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Unkonventionell

Geschichte Info
Der geheime Charme des Unerwarteten.
12.8k Wörter
14.6k
17
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Ein zweites? Gut, ein zweites. Ich winkte mir den gelangweilt wirkenden Kerl hinter dem Tresen ran.

„Mir noch eine Gerstenkaltschale und der Dame, was auch immer Abartiges sie da trinkt", orderte ich mit einem angedeuteten Seitenblick auf die vielleicht dreißigjährige dunkelblonde Frau, die zwei Hocker weiter an der Bar saß.

Der Typ verzog keine Miene und stellte die Getränke bei den benannten Empfängern ab. Die Frau schien keineswegs überrascht, nahm ihr halbleeres und das volle Glas und setzte sich neben mich. Sah mich prüfend an, und meinte „Danke".

Ich nickte und starrte in mein Bier. Trank dann einen kleinen Schluck. Es irritierte sie offenbar, dass ich nicht die erwartete Unterhaltung begann.

„Der Spruch? Willst du mich nicht mit deinem Spruch beglücken?"

„Welcher Spruch?"

„Keine Ahnung, welchen du verwendest. So besonders erfinderisch seid ihr Kerle ja nicht. Ich habe genau dreiundvierzig notiert, und es gab seit Monaten keine Ergänzung mehr. Nur Wiederholungen."

„Ich glaube, ich kann dir nicht folgen", meinte ich nach einem kurzen Seitenblick.

„Na, du willst mich doch aufreißen, oder?"

„Ich dachte, du könntest auch noch einen vertragen, so gelangweilt, wie du da rumgesessen hast. Mehr nicht."

„Ernsthaft? Du gehst in einen Schuppen wie diesen, und willst keine Frauen abschleppen?"

„Oh, ist das so ein Bett-Sprungbrett hier? Das wusste ich nicht, ehrlich. Ich habe die erste Kneipe genommen, die auf meinem Nachhauseweg lag."

„Ah, natürlich. Erzähl noch einen. Und wenn ich ein Typ wäre, hättest du mir selbstverständlich ebenfalls einen Drink bestellt. Auch die Masche ist nicht neu."

„Du scheinst ja mächtig viel Erfahrung zu haben."

„Ach, jetzt bin ich eine Schlampe?"

„Nur auf dem Holzweg. Keine Masche. Ich feiere hier meine Entlassung. Noch genau eine Bierlänge. Mehr nicht."

Jetzt war sie wirklich verwirrt.

„Entlassung? Du wurdest rausgeschmissen? Hast deinen Job verloren?"

„Jo. Völlig zurecht. Ich bin faul, unzuverlässig und habe ein viel zu gutes Verhältnis zu meinem Hausarzt, was sich gemeinhin in gelben Urlaubsscheinen äußert. Wundert mich eigentlich, dass sie so lange gebraucht haben."

„Besonders zu treffen scheint dich das nicht."

„Nö, das ist schon in Ordnung. Fair ist fair."

Sie sah mich kopfschüttelnd an. Überlegte wohl, wie sie mich einordnen sollte. Viel Glück.

„Und jetzt trinkst du dir Mut an, um es deiner Frau zu erzählen."

„Frau hatte ich nicht. Eine Freundin. Die hat mich allerdings schon vor zwei Monaten entlassen."

„Na sowas. Und warum? War dein Hausarzt eine Sie?"

„Nö. Was weiß ich. Zu wenig Aufmerksamkeit. Versager im Bett. Irgendwie sowas. Ich hab nicht wirklich zugehört. Ach so, das wurde wohl auch moniert. Ich hörte ihr nie richtig zu."

„Also gut, langsam glaube ich dir, dass du mich nicht aufreißen willst. So viel Ehrlichkeit kann nicht förderlich sein", meinte sie mit mühsam unterdrücktem Lachen.

„Nein, dann hättest du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen neuen Spruch zu hören bekommen. Manche halten mich für unkonventionell."

„Na los. Dann überrasch mich."

„Okay. Hm. Schon mal einen Mann mit zwei Schwänzen gehabt?", fragte ich sie, während sie gerade an ihrem Drink nippte.

Keine gute Idee. Sie prustete ihr rotes Gesöff in explosionsartig auf mein weißes Hemd. Es dauerte eine Weile, bis sie sich eingekriegt hatte.

„Sorry... das war... gut, den Spruch habe ich allerdings noch nicht zu hören bekommen."

„Gern geschehen. Hm, kriegt man das wieder raus?"

„Es ist Kirschsaft, ich denke schon. Tut mir echt leid. Nee, tut mir überhaupt nicht leid."

„Kirschsaft? Okay, dann muss ich doch fragen: Was macht so eine interessante Frau wie du in einem Schuppen wie diesem hier?"

„Nummer vier. Das war eine leichte Abwandlung von Nummer vier. Nun ist meine Welt wieder in Ordnung. Ich arbeite hier. In genau... acht Minuten löse ich Jo dort ab."

„Jo?"

„Johannes", mischte sich der Barkeeper ein. „Nur Tanja nennt mich so. Wäre schön, wenn das so bliebe."

„Klar, Jo. Also Tanja. Erfreut, entzückt. Trotz deiner etwas feuchten Aussprache. Phillip. Oder Lippe. Ganz wie du willst. Ernsthaft, du hängst hier eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn rum?"

„Lippe passt doch wunderbar. Ja, ich wohne ein wenig außerhalb, es fährt nur alle halbe Stunde ein Zug. Ich komme nicht gern zu spät. Außerdem habe ich manchmal wirklich was zum Lachen. Wenn ich dann angebaggert werde, heißt das. Später bei der Arbeit ist es einfach nur nervig."

„Kann ich mir vorstellen. Und, wie viele sind tatsächlich erfolgreich, mal so interessehalber?"

„Null. Ich bin keine Frau für eine schnelle Nummer."

„Schau an. Ich auch nicht. Na, ich bin nicht mal eine Frau."

„Aber ein Mann mit zwei Schwänzen?"

„Nö, ich habe nur gefragt, ob du mit so einem schon mal das Vergnügen hattest. Habe nur einen, und selbst der ist nicht der Rede wert."

„Kerl, du bist echt der Anti-Aufreißer. Sowas ist mir auch noch nicht untergekommen."

„Abwechslung macht das Leben bunt. Wenigstens konnte ich dich kurz mal zum Lachen bringen. Das hat den Tag schon wieder perfekt ausbalanciert. Ist das hier immer so leer? Dann ist es eigentlich kein Wunder, dass du ständig solchen Sprüchen ausgesetzt bist. Im Moment bist du tatsächlich die einzig wirklich attraktive Frau hier."

„Nummer achtundzwanzig. Nee, das ist doch noch total früh. In zwei Stunden ist hier die Hölle los. Vorher kommt noch ein weiterer Kollege zur Unterstützung."

„Verstehe. Na, das werde ich wohl nicht mehr erleben. Oh, jetzt musst du anfangen, nicht wahr?"

„Wir können uns auch über den Tresen weiter unterhalten."

„Warum würdest du das wollen?"

Das schien sie auch für einen Moment zu beschäftigen. Dann schüttelte sie amüsiert den Kopf.

„Wenn ich das wüsste. Du sagst all die falschen Sachen, und machst dich dadurch interessant. Wenn das doch eine Masche ist, dann Hut ab."

„Ist es nicht. Ich glaube zwar nicht an dieses ‚ehrlich währt am längsten', weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass dem nicht so ist, aber ich bin einfach viel zu faul, um mir irgendwelche Geschichten auszudenken. Entweder man mag mich so wie ich bin, oder nicht."

Tanja sah mich mit schräggelegtem Kopf an, strich mir kurz übers Haar und machte sich dann ohne weiteren Kommentar auf den Weg hinter den Tresen. Und nahm die Arbeit auf. Unterhielt sich kurz mit Jo, der wohl großen Teilen unserer Unterhaltung gefolgt war.

Er verabschiedete sich grinsend von mir.

„Tschüss Lippe."

„Tschüss Jo."

Zwei jüngere Frauen betraten nicht lange danach die Kneipe und stellten sich neben mich, um Drinks zu bestellen. Beide ziemlich aufgetakelt, für meinen Geschmack mit deutlich zu viel Kriegsbemalung. Nun gut, sie waren wohl tatsächlich auf dem Kriegspfad.

Eine davon sah mich von oben bis unten an, während sie auf die Ankunft ihrer Drinks warteten.

„Was ist denn mit deinem Hemd passiert?", wollte sie wissen.

„Spuckende Barfrau. Nehmt euch in Acht", teilte ich meine Spätnachmittagserfahrungen willig.

Die rückte gleich näher an uns heran, um auch ja nichts von unserer Konversation zu verpassen. Grinste schon wieder über beide Ohren, und nickte nur, als die beiden ihr fragende Blicke zuwarfen.

„Aha. Vielleicht solltest du dich auf Frauen konzentrieren, die erreichbar sind. Du bist ganz niedlich. Interesse an 'nem Doppelpack?"

„Wir kommen nur im Doppelpack", steuerte die zweite bei.

„Klingt ja lustig. Ich habe noch nie zwei Frauen gleichzeitig enttäuscht."

„Du meinst, du kriegst das ohne Weiteres hin, uns beide zufriedenzustellen?", wollte die erste wissen.

„Nee, im Gegenteil, mir ist eine schon zu viel", klärte ich sie gönnerhaft auf.

„Was zum..."

„Komm, lass den Spinner", zog sie die andere aus dem Gespräch und von mir weg.

Ich zuckte mit den Schultern und betrachtete stattdessen wieder Tanja, die leise vor sich hin kicherte.

„Ich verstehe jetzt aber, was du meinst. Man kann sich sicher fallweise durchaus mit dem Klientel hier amüsieren."

„Ja, ab und zu schon", gab sie zurück. „Wie jetzt."

„Wie dem auch sei, es hat mir meine Entlassungsfeier um einiges versüßt", sprach ich und trank mein Bier leer. „Wer weiß, vielleicht schneie ich irgendwann mal wieder hier herein. Immerhin gibt es hier etliche Firmen in der Gegend, die dumm genug sein könnten, mich einzustellen... was ist das?"

„Ein Bier. Aufs Haus."

„Im Ernst? Ich weiß nicht... ich vertrage eigentlich nur so ziemlich genau zwei. Das könnte ungeahnte Folgen haben. Darf ich fragen, warum?"

„Ich mag dich", gab sie grinsend zurück.

„Oh, du bist eine von denen."

„Ja, ich bin eine Frau, die Ehrlichkeit schätzt", meinte sie schmunzelnd und wandte sich dann dem gehetzt wirkenden jungen Mann zu, der für sich und seine Eroberung Getränke bestellte.

„Hast du das gehört? Eine Frau, die Ehrlichkeit schätzt", wunderte ich mich laut.

„Ich will die Kleine poppen, und nicht heiraten", gab er irritiert zurück.

„Tanja?"

„Nein, sie heißt... oh verdammt..."

„Ich denke, Frauen wünschen sich, dass man ihnen zuhört", kehrte ich den vollen Umfang meiner Alltagsweisheit hervor.

Er grummelte noch irgendwas und stiefelte mit seinen Getränken ab.

„Na, für solche Sachen ist das wohl nicht wirklich nötig", dachte ich laut nach.

„Vielleicht doch. Magst du mir sagen, wie du zu dem vernichtenden Urteil kommst, ein Versager im Bett zu sein?"

„Ja, weiß nicht. Immer, wenn sie Sex haben wollte, also das Ganze initiierte, so mit Penis im Mund und so weiter, klappte es entweder gar nicht, oder zu gut. Also, dann war ich meist schon so weit, dass es ganz schnell ging. Das muss frustrierend für sie gewesen sein."

„Hm. Okay... aber hast du ihr dann nicht hinterher anderweitig ausgeholfen?"

„Hätte ich ja. Aber das mochte sie nicht. Keine Ahnung warum. Sie war wirklich nur auf Verkehr fixiert."

„Das ist selten, aber ich habe eine Freundin, der es auch so geht. Verstehe. Moment", unterbrach sie unser Gespräch, um einen weiteren gerade hinzugekommen Gast zu versorgen.

Ich wartete ab, bis das geschehen war, und sie zu mir zurückkehrte.

„Wo waren wir?", fragte sie wohl sich und mich.

„Cunnilingus. Na, zumindest verbal. Du hattest erzählt, dass du eine Freundin hast, der das ebenfalls nicht so zusagt."

„Stimmt. Du hörst mir zu. Das freut mich."

„Du bist interessant. Wie schon erwähnt. Oder noch nicht erwähnt? Egal, ist so. Also, du magst es?"

„Normalerweise gebe ich solche Details nicht bei einer ersten Begegnung preis, aber ich habe schließlich damit angefangen. Ja. Das liebe ich sogar mehr als alles andere."

„Hm. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, auch von Männern?"

„Ja, auch von Männern. Und du hast richtig getippt. Am liebsten von Frauen."

„Warum? Weil sie das besser können?"

„Auch das. Hauptsächlich, weil ich mit Frauen besser zurechtkomme. Die sind ehrlicher."

„Oh."

Sie widmete sich weiteren Gästen. Es wurde tatsächlich voller. Sie grinste mich wieder munter an, als sie zu mir zurückkehrte.

„Wo waren wir jetzt stehengeblieben?"

„Ich wurde gerade sprachlos, weil ich die verrückte Idee bekam, dass du dich wirklich für mich interessierst."

„Klar, dass so verrückte Kerle wie du auf solche Ideen kommen."

„Das dritte Bier, ich habe dich gewarnt. Hast du denn derzeit eine Partnerin, oder einen Partner?"

„Momentan nicht."

„Oje."

„Oje? Moment."

Und wieder musste sie ihrer Arbeit nachgehen. Wirklich eine interessante Frau. Allerdings hatte ich bis zu meinem Eintritt in diese Spelunke an alles, nur nicht daran, mit einer neuen Frau anzubändeln, gedacht.

Mir hatte eigentlich die Erfahrung mit Mia bis auf Weiteres gereicht. Ich starrte sie gedankenverloren an und folgte jeder ihrer Bewegungen, was dem auf seinen Cocktail wartenden Mann neben mir wohl auffiel.

„Vergiss es Mann, an der haben sich schon alle hier die Zähne ausgebissen", musste er mir vorsorglich mitteilen.

„Beißen wollte ich sie eigentlich nicht, oder... Tanja, magst du Beißen?"

„Manchmal schon", kam die glucksende Antwort.

„Meine Zähne sind ganz gut", teilte ich dem verblüfften Typen mit. „Nur der Rest ist nicht so prall. Aber danke für die Info."

Der Vogel nahm seine Getränke entgegen, schüttelte den Kopf und trollte sich.

„Sag mal, kannst du dir vorstellen, hier zu arbeiten? Hast du schon mal in einer Kneipe gearbeitet?", fragte mich Tanja, als sie wieder Zeit für mich hatte. Was tatsächlich um einiges später war.

„Oje. Direkt in einer Kneipe noch nicht. Ich habe mal in einer Disco für Cash auf die Kralle Gläser eingesammelt und fallweise auch mal hinter dem Tresen gestanden, ja. Da musste ich allerdings keine Cocktails mixen, oder sowas. Du willst mir doch nicht ernsthaft Perspektiven anbieten? Dabei warst du mir bis jetzt so sympathisch."

„Eben, weil du mir das auch bist. Basti, der in ein paar Minuten aufschlagen wird, wird in zwei Wochen in Urlaub gehen, wir haben noch keine Vertretung gefunden. Der Besitzer würde wohl notgedrungen einspringen, aber er macht das alles andere als gerne. So lässt sich dann auch das Arbeiten mit ihm an."

„Och Mädel... mit dir zusammen könnte ich nicht mal faul sein. Weder bei der Arbeit, noch im Bett."

„Fünfundvierzig, du bringst gerade mein Weltbild durcheinander. Willst du es dir überlegen?"

„Mit dir zu arbeiten? Oder mit dir ins Bett zu gehen? Beides ist vorstellbar. Letzteres würde ich allerdings lieber zuhause machen."

„Ich spreche von der Arbeit. Vorstellen kannst du dir meinetwegen alles andere. Ich kann einem Mann schließlich nicht das Träumen verbieten."

„Ich wäre dabei allerdings sehr wach. Und überaus aktiv. Dafür taugt er sogar sehr gut. Ich hatte nie Grund zur Beschwerde, wenn ich bei mir selbst zugange war."

Ich musste ihr Zeit lassen, sich von ihrem kleinen Lachkrampf zu erholen, währenddessen sie es immerhin noch hinbekam, einen Cocktail zu mixen. Frauen und Multitasking. Immer wieder beeindruckend.

„Bringst du solche Sprüche auch vor dem dritten Bier?", wurde ich anschließend befragt.

„Wenn ich ausreichend stimuliert bin. Das kriegst du ohne Weiteres hin. Weiß nicht, warum Unterhaltungen mit dir so viel Spaß machen. Das war mit meiner Freundin ganz anders."

„Wirklich, überleg dir das. Es wäre zunächst nur für vier Wochen, so lange Basti im Urlaub ist. Alles, was du noch nicht draufhast, zeige ich dir natürlich. Cocktails sind auch kein Hexenwerk. Solange es noch nicht klappt... wir würden ja Seite an Seite arbeiten, dann mach ich die eben."

„Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich Arbeit tatsächlich verlockend finde."

„Was hast du vorher eigentlich gemacht? Und, mit unzuverlässig und gelbe Urlaubsscheine ginge natürlich nicht, damit das klar ist. Du siehst ja, wie ich jetzt schon am Rotieren bin. Nach acht schaffen wir es oft kaum zu zweit."

„Zu viel, um es aufzuzählen. Mein letzter Job war als Disponent bei einem Transportunternehmen. Und ja, das ist klar. Schreckt mich komischerweise nicht mal. Soll ich dir unter die Arme greifen?"

„Du meinst jetzt? Brauchst du nicht, Basti kommt bestimmt bald, noch geht es. Außerdem kann ich dich nicht so einfach zusätzlich einstellen, das müsste ich mit Martin, das ist der Besitzer, alles vorher bekakeln."

„Kostenfreies Praktikum. Verdammt, ich hätte das dritte Bier wirklich nicht trinken sollen."

„Nicht nötig, da kommt Basti. Hallo, Dicker. Hey, ich habe eventuell die Urlaubsvertretung für dich. Basti, das ist Lippe."

„Aha. Hallo Lippe. Du rekrutierst jetzt einfach Gäste? Auch nicht schlecht. Zur Strafe, weil er dich angebaggert hat?"

„Das ist ein besonderer Gast. Als Belohnung, weil er es nicht getan hat."

„Oho. Bist du schwul, Lippe?", fragte Basti prompt.

„Leider nein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir das gewünscht habe. Männer versteh ich wenigstens. Meistens jedenfalls."

Was den jetzt neben mir befindlichen Gast aufhorchen ließ. Er schaute mich verträumt an.

„Wenn du Interesse hast... was nicht ist, kann ja noch werden...", wurde ich sogleich gelockt. Und zu Basti. „Gib dem hübschen Mann noch 'n Bier."

„Oje... ich sollte wirklich nicht noch weiter trinken. Und ich glaube nicht..."

„Ach, ganz ruhig. Versteh schon, du brauchst Muschis am Start. Kein Problem, ich bin mit meiner Frau hier. Kein Druck, keine Verpflichtung, alles ganz locker. Du kommst mit uns mit, und machst nur, womit du dich wohlfühlst. Du wärst nicht der Erste, der mit uns auf Entdeckungsreise geht."

Jetzt war ich wirklich perplex. Er lächelte mich sanft und zärtlich an. Oh, Jammer.

„Hannes, lass mal schön stecken. Das ist meiner", rettete Tanja mich aus der prekären Lage.

„Oh? Tanja-Schätzchen... bei dir ist mal jemand gelandet? Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Na, bei diesem Schnuckel hier versteh ich das", erwiderte der vielleicht vierzigjährige, unnatürlich braungebrannte Mann. „Aber, wenn du von ihr genug hast... weißt ja, eine Frau ist nur die halbe Freude. Es gibt Dinge, die können Frauen nicht für dich tun."

„Ich werde es mir merken. Und danke fürs Bier", brachte ich noch raus, dann küsste mich der Mensch auf die Wange und verschwand mit seinen Getränken in den hinteren Teil der Kneipe.

„Hier muss man ja mit seinen Statements echt vorsichtig sein", wandte ich mich an meine Retterin. „So, so. Ich bin deiner? Das erfahre ich natürlich als Letzter."

„Ich schütze meine Kollegen selbstverständlich, auch wenn's nur potentielle sind. Hannes kann verdammt überzeugend sein. Nicht wahr, Basti?"

„Kann man so sagen", gab er grinsend zurück. „Seine Petra übrigens auch. Das ist die Rothaarige da drüben, die gerade in Richtung Klo verschwindet. Vorsicht, die holt dir notfalls an der Theke einen runter."

Na, das waren ja Aussichten. Die beiden kamen wirklich ganz schön ins Rotieren. Langsam wurde der Laden brechend voll, und die Gelegenheiten, ein paar Worte zu wechseln, immer rarer. Ich sah dem Treiben noch eine Weile zu. Trank mein viertes Bier aus.

Überlegte gerade, ob ich nun wirklich langsam nachhause gehen sollte. Da stand schon wieder eins vor mir. Und eine offenbar spendierfreudige nicht mehr ganz so junge Dame neben mir. Lächelte mich gelassen an.

„Oh, hab ich das dir zu verdanken?", erkundigte ich mich zunehmend schwererer Zunge.

Verdammt, ich vertrug echt nichts.

„Ja. Wenn du dich erkenntlich zeigen möchtest, hätte ich da schon ein paar Vorschläge."

„Das kann ich mir... hm, denken... auch wenn das gerade etwas schwerer fällt... aber... ich bin nicht die Frau für schnelle Nummern... Quatsch... Mann für...", kriegte ich nicht nur wegen des Alkohols mühsam raus.

Vor allem ihre vorwitzige Hand, die meinen Oberschenkel und alles darüber liegende völlig gelassen betatschte, brachte mich richtig aus dem Konzept.

„Ich hatte nichts Schnelles im Sinn. Im Gegenteil. Bei mir kommt keiner so schnell aus dem Bett."

„Aber... ich bin hier nicht auf Brautschau. Ich werde hier wohl arbeiten. Verschaffe mir nur... oh... einen Eindruck..."

„Ich doch auch nur. Ach, ist das schön. Ein neues Gesicht."

„Das ist nicht mein Gesicht, an dem du dich... da... erfreust..."

„Rosi. Finger weg. Meiner", kam wieder meine Retterin in allerletzter Sekunde.

„Oh. Schau an. Du hast Geschmack, Süße. Na, wenn du hier bald arbeitest, werden wir uns sicher ganz oft sehen. Nichts ist von Dauer. Alles ändert sich. Alles wächst."

„Wie wahr...", bestätigte ich ihre Beobachtung, während Tanja noch kurz kicherte, bevor sie weiter wuppen musste.

„Dann bis bald", wurde ich erneut mit einem Küsschen auf die Wange verabschiedet. Erst dann ließ sie mich auch südlich los.

Tanja tauchte noch einmal schnell bei mir auf.

„Sorry, Lippe, ich kann dich nicht ständig vor den Stammkunden retten. Sei einfach du selbst, und dir wird schon nichts passieren. Basti, wo sind die Biere? Schlaf nicht ein, verdammt."

„Nein, das machen wir anders", gab ich kurzentschlossen bekannt. „Ich helfe euch, kostenfrei und unverbindlich. Ich zapfe, ihr macht den Rest."