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Thao II - Teil 15

Geschichte Info
Thao forscht bei Romy, Xena sucht den Neustart.
12.3k Wörter
4.75
4.1k
0

Teil 42 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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Ein neuer Tag

Thao wachte am nächsten Morgen völlig übermüdet auf. Sofort waren ihre Gedanken bei Romy und so griff sie hastig nach dem Wecker, der neben ihr auf dem Nachttisch stand.

„Elf Uhr?"

Sie stöhnte auf, setzte sich auf und suchte sich zu sammeln. Ihr Körper fühlte sich matt an, kraftlos, zermürbt von der unruhigen Nacht, in der ihre Gedanken einen unentwegten Reigen aufgeführt hatten, der sie keine Ruhe hatte finden lassen.

Einen Moment lang lehnte sie sich gegen das Bettgestell, dann aber schlug sie die Decke um und stieg aus dem Bett. Draußen blieb es merkwürdig ruhig, hoffentlich hatte sich die Kleine zurechtgefunden.

„Guten Morgen!"

Hörte sie das Mädchen von der Couch her rufen, auf der Thao ihr ein Behelfsbett hergerichtet hatte. Sie hielt ein Buch in ihren Händen und schenkte ihrer Gastgeberin ein keckes Lächeln.

„Du siehst richtig Scheiße aus."

Thao winkte ab, kam zu dem Mädchen und schenkte ihm eine kurze Umarmung.

„Danke für das Kompliment. Was liest du?"

Romy zeigte ihr das Buch. Thao reagierte verblüfft. Das Mädchen hielt einen erotischen Liebesroman in ihren Händen und wenn sie ihr nichts vormachte, war sie schon ziemlich weit.

„Ich will jetzt nicht die sorgende Mutter spielen, Kleine, aber eigentlich ist das nichts für dich."

Das Mädchen hob ihre Schultern, schlug das Buch zu und stellte es zurück ins Regal zu den anderen.

„Ich habe uns Frühstück gemacht."

Thao lächelte.

„Super, vielen Dank. Scheinst dich hier bei mir ja schnell zurecht zu finden."

Romy nickte eifrig.

„Es ist total geil bei dir. Viel besser als in unserem Scheißkaff."

„Du würdest es irgendwann vermissen glaub mir."

Romy schüttelte ihren Kopf.

„Nein. Was denn?"

„Na deine Eltern, Ruth und Rike..."

„Kann ich Musik anmachen?"

Thao seufzte und gab ihr Einverständnis.

„Hältst du es mit dem Frühstück noch ein wenig aus? Dann gehe ich vorher noch unter die Dusche."

„Kein Problem."

Was stimmte mit der Kleinen nicht? Tatsächlich zeigte sie keinerlei Anzeichen von Heimweh. Weder nach Maga, noch nach ihrem Vater oder den Geschwistern. Die Geschlechtsreife hatte bei ihr vor einem Jahr eingesetzt, das wusste sie von Margarete. Vielleicht war es ja wirklich nur die Pubertät, die Romy von zu Hause wegtrieb? Mit keinem Wort hatte sie die eigene Familie erwähnt, es sei denn Thao hatte direkt nach ihr gefragt.

Thao ließ sich Zeit mit ihrer Dusche. Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf, sie kontrollieren zu wollen und in eine bestimmte Richtung zu zwingen kosteten ihr zu viel Kraft. Karl, Karl, Karl, immer wieder ploppte der Name auf, verbunden mit Erinnerungen, vor allem an den gestrigen Abend. Doch trotz ihrer Häufigkeit, den Zweifeln und Wünschen, hatten sie nicht mehr dieselbe, quälende Macht wie noch vor wenigen Monaten. Vielleicht lag es daran, dass Karl sie zurückhaben wollte?

Als Thao aus dem Bad zurück in die Küche kam, fand sie Romy am Fenster stehen und der absurde Wunsch wurde in ihr wach, das Mädchen zu fragen, ob ihr Ex noch unten auf dem Deich saß. Sie ärgerte sich über sich selbst, setzte Kaffee auf, und bat dann Romy darum, sich zu ihr zu setzen. Die Kleine hatte den Tisch sorgsam gedeckt, kein Wunder bei dem strengen Regiment, welches Maga zu Hause führte. Alles hatte seinen Platz, war logisch sortiert und reichlich vorhanden.

„Gibt es hier in der Nähe eine Realschule?"

Thao runzelte die Stirn.

„Warum fragst du mich das?"

Romy zögerte und wollte nicht so recht raus mit der Sprache.

„Es war nur eine Idee, Thao, ich meine, vielleicht..."

„Den Zahn muss ich dir ziehen, das ist keine Option für mich. Ich habe dich nicht mit her..."

„Ist schon gut, okay? Ich habe es kapiert!"

Romy schrie die Worte regelrecht heraus. Dann heulte sie auch schon drauflos. Ihre Stimmung schien echt zu sein, auch wenn sich Thao dessen nicht hundertprozentig sicher war. Sie nahm sich vor, nicht darauf einzugehen, es würde sie manipulierbar machen, wenn sie jetzt eine Reaktion zeigte.

Und tatsächlich beruhigte sich Romy wieder relativ schnell, das Mädchen war klug genug, um zu wissen, dass es wenig hilfreich war, es sich mit ihrer Gastgeberin zu verscherzen.

„Was machen wir heute?"

Thao musterte die Kleine. Sie hatte nach ihrem Ausbruch kräftig zugelangt und schien jetzt satt zu sein.

„Wir besuchen einen Freund, danach zeige ich dir die Innenstadt. Vielleicht findest du ja was, Maga hat mir etwas Geld für dich mitgegeben."

„Echt? Wieviel?"

„Fünfzig Euro."

„Geil. Wann fahren wir denn?"

„Wir decken erst noch ab und räumen die Spülmaschine ein. Wenn du hilfst geht es schneller."

Romy schien überrascht.

„Das heißt ich muss nicht?"

Thao verneinte.

„Na du hast doch schon gedeckt."

Das Mädchen lächelte und schien wieder mit sich und ihrer Welt versöhnt zu sein.

„Ich helfe dir trotzdem."

„Na da danke ich dir aber."

Thao wollte gerade mit Romy die Wohnung verlassen, als das Telefon klingelte. Kurz zögerte sie, um zu überlegen, ob sie rangehen wollte, dann bat sie aber Magas Tochter zu warten und ging in die Wohnung zurück. Es war Lena aus dem Studio, Thao sollte den Neukunden anrufen, damit sie mit ihm den Termin am Donnerstag besprechen konnte. Routine. Schnell notierte sie sich die Nummer und legte sie auf ihren Schreibtisch.

„So, jetzt aber. Komm! Fahren wir."

„Wer war den dran?"

Thao runzelte die Stirn und blickte auf Romy herunter.

„Was geht dich das an?"

Schnauzte sie gespielt.

Romy lachte.

„Der Karl war´s nicht, sonst wärst jetzt nicht so gut drauf."

Thao stöhnte. Romy hatte ein Talent dafür, Menschen an ihren wunden Punkt zu treffen. Ähnlich wie sie früher auch. Aber ob deshalb auch ihre Beweggründe die Gleichen waren?

„Danke, dass du mich an ihn erinnert hast. Mir ging es wirklich gut im Moment."

Der letzte Satz war unterlegt mit einem zynischen Unterton, den Romy nicht überhören konnte.

„Entschuldige, Thao. War nicht so gemeint."

„Ich hoffe es, Romy. Komm jetzt! Ein wenig muss ich mit Tom besprechen, dann aber ist Stadtbummel angesagt."

Tom freute sich, als er Thao sah, umarmte die Freundin und Kollegin und bot im Anschluss auch der kleinen Romy seine kräftige Hand. Die schaute ehrfürchtig zu dem Mann auf, ohne dass ein bissiger Kommentar aus ihren Mund heraus drang.

„Na, ihr Beiden! Dann kommt mal rein."

Romy schrak zusammen, als eine der Zimmertüren aufgerissen wurde, eine verwahrloste junge Frau, stark tätowiert und mit Rastarlocken aus ihrer Zimmertür heraus trat und zu ihnen rüber sah. Sie musterte die beiden Besucher neugierig, ging aber schließlich nach langen Sekunden zurück in ihr Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.

„Boah, war die gruselig", vermochte es Thao nicht ihren Kommentar zurückzuhalten.

„Sie wird noch nicht lange hier sein. Wenn die Maßnahmen Erfolg haben, ändert sich das von ganz allein."

Romy zeigte sich interessiert.

„Was sind das für Leute?"

„Meistens Kinder und Jugendliche von der Straße, aber auch welche die von zu Hause weggelaufen sind, weil sie misshandelt, vernachlässigt, missbraucht oder geschlagen wurden."

„Hat jeder ein eigenes Zimmer?"

Thao lächelte, erstaunt über das Interesse der Kleinen.

„Wenn es möglich ist ja. Sie bleiben aber nicht lange hier und werden dann an Wohngruppen oder andere soziale Wohnstätten weitervermittelt. Erst dort bekommen sie dann ein kleines, eigenes Appartement oder Zimmer."

„Und wie alt sind die?"

„Ab vierzehn, so in deinem Alter etwa."

Tom bat die beiden in der Küche Platz zu nehmen, machte Romy einen Kakao und für Thao und sich selbst einen Kaffee.

„Ich habe einen Berg an Arbeit, wenn du die Tage Zeit hättest, Thao, ich könnte wirklich Hilfe brauchen."

Thao war einen vielsagenden Blick auf die Kleine.

„Du kannst sie mitbringen, irgendwie beschäftigen wir sie schon."

Romy schien sich mit den Gedanken anzufreunden. Tom schien etwas an sich zu haben; was ihr gefiel.

„Kein Problem, ich kann mir ein Buch von dir mitnehmen", schlug sie vor.

„Gibt es etwas Neues?", fragte Thao den Wohngruppenleiter. „Wo ist Charlette?"

Der Betreuer zeigte Thao ein bedeutungsschwangeres Gesicht.

„Jetzt rück schon raus!"

„Sie ist bei ihm. Und jetzt halte dich fest. Dieser Windhund will die Vaterschaft anerkennen, trotz der Tatsache, dass er sie vielleicht gar nicht hat."

„Bitte was?"

„Du hast richtig gehört. Er meint er könnte seine Eltern schlecht einen Vorwurf machen, wenn er es bei einem eigenen Kind nicht besser machen würde. Ich habe es selbst für eine Phrase gehalten, aber der Junge scheint sich richtig Mühe zu geben. Geht mit Charlette zu den Ärzten, hilft ihr bei dem Schreibkram und hat sie schließlich auch bei sich aufgenommen."

Thao schien misstrauisch.

„Du meinst er schafft das?"

Tom hob die Schultern.

„Was spielt das für eine Rolle? Ich helfe den Dreien wo ich kann und entweder sie schaffen es oder eben nicht."

„Du hast Recht."

„Thao, das ist glaube ich das Erste was ich hier gelernt habe. Unvoreingenommen bleiben, auch wenn es viel Kraft kostet."

Romy trank schweigend ihren Kakao, sah sich um und fragte Tom dann, ob sie eines der Zimmer sehen durfte. Der Betreuer schien verwundert über die Neugierde der Kleinen, stand dann aber auf und zeigte ihr eines, das gerade erst am Morgen geräumt worden war.

„Schaut aus wie im Gefängnis, finde ich."

Tom lachte. Der Vergleich war gar nicht so unpassend vom Mobiliar her.

„Glaub mir, den meisten kommt es vor wie ein Paradies, zumindest in den Wintermonaten. Jetzt im Frühjahr, wenn´s wärmer wird, zieht es die Kids wieder auf die Straße raus. Von daher verschwinden viele über Nacht wieder."

„Schau dich ruhig um, Romy. Dort hinten sind Zeitschriften und ein Radio, mache es dir ruhig an, ich bin derweil wieder bei Thao in der Küche, einverstanden?"

Die Kleine nickte und blickte aus dem Fenster hinaus in den Hof hinunter.

„Und? Was hältst du von ihr?"

Der Betreuer hob die Achseln.

„Bisher nichts Auffälliges. Ein wenig distanzlos vielleicht und frühreif, aber weder verschlossen noch in irgendeine Weise verstört."

„Es ist so krass, Tom. Die Kleine flippt zu Hause völlig aus. Sie führt einen ständigen Kampf gegen ihre große Schwester, provoziert aber auch ihre Mutter und alle anderen Menschen in ihrem Umfeld wo sie nur kann. Sie trifft sofort den Nerv, sie ist richtig gut darin."

„Und das war vorher anders?"

„Ihre Mutter meinte, dass sie bestimmte Verhaltensweisen schon immer gezeigt hatte, diese aber in den letzten Wochen stark zugenommen haben."

„Hast du sie schon mal genauer unter die Lupe genommen?"

„Im Schwimmbad, ja. Keine Auffälligkeiten."

„Schläft sie gut bei dir?"

Thao nickte.

„Ich habe zweimal nach ihr gesehen. Sie hat es nicht mitbekommen."

„Gibt es jemanden, dem sie gegenüber anders auftritt?"

„Naja, vor ihren Eltern scheint sie Respekt zu haben."

„Hat sich jemand gegen den Besuch bei dir ausgesprochen?"

Thao überlegte.

„Der Vater schien anfangs nicht begeistert zu sein. Aber er hat seine Meinung geändert und schließlich sogar Maga, ihre Mutter, umgestimmt, als sie die Kleine, wegen eines neuen Vorfalls, zu Hause behalten wollte."

„Schwer, Thao. Ich kenne sie nicht gut genug um sie wirklich einschätzen zu können. Und du weist selbst worauf du achten musst, da bist du viel qualifizierter als ich."

Thao seufzte.

„Wenn es so wäre, würde ich dich kaum um Rat fragen, richtig?"

Tom lächelte und deutete über seine Schulter hinweg auf sein kleines Arbeitszimmer.

„Du kannst dich gerne revanchieren. Ich komme nicht mehr hinterher, Thao, ich bin fix und fertig."

Romy war von Hamburg schwer begeistert. Sie wollte mit Maga an ihrem Geburtstag „König der Löwen" besuchen und zählte die Reklametafeln, die sie unterwegs bemerkten, mit Vorfreude auf diesen Tag. Dazu kamen noch die vielen Sehenswürdigkeiten, die Schiffe im Hafen und all das bunte Treiben in den dicht bevölkerten Straßen. So bummelten sie bis zum Rathausmarkt, gingen auf dem Weg in verschiedene Geschäfte hinein und aßen in einem guten Restaurant zu Mittag. Romy war maßlos bei ihrer Bestellung und voller Gier, doch auch hier bremste Thao sie nicht, sondern ließ das Mädchen gewähren. Schweigend zahlte sie die Rechnung und gab der Kleinen sogar das Geld, was sie von ihrer Mutter bekommen hatte.

„Hier! Das ist Dein Taschengeld für die Woche. Maga hat mich gebeten es dir einzuteilen, aber ich denke das schaffst du allein."

Romy riss ihr den Schein aus den Händen, betrachtete ihn eingehend und stopfte ihn dann in ihre Hosentasche.

„Komm! Ich will einkaufen gehen."

Eine Stunde später, hatte das Mädchen ihr gesamtes Geld ausgegeben.

Am Nachmittag gingen Thao und Romy, mit Ashna spazieren. Das Hündchen freute sich, tollte herum, verfolgt von Romy die ausgelassen mit ihm spielte. Sie schien ein gutes Verhältnis zu dem Tier zu haben, trotz des gestrigen Ausbruchs. Aneliese jedoch mied Romy, das Mädchen war ihr nicht geheuer, wie sie meinte, trotz dessen, was Thao ihr erzählt hatte.

Thao nahm es zur Kenntnis, unterließ es aber weiterhin, zwischen den beiden, eine Brücke zu bauen. Romy sollte sich ganz so verhalten, wie sie es für richtig hielt, weitestgehend unbeeinflusst durch Dritte.

„Magst du lesen oder fernsehen? Ich muss noch telefonieren."

Romy hob ihre Schultern, hing die Jacke an die alte Garderobe und ging dann ins Wohnzimmer, wo Thao die Tür hinter sich zuzog. Die Kleine fing an frech zu werden, mal sehen, wohin das führte.

Thao setzte sich raus auf den Balkon, sah einen Moment lang auf den Fluss herunter, dann wanderte ihr Blick rüber zu dem Stein, auf den Karl gestern gesessen hatte. Wie es ihm in diesen Moment wohl ging? Sie selbst hatte sich beschäftigt gehalten, sich ununterbrochen abgelenkt, um nicht an ihn denken zu müssen. Jetzt würde sie mit dem Kunden sein Vorgespräch führen und danach versuchen Steven zu erreichen, den sie wieder einmal ziemlich hat hängen lassen. Sie konnte es drehen und wenden wie sie es wollte, trotz all seiner Vorzüge und dem vorsichtigen Auftreten ihr gegenüber, genoss er immer noch keine besondere Priorität bei ihr. Und das müsste er doch eigentlich, wenn sie etwas für ihn empfand. Mann, war das alles Scheiße.

Sie besann sich, nahm das Handy des Studios zur Hand und wählte die Nummer auf dem Zettel. Sie hatte die E-Mail des jungen Mannes gelesen, die Nachricht hatte eigentlich einen ziemlich vernünftigen Eindruck auf sie gemacht. Sein Wunsch war eigentlich recht simpel gestrickt, was aber nicht unbedingt bedeuten musste, dass er für sie einfach umzusetzen war. Er hatte wahrscheinlich für den Kunden sogar einen emotionalen Hintergrund. Umso wichtiger für Thao, dass alles reibungslos zwischen ihnen ablief.

Es klingelte dreimal, dann drang eine freundliche, klare Männerstimme aus dem Hörer heraus.

„Ja, bitte?"

„Jörg, hier ist Thao. Wir haben übermorgen den Termin zusammen."

Die Stimmung am anderen Ende der Leitung schlug sofort um.

„Oh, ...äh... ja. Freut mich."

Thao kannte das. Gerade die Kunden, die sich nach langen Überlegen das erste Mal durchgerungen hatten, zu ihren Neigungen zu stehen, traten furchtbar nervös ihr gegenüber auf.

„Ich möchte noch vorher ein paar Dinge mit dir absprechen, einfach damit wir für dich die notwendige Stimmung schaffen."

„Okay. Was genau heißt das?"

„Ich würde mich gerne mit dir übermorgen, in einem Eiscafe in der Innenstadt treffen. Bereits dort möchte ich dann das Spiel mit dir beginnen. Kennst du jemanden in der Stadt?"

Jörg verneinte. Fühlte sich bei dieser Ankündigung aber alles andere als wohl, was er auch vor Thao zum Ausdruck brachte.

„Es wäre schade, wenn wir darauf verzichten, Jörg. So wäre es authentischer für dich und auch ich würde leichter in die Rolle hinein finden."

Der junge Mann bat sich eine kurze Bedenkzeit aus. Was hatte er denn schon zu verlieren? Die Frau würde schon wissen, warum sie darauf Wert legte. Und gerade seine Fantasie war wohl schwerlich in einem Studio umzusetzen.

„Einverstanden."

„Super. Die Spielarten hast du mir genannt, die Intensität zeigst du mir an. Wird es dir zu viel, bringst du das mir gegenüber zum Ausdruck. Eines ist mir noch sehr wichtig. Du spielst dich ganz authentisch, Jörg. Wenn du der Meinung bist, ich verhalte mich dir gegenüber unangebracht, sagst du mir das innerhalb deiner Rolle, damit ich darauf aufbauen kann."

„Alles klar. Ich versteh schon."

„Super. Ich denke es wird uns beiden Spaß machen. Hast du noch Fragen?"

„Bestimmt, aber mir fällt im Moment keine ein." Der junge Mann lachte.

„Kein Problem. Du hast die E-Mailadresse und schickst mir einfach eine Nachricht. Wenn dir noch etwas einfällt, antworte ich dir nach Möglichkeit."

„Halt! Warte bitte! Wo treffen wir uns und wie erkenne ich dich?"

Thao brauchte sich die Antwort nicht zu überlegen.

„Ich schicke dir eine SMS, Jörg."

„Okay. Weiß Bescheid."

„Hab einen schönen Abend und bis übermorgen."

„Danke, Thao. Du auch."

Reise in die Vergangenheit

Xena atmete noch einmal tief durch, dann drückte sie auf den weißen, in einer bronzenen Umrandung, eingefassten Klingelknopf des freistehenden Einfamilienhauses. Agnes und Ruppert wohnten jetzt seit zwei Jahren hier. Xena und Gerd hatten ihnen damals beim Einzug geholfen, zusammen mit einer Schar bizarrer Gestalten, die Agnes aus ihrem Bekanntenkreis heraus rekrutiert hatte. Ein mittelgroßes und dennoch unscheinbares Anwesen, welches in seiner Biederkeit vor allem zu Agnes überhaupt nicht passen wollte. Es wirkte bodenständig, alles war gepflegt und zusammen mit den beiden Mittelklassewagen vor der Garage, war das Klische des besseren Wohlstandsbürgers erfüllt. Den beiden schien es finanziell gut zu gehen.

Agnes hatte Xenas altes Studio übernommen, es erfolgreich weitergeführt, ausgebaut und unter einigen dominanten und devoten Damen eine ähnliche Rolle eingenommen, wie Xena sie selbst einmal innegehabt hatte. Der Gedanke, dass ihre Freundin sie vielleicht nachgeahmt oder sogar imitiert haben könnte, kam ihr gar nicht, als sie darüber nachdachte.

Noch ein weiteres Mal klingelte sie an der aus dunkel lasierten Holz gefertigten Hauseingangstür. Es dauerte noch einen Moment, dann hörte sie, wie sich jemand der Tür von der anderen Seite näherte. Sie hatte schon befürchtet, dass niemand zu Hause sein könnte, trotz ihres Anrufes. Das Schloss knackte zweimal, begleitet vom lautstarken Geklapper eines Schlüsselbundes, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Rupperts rundes Gesicht kam zum Vorschein.

„XENA! Mein Gott, was freut es mich dich zusehen."

Xena lächelte auf den kleinen, rundlichen Mann herunter, der vor ihr stand. Ruppert sah gut aus, war in einem weißen, maßgeschneiderten Herrenhemd gekleidet, trug eine randlose Brille, die Xena so an ihm noch nicht kannte, dazu eine Dieseljeans und schwarze Slipper. Man spürte sofort, dass nicht er selbst der Quell seiner modischen Eleganz war, sondern Agnes dafür sorgte, dass er sich sehen lassen konnte. Selbst seine Glatze passte zu ihm, auch wenn sie jetzt glänzte wie eine Bowlingkugel.

Die beiden fielen sich in die Arme, drückten sich aneinander, dann tauchte auch schon Agnes auf, die ganz in Schwarz gekleidet auf sie zu gestöckelt kam. Ein schwarzer Rolli, eine enge Stoffhose und knöchelhohe Stiefeletten unterstrichen ihr apartes Gesicht, das sorgfältig geschminkt, eine Reserviertheit ausstrahlte, die so völlig gegensätzlich zu ihrem Gefühlsausbruch stand, der bei Xenas Anblick aus ihr herausbrach.

„Ich dachte schon ich wäre nicht bei klaren Verstandes, als du heute früh angerufen hast. Das du dich mal aus deinen Kaff zurück in die Stadt traust, man hat es gar nicht mehr für möglich gehalten."

Xena lächelte. Agnes Irokesenfrisur war Geschichte, stattdessen trug sie ihr schwarzes Haar lang bis über beide Schultern herunter. Man spürte sofort, dass sie nicht mehr nur die Domina zeigen wollte, sondern auch die erfolgreiche Geschäftsfrau.