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Argonauta Kapitel 08-11

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„Nun, so eine Expedition erfordert einiges an Vorplanung. Alles muss sehr genau vorbereitet werden und natürlich müssen auch Gelder bewilligt werden, um die Ausrüstung zu finanzieren."

„Was das betrifft, seien Sie unbesorgt. Ich habe eine Mannschaft, die bestens ausgerüstet ist. Es fehlen nur noch Sie."

„Dann vereinbaren wir am besten einen Termin", sagte Singer ausweichend, „wir besprechen die Details ein anderes Mal. Ich bin sicher, dass ich in naher Zukunft ein paar Wochen frei machen kann, um Sie zu unterstützen."

„Oh nein, Herr Professor. Ich muss darauf bestehen, dass Sie jetzt gleich mit mir hier zur Tür hinausgehen und mich begleiten."

„Das ist unmöglich!", beharrte Singer und lehnte entschieden ab. „Wie gesagt, heute geht gar nichts mehr. Ich muss jetzt gehen."

„Vielleicht haben Sie noch nicht richtig verstanden", sagte Jürgens eindringlich. Sein Tonfall klang nun überhaupt nicht mehr freundlich, im Gegenteil. Er klang gereizt und knurrte: „Das war keine Bitte. Sie kommen jetzt mit mir. Entweder freiwillig, oder ich zwinge Sie dazu."

„Drohen Sie mir etwa?"

Jürgens schob dem Professor ein weiteres Bild über den Tisch. Singer erblickte das Gesicht einer jungen Frau und wurde kreidebleich. „Lucie!", sagte er überrascht. Das Foto zeigte seine Tochter. Es war aus der Ferne durch das Wohnzimmerfenster ihrer Wohnung in Sydney aufgenommen worden. Das Bild erweckte den Anschein als habe Lucie keine Ahnung gehabt, dass man sie beobachtet hatte.

„Was haben Sie mit meiner Tochter gemacht?", fragte Singer zornig, die Hände zu wütenden Fäusten zusammengeballt, dass die Knöchel weiß hervortraten.

„Noch gar nichts, das versichere ich Ihnen. Ich hoffe sehr, dass es Ihnen genügt, dass wir über Ihre Familie sehr genau im Bilde sind, um Sie zur Kooperation zu bewegen. Wenn Sie sich weiterhin weigern, verspreche ich Ihnen aber, dass wir Lucie und Ihrer Frau Lydia sehr wehtun werden."

„Sie Schwein!", schrie Singer laut auf. „Das wird Ihnen noch leidtun."

„Das bezweifle ich. Was ist nun, muss ich Sie etwa zwingen, mit mir zu kommen?"

Die Tür ging auf.

Bitte, dachte Singer, lass es den Hausmeister oder jemand anderes sein, der dir dabei hilft, diesen Irren der Polizei zu übergeben.

Doch es war nicht der Hausmeister. Es war ein jugendlicher Mann, der eine Pistole in der Hand hielt und direkt auf Singer richtete.

Als Jürgens den Mann erblickte, lächelte er freundlich und sagte zu ihm: „Ah, Renner. Schön, dass Sie da sind. Leider ließ sich unser Freund hier von mir nicht so richtig davon überzeugen, dass es besser in seinem Interesse wäre, mit uns zusammen zu arbeiten."

„Hab' ich Ihnen doch gleich gesagt, Sir, dass wir bei dem Wichser mit leeren Drohungen nicht weit kommen werden."

„Ja, das haben Sie in der Tat gesagt. Nun denn, dann bitte, versuchen Sie doch ihr Glück."

Renner grinste breit, kam bedrohlich nahe. „Tja, mein Boss ist bisher ziemlich höflich gewesen. Ich bin nicht so nett, glauben Sie mir."

Er hatte die Waffe immer noch auf Singer gerichtet. Verzweifelt suchte Singer nach einem Ausweg. Ihm fiel der ziemlich schwere Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch ein. Langsam und möglichst unauffällig schob er seine Hand näher. Wenn er ihn nur zu fassen bekäme, dann ...

„Lassen Sie das schön bleiben", zischte Renner. Plötzlich gab Renner einen Schuss ab. Die Kugel schlug nur wenige Zentimeter vor Singers Hand mit einem lauten Knall, als habe man mit voller Wucht lautstark eine Tür zugeknallt, in das Holz des Schreibtisches ein. Singer zuckte erschrocken zurück als hätte er sich an einer heißen Herdplatte verbrannt. Obwohl Renner einen Schalldämpfer auf den Lauf der Pistole aufgeschraubt hatte, klingelte es in Singers Ohren.

„Der nächste Schuss geht nicht daneben, Professor", sagte Renner mit finsterem Blick.

Dann hob Renner den Arm mit der Waffe in die Luft, holte weit aus und schlug mit voller Kraft den Lauf seiner Pistole gegen Singers Kopf. Mit einem dumpfen Schlag fiel Singer augenblicklich auf den Boden. Blut sickerte aus einer Platzwunde an seinem Kopf und färbte den Teppich rot ein.

„Verdammt, Renner! Ich hatte gesagt, möglichst leise und unauffällig! Das hier war keines von beidem.", sagte Jürgens wütend.

„Sorry, Boss. Aber der Wichser hat es nicht anders verdient. Wir hätten sonst noch ewig hier festgesessen."

„Ist schon gut, schaffen Sie ihn hier weg. Aber bitte diesmal wirklich leise und unauffällig. Achten Sie darauf, dass Sie von keiner Kamera aufgenommen werden. Dann bringen Sie Singer zu dem vereinbarten Ort und versorgen seine Wunde. Geben Sie ihm eine Tablette gegen die Kopfschmerzen und etwas zu Essen und zu Trinken. Wir brauchen ihn noch. Und schicken Sie ein Team, dass hier aufräumt und die Spuren beseitigt."

„Geht klar, Boss."

Jürgens stand auf und steckte die Dokumente auf dem Schreibtisch wieder in seine Aktentasche. Er wandte sich um zum Gehen.

„Was machen wir mit seiner Frau und seiner Tochter?", fragte Renner.

„Gar nichts", sagte Jürgens. „Wir wollen nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen als wir ohnehin schon getan haben. Es reicht vollkommen aus, wenn Singer denkt, dass wir seinen Liebsten etwas antun könnten. Notfalls können wir uns die beiden später immer noch holen."

Dann verließ Jürgens den Raum und schlenderte den Gang entlang, trat ins Freie und pfiff vergnügt ein Liedchen. Die Sonne schien so schön. Heute war wirklich ein herrlicher Tag. Nur nicht für Professor Donald Singer.

Kapitel 9: Vorbereitungen

Mittwochmorgen. Es war noch nicht ganz sieben Uhr und die Temperaturen waren schon jetzt beinahe unerträglich heiß. In der Nacht hatte es sich gar nicht abgekühlt und Julia kaum ein Auge zugetan. Sie hasste tropische Nächte. Völlig verschwitzt hatte sie sich in ihrem Bett ständig von einer Seite auf die andere gewälzt und hatte doch nicht schlafen können. Schließlich hatte sie es nicht mehr ausgehalten und war aufgestanden und unter die Dusche gesprungen. Dann war sie nach draußen gegangen, um die wenigstens einigermaßen erträglichen Morgenstunden zum Joggen zu nutzen. Auf ihrem Rückweg hatte sie sich bei einem Bäcker um die Ecke ein paar Brötchen und die neueste Ausgabe der hiesigen Tageszeitung geholt. Dann war sie wieder in ihre kleine Wohnung zurückgekehrt, erneut unter die Dusche geschlüpft und anschließend nackt und noch mit nassen Haaren in die Küche gelaufen, um ein Frühstück vorzubereiten.

Während sie darauf wartete, dass in einem Wasserkocher das Wasser für eine Tasse schwarzen Tee heiß wurde, saß Julia immer noch splitternackt am gemütlichen Küchentisch und überflog die aktuellsten Meldungen aus der Zeitung. Die Titelstory drehte sich um einen mysteriösen Mordfall.

Vor einigen Tagen, so las Julia, sei ein langjähriger Leiter einer Filiale der Australian National Bank in seinem Auto erstochen und dann zusammen mit seinem Wagen im Brisbane River versenkt worden. In dem Artikel hieß es, dass die Polizei bislang im Dunklen tappe und die Spurensicherung keine verwertbaren Spuren habe entdecken können. Ein Polizeisprecher versicherte, dass man alle nur erdenklichen Anstrengungen unternehme, um den oder die Täter zu finden.

Eine Seite weiter las Julia von einem schrecklichen Autounfall, bei dem ein LKW mit überhöhter Geschwindigkeit frontal mit einem Familien-Van zusammengestoßen sei. Mit Ausnahme eines kleinen Mädchens, das wie durch ein Wunder kaum Verletzungen davongetragen habe, seien sämtliche Fahrzeuginsassen des Vans auf der Stelle tot gewesen. Die Polizei ermittle nun gegen den fünfundvierzigjährigen LKW-Fahrer, der selbst nur leichte Verletzungen davongetragen katte, wegen Totschlags.

Drei Seiten weiter berichtete die Zeitung davon, dass fünfzig Kilometer westlich von Sydney ein schwerer Waldbrand ausgebrochen sei und zahlreiche Hektar Eucalyptuswald sowie eine Rinderfarm den Flammen zum Opfer gefallen seien. Inzwischen habe die örtliche Feuerwehr den Brand jedoch unter Kontrolle und es habe keine menschlichen Brandopfer gegeben, hieß es. Noch könne jedoch keiner abschätzen, wie hoch der entstandene Schaden sei. Wahrscheinlich sei ein achtlos weggeworfener, glühender Zigarettenstummel die Brandursache gewesen, sodass man von fahrlässiger Brandstiftung ausginge.

Julia schüttelte sich. Überall war es das Gleiche. Egal, in welchem Land der Erde man die Zeitung aufschlug, die Nachrichten wurden stets von schrecklichen Neuigkeiten dominiert. Gab es denn nicht eine Zeitung oder eine Nachrichtensendung auf der Welt, die den Tag mit einer fröhlichen Botschaft begrüßte? Vermutlich nicht.

Nach dem Frühstück machte sich Julia daran, ihr gesamtes Hab und Gut in eine große Reisetasche zu verstauen, denn heute war der große Tag gekommen. Endlich würde die große Reise beginnen. Die Argo würde an diesem schwül-heißen Tag auslaufen und sie, Julia Adler, würde dabei an Bord sein. In den kommenden Monaten sollte sie ein völlig neues Leben kennenlernen, von dem andere nur zu träumen wagten.

Ihr Zimmer würde sie ganz bestimmt nicht vermissen, da war sie sich sicher. Im Grunde genommen war sie froh, dem Kämmerchen endlich zu entkommen, obwohl sie zugeben musste, dass ihr der morgendliche Blick aus dem Fenster auf das Panorama der Stadt ein bisschen fehlen würde. Besonders die frechen Kakadus würde sie dann doch ein bisschen vermissen, denn die lustigen Gesellen waren ihr in den letzten Tagen ziemlich lieb geworden. Im Großen und Ganzen überwog aber die Vorfreude auf das Bevorstehende. Ohnehin würde wahrscheinlich sowieso der erste Anblick des Sonnenaufgangs auf hoher See den Anblick der Stadtsilhouette schnell verblassen lassen.

Sie freute sich darauf, Melina wieder zu sehen. Die junge Ornithologin war wirklich nett und Julia hatte sich von Anfang an mit ihr verbunden gefühlt. Sie fühlte instinktiv, dass die beiden sich prächtig verstehen würden und hatte schon jetzt das Gefühl, in Melina eine neue und gute Freundin gefunden zu haben.

Mit einem lauten Klacken kippte der Schalter des Wasserkochers um, ein deutliches Zeichen dafür, dass der Bimetallstreifen auf die Hitze reagiert hatte und das Wasser nun kochend heiß war. Julia goss das blubbernde Wasser in eine Tasse, die sie schon mit ihrem Teeei bestückt hatte und sofort breitete sich der angenehm frische Earl-Grey-Duft mit seiner charakteristischen spritzigen Note von Bergamotte im Raum aus. Sie ließ den Tee exakt drei Minuten lang ziehen, entfernte dann das Teeei, gab drei Löffel Zucker in den Tee und einen kleinen Spritzer Zitronensaft hinzu, rührte einmal kurz um und verbrannte sich beim Ablecken des Löffels fast den Mund. Dann schnitt sie sich ein Brötchen auf, bestrich es mit Butter und Konfitüre und ließ es sich schmecken. Das schmeckte tausendmal besser als Vegemite!

Nachdem sie fertig gefrühstückt hatte, sprang sie noch einmal kurz unter die Dusche, rasierte sich Beine, Achseln und, bis auf ihren schmalen Landing Strip, den Intimbereich. Anschließend, nachdem ihre Haut wieder überall seidig glatt war, trocknete sie sich gründlich ab.

Immer noch nackt schlich sie geschwind ins Wohn- und Schlafzimmer und zog sich an. Es war immer noch drückend heiß, also entschied sie sich für sommerliche Klamotten: bequeme Unterwäsche, ein Paar Sneakersöckchen, eine kurze Jeanspants -- zum Glück hatte sie sich die Beine frisch rasiert -- und ein figurbetonenes cremefarbenes T-Shirt. Die restlichen Sachen verstaute sie in ihrer Reisetasche, die sie unter dem Bett hervorholte. Sie waren schnell verstaut und nachdem sie die Küche abgeputzt und die restlichen Sachen aus dem Badezimmer geholt, in eine Kulturtasche verstaut und diese schließlich ebenfalls in ihre Reisetasche gestopft hatte, war sie bereit für das große Abenteuer.

*******

Im Hafen von Brisbane herrschte schon emsiges Treiben. David Fisher stand am Kai und gestikulierte wild mit den Armen wedelnd. Die Hafenarbeiter waren damit beschäftigt, noch die letzten Kisten mit einem Kran an Bord des Forschungsschiffs zu bringen. Als er Julia sah, winkte er ihr aus der Ferne freudig grinsend zu.

„Guten Morgen", sagte Julia fröhlich.

„Morgen, Julia", entgegnete Fisher. „Schon wach? Ich hatte dich erst am Arvo erwartet."

Julia zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht mehr schlafen."

„So aufgeregt?"

„Nein, die Hitze. Hätte mich fast umgebracht."

Fisher lachte. „Typisch, Europäer. Wenn wir erst den südlichen Wendekreis überschritten haben, wird es noch schlimmer. Hoffentlich kriegst du keinen Troppo."

„Tja", sagte Julia nachdenklich, „vielleicht hätte ich mich doch besser für eine Antarktis-Expedition melden sollen."

„Noch kannst du dich um entscheiden."

„Auf gar keinen Fall. Ich werde mich schon anpassen."

„Wie du meinst."

„Wenn Darwin sich von seiner Seekrankheit nicht hat abbringen lassen, wird mich doch wohl das bisschen Wärme nicht abschrecken."

Fisher klopfte Julia auf die Schultern. „Warte nur ab, du wirst dich schon noch ans Klima gewöhnen und danach nie wieder zurück ins kalte Europa wollen."

„Gut möglich."

Fisher zeigte auf die schwere Reisetasche, die Julia umklammert hielt. „Willst du deinen Seesack erst mal an Deck bringen?"

„Gern. So langsam wird's nämlich schwer. Aber danach will ich mich nützlich machen", sagte Julia enthusiastisch.

„Das trifft sich prima", sagte Fisher. Er blickte auf seine Armbanduhr. „Ich würde vorschlagen, du räumst erst mal deine Sachen ein und dann treffen wir uns in einer halben Stunde auf dem Arbeitsdeck, ja? Bis dahin müssten endlich alle Kisten oben angekommen sein. Du kannst mir dann helfen, sie auszuräumen und die Geräte in die Labore zu bringen."

Julia nickte mit dem Kopf. Sie machte eine salutierende Geste und sagte dann: „Aye Aye, Captain!"

Fisher schüttelte den Kopf und flüsterte ihr zu: „Lass das bloß Hansen nicht sehen. Das würde sonst an seinem Seemanns-Ego kratzen."

*******

Wie verabredet fand Julia sich pünktlich genau eine halbe Stunde später auf dem Arbeitsdeck ein. Die Mannschaft war in der Zwischenzeit tatsächlich fertig geworden und hatte nun endlich die gesamte Expeditionsausrüstung an Bord gebracht. Nun galt es nur noch, die letzten Kisten auszuräumen. Julia blickte sich einen Augenblick auf dem Arbeitsdeck um und suchte nach dem Professor. Sie fand ihn vor einem geöffneten Container in Begleitung dreier weiterer Personen, mit denen er in ein angeregtes Gespräch vertieft war. Einen von ihnen kannte sie bereits. Es war Kapitän Matthias Hansen. Die anderen beiden, eine Frau und ein Mann, waren ihr unbekannt. Genau wie der Kapitän trugen beide eine marineblaue Uniform. Vorsichtig trat sie näher an die Gruppe heran.

„Hi", sagte Julia knapp.

„Julia!", sagte der Kapitän gut gelaunt, nachdem er sie erkannt hatte. „Schön, dich zu sehen."

„Es freut mich ebenso, Herr Kapitän", antwortete Julia.

Fisher räusperte sich und sagte: „Darf ich vorstellen?" Er zeigte auf die Frau. Sie war schätzungsweise Mitte Vierzig, groß gewachsen und hatte dunkle Haut und schwarze Haare, die ihr in kaum zu bändigenden Locken über die Schultern fielen und mit einigen grauen Strähnen durchzogen waren. Ihre Augen waren schokoladenbraun und wirkten warm und freundlich. Um sie herum hatten sich bereits einige Lachfältchen in die Haut eingegraben. An ihrem Hals baumelte eine bunte Kette mit einem spirituell anmutenden Anhänger. Julia vermutete, dass die Frau wohl einem Aborigine-Stamm angehörte. „Das ist Dr. Claire Wallaroo, unsere Schiffsärztin."

Dr. Wallaroo streckte Julia zur Begrüßung den Arm aus. „Freut mich", sagte sie mit rauchiger Stimme. Es klang beinahe esoterisch.

„Es freut mich ebenso. Ich bin Julia Adler, die neue Doktorandin."

„David hat schon einiges über dich erzählt. Du kannst mich ruhig Claire nennen, wir sind hier nicht so förmlich. Aber das weißt du ja bestimmt schon", sagte die Ärztin freundlich.

Julia mochte Dr. Wallaroo schon jetzt. Sie wirkte kompetent und strahlte etwas Mütterliches aus.

„Und das", sagte Fisher und deutete auf den Mann, „ist Eric McKenna, der erste Offizier an Bord."

McKenna wirkte wahrhaft beeindruckend. Er musste wie der Kapitän mindestens zwei Meter groß sein und wog bestimmt annähernd einhundertzwanzig Kilo und hatte krauses rotes Haar. Das und sein Familienname ließen vermuten, dass er Schotte war. Entgegen der landläufigen Meinung waren es nämlich nicht die Iren, sondern die Schotten, die weltweit den größten prozentualen Anteil Rothaariger aufwiesen. McKennas Arme waren dick und spannten sich unter dem weißen Hemd seiner Uniform als wollten die kräftigen Muskeln die Nähte sprengen. Die Hände waren riesige, schwielige Pranken, die keinen Zweifel daran ließen, dass ihr Träger damit ordentlich zupacken konnte. Irgendwie wirkte McKenna genau wie die Art von Seemännern, die mit ihren Fäusten das Wasser aus einer Kartoffel pressen konnten, genau wie Raimund Harmstorf es in seiner Rolle als Wolf Larsen in der Verfilmung des Jack-London-Klassikers Der Seewolf getan hatte -- auch wenn Julia wusste, dass dieses Kunststück streng genommen nicht wirklich möglich war und auf einem filmischen Trick beruhte. Einzig seine Gesichtszüge wollten nicht so recht in das Bild passen. Sein glatt rasiertes Gesicht wirkte überraschend weich, beinahe knabenhaft.

Julia streckte dem ersten Offizier zur Begrüßung ihre Hand entgegen. „Freut mich", sagte sie fröhlich.

McKenna ignorierte die ihm dargebotene Hand und musterte Julia kritisch. „Siehst überhaupt nicht seetauglich aus, Sheila", wandte McKenna abschätzig ein. Sein Akzent klang überhaupt nicht Schottisch, sondern Australisch. Okay, kein Schotte. Australier. Aber bestimmt mit schottischen Vorfahren.

„Wir haben darüber gesprochen, Eric. Und wir waren uns einig, dass du ihr eine Chance geben wirst. Ihr und auch Melina", sagte Hansen eindringlich.

„Da wusste ich ja noch nicht, dass sie so eine zarte Person ist. Jetzt mal ehrlich, die geht doch garantiert bei der kleinsten Brise über Bord."

„Eric, benimm dich und sei nett zu ihr", antwortete Claire Wallaroo entschieden.

„Ich bin nur ehrlich", sagte McKenna und schnaubte pikiert. „Die fängt doch noch im Hafen an zu kotzen!"

Die steht neben dir und kann dich hören, du Armleuchter, dachte Julia verärgert. „Das werde ich ganz bestimmt nicht!", zischte sie sauer. Ohne es zu wollen, war die Wut in ihr hochgestiegen. Was bildete sich dieser erste Offizier eigentlich ein?

„Hören Sie, Lady ... ", sprach McKenna missbilligend.

Julia ließ ihn nicht aussprechen und schnitt ihm das Wort ab als sie entgegnete: „Und ich bin ganz bestimmt nicht Ihre Lady."

„Mir doch egal, für mich bist du nur eine kleine, verzogene Göre und stehst eindeutig nur im Weg rum."

„McKenna!", polterte Kapitän Hansen. „Jetzt reicht es aber! Ich bin der Kapitän, vergiss das nicht. Und ich habe entschieden, dass Miss Adler auf diesem Schiff bleiben wird, haben wir uns da verstanden?"

„Mir doch egal", zischte McKenna verärgert und winkte mit den Händen ab, „von mir aus macht doch, was ihr wollt. Mir wird es hier jedenfalls zu blöd. Ich gehe auf die Brücke! Bloody Squarehead!" Er wandte sich um und ging, ohne Julia auch noch eines weiteren Blickes gewürdigt zu haben.

Entschuldigend zuckte der Kapitän mit den Achseln und lief seinem ersten Offizier hinterher. „Jetzt warte doch. Das wird noch disziplinarische Konsequenzen haben, mein Freundchen!"

„Was bitte war das denn für ein Auftritt?", fragte Julia entrüstet.

„Entschuldige bitte", sagte Fisher peinlich berührt, „McKenna ist sonst nicht so. Keine Ahnung, was er hat."

Dr. Wallaroo warf ein: „McKenna ist manchmal ein wenig, wie soll ich sagen? Konservativ, was seine Sicht auf die Rolle der Frau betrifft."

Julia entgegnete: „Mieses Chauvinisten-Schwein trifft es wohl eher."

„Gib ihm etwas Zeit", sagte Claire, „er ist eigentlich ein ganz umgänglicher Typ, wenn er dich erst mal kennengelernt hat. Als ich neu an Bord war, hatte er anfangs auch ein wenig Bedenken. Nicht ganz so schlimm, aber es hat gereicht, um mich anfangs echt ziemlich zu verunsichern. Aber jetzt verstehen wir uns ganz gut."