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Böse Mädchen 01

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„Hier fängt mein neues Leben an", gab sie kryptisch bekannt. „Merk dir Janka."

„Häh?"

„Später. Aber jetzt erstmal frühstücken, oder? Oder willst du erst duschen? Hier gibt es einen funktionierenden Boiler."

„Nee, aber ich müsste mich mal aufs Klo setzen. Wo ist das hier?"

Sie zeigte es mir und bereitete das Frühstück vor. Ihr Vater hatte tatsächlich fett eingekauft und der wunderschöne große Holztisch bog sich fast von der Last. Leckeres tschechisches Landbrot, Wurst und Käse, dazu vier verschiedene Marmeladen, Honig und echte Butter. Hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gegessen, immer nur Margarine.

Dazu echter Kaffee, in einer italienischen Kaffeekanne gekocht.

„Was war das nun, mit dem neuen Leben?"

„Meine neuen Papiere sind da, Pass und Ausweis, Sozialversicherungsnummer, sogar eine Geburtsurkunde. Ab jetzt heiße ich Janka Horvoka."

Ich traute meinen Ohren kaum.

„Was meinst du, neue Papiere?"

„Was ist daran so schwer zu kapieren? Eine neue Identität. Was normalerweise ein kleines Vermögen in dieser Güte kostet."

„Nein, das habe ich schon verstanden, aber warum? Erklärst du mir jetzt, warum du an der Grenze durchgeatmet hast?"

„Och Angie, stehst du auf der Leitung? Weil ich hier gesucht werde, natürlich. Hätte mich der Zöllner durchs System gejagt, wärst du alleine weitergefahren, verstehst du?"

„Weshalb?"

Sie grinste sardonisch.

„Die Liste ist lang. Gefährlich lang. Ich bin ein böses Mädchen."

„Komm, keine Sprüche jetzt", gab ich aufgebracht zurück. Warum hatte sie mir das nicht vorher alles gesagt?

Sie rollte mit den Augen. Schmierte sich dann in aller Seelenruhe ein weiteres Brot.

„Drogendelikte. Bankraub. Illegaler Waffenbesitz. Schwere Körperverletzung, wobei die Anklage auf versuchten Mord lauten würde. Dazu jede Menge Kleinzeugs. Noch Fragen?"

Nein, in diesem Moment entwichen alle Fragen aus meinem Kopf. Wie vermutlich ebenso alles Blut. Sie kaute genüsslich an ihrem Honigbrot und schaute mich nonchalant an, als ob sie mir gerade unser Nachmittagsprogramm angesagt hatte.

„Probiere mal die Salami, die ist echt lecker. Die holt mein Vater immer von einem Bauer, ungefähr vierzig Kilometer von hier. Die Eier sind wahrscheinlich auch von dort, hatte jetzt nur keine Lust welche zu kochen."

Ich echote das gerade Gehörte, was in meinem Kopf keinen Sinn ergeben wollte.

„Versuchter Mord?"

„Ich habe auf einen Polizisten geschossen, der zufällig in der Bank war und den Helden spielen wollte. Er hat es ja überlebt."

„Bankraub?"

„Eine Verzweiflungstat. Wir schuldeten Leuten Geld, denen man kein Geld schuldet. Es war entweder das, oder aus der Moldau gefischt werden."

„Wir?"

„Meine damalige Freundin und ich. Kristina."

„Wo ist sie jetzt?"

„Tot. Der Bulle hat sie erwischt."

Mir wurde schlecht. Nicht von der Narrative, sondern von der Art wie sie davon berichtete. Völlig kalt und teilnahmslos. Schaute mich aufmerksam mit funkelnden Augen an.

„Jetzt weißt du, mit wem du durch die Gegend ziehst. Das war Jara. Ein böses, böses Mädchen. Janka ist allerdings noch ein unbeflecktes Blatt."

„Und du... bereust das nicht?"

„Mich so in die Scheiße geritten zu haben? Machst du Witze? Na klar. Ich war halt jung und dumm. Das ist alles schon vier Jahre her. Jetzt mach ich nur noch kleine Sachen, minimales Risiko."

„Was genau?"

„Kurierdienste. Darum sind wir hier. Die finanzieren meine neuen Papiere und es gibt noch fünfhundert Euro extra, wenn wir in Berlin sind. Das ist der letzte Run für diesen Job."

„Drogen?"

„Ja. Komm mit."

Sie führte mich zum hinteren Teil des Gartens. Dort gab es einen mit einem großen Deckel abgedeckten runden Steinsockel. Sie schob den Deckel zur Seite. Öffnete eine darin befindliche Metallkiste mit einem Schlüssel und holte dort eine Plastiktüte heraus. Darin befanden sich verschweißte Beutel.

„Crystal. Methamphetamin. Vier Kilo. Ein Teufelszeug, würde ich selbst nie anrühren. Aus den hiesigen Großküchen. So, jetzt weißt du alles."

Ja, jetzt wusste ich alles. Und es war alles zu viel. Oh mein Gott.

„Das muss dich nicht stören. Ich bin hier nicht mehr in Gefahr, dank der neuen Identität. Ich darf mich nur nicht bei irgendwas erwischen lassen, denn sie haben meine Fingerabdrücke von einer früheren Verhaftung. Da nützt auch die Güte der Papiere nichts. Wir werden hier also nicht mal schwarzfahren. Wenn wir die Grenze überqueren, kennst du mich nicht. Wenn ich hochgehe, gehe ich hoch. Mein Risiko. Kein großes, nebenbei. Man wird so gut wie nie kontrolliert."

Sie zündete sich eine weitere Kippe an.

„Wenn du sagst, leck mich und nach Hause fahren willst, verstehe ich das auch", fuhr sie seelenruhig fort und verstaute die Drogen wieder in der Kiste. „Oder du nimmst die Dinge, wie sie sind und genießt die geile Zeit in Prag, die wir sicher haben werden."

Sie schob den schweren Deckel wieder auf den runden Sockel und sah mich lauernd an.

„Brauchst du Bedenkzeit?"

Ich schluckte schwer und versuchte meine Stimme fest und sicher klingen zu lassen.

„Nein. Leck mich", begann ich und hob meinen Jeansrock an. „Und dann zeig mir Prag."

***

„Hast du sie geliebt?", fragte ich Jara, als wir uns auf den Weg in die Innenstadt machten.

„Kristina? Ja, ich denke irgendwie schon."

„Das muss furchtbar gewesen sein, als..."

„Es ging alles sehr schnell. Ich musste sehen, dass ich wegkomme. Hinterher... habe ich erst richtig begriffen, was passiert war. Ich wusste ja nicht einmal, ob sie noch lebte. Habe das erst aus der Zeitung erfahren."

„Und wie sind sie auf dich gekommen?"

„Kameras. Wir hatten uns nicht maskiert. Die Sache war nicht richtig geplant. Ich habe doch gesagt, ich war jung und dumm. Und Kristina erst recht. Sie hat die Schießerei angefangen, als der Bulle seine Waffe zog. Hat die Nerven verloren."

„Und dein Vater... war da deine Mutter noch am Leben?"

„Nein. Die ist im selben Jahr kurz vorher abgekratzt. Krebs. Mein Vater... fand's Kacke, was sonst. Aber er ist mein Vater. Ich bin sehr schnell erst nach Wien und dann nach Deutschland. Habe ihn ein Jahr nach der ganzen Sache erst wiedergesehen. Da war er nur froh, mich am Leben und noch in Freiheit zu sehen. Die Geschichte ist kein Thema mehr für ihn. Komm, lass uns jetzt über was Anderes reden. Wir sind gleich an der Bushaltestelle. Hier sprechen doch einige Deutsch. Es gibt hier sogar deutschsprachige Enklaven, über ganz Tschechien verteilt."

Wir kamen am Spätnachmittag in der Innenstadt an. Selbstverständlich war auch jetzt noch alles voller Touristen, denen der Sinn nun aber eher nach Einkehren und Trinken stand, das Sightseeing hatten die meisten wohl für den Tag bereits abgeschlossen.

Jara meinte daher, es sei eine gute Gelegenheit, mir ein paar der bekanntesten Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Damit ich das aus meinem System kriegte und zuhause was erzählen konnte. Die Karlsbrücke zum Beispiel war für mein Empfinden immer noch sehr voll, aber sie meinte, zu Stoßzeiten wäre sie nichts für Leute mit Platzangst.

Die tausenden Schlösser, die dort angebracht waren, verstand ich nicht.

„Ach Mädel, das haben sie doch mittlerweile überall kopiert. Das ist die Brücke der Liebenden. Verliebte hängen die Dinger dran, als Zeichen ihrer ewigen Liebe und so. Irgendwann werden es zu viele, dann macht die Stadt sie alle wieder ab. Nicht so für die Ewigkeit, wie alle denken."

„Hattest du das auch schon mal gemacht?"

„Quatsch, wofür hältst du mich? Weiter vorn gibt es übrigens eine Stelle, die alle betatschen. Soll Glück bringen."

„So eine kenne ich auch", meinte ich und griff zwischen ihre Beine, was uns einige indignierte Blicke einbrachte. Unsere folgende Umarmung nebst wildem Kuss, schien ebenfalls nicht bei allen Beifall zu finden.

Wir liefen ein Stück an der Moldau hoch zur Burg, die wir allerdings nicht von innen ansahen. Dort noch das goldene Gässchen in der Nähe, und wieder zurück am Fluss entlang und durch die Altstadt, bis wir irgendwann am tanzenden Haus ankamen, das sie besonders witzig fand. Ein Stück weiter setzten wir uns an den Fluss.

Hier waren weniger Touristen und mehr Einheimische zu sehen, die Atmosphäre ähnlich wie am Kanal in Berlin. Jara telefonierte viel, erst mit ihrem Vater, dann mit Freunden. Da sie ihre Gespräche natürlich auf Tschechisch führte, musste ich deren Ende und Jaras Zusammenfassungen abwarten. Sie schien auf jeden Fall von den Gesprächsverläufen befriedigt.

„Okay, mein Vater ist noch bis Freitag in Prag und ihm passt es am besten am Mittwochabend, wo seine Freundin Spätdienst hat. Er lädt uns zum Essen ein, wir sollen ihn aus seinem Studio abholen. Morgen treffen wir uns mit einer Freundin am Abend, am Dienstag und Donnerstag besuchen wir Freunde. Da die Treffpunkte in ganz Prag verstreut sind, wirst du dabei einiges von der Stadt sehen. Freitag ist eine Party, von der mir gleich drei von ihnen erzählt haben, da sollen wir unbedingt hin. Da... bin ich mir allerdings nicht so sicher, denn es ist ein illegales Rave. Obwohl das Risiko eher gering sein sollte, mit den neuen Papieren und alles, selbst wenn da die Bullen aufschlagen."

Ich nickte zustimmend. Und hatte Angst um sie. Würde die wahrscheinlich erst loswerden, wenn wir die Grenze überschritten hatten. Oh Gott. Mit vier Kilo Drogen. Mir lief ein kalter Schauer den Rücken runter.

„Für heute habe ich nichts abgesprochen. Wenn wir ein Stück weiterlaufen, gibt es ein hübsches kleines Restaurant, wo sich Touristen nur selten hin verirren. Dementsprechend authentisch ist die Küche, und die Preise sind erträglich. Die haben ein göttliches Starkbier, was man selten irgendwo kriegt, stammt aus einem Kloster auf dem Land. So als Abschluss für das Sightseeing? Von da aus können wir die Tram nehmen."

„Klingt himmlisch."

„Na, dann lass uns", meinte sie und erhob sich langsam. Zog mich grinsend herauf. „Keine Müdigkeit vorschützen."

Ich war allerdings schon von der ganzen ungewohnten Lauferei etwas erschöpft. Aber nicht nur davon. Ich versuchte immer noch, mit den Informationen über ihr Vorleben zurechtzukommen, was mich psychisch und emotional räderte. Sie hatte auf einen Menschen geschossen. Wahrscheinlich wirklich in Tötungsabsicht. Unfassbar.

Ich war mittlerweile bis über beide Ohren in sie verknallt. Dabei wurde mir jetzt noch mehr als zuvor klar, dass ich sie überhaupt nicht kannte. Vielleicht das sogar ihren besonderen Reiz ausgemacht hatte, das unsagbar Fremde, Geheimnisvolle an ihr. Was sie so völlig anders agieren und erleben ließ.

Nun verstand ich ein wenig mehr von den Hintergründen, aber sie im Grunde immer weniger. Und mich immer weniger. Ich war bereit, alles für sie zu tun, mich in alle möglichen prekären Situationen zu begeben, die auch auf mich und meine Zukunft böse Auswirkungen haben konnten. Aber selbst das war mir egal. Warum?

Was fühlte sie für mich? Fühlte sie überhaupt wie ein normaler Mensch? Was für ein Gedanke. Aber diese Kälte, mit der sie von der Geschichte berichtet hatte... machte mir Angst. War das vielleicht ein Schutzmechanismus, um die Sache nicht an sich heranzulassen? Aber was bedeutete das, ließ sie nichts wirklich an sich heran? Inklusive mich?

Ihre ausgelassene Fröhlichkeit, ihre Ruhe, ihr Selbstbewusstsein wirkten trotz allem ansteckend, und wie ein Antidepressivum auf mich. Zumindest diese Momente wollte sie mit mir teilen, mit mir genießen. Und das machte mich glücklich. Unbeschreiblich glücklich.

Das Restaurant mit traditioneller tschechischer Küche war tatsächlich richtig gut. Ich hatte Ente mit Klößen und Rotkraut, was ausgesprochen lecker war. Dazu das empfohlene Starkbier, was mich schon nach dem ersten Halbliterglas ziemlich betrunken machte. Mein zweites trank ich nicht einmal halb leer, immerhin wollte ich das gute Essen im Magen behalten.

Jara vertrug da deutlich mehr, und leerte es prompt, bevor wir losgingen. Der Heimweg war entsprechend lallig und lustig. Nur als wir vor dem Zubettgehen noch einmal in den Garten gingen, damit Jara eine letzte Zigarette rauchen könnte, kehrte unser Gespräch zu ernsten Dingen zurück.

„Jara, ich will nicht auf diese Party. Ich habe solche Angst um dich. Lass uns das nicht riskieren."

Ihr Blick war sanft und, ja, liebevoll. So kam es mir zumindest vor.

„Ja, du hast völlig recht. Kein unnötiges Risiko. Mach dir aber nicht zu viele Gedanken. Tut mir leid, dass ich dir das alles so vor die Füße geknallt habe. Es hat dich den ganzen Tag beschäftigt, nicht wahr? Das war dir anzusehen."

Ich nickte und streichelte sie sanft.

„Soll ich dich jetzt tatsächlich die ganze Zeit Janka nennen?"

„Ach was, nur in der Öffentlichkeit. Vor allem, wenn wir zwei alleine sind, ist das Quatsch. Obwohl... probieren wir es mal. Sag: Fick mich, Janka."

„Fick mich, Janka."

„Doch, auch daran könnte ich mich gewöhnen."

„Das ist gut, denn das wirst du den Rest der Nacht zu hören bekommen."

Ja, ich kleines Großmaul. Wenn sie mich nicht so heftig gefistet hätte, wäre ich wahrscheinlich schon dabei eingeschlafen. So tat ich dies beim anschließenden Kuscheln, bevor ich mich revanchieren konnte.

***

Am Montagnachmittag fotografierte ich insgesamt zweiundsechzig Gemälde, da Jaras Vater beim Telefonat am Vortag sein Einverständnis gegeben hatte. Die drei, die mir am besten gefielen, schickte ich meinem Vater gleich per WhatsApp. Dazu noch ein paar Bilder vom abendlichen Sightseeing, ohne längeren Kommentar.

Nur, was ihn bei meiner Rückkehr als Zugabe erwartete, und dass wir eine tolle Zeit hatten. Was hätte ich ihm denn schreiben sollen? Jara ist zwar eine gesuchte Bankräuberin, aber mit ihrer neuen Identität ist das alles gar kein Problem? Zur Not schießen wir uns den Weg frei, sie hat Erfahrung. Er antwortete nur mit „Wow" und „Danke". War vielleicht gerade in einem Termin.

Wir trafen uns mit ihrer Freundin Emilia am frühen Abend in Libeň, einem Stadtteil mit Kleinstadtcharakter, wo es aber auch einiges zu sehen gab, zum Beispiel so ein riesiges Wandgemälde, was sie mir vorher zeigte. Ich sah diesem Treffen mit gemischten Gefühlen entgegen. Jara hatte sich zurechtgemacht, sogar geschminkt.

Das hatte ich zuvor nur auf der Party, wo ich sie kennengelernt hatte, gesehen. Auf dem Weg zum Treffpunkt sprach ich sie schließlich drauf an.

„Sag mal, diese Emilia... warst du mit ihr früher mal zusammen?"

Sie lachte sich halb schlapp.

„Bist du eifersüchtig? Och, Angie. Mach dich doch nicht lächerlich. Emilia ist einfach Emilia, und natürlich waren wir manchmal miteinander im Bett. Das ist doch selbstverständlich. Warte, bis du sie siehst."

Lächerlich. Selbstverständlich. Natürlich. Wie konnte es auch anders sein. In mir brodelte es. Merkte sie nicht, dass sie mir mit dieser Antwort weh tat? Nein, offenbar nicht. Schien mit dem Kopf ganz woanders zu sein. Schon bei ihr?

Und dann trafen wir Emilia in einem kleinen Parkstück. Die beiden umarmten und küssten sich. Kein Küsschen auf die Wange, ein richtig langer, heftiger Zungenkuss. Mir wurde schlecht, als ich das mit ansah. Als sie sich voneinander lösten, sah ich sie mit Grummeln im Bauch abschätzend an.

Sie war mehr als einen Kopf größer als wir, blond wie ich, aber die dunkelbraunen Augenbrauen und Augen ließen auf gefärbte Haare schließen. Ja, verdammt, sie war bildschön. Sah, wie ich später erfuhr, nicht nur wie ein Model aus, sondern war eins.

Jara stellte sie mir auf Englisch vor und ich mich auf Unterhaltungen in dieser Sprache ein, während die beiden sich zunächst unhöflicherweise auf Tschechisch unterhielten. Dann sah mich Emilia an, grinste freundlich und fragte mich auf Deutsch:

„Du bist aus Berlin?"

„Strausberg. Ganz in der Nähe", antwortete ich verblüfft.

„Stimmt, du sprichst Deutsch...", erinnerte sich Jara nun auch.

„Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch, Portugiesisch. Was man eben so braucht, wenn man viel in der Welt rumkommt. Dazu Kroatisch und Ungarisch, weil ich da gerne Urlaub mache."

„Wow", entfuhr es mir und ich kam mir im nächsten Augenblick lächerlich vor.

Überhaupt war ich vom ersten Augenblick an eingeschüchtert. Ihr Aussehen war nur ein Faktor. Ihr Selbstbewusstsein, die Art, wie sie sich bewegte und vor allem die Art, wie Jara sie ansah, trugen ihr Scherflein dazu bei, dass ich mich im Vergleich zu ihr wie eine kleine graue Maus fühlte.

Sie erzählte munter von einem „Shooting in Milano", von dem sie gerade zurückgekommen sei. Hakte sich bei Jara unter und führte uns zu dem Sushi-Restaurant, das sie auserkoren hatte. Immerhin wurde das Gespräch nun durchgängig auf Deutsch geführt. Sie hatte einen leichten Akzent, sprach aber fließend und fehlerfrei.

Anfänglich unterhielten sich fast ausschließlich die beiden alten Freundinnen, während ich frustriert und erschüttert einen Sake nach dem anderen runterkippte. Ich wollte gerade nochmal bestellen, als Jara mir an die Hand griff.

„Hey, was wird das? Was ist denn mit dir los, Angie? Willst du dich besaufen?"

„Weil wir gottverdammt unhöflich sind und uns nur miteinander unterhalten. Sorry, Angie, das war nicht schön von uns, aber wir haben uns bestimmt ein Jahr nicht mehr gesehen. Verdirb dir nicht das Essen, das Sushi hier ist sagenhaft. Sowieso, ich bin neugierig, was machst du eigentlich?"

„Ich bin Biologin, das heißt, ich habe gerade mein Studium beendet", gab ich moderat erfreut zurück.

„Und sie leckt gut", wurde Emilia von ihrer Freundin informiert. Oh Jara.

Emilia lächelte hintergründig.

„War klar, dass so ein Spruch von dir kommen würde. Interessant", meinte sie nur und sah mir dann lange in die Augen. „Biologie, meine ich. War eines meiner Lieblingsfächer in der Schule. Das lag aber auch ein bisschen an der Lehrerin. Die konnte nebenbei ebenfalls hervorragend lecken."

Das Gelächter, in das Jara und ich gleichzeitig ausbrachen, war befreiend und entspannte die ganze Situation. Es war immer wieder Emilia, die sicherstellte, dass die Gespräche nicht in Regionen abdrifteten, wo ich nur zuhören konnte. Mich immer wieder mit einbezog. Dann kam das Essen.

Sie hatte nicht übertrieben. Es war göttlich. Wie Emilia. Die sich immer öfter an mich wendete, mich sogar fütterte. Mir erst ein Reiskorn mit der Zunge nach so einer Aktion von meinem Mundwinkel entfernte. Dann ganz langsam an mein Kinn griff und mich küsste. Ich war völlig überrumpelt, erwiderte den Kuss aber wie in Trance.

„Du bist auch lecker", kam ihr Kommentar. „Wir werden heute noch richtig Spaß haben, wir drei Hübschen, was sagt ihr?"

Jara grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ich fühlte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Und nicht nur dorthin. Aber auch jede Menge Gedanken in den Kopf. Wollte ich das? Wirklich? Jara mit dieser Frau teilen? So etwas wäre mir nie in den Kopf gekommen. War ich zu verklemmt, zu engstirnig, zu kleingeistig, zu... oh mein Gott. Jetzt fasste sie mir unter dem Tisch zwischen die Beine.

„Ah, die stille Genießerin", säuselte Emilia. „Aber es fühlt sich nach Zustimmung an."

„Als ob dir jemand widerstehen könnte", warf Jara bis über beide Ohren grinsend ein.

Darum ihr Gelächter vorhin? Hatte sie diesen Verlauf des Abends vorhergesehen, vielleicht sogar abgesprochen? Ein weiterer Test, wie ich mit ihr und ihren Einstellungen umgehen konnte?

„Du wirst lachen, das ist vor kurzem tatsächlich mal passiert. Na, okay, ich hatte gerade vorher gekotzt und mein Mundwasser vergessen, aber trotzdem..."

In diesem Stil wurde die Unterhaltung fortgeführt. Wir lachten Tränen, und die Lockerheit und Offenheit, mit der Emilia mit mir umging, wischte alle Bedenken und Ängste fort. Das war eine tolle Frau, in jeder Beziehung. Keine Spur eingebildet, völlig natürlich und locker. Sich ihrer selbst bewusst, im besten und schönsten Sinne des Wortes. Richtig geil, aber hallo.

Sie entschuldigte sich und ging zum Klo.

„Na, hoffentlich hat sie diesmal an ihr Mundwasser gedacht", meinte Jara grinsend.

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