Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Argonauta Kapitel 08-11

Geschichte Info
Julia erlebt Down Under das Abenteuer ihres Lebens.
14.4k Wörter
4.81
6.7k
0

Teil 3 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 06/15/2023
Erstellt 02/06/2019
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Liebe Leserinnen und Leser,

um euch den Start ins Jahr 2021 ein wenig zu versüßen, habe ich mir diesmal eine kleine Überraschung ausgedacht: unter allen Leserinnen und Lesern, die unter ihrem angemeldeten Benutzernamen (nicht anonym) in den ersten vier Wochen nach Veröffentlichung dieses Teils einen Kommentar hinterlassen, verlose ich ein kleines Geschenk - Mitmachen lohnt sich also!

Wie immer wünsche ich euch beim Lesen viel Freude, gute Unterhaltung und natürlich freue ich mich über möglichst viele Kommentare von euch.

Bleibt gesund!

Zu den ersten beiden Teilen gelangt ihr hier:

Argonauta Kapitel 01-02

Argonauta Kapitel 03-08

Kapitel 8: Eine kleine Bitte

Das angestrengte Scharren des über weiße Papierbögen kratzenden Kugelschreibers war wie Musik in seinen Ohren. Genauso wie das unaufdringliche und monotone Ticken der antiken Kaminuhr, die in einem vollgestellten Wandregal stand und dann und wann zu jeder vollen und halben Stunde hell läutete, hatte es für ihn etwas zutiefst Beruhigendes. Von draußen drang das leise Zwitschern von Vögeln durch die Fenster seines ziemlich anachronistisch anmutenden Büros.

Donald G. Singer war Professor für Kunstgeschichte und dementsprechend sah sein Arbeitszimmer auch aus. Es gab praktisch keinen einzigen Flecken, der nicht mit allerlei Nippes aus den unterschiedlichsten Zeiten und Epochen aus aller Welt zugestellt gewesen wäre. An der Wand hing eine verkleinerte Replik von William Adolphe Bouguereaus Geburt der Venus, ein beeindruckend naturalistisches Bild, das die nackte griechische Liebesgöttin Aphrodite darstellte, die soeben als die Schaumgeborene dem Meer entstieg, umringt von zahlreichen Nymphen und Putti. Direkt daneben hing an der Wand ein Didgeridoo aus Eucalyptusholz, das mit bunten Malereien überzogen war, die allesamt Tierdarstellungen zeigten. Nichts in diesem Raum schien in irgendeiner Weise zueinander zu passen und doch harmonierte alles auf merkwürdige Art miteinander als gehörte die Einrichtung schon immer so zusammen. Einzig der moderne Desktop-PC auf seinem Schreibtisch schien seltsam deplatziert zu sein. In der Tat hatte Singer eine Abneigung gegen das Gerät. Er und die moderne Technik waren einfach nicht miteinander kompatibel. Papier war ihm wesentlich lieber als Bildzeilen, die über einen leuchtenden Bildschirm flimmerten.

Singer war ein untersetzter Mann Ende fünfzig. Sein schlohweißes Haar war an etlichen Stellen schon ziemlich licht und die kahlen Bereiche ließen sich selbst durch geschicktes Kämmen nicht mehr vollständig verbergen. Er trug einen ebenso weißen, akkurat gestutzten Vollbart und auf seiner Nase ruhte eine Nickelbrille, die ihn milde und großväterlich erscheinen ließ. Er murmelte leise vor sich hin, während er konzentriert dabei war, die Klausuren seiner Studenten zu korrigieren. Schon seit Tagen drückte er sich vor dieser Aufgabe, die ihm ziemlich unlieb war. Aber es musste sein, denn die Studierenden warteten schon gespannt auf die Ergebnisse. Bislang hatten sich all seine Schützlinge auch recht wacker geschlagen. Mit ihren Leistungen konnte Singer durchaus zufrieden sein und inzwischen war der Stapel der noch nicht korrigierten Klausuren schon deutlich kleiner als jener der bereits durchgesehenen. Vor zwei Stunden war das noch anders gewesen. Dennoch bereitete ihm das Korrigieren einige Mühe, denn die Schrift einiger Studenten war ziemlich unleserlich.

Plötzlich klingelte das Telefon. Singer sah auf und schielte auf das Display, auf dem in grünlichen Lettern das Wort Lydia aufleuchtete. Singer seufzte. Seine Frau. Besser, er würde rangehen, um nicht wieder einen Streit zu provozieren. Also griff er nach dem Hörer, nahm ab und räusperte sich.

„Ja Schatz, was gibt es denn?", fragte Singer.

„Wo bleibst du denn?", schimpfte Lydia am anderen Ende der Leitung vorwurfsvoll.

„Ich bin noch in der Uni. Ich brauche mit den Klausuren länger als gedacht. Die Jugend von heute hat eine immer schlechtere Sauklaue. Man kann die Epistel kaum entziffern. Das hat man vom modernen Zeitalter, in dem alles am Computer getippt wird."

„Das Essen ist beinahe fertig!", ermahnte Lydia.

Das Essen ...

Schlagartig fiel es Singer wieder ein.

So ein Mist, fluchte er innerlich. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht.

„Ist gut. Ich beeile mich. Wirklich. Ich muss nur noch kurz ... ", antwortete Singer beschwichtigend. Er seufzte und rieb sich angestrengt die Augen.

„Mit dir ist es immer das Gleiche!", giftete seine Frau. „Erst beteuerst du, dass du nur noch mal kurz in dein Büro musst und ein paar Unterlagen holen willst und kaum bist du dort, vergisst du Zeit und Raum. Und wir sitzen daheim, warten auf dich und der Braten wird kalt."

„Ich komme wirklich bald nach Hause, Schatz. Gib mir nur noch fünf Minuten, damit ich meine Bürotür abschließen kann", sagte Singer.

Doch es half nichts. Wenn Lydia erst einmal in Rage war, hörte sie nicht so schnell wieder auf. Wie ein Rohrspatz zeterte sie: „Es ist Sonntag, Donnie! Was um alles in der Welt ist so wichtig, dass du ausgerechnet heute in die Uni musstest? Hätten deine albernen Klausuren nicht bis morgen warten können?"

„Es tut mir leid. Kommt nicht wieder vor."

„Donnie, vergiss nicht, dass heute ein besonderer Tag ist. Beeil dich bitte. Ich habe mich doch schon so sehr auf heute gefreut."

„Ist gut. Ich werde mich sputen."

Seine Frau Lydia war nicht grundlos so besorgt. Lucie war Lydias und Donalds jüngste Tochter und hatte ihnen vor drei Tagen ihren Besuch angekündigt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und wohnte seit einigen Jahren in Sydney und kam ihre Eltern nur noch selten besuchen. Heute war es wieder einmal so weit. Das allein hätte schon ausgereicht, um seine Frau Lydia in Hochstimmung zu versetzen. Aber Lucie hatte angekündigt, dass sie nicht allein kommen würde, sondern ihrer Familie einen ganz besonderen Menschen vorstellen wollte -- ihren Verlobten, einen gewissen Jamie. Der war, das wusste Donald Singer aus den wenigen Gesprächsfetzen am Telefon zwischen Lydia und Lucie, die er mitbekommen hatte, wohl ein hohes Tier bei einer Versicherung, kam aus gutem Hause und war allem Anschein nach der ideale Schwiegersohn. „Ihr werdet Jamie lieben, ganz bestimmt", hatte Lucie am Telefon gesagt. Trotz dieser Bekundungen hatte Singer ein ungutes Gefühl. Bislang waren alle Freunde, die seine Tochter ihm vorgestellt hatte, bei ihm durchgefallen. Wenn es um seine Tochter ging, war nach seinem Geschmack kein Mann gut genug.

„Schön. Ach, und Schatz?", fragte Lydia am Telefon.

„Ja, Liebling?"

„Denk bitte daran, unterwegs noch einen Blumenstrauß mitzubringen. Für Lucie. Hörst du?"

„Ist gut", sagte Singer, während er schon fieberhaft überlegte, welches Blumengeschäft wohl am Sonntag noch geöffnet haben könnte. Notfalls müsste er eben einen Strauß von der Tankstelle besorgen.

„Und wirklich nur noch fünf Minuten", mahnte Lydia.

„Ja", antwortete Singer.

„Ich warte auf dich. Du musst den Braten noch tranchieren."

„Aber ja doch. Schatz, ich muss jetzt auflegen. Sonst dauert es nur noch länger."

„Gut. Bis gleich."

Lydia hatte bereits aufgelegt. Singer seufzte. Also gut, die restlichen Klausuren würden bis morgen warten und seine Studenten sich noch ein Weilchen in Geduld üben müssen. Auch gut. Für heute hatte er genug getan. Singer stopfte die durchgesehenen Klausuren in die Mappe auf seinem Schreibtisch und legte die anderen verkehrt herum darauf. Gerade als er die Mappe schließen wollte, klopfte es plötzlich an seine Bürotür.

Nanu?, dachte Singer überrascht, etwa ein Student?

Aber heute hatte Singer doch gar keine Sprechstunde. Außerdem war Sonntag. Hatte er etwa in seiner Zerstreutheit einen Termin vergessen? Nein, das war ausgeschlossen. Seine Sekretärin hätte ihm längst eine Notiz für ihn gut sichtbar an den Schreibtisch geklebt.

„Herein", murmelte Singer, während er die Mappe mit den Klausuren in seine Aktentasche legte.

Die Tür öffnete sich und ein ihm völlig unbekannter älterer Mann lugte zur Tür herein. Er hatte graue Haare und einen akkurat gestutzten Vollbart, wirkte groß und für sein Alter noch sehr fit. „Entschuldigen Sie, dass ich störe", sagte der Mann beschwichtigend, „sind Sie Professor Singer?"

„Der bin ich. Hören Sie, was immer Ihr Anliegen ist, ich fürchte, ich werde Sie auf morgen vertrösten müssen. Meine Frau macht mir jetzt schon die Hölle heiß, wenn ich nicht bald daheim erscheine", entgegnete der Professor.

„Oh, ich verstehe. Aber ich möchte Sie wirklich nur um fünf Minuten Ihrer kostbaren Zeit bitten", erbat der Unbekannte.

„Haben Sie nicht gehört? Ich sagte, dass ich jetzt keine Zeit mehr habe und Sie bitte ein anders Mal wiederkommen sollen! Wie heißen Sie überhaupt?", polterte Singer ungehalten, während er seinen Schlüssel suchte.

„Ich weiß", sagte der alte Herr, „es ist mir auch überaus unangenehm, dass ich Sie ausgerechnet an einem Sonntag belästige. Aber leider bin ich nur vorübergehend hier in der Stadt und reise schon heute Abend wieder ab nach Europa. Ihre Sekretärin verriet mir, dass ich Sie mit etwas Glück heute hier antreffen könnte und ich würde es wirklich sehr zu schätzen wissen, wenn ich Sie um Ihre Expertise bitten dürfte. Ich verspreche Ihnen auch, es wird sich für Sie wirklich lohnen."

Singer rollte mit den Augen. „Kann das wirklich nicht bis morgen warten?"

„Nein, ich fürchte nicht. Bitte, ich bin nur noch heute hier. Es ist wirklich dringend."

„Also gut", gab Singer nach. Er nahm wieder in seinem Stuhl Platz und sagte: „Dann zeigen Sie mir mal, was so interessant sein soll, Herr ...?"

„Jürgens, Sir. Henning Jürgens", sagte der Alte.

„Sie sind aus Deutschland?", fragte Singer.

„Ja, ich bin geschäftlich in Australien unterwegs. Man sagte mir, dass Sie mir womöglich helfen könnten."

„Na, dann zeigen Sie mir doch mal, worum es geht."

„Sir", sagte der Alte verschwörerisch mit leiser Stimme, als solle niemand das folgende Gespräch belauschen. Er schloss hinter sich die Tür und setzte sich, ohne dass der Professor ihn dazu aufgefordert hätte, auf den freien Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches. Auf seinem Schoß hatte er eine schwarze Aktentasche.

„Sagt Ihnen Danaë etwas?"

„Aber natürlich", sagte Singer verärgert.

Ernsthaft? Mit dieser Lappalie wollte der Unbekannte ihm seine kostbare Zeit stehlen? Natürlich wusste Singer, wer Danaë war. Das hätte der Alte problemlos selbst in jedem Lexikon nachschlagen können.

Singer antwortete gereizt: „Danaë ist eine Gestalt aus der griechischen Mythologie. Sie war die Tochter des Königs von Argos, Akrisios und dessen Gemahlin Aganippe. Ihrem Vater war von einem Orakel vorausgesagt worden, dass sein Enkel ihn eines Tages töten werde. Daraufhin ließ er Danaë, sein einziges Kind, in einen Turm mit bronzenen Türen einsperren. Aber der Göttervater Zeus begehrte sie und verwandelte sich in einen goldenen Regen, der auf Akrisios' Tochter niederregnete und sie schwängerte. Schließlich gebar Danaë Zeus den gemeinsamen Sohn Perseus. Akrisios ließ Danaë daraufhin mit ihrem Säugling, in eine Kiste sperren und in die Fluten des Meers werfen. Wie durch ein Wunder überlebten Mutter und Sohn und wurden auf der Insel Seriphos an Land gespült. Perseus wuchs dort zu einem Jüngling heran und sollte schließlich zu einem der größten Helden der griechischen Mythologie werden. Und auch der Orakelspruch erfüllte sich, indem Perseus seinen Großvater Akrisios unabsichtlich mit einem Diskus tödlich am Kopf verletzte. Aber das hätten Sie doch alles in einem Lexikon oder im Internet nachschlagen können, wofür brauchen Sie mich dazu?"

Jürgens schüttelte den Kopf. „Nein, die Sagengestalt meine ich nicht, Herr Professor. Ich rede von keiner mythischen Figur."

Der alte Mann öffnete seinen Aktenkoffer und holte ein kleines Bild heraus, das er auf den Schreibtisch legte und Singer zuschob. Singer griff danach und musterte es ausführlich. Je länger er es betrachtete, umso größer wurden seine überraschten Augen. Das Bild war eine ziemlich alte, stark verblasste Fotografie. Sie zeigte ein Segelschiff, eine Bark, auf deren stählernen Rumpf in großen Lettern das Wort Danaë aufgemalt war.

Erfreut stellte Jürgens fest, dass Singer erkannte, was das Foto zeigte. „Sie erkennen es?", fragte er neugierig.

„Natürlich. Sie meinen diese Danaë. Das Schiff", antwortete Singer lächelnd.

„Exakt. Was können Sie mir darüber erzählen?", fragte Jürgens.

„Nun", sagte Singer, der leuchtende Augen bekam. In der Tat hatte er schon von der legendären Danaë gehört. Beinahe jeder in seinem Institut kannte die sagenumwobene Geschichte um das Schiff. Unzählige Male hatte er die Story seinen Studenten im Hörsaal erzählt. Aber das war nur ein Mythos.

„Ich fürchte, dass ich Sie abermals enttäuschen muss. Das Schiff hat es wahrscheinlich niemals gegeben. Wir haben es mit einer wilden Verschwörungstheorie zu tun, nichts weiter. Eine von vorn bis hinten erfundene Geschichte, wenngleich sie sich schön anhört. Zu schön, um wahr zu sein, wenn Sie mich fragen."

„Erzählen Sie sie mir, bitte."

„Also, da muss ich ein bisschen weiter ausholen."

„Nur zu, Herr Professor."

„Wir müssen dazu in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehen, nach New South Wales. 1869 war man in einem Gebiet etwa vierhundertachtzehn Kilometer südwestlich von Sydney südlich der Narraburra Hills nahe des kleinen Örtchens Temora auf Gold gestoßen. Es hat ein bisschen gedauert, aber zehn Jahre später setzte ein wahrer Goldrausch ein. Waren zuvor kaum zweitausend Bewohner, vorwiegend deutsche Auswanderer, die als Farmer ihr Glück versuchten, in Temora heimisch gewesen, stieg die Zahl der Einwohner innerhalb kürzester Zeit auf über zwanzigtausend an. Von überall her strömten die Abenteuer und ließen sich vom Glanz des Goldes und der Aussicht, reich zu werden verführen. Die Minen um Temora erwiesen sich als sehr ergiebig. Allein der Mother Shipton Nugget wog über dreihundertacht Unzen, fast neun Kilogramm. Wirklich reich wurden die meisten trotzdem nicht. Kaum zwanzig Jahre später waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Goldadern versiegt und Temora versank wieder in der Vergessenheit. Heute leben nur noch etwa viertausend Menschen in dem kleinen Örtchen."

Singer schwieg für einen kurzen Augenblick und kostete die Stille im Raum aus. An dieser Stelle machte er immer eine Kunstpause und erfreute sich an den gespannten Reaktionen seiner Studenten. Auch der alte Mann ihm gegenüber schaute ihn ziemlich interessiert an.

Schließlich fuhr Singer fort: „Das ist jedenfalls die offizielle Version der Geschichte, so wie sie in den Annalen der Bücher steht."

„Und die inoffizielle?", fragte Jürgens.

„Ein paar Glücksuchende blieben in Temora und wollten nicht aufgeben. Sie waren davon überzeugt, dass tief im Boden noch viel mehr Gold verborgen sein musste."

„Also haben sie weiter gesucht?", fragte Jürgens.

Singer nickte mit dem Kopf. „Ja. Es heißt, ein deutscher Adliger habe wie ein Besessener nach dem Gold gesucht. Sein Name war Baron Emil von Katzenstein. Kein Mensch weiß, wo er gegraben haben soll, so ein großes Geheimnis hätte er um seine Mine gemacht. Manche meinten, von Katzenstein wäre von seinem Vorhaben so besessen gewesen, dass er dabei wahnsinnig geworden und als einsamer Eremit gestorben wäre. Andere waren überzeugt, dass der Baron Erfolg gehabt hätte und auf eine riesengroße Goldader gestoßen wäre, größer als er selbst es sich je zu erträumen gewagt hätte. Es heißt, der Baron habe von Zeit zu Zeit als Zeichen der Ehrerbietung und der Treue zu seiner Nation Kaiser Wilhelm dem Zweiten einige Goldnuggets von beachtlicher Größe zukommen lassen."

„Und was meinen Sie? Hatte der Baron Erfolg?", fragte Jürgens.

„Sagen wir es einmal so", sagte Singer, „es gibt gewisse Kreise, die davon überzeugt sind. Ich persönlich halte es kaum für möglich, es gibt jedenfalls keine Belege dafür. Allerdings sind die Spekulationen der Verschwörungstheoretiker damit noch lange nicht zu Ende. Nachdem der Erste Weltkrieg angefangen hatte und bald schon klar wurde, dass der Krieg für die Deutschen und ihre Verbündeten kaum zu gewinnen sei, soll Kaiser Wilhelm ein Schiff nach Australien entsandt haben mit dem geheimen Auftrag, das Gold des Barons nach Europa zu verschiffen, um damit die teuren Rüstungsgeschäfte zu finanzieren. Die Verschwörungstheoretiker glauben, dass das Schiff, das den passenden Namen Danaë getragen habe, in einer Nacht- und Nebelaktion heimlich mit Goldnuggets aus von Katzensteins Mine von insgesamt nicht weniger als fünfhundert Kilogramm Feingoldgewicht beladen worden sei. Sie stützen sich auf ein altes, aber leider nur noch in Teilen vorhandenes Dankschreiben des Kaisers an den Baron."

„Und dann? Was geschah mit der Danaë?", fragte Jürgens.

„Nun", sagte Singer, „das Schiff ist niemals in Europa angekommen. Der Verschwörungstheoretiker glauben, dass die Briten Wind von dem Plan bekommen haben und das Schiff schon einige Tage nach dem Auslaufen irgendwo im Great Barrier Reef versenkt hätten. Es heißt, die Briten hätten das Schiff in bester Piratenmanier kapern wollen und hätten es dabei irrtümlich versenkt. Der Goldschatz an Bord der Danaë soll jedenfalls gemeinsam mit dem Schiff untergegangen sein und bis zum heutigen Tag irgendwo auf dem Meeresgrund darauf warten, dass ein Glücklicher ihn birgt."

„Fünfhundert Kilogramm Gold, sagen Sie?", fragte Jürgens mit einem süffisanten Lächeln.

„Ja, so heißt es."

„Wow, das wären nach heutigem Goldwert über fünfundzwanzig Millionen Euro."

„Eine ziemliche Menge, nicht wahr?", sagte Singer und klopfte sich lachend auf den Schenkel.

„Ja, da haben Sie Recht", stimmte Singers Gast ins Lachen mit ein. Dann erstarb sein Lachen und Jürgens blickte Singer mit todernster Miene an. Er räusperte sich und sagte: „Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen mitteilen würde, dass die Geschichte nicht bloß eine Legende ist? Und dass ich noch sehr viel mehr darüber weiß? Dass ich den genauen Ort kenne, an dem die Danaë versenkt wurde und ganz genau weiß, wo das Gold zu finden ist?"

„Ich bitte Sie, das ist nicht möglich", antwortete Singer skeptisch. „Und ich muss Sie jetzt ohnehin leider dazu auffordern, zu gehen. Ich habe noch etwas Wichtiges vor und bin schon viel zu spät dran."

Jürgens öffnete ein weiteres Mal seinen Aktenkoffer und holte eine Mappe mit alt wirkenden Dokumenten hervor. „Ich werde Ihrer Bitte gleich nachkommen, Herr Professor. Aber bitte, werfen Sie noch einmal einen kurzen Blick auf diese Dokumente hier. Ich bin sicher, dass ich Sie damit überzeugen kann."

„Wenn Sie dann Ruhe geben", sagte Singer gelangweilt und griff sich den Stapel. Er schaute hinein und riss ungläubig die Augen auf. „Himmel!", stieß er laut aus. Er sah die einzelnen Blätter einzeln durch. „Das kann doch unmöglich wahr sein!", sagte er.

„Es ist aber wahr, Herr Professor."

„Wo haben Sie das her?", fragte Singer immer noch ungläubig.

„Das kann ich Ihnen im Moment nicht verraten. Wichtig ist nur, dass Sie wissen müssen, dass die Dokumente definitiv authentisch sind."

„Meine Leute werden das überprüfen, das versichere ich Ihnen. Wir schauen uns das sehr genau an, mein Herr", sagte Singer aufgeregt und griff sofort zum Telefon. „Ich werde umgehend den Dekan anrufen und ... "

„Das werden Sie schön bleiben lassen", sagte Jürgens mit kühler Stimme. „Legen Sie sofort den Hörer auf. Ich bin nicht wegen Ihrer Expertise gekommen."

„Warum dann? Was wollen Sie?"

„Nun, ich bin im Besitz dieser Dokumente. Aber leider fehlt mir das notwendige Wissen, wie man einen derartigen Schatz bergen kann. Wissen, dass Sie haben. Ich will, dass Sie mich begleiten und mir dabei helfen, die Danaë und das Gold zu finden", sagte Jürgens.