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Amba - Ein Weihnachts-Special

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Julia kreischte vor Angst und riss die Augen auf. Was sie sah, versetzte sie in schieren Unglauben.

Da war er! Amba, der Tiger. Der Herrscher des Waldes.

Der Tiger war der größte, den sie je gesehen hatte und er hatte einen imposanten Backenbart. Bestimmt ein alter Kater. Er musste vom Kopf bis zum Rumpf fast drei Meter lang sein und bestimmt über dreihundertfünfzig Kilogramm wiegen.

Der Tiger kam geradewegs auf das Wildschwein zugestürzt. Seine Bewegungen waren geschmeidig und elegant und trotzdem kraftvoll, wie sie es nur bei einer Großkatze sein konnten. Beeindruckend war das herkuleische Muskelspiel, das sich unter seinem dichten Winterpelz abzeichnete. Dann holte er mit seiner riesigen Pfote aus. Julia konnte seine scharfen Krallen aufblitzen sehen. Er schleuderte den Keiler mit einem einzigen Prankenhieb mehrere Meter durch die Luft gegen einen Baum. Das Schwarzwild schrie schmerzerfüllt auf und Julia hörte, wie krachend die Knochen brachen. Das Wildschwein landete auf dem Boden und blieb regungslos liegen. Sie wusste sofort, dass das Wildschwein tot war. Mit einem einzigen Hieb hatte der Tiger ihm mühelos das Rückgrat gebrochen und ihr damit das Leben gerettet.

Der Tiger blieb auf dem Forstweg stehen und ließ ein vibrierendes Grollen ertönen. Im Schein der Taschenlampe leuchtete sein goldgelbes Fell warm auf. Die dunklen Streifen schienen sich darauf wie magische Schatten zu bewegen, als führten sie ein mystisches Ritual auf.

Dann drehte der Tiger sich zu ihr um, blieb regungslos stehen und schaute sie abschätzend an. Julia erwiderte seinen Blick und die Zeit schien still zu stehen.

Ihr war, als blickte ihr der Tiger direkt in ihre Seele. Als wüsste er, dass von ihr keine Gefahr für ihn ausging.

Seltsamerweise fühlte sie überhaupt keine Angst. Nur Demut. Sie verstand jetzt, warum der Tiger für die Udegen heilig war, weshalb er der uneingeschränkte Herrscher des Waldes war. Und anscheinend war Amba sich seines Status wohlbewusst. Er konnte tief in ihr Inneres sehen und wusste einfach alles, was in seinem Wald vor sich ging.

„Ich danke dir", flüsterte Julia kaum hörbar.

Und als ob der Tiger ihre Worte verstanden hätte, ließ er einen kehligen Laut erklingen. Er prustete.

Das Prusten war, wie sie wusste, der freundliche Begrüßungslaut der Tiger. Mütter ließen ihn erklingen, wenn sie zu ihren Jungen beispielsweise von der Jagd zurückkehrten. Und nun prustete dieser Tiger Julia an, als wolle er ihr sagen, dass er ihr kein Leid zufügen wollte.

Julia lächelte und erwiderte das Prusten.

Und dann kehrte der Tiger ihr auf einmal den Rücken zu und verschwand wieder in die Finsternis des Waldes so plötzlich wie er erschienen war. Der König war wieder in sein Reich zurückgekehrt.

Minutenlang wagte Julia es nicht, aufzustehen. Sie saß einfach nur da und verarbeitete das soeben Erlebte. War das alles gerade wirklich passiert? Oder hatte sie nur fantasiert?

Sie rappelte sich auf und klopfte sich den Schnee vom Körper. Ihre Beine zitterten.

Nein, sie hatte nicht geträumt. Deutlich zeichneten sich die Pfotenabdrücke des Tigers im Schnee ab. Sie war wirklich einem Amurtiger begegnet. Amba.

Nur langsam beruhigte sich ihr Pulsschlag wieder. Nachdem sie sich gesammelt hatte, lief sie zum Schlitten. Florian war noch immer darauf geschnallt. Zum Glück hatte er bei der Kollision des Wildschweins mit dem Schlitten nichts weiter abbekommen.

Er schlug die Augen auf.

„Florian!", rief Julia erfreut auf. „Da bist du ja wieder." Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

„Julia? Wo ...? Wo bin ich?", fragte er mit schwacher Stimme.

„Du hattest einen Unfall, als du die Kamera holen wolltest. Erinnerst du dich nicht mehr?"

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich an gar nichts erinnern", sagte er.

„Kein Wunder", informierte sie ihn. „Du hast dir den Kopf gestoßen und bist ohnmächtig geworden. Du wärst beinahe erfroren. Aber ich habe dich gefunden und jetzt wird alles wieder gut, mein Liebster."

„Mir brummt ganz schön der Schädel", sagte er.

„Das glaube ich dir", sagte sie. Dann fügte sie verschmitzt hinzu: „Ein bisschen verdient hast du es aber. Ich hab' dir gleich gesagt, dass du nachts nicht allein in den Wald gehen sollst."

„Ach, und das gilt wohl nicht für dich, was? Du bist doch auch allein in den Wald, oder etwa nicht?"

„Ja, um dich zu suchen. Wäre es dir etwa lieber gewesen, ich hätte dich dort liegen lassen?"

„Nein, auf keinen Fall", antwortete er.

Sie mussten beide lachen.

„Kannst du gehen? Oder muss ich dich den Rest des Weges weiter ziehen?", fragte sie.

„Ich glaube, es müsste gehen."

„Prima. Dann kannst du mich ja jetzt ein Stück ziehen. Ich kann nämlich nicht mehr."

Sie löste die Bandschlingen, mit denen ihr Freund immer noch am Schlitten fixiert war und er stand auf.

„Geht's?", fragte sie besorgt.

„Muss wohl", antwortete er. Die beiden tauschten die Plätze. Julia setzte sich auf den Schlitten und ließ sich das letzte Stück des Weges von ihm ziehen. Zum Glück hatte er sich bei seinem Sturz nicht weiter verletzt. Der Kopf dröhnte ihm und um die Wunde an seinem Bein würden sie sich später auch noch kümmern müssen. Aber er lebte. Sie beide lebten. Und nur das war wichtig.

„Weißt du, ich hatte einen irren Traum, als ich da auf dem Schlitten gelegen habe", sagte er nachdenklich.

„Ach ja? Was denn?"

„Da war ein Wildschwein", sagte er. „Und plötzlich tauchte ein riesiger Tiger auf und hat das Wildschwein vertrieben. Seltsamer Traum, findest du nicht auch?"

Wenn du nur wüsstest, hatte sie sagen wollen, doch stattdessen streckte sie nur den Finger aus und sagte: „Da!"

Vor ihnen stand die Hütte.

*******

Als sie wenig später müde ins Bett humpelten, sagte Florian: „Danke, dass du mich gerettet hast."

„Das würde ich immer wieder tun", entgegnete Julia, als sie, in einen flauschigen Bademantel gehüllt, aus dem winzigen Badezimmer kam. „Schließlich liebe ich dich."

Sie grinste. Dann sagte sie: „Außerdem wüsste ich schon, wie du dich revanchieren kannst."

Julia löste den Knoten des Gürtels. Der Bademantel glitt über ihre Schultern und fiel zu Boden. Nackt stand sie vor ihm. Verführerisch. Lockend. Er ließ es sich nicht nehmen, ihren schönen Körper zu bewundern, an dem er sich einfach nie satt sehen konnte. Ihr langes, feuerrotes Haar, die kleinen, straffen Brüste, der flache Bauch und der schmale Streifen kurz getrimmter Schamhaare, der ihm den Weg wies, versetzten ihn immer und immer wieder in Verzückung. Noch dazu hatte sie ein so großes Herz, sie war intelligent und die mutigste Frau, die er kannte. Immerhin war sie ganz allein aufgebrochen, um ihn, den größten Narren aller Zeiten, zu suchen und zu retten. Diese Frau war einfach in jeder Hinsicht perfekt und es wert, sie von ganzem Herzen zu lieben. Und genau das tat er.

Sie kroch zu ihm unter die Decke. Ihre aufgeregten Hände suchten seine vorfreudig pochende Erregung. Sie fanden sie und dirigierten sie ohne großen Umweg ans Ziel. Mühelos glitt er in sie und sie nahm ihn seufzend bereitwillig in sich auf.

Ihr gemeinsames Liebesspiel dauerte bis weit nach Mitternacht. Weil sein Bein noch immer schmerzte, übernahm Julia die Hauptarbeit und ritt ihn. Sie fanden einen gemeinsamen Rhythmus, schmiegten sich eng aneinander, stöhnten, küssten sich, hechelten. Mal schneller, mal langsamer. Sie ließen sich Zeit, denn sie hatten keine Eile. In der einsamen Wildnis warteten nichts und niemand auf sie. Deshalb bekam es auch niemand mit, als sie beide gemeinsam den Gipfel ihrer Erregung erklommen. Dieser Augenblick des Glücks gehörte nur ihnen beiden allein.

Erschöpft rollte Julia zutiefst befriedigt von ihm herunter und eng an ihn angekuschelt fiel sie sogleich in einen erholsamen Schlaf.

Am nächsten Morgen war Julia als erste wach. Sie schlüpfte in den noch auf dem Boden liegenden Bademantel, ging leise zur Kochecke und stellte heißes Wasser auf den Herd.

Heute war der erste Weihnachtstag. Julia schaute zum Fenster hinaus. Der Schneesturm hatte sich verzogen und draußen lag die verschneite Landschaft sanft und friedlich, als hätte es die vorige Nacht niemals gegeben. Die Glasscheibe war von filigranen Eisblumen überzogen, die im Morgenlicht der Sonne funkelten und glitzerten wie Diamanten, nur viel schöner und kunstvoller, weil keine wie die andere war.

Ein leises Poltern ließ sie aufhorchen, als Florian noch ganz verschlafen ins Zimmer hinkte.

„Guten Morgen", gähnte er. Noch immer sah man ihm die Anstrengungen der vergangenen Stunden an. Ein Bartschatten und die wirr in alle Richtungen abstehenden Haare erweckten einen Eindruck leichter Verwahrlosung. Seine Schultern hingen schlapp und kraftlos herunter, unter seinen Augen zeichneten sich blaue Augenringe ab und sein Gesicht war immer noch leicht angeschwollen. Aber immerhin war seine Haut nicht mehr ganz so fahl.

„Morgen, du Langschläfer", antwortete Julia. „Du siehst aus wie ein Penner", fügte sie verschmitzt hinzu, obwohl sie stark bezweifelte, dass sie selbst einen wesentlich besseren Anblick abgab. Auch sie spürte die letzte Nacht noch in sämtlichen Knochen.

„Das hört man gern", antwortete Florian.

„Tee?", fragte sie.

„Gern."

Er schlurfte zur Kochnische. Das Wasser kochte inzwischen. „Willst du auch einen?", fragte er.

„Ja, bitte", sagte sie.

„Die Kamera!", rief er plötzlich laut aus.

„Wie bitte?", fragte Julia irritiert.

„Die Kamera", wiederholte Florian sauer auf sich selbst, „ich wollte doch die Speicherkarte holen. Die ist immer noch in dieser blöden Kamera."

„Keine Sorge", sagte Julia. „Du bist weiter gekommen, als du dachtest. Die Kamera war genau an dem Baum befestigt, gegen den du geknallt bist. Du hattest sie quasi die ganze Zeit über vor deiner Nase und ich habe sie geholt."

„Wirklich? Und, hatten wir Erfolg?", fragte er aufgeregt.

Julia zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung, ich habe mir die Bilder noch nicht angesehen. Ich wollte es mit dir zusammen machen", sagte sie.

„Worauf warten wir dann noch?", fragte er.

Sie gingen gemeinsam zu ihrem Arbeitsplatz. Die Spannung war unerträglich, als der Laptop träge schnurrend aus seinem Schlummer erwachte.

Julia griff nach der diesmal wirklich allerletzten SD-Karte und steckte sie in den Kartenslot. Auf dem Bildschirm wurde ein Ordner geöffnet und Julia startete die Galerie.

Als sie etwa die Hälfte der Bilder durchgesehen hatten, breitete sich allmählich die Enttäuschung auf den Gesichtern der beiden Biologen ab.

Die Kamera hatte Hirsche, Rehe, Wildschweine, Sichelhühner, Streifenhörnchen, ein Moschustier, einen Luchs und einmal eine Amurkatze aufgenommen.

„Verdammter Mist", sagte Florian enttäuscht.

„Jetzt warte doch erst mal ab, noch haben wir nicht alle Bilder gesehen", sagte Julia wenig von ihren eigenen Worten überzeugt.

Als sie das vorletzte Bild öffneten, passierte für einige Sekunden gar nichts. Ungläubig starrten sie auf den Bildschirm, beinahe so als hätte die Kamera ein UFO eingefangen.

Aber es war kein UFO.

Sondern ein Amurleopard. So schön, so anmutig und elegant. Eine Kätzin. Ihr dichtes Fell changierte in den unterschiedlichsten Gelb- und Orangetönen und war von zahlreichen dunklen Rosetten überzogen, die an ihrem langen, buschigen Schwanz in schwarze Ringel übergingen. Das allein hätte schon gereicht, um die beiden in Sprachlosigkeit zu versetzen. Aber die Leopardin war nicht allein. Dicht an sie geschmiegt folgte ihr ein Junges, vielleicht ein Jahr alt. Es war eine Mutter mit Jungtier!

Dann brach Freudenjubel aus. Konnte es ein schöneres Geschenk zum Weihnachtsfest geben? Schluchzend fielen sie sich in die Arme und ließen ihren Emotionen freien Lauf.

„Wir haben es geschafft!", jauchzte Florian und küsste sie.

„Ja, ja, ja", rief Julia immer wieder ganz euphorisch auf und ab hüpfend aus und glückliche Tränen liefen ihr übers Gesicht.

All die Mühen hatten sich gelohnt. Vergessen waren all die Belastungen und Strapazen. Der Leopard war wieder im Tal des Bikin heimisch und er vermehrte sich sogar. Welch ein Erfolg für den Naturschutz!

Aber ein Bild gab es noch, das sie noch nicht gesehen hatten.

Julia wechselte zur letzten Aufnahme. Sie erkannte ihn sofort wieder.

Er war es. Amba, der große Sibirische Tiger, der ihr und Florian das Leben gerettet hatte. Majestätisch, wie es sich für den Gebieter des Waldes geziemte, stolzierte der alte Tiger-Kater an der Kamera vorbei. Er würdigte sie keines Blickes, als wäre er sich all seiner Kraft und Stärke bewusst und als wäre die Kamera ihm schlicht gleichgültig. Ehrfurchtsvoll betrachtete sie das Bild, das die Kamera von ihrem Lebensretter aufgenommen hatte.

Hoffentlich würde sie sich eines Tages bei ihm revanchieren können und sie dachte an all die Gefahren, die Amba und all seine Untertanen bedrohten: die Abholzung der Wälder, illegale Wilderei, die Gier nach Bodenschätzen und auch der menschengemachte Klimawandel. Vielleicht, so glaubte sie, hatte der Tiger sie ja genau deshalb gerettet, damit sie ihm beim Schutz des Waldes helfen konnte? Damit der König des Waldes auch zukünftig ein Reich hatte, das er regieren konnte.

Julias Hand griff unter dem Tisch nach Florians und drückte sie sanft.

Leise sagte sie: „Fröhliche Weihnachten."

ENDE

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  • KOMMENTARE
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7 Kommentare
AnonymousAnonymvor mehr als 2 Jahren

Wieder eine sehr schön erzählte Geschichte. Ich hätte noch gerne länger gelesen, aber da ja die Fortsetzung von „Argonauta“ bald kommt, geht meine Vorfreude dahin.

RembremerdingRembremerdingvor mehr als 2 Jahren

Eine wunderschöne Geschichte, danke dafür!

jane2902jane2902vor mehr als 2 Jahren

Danke, dass du diese schöne Weihnachtsgeschichte mit un geteilt hast.

AnonymousAnonymvor mehr als 2 Jahren

Sehr anschaulich und spannend erzählt!

VeloAddictVeloAddictvor mehr als 2 Jahren

Eine großartige Geschichte, spannend erzählt. Endlich ein Author, der weis was ein Spannungsbogen und der deutschen Sprache mächtig ist. Danke für die Mühe. Frohe Weihnachten.

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