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Angelika 01

Geschichte Info
Alte Liebe rostet nicht
14.1k Wörter
4.7
9k
3

Teil 1 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 02/13/2024
Erstellt 01/25/2024
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Vorwort: Diese Geschichte habe ich zwar geschrieben, aber sie ist nicht von mir. Es sind meine Worte, meine Ausdrucksweise. Aber die Handlung kommt von Angelika.

Angelika ist eine LIT-Leserin, die durch meine Fortsetzungsgeschichte von Anette und Uwe (siehe Echte Liebe) inspiriert wurde, auch etwas zu schreiben. Schreiben? Das ist bei der 28jährigen Angelika leichter gesagt als getan. Sie lebt seit vielen Jahren mit einem Handikap und das Schreiben fällt ihr schwer, an manchen Tagen ist das gar nicht möglich. Also hat sie Tondokumente erstellt und einfach, so wie ihr gerade zumute war, ihre Geschichte in Worte gefasst.

Über eine kurze E-Mail hat sie mit mir Kontakt aufgenommen. Wir haben daraufhin telefoniert und uns später über WhatsApp unterhalten. Sie äußerte einen ungewöhnlichen Wunsch. Sie bat mich, aus ihren vielen, vielen kurzen und längeren Tondokument eine Geschichte zu schreiben. Nach einigem Hin und Her habe ich dann zugestimmt, mir eine solche Audiodatei einmal anzuhören und zu versuchen, daraus einen Text zu machen. Zur Info: Ich bekomme keine fertigen Geschichten, die ich nur abzutippen brauche. Nein, es sind Gedanken und Gedankenspiele, die ich in eine Reihenfolge bringe und dann in Worten fasse.

Aber ich muss zugeben: Es machte mir Spaß, ihren Gedanken zu folgen. Einfach die Augen zu schließen, zuzuhören und in die Geschichte einzutauchen. Es dauerte länger, als ich gedacht hatte. Ich brauchte ein Storybook, einen Plan, einen roten Faden. Und das eine oder andere Gespräch mit Angelika war nötig, wie sie etwas gemeint hatte. Waren ein paar Seiten fertig oder vielleicht auch ein ganzes Kapitel, dann schickte ich es ihr zur Freigabe. Im Dezember 2022 habe ich mir die erste Geschichte angehört, und jetzt nach etwas mehr als einem Jahr bin ich fertig und kann Angelikas Wunsch erfüllen.

Wir haben lange darüber gegrübelt, wann wir die Geschichte beginnen lassen. Am 29.07.1981 als sich die Protagonisten das erste Mal begegneten und sich ineinander verliebten. Oder 35 Jahre später, als sie sich zufälligerweise wiedertrafen. Und Angelika hat sich dann entschieden: wir beginnen am 11. April 2016 und lassen die vergangenen Jahre in verschiedenen Rückblicken aufleben.

Etwas hat mich von Anfang an überrascht: Ein wenig orientiert sich die Geschichte, gerade bei ihrem Kennenlernen, an Anette und Uwe. Die Geschichte dieser Beiden hätte vielleicht genauso enden können. Einfach verrückt, wenn ich darüber nachdenke ... Aber nein: Meine Geschichte ist abgeschlossen. Erfreut Euch jetzt an den Gedankenspielen von Angelika.

Und noch etwas. Der obligatorische allgemeine Hinweis: „Bei der Ausübung sexueller Handlungen sind alle Beteiligten älter als 18 Jahre."

*

Angelika 01 - Alte Liebe rostet nicht

Beginn der Geschichte: Montag, 11. April 2016

Annegret Heunisch, geborene Neuendorf, von allen nur „Anne" genannt, verbrachte wie jeden Tag in den letzten Jahren, ihre Mittagspause in dem Stehcafé einer Bäckerei. Bei einem großen Kaffee und einem Croissant, dachte die jetzt 50jährige über ihre Ehe nach. Sie stand kurz davor, alles hinzuwerfen und sich scheiden zu lassen. Ihr Mann war, vornehm ausgedrückt, ein Angeber, Versager und ein Nichtsnutz. Er war, als sie ihn kennenlernte, ein charmanter und zuvorkommender Kavalier und hatte einen Beruf, in dem er etwas hätte werden können. Beschäftigt in der Personalabteilung eines weltweit tätigen Unternehmen mit „S" bestand die Möglichkeit, auch ohne Studium, bis zum stellvertretenden Personalleiter für Süd-Deutschland aufzusteigen.

Aber nein, er musste ja dort kündigen und der schnellen Mark nacheilen. Er fiel auf einen windigen ‚Headhunter' herein, der ihm weismachte, als Selbständiger dauerhaft viel Geld zu verdienen. Und jetzt? Jetzt kontrollierte er selbständig die Regale in Supermärkten und Tante-Emma-Läden, ob Chips, Toastbrot und andere verderbliche Waren abgelaufen waren und tauschte diese aus. Sie verdiente zum Glück in ihrem Beruf als „Frau für alles" in einem großen Industriebetrieb recht gut, musste aber für seine Großkotzigkeiten immer wieder herhalten. So finanzierte sie seinen Protz-BMW mit oder steuerte einen beträchtlichen Teil für sein neuestes iPhone bei.

Er war schon vor zwei Jahren aus dem ehelichen Schlafzimmer ausgezogen und schlief in einer kleinen Kammer. Als Begründung gab er an, dass ihn ihr Schnarchen störte. An Sex war so gut wie gar nicht mehr zu denken. Wenn er überhaupt einmal auf sie Lust verspürte, dann war es immer ein liebloses Gestoße, dass sie über sich ergehen ließ. Und seit mehr als einem Jahr verweigerte sie sich ihm und es schien ihm nichts auszumachen. Für ein bisschen Spaß hatte sie sich einen Dildo zugelegt, mit dem sie ihre Nächte verbrachte.

Lange konnte und wollte sie das nicht mehr aushalten und sie hatte schon einmal im Internet nach Scheidungsanwälten in ihrer Gegend gegoogelt. Sie würde ausziehen und als Zwischenlösung wieder bei ihren Eltern wohnen. Aber das musste sie ihnen erst noch beibringen. War es doch gerade ihre Mutter Inge, die auf ihren jetzigen Mann Thomas von Anfang an so große Stücke hielt.

Sie stand an einem der großen Fenster des Cafés und sah aus dem Augenwinkel heraus, einen Mann, dessen Bewegungen und dessen Gang sie an jemanden erinnerte. Das Gesicht konnte sie nicht erkennen, aber diese Person kam herein und bestellte sich an der Verkaufstheke einen Kaffee. „Ist er es, oder ist er es nicht?" Dann hörte sie eine Floskel, die diese Person schon früher immer angebracht hatte: ‚Schwarz bitte, wie die Füße, und ungesüßt!' „Oh mein Gott," dachte sie sich, „er ist es!"

Der Mann nahm seinen Kaffee und suchte sich einen freien Platz. Annegret stand im Gegenlicht, so dass er sie nicht erkennen konnte, auch wenn er in ihre Richtung schaute. Als er in ein paar Meter Entfernung an ihr vorbeiging, sagte sie leise, aber laut genug, dass er es hören konnte: „Hallo, Basti!" Er blieb stehen, trat in den Schatten und drehte sein Gesicht zu ihr. Die Freude und das herzliche Lachen, dass er dann zeigte, war echt und kam von innen heraus.

„Anne, Kleines, was machst Du denn hier!" „Er nennt mich immer noch ‚Kleines'," schoss es ihr durch den Kopf. Er stellte seinen Kaffee auf den Stehtisch und breitete seine Arme aus. „Darf ich," fragte er, und beugte seinen Kopf leicht nach rechts. Dabei lachte er sie weiter an und wartete auf ihre Reaktion. „Natürlich," sagte sie leise und ließ sich von ihm umarmen. Als sie merkte, dass er seinen Griff lockerte, umschlang sie ihn noch einmal und drückte ihn fest. Dabei atmete sie seinen Duft ein, den Duft eines herben Rasierwassers.

„Mittagspause, ich arbeite hier in der Nähe," beantwortete sie seine Frage. „Und Du?" „Ich warte darauf, dass mein Auto endlich fertig wird. Da drüben, in der Werkstatt. Aber jetzt bin ich denen dankbar, dass sie mich mit dem Termin versetzt haben. Wir hätten uns sonst nicht getroffen." Er trank einen Schluck von seinem Kaffee und fragte sie dann: „Erzähle, wie geht es Dir." „Gut danke, Bestens," log sie. Und er merkte sofort, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte.

Er legte seine Hand auf ihre und sie schaute ihn überrascht an. Leise sagte er zu ihr: „Du konntest noch nie gut Lügen. Schon früher nicht. Wenn Du reden möchtest, ich höre Dir zu." Allein mit diesen paar Worten, brachte er sie außer Fassung. Das war ihr ‚Großer' wie sie ihn kennen und lieben gelernt hatte. Ein Mann, der sofort wieder ihr Vertrauen genoss. „Hier nicht," flüsterte sie, „hier nicht." „Und wann und wo?" Basti ließ nicht locker. „Wenn Du Dir das wirklich antun möchtest, dann treffen wir uns um halb fünf vor dem Kaufhof." Er nickte und schaute sie weiterhin an. „Ich bin pünktlich," versprach er ihr. Sie wartete darauf, dass er ihr so wie früher mit seiner Hand zärtlich über das Gesicht streichelte. Aber leider ... „Ich muss jetzt zurück ins Geschäft." Zum Abschied gab es eine kurze Umarmung und sie hatte das Gefühl, dass er ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange gab. Oder war das nur Einbildung, weil sie es sich so gewünscht hatte.

*

Sebastian „Basti" Haller war ein Jahr älter als Anne. Die Zwei hatten sich am 29.07.1981 kennen und lieben gelernt. Dieses Datum konnte er nicht vergessen. Nicht nur wegen Anne. Nein, an diesem Tag flog er vom Gymnasium. Seine Noten entsprachen nicht mehr dem Anspruch der Schule. „Der Schüler darf nach § 21 Abs. 2 Buchst. a und d der Schulordnung die Klasse nicht wiederholen", stand als letzter Satz auf seinem Zeugnis. Er war das zweite Mal nacheinander durch die 8. Klasse gefallen. Auch mit seinem Betragen war der Lehrkörper nicht immer einverstanden. Sebastian galt als ‚diskussionsfreudig' und sein Gerechtigkeitsempfinden machte ihn zwar zum Klassensprecher der ‚8f', aber auch zum Buhmann bei allen Lehrern und vor allen Dingen bei dem Direktor dieser Lehranstalt.

Die Schule war ihm an diesem und an den nächsten Tagen egal. Seine Eltern wurden über sein Scheitern vorgewarnt und man hatte sich bereits für den zweiten Bildungsweg entschieden, damit er doch noch das Abitur erlangte. Sie glaubten dem Versprechen ihres Sohnes, sich ab sofort ‚auf den Hosenboden' zu setzen und für seine Zukunft zu lernen.

Und an diesem 29. Juli 1981 lief ihm das schönste Mädchen auf dem Erdball über den Weg. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für ihn nur eine schöne Frau, eine richtig schöne Frau: Claudia Cardinale als Jill McBain in dem Kultwestern „Spiel mir das Lied vom Tod". Aber diese jetzt vor ihm stehende Annegret Neuendorf ähnelte seinem Schwarm in vielen Dingen. Haare, Augen, Oberweite und der süße Po entsprachen genau seinem Geschmack.

Und sie? Sie hatte ihn damals überrascht angeschaut, als er sie fragte, ob er sich zu ihr auf die Bank setzten dürfte. Es waren noch andere Bänke frei, aber er wollte sie kennenlernen. Sie schaute ihn an und allein vom Aussehen her, war er ihr symphytisch. Er gehörte nicht zu diesen 0-8-15-Bubis, die sich zwar als Supertypen fühlten, aber von einem richtigen Mann noch weit entfernt waren. Sie war sich sicher, er war da anders und als sie in seine braunen Augen blickte, konnte sie sich darin verlieren.

Er war ein knappes Jahr älter als sie. Seine Haare waren lang und lockig. Er trug eine Jeansjacke und darunter ein etwas zu kurzes T-Shirt, was den Blick auf die Härchen freigab, die von seinem Schambereich bis zum Bauchnabel reichten. Seine Figur war nicht besonders kräftig, aber auf sie wirkte er unheimlich erotisch. Seine Jeans war enger als bei vielen anderen Männern und auf der linken Seite zeichnete sich seine Männlichkeit ab.

Und dieser junge Mann saß jetzt neben ihr auf der Bank und lächelte sie mit seinen blendend weißen Zähnen an. „Ich heiße Basti, und Du?", begann er das Gespräch. „Ich nicht," lachte sie und schaute in sein verdutztes Gesicht. „Schei ... benkleister, Du hast mich drangekriegt," lachte er mit ihr. „1 zu 0 für Dich!" „Ich heiße Anne," und sie merkte, durch diesen kleinen Scherz war das Eis bei ihr gebrochen. Er hatte ihr Interesse geweckt. Sie unterhielten sich über dies und das und sie konnte nicht verstehen, dass er trotz seines schulischen Scheiterns so gut gelaunt war.

„Ich würde Dich gerne wiedersehen. Darf ich Dich anrufen, damit wir uns verabreden?", fragte er sie, als es Zeit war, sich zu verabschieden. „Ja prima!", sagte sie gleich. „Und die Nummer?" „Steht im Telefonbuch!" Beide grinsten, wussten sie doch, wie der Dialog weiterging. „Und Dein Name?" „Steht auch im Telefonbuch!" Beide lachten über den alten Scherz und sie stieß ihn mit ihrer Schulter an. Er holte aus seiner Tasche einen kleinen Notizblock und schrieb ihr seinen Namen und seine Nummer auf.

Dann wartete er darauf, dass er ihre Nummer bekam. „Annegret Neuendorf genannt Anne", und dabei schaute sie ihm ins Gesicht. „Sei es drum, ja, ich gebe ihm meiner Nummer," ging es ihr durch den Kopf. „Versuche mal die 09306 390." Als sie sich zum Abschied die Hand gaben, durchfuhr sie ein Stromschlag. „Ich rufe Dich heute noch an," versprach er ihr und sie glaubte ihm sofort.

*

Und dieser Sebastian Haller hatte jetzt die große Liebe aus seiner Jugend wiedergetroffen. Er ließ sich viel Zeit in dem Café und die Geschichte ihres Kennenlernens zog wie ein Film an ihm vorbei. Später holte er sein Auto aus der Werkstatt und fuhr zurück ins Büro. Er arbeitete als EDV-Leiter in einer Behörde und hatte in dieser Stellung alle Freiheiten der Welt. Er war oft unterwegs und so fiel seine späte Rückkehr an diesem Tag niemanden auf. Gegen 16 Uhr machte er Feierabend, stieg in seinen alten, aber bar bezahlten Renault Megan, und fuhr in das Parkhaus in der Nähe des vereinbarten Treffpunkts.

Er lehnte sich an das Schaufenster neben dem Haupteingang und wartete auf Annegret. Nahezu pünktlich kam sie mit schnellen Schritten auf den Eingang zu und erst als sie ihn erblickte, verlangsamte sie ihren Schritt und verfiel in ein Schlendern. „Hallo, da bin ich," sagte sie mit einem Augenaufschlag, bei dem er vor 35 Jahren schon schwach geworden war. Er umarmte sie kurz und flüsterte ihr ein „Ich freu´ mich," zu. „Gehen wir ins ‚Dalmatia'? Da sitzt man sehr schön und wir können später auch noch eine Kleinigkeit essen."

Sie schaute ihn an und überlegte. Das ging doch jetzt sehr schnell mit ihrem Ex-Freund. Aber ... Ihr Mann kam heute nicht vor 21 Uhr nach Hause und sie hatte reichlich Zeit. Vor allen Dingen: Sie wollte reden und er wollte zuhören. Sie brauchte eine Person, der sie endlich mal ihr Herz ausschütten konnte. Und wenn das Sebastian war, dann war es so. Das ausgewählte Restaurant schien ein Stammlokal von ihm zu sein, denn nach ein paar kurzen Worten bekamen sie einen Tisch in einer Nische, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt waren.

Nach ihrer Getränkebestellung, ein Wasser für Anne und für ihn ein alkoholfreies Weißbier, begann sie zu erzählen und je länger ihre Geschichte dauerte, umso mehr gab sie von sich und ihrer verkorksten Ehe preis. Sie hielten sich irgendwann über dem Tisch an den Händen und Sebastian hörte aufmerksam zu. Als sie nach einer endlosen Zeit aufhörte, schaute sie ihn an. Keine Langeweile konnte sie in seinem Blick erkennen, nur eine gehörige Portion Mitleid und viel Verständnis.

„Was würdest Du mir raten?" fragte sie ihn leise. Er holte kurz aus und erzählte ihr, dass er bisher immer die Reißleine gezogen hatte, bevor seine beiden Ehen endgültig gescheitert waren. „Zwei Ehen," fragte Anne und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja, die Erste hielt 12 Jahre und bei der Zweiten war nach 5 Jahren Schluss. Jede Scheidung verlief friedlich und ich kann heute noch mit meinen Exfrauen zum Kaffeetrinken gehen, ohne dass wir uns zerfleischen."

„Du meinst also, ich sollte einen Schlussstrich ziehen?", fragte sie noch einmal. Als Antwort kam von ihm nur ein Nicken, um dann noch zu ergänzen. „Und versuche, bei Deinen Eltern unterzukommen. Da bist Du am besten aufgehoben. Sprich zuerst mit Deinem Vater. Der war immer schon der Vernünftigere von den Beiden!"

Sie bestellten gegen 18.30 Uhr ihr Essen und Sebastian versuchte, sie durch kleine Geschichten, die sie früher gemeinsam erlebt hatten, aufzuheitern. Er hatte danach das Gefühl, dass ihm das sehr gut gelungen war, denn sie lachte so manches Mal herzlich über die alten Erlebnisse. Gegen 20 Uhr brachte er sie zum Bus, der sie in ihren Wohnort brachte. Dass er sie nach Hause fuhr, lehnte sie vehement ab.

Als sie ihre Haustür aufschloss, merkte die gleich, dass ihr Mann noch nicht da war. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, und ließ den Tag noch einmal an sich vorbeigleiten. Sie hatte es heute schon ein paar Mal gespürt: Dieses vertraute Gefühl, wenn er ihr zuhörte oder sie berührte. Würde sie sich erneut in ihn verlieben? Warum war es damals nach vier Jahren ihres gemeinsamen Weges auseinandergegangen?

Auslöser war ihre Mutter. Da war sie sich immer noch sicher. Die mochte Basti nicht. Von Anfang an nicht. Und es wurde nie besser. Er war ein Sitzenbleiber, ein Habenichts, einer mit einer großen Klappe, der es sich nicht nehmen ließ, jede und jeden mit seinen revolutionären Ansichten bekehren zu wollen. Er trug seine Haare zu lang und er kleidete sich ordinär. Allein schon seine knallengen Jeans, die seine Männlichkeit so sehr betonte.

Mit ihrem Vater Hermann war er schnell per ‚Du'. Die Mutter machte erst gar keinen Versuch, ihn zu duzten. Sie blieb auch nach Jahren beim förmlichen ‚sie' und er nannte sie immer mit spöttischem Unterton „Frau Neuendorf". Andere jungen Männer in seinem Alter hatten schon ein Auto, einer fuhr sogar einen Sportwagen, einen ‚Capri'. Und er? Er knatterte mit einem alten Moped ohne Nummernschild durch die Gegend. Er hatte für dieses stinkenden Ding noch nicht einmal Papiere. Wer weiß, vielleicht war es sogar geklaut!

Und Ingeborg Neuendorf setzte alles daran, die Beiden auseinanderzubringen. Sie schaffte es tatsächlich ein paar Mal, aber nach ein oder zwei Wochen, waren Anne und Basti wieder zusammen. Das letzte Mal hatte sie sogar schon einen neuen Freund. So einen mit wohlhabenden Eltern, der sie mit einem Mercedes abholte. Und mit wem fuhr ihre Tochter trotz der Trennung noch in Urlaub nach Spanien? Nur weil dieser vorher schon gebucht war? Mit diesem Niemand Sebastian Haller. Aber danach war wenigsten für immer Schluss, diese Befriedigung hatte sie wenigstens.

Und dieser Urlaub? Anne musste lächeln, als sie daran dachte. Sie hatten keine Probleme damit, zusammen ein Doppelzimmer zu beziehen, obwohl er als auch sie in neuen Beziehungen lebten. Nach dem Einchecken und dem Auspacken der Koffer, legte sie sich auf das Bett, während er vom Balkon aus die Umgebung betrachtete. Als er zurück ins Zimmer kam, hatte sie sich entspannt ausgestreckt und die Augen geschlossen. Sie war für einen Moment eingenickt.

Er legte sich zu ihr und streckte seine Hand aus. Und sie rutschte im Halbschlaf näher an ihn heran und kuschelte sich ganz unbewusst an ihn. Ihre Körper rieben sich aneinander und als er anfing, sie zärtlich zu küssen, wachte sie langsam auf und schnurrte, ohne es wirklich zu merken, wie ein Kätzchen. Vorsichtig berührten seine Lippen ihre Stirn, ihre Wangen, ihre Nasenspitze, ihr Kinn und dann, nach einer für sie unendlich langen Zeit, ihre Lippen. Sie öffnete ihren Mund und schob ihre Zungenspitze hindurch. Seine war schon auf dem Weg zu ihr und als sie sich trafen, versanken sie in eine Welle der Zärtlichkeiten. ...

„Er hatte es wieder geschafft, mich ´rumzukriegen, zu verführen! Er war schon ein toller Liebhaber," ging es ihr durch den Kopf. „Zärtlich, potent und immer mit neuen Einfällen."

Sie wurde aus ihren Träumen gerissen, denn die Haustür wurde laut geöffnet. Ihr Mann kam von seinem Training zurück. Nicht, dass er großartig Sport treiben würde. Bei seinem Training ging es mehr um Prahlerei und ums Saufen. Sie stand auf, sagte kurz, ohne ihn anzusehen ‚gute Nacht' und verschwand im Bad. „Morgen rede ich mit meinem Vater. Und dann gehe ich zum Anwalt." Ihr Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen, stand fest.

*

Als sie am anderen Morgen aufstand und sich für ihren Job schminkte und anzog, schlief ihr Mann noch. Während der ganzen Busfahrt dachte sie an Sebastian und freute sich schon auf ihre Mittagspause. Er hatte ihr versprochen, sie mittags im Café zu treffen. Und er hielt sein Versprechen. Als er neben ihr stand und seine Hand auf ihre legte, teilte sie ihm ihren Entschluss mit. „Ich fahre heute Abend zu meinen Eltern und erzähle ihnen von meinen Scheidungsabsichten. Dann frage ich sie, ob ich die nächsten Wochen bei ihnen wohnen kann. Bis ich etwas anderes für mich gefunden habe." „Soll ich Dich begleiten oder wenigsten hinfahren?", bot er sich an. Sie überlegte kurz und sagte dann zu. „Wenn Du mich begleiten würdest, bekäme meine Mutter einen Herzinfarkt. Aber hinfahren geht. Lass mich bitte an der Ecke aussteigen." Er nickte und meinte beiläufig: „Und um 16 Uhr hole ich Dich von der Firma ab." Sie wollte widersprechen, aber er legte ihr seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und nickte. Sie wusste immer noch, wann sie bei ihm einfach mal den Mund halten sollte.