gibt es sonst noch etwas Auffälliges?"

Thao grübelte nach und erinnerte sich an Charlettes Wunsch.

„Sie hat nach Dimitri gefragt und wollte auch seine Nummer haben. Ich hab damals in der Fabrik gar nicht so das Gefühl gehabt, dass sie sich näher kennen würden. Von daher erstaunt mich das etwas. So genau weiß ich es aber nicht."

Tom blickte Thao ziemlich ratlos an. Für ihn war offensichtlich, was das Mädchen von dem Jungen wollte.

„Sie hat dir gesagt, dass sie nicht weiß, wer der Vater ist, stimmt´s?!?"

Seine ehemalige Kollegin nickte, stand auf und widmete sich der Kaffeemaschine.

„Ja, schon."

Tom lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück und verschränkte seine Arme über der Brust. Wie immer, wenn er sich zu entspannen versuchte.

„Ich denke, sie weiß es, ... und deshalb ist sie auch hier."

Thao blickte ihn erstaunt an.

„Wie kommst du darauf?"

Der Betreuer seufzte.

„Dimitri! Kapierst du es nicht?"

Erst jetzt schien Thao ein Licht aufzugehen.

„Du meinst, dass er ..."

Der Einrichtungsleiter war von der Richtigkeit seiner Vermutung überzeugt.

Thao aber reagierte bestürzt.

„Ach du Schleiße."

Sie beratschlagten beinahe eine Stunde, wie am besten mit dieser Situation umzugehen war. Zu Toms Freude schien Thao Feuer und Flamme zu sein. Sie wollte helfen, ungeachtet dessen, ob sie noch offiziell Dienst tat oder nicht.

Thao aber haderte sehr mit Toms Vermutung. Dimitri sollte der Vater von Charlettes Ungeborenem sein? Der Junge hatte erst begonnen, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen und könnte jetzt mit der Vaterschaft konfrontiert werden, die er selbst nur negativ erlebt hatte, zumindest in den letzten Jahren.

„Ich frage sie. Einfach der Klarheit wegen."

Sie wollte aufspringen, doch Tom kam ihr zuvor und drückte sie wieder auf ihren Stuhl.

„Das lässt du schön bleiben, Thao. Es gibt andere Möglichkeiten, das Ganze zu lenken. Lass uns erst einmal ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufbauen. Dann sehen wir, wie es weitergeht."