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Der Kassandra-Komplex

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"Lass mich raten, was es dann aber nicht war?"

"Das siehst du völlig richtig. Nun, sie zog sich tatsächlich vollständig aus. Was sie unter privater Live-Show verstand, war, sich mit einem Vibrator an ihrem Geschlecht zu spielen, in der Hoffnung oder mit der Intention, mich richtig zu erregen. Das war ich ohnehin etwas, aber irgendwie von diesem Schauspiel auch... wie soll ich das erklären... befremdet."

"Weil es nicht in die Richtung ging, die du dir erhofft hattest", sprang sie mir erneut bei.

"Genau. Dann fragte sie mich noch, ob sie mir 'die Eier abbinden sollte, damit ich beim Ficken nicht so schnell komme'. Ich verzichtete dankend, nun völlig aus dem Konzept gebracht. Sie zuckte mit den Schultern, brachte ein Kondom auf und führte mich sozusagen bei ihr und in den Beischlaf ein. Sie beschwerte sich noch kurz, dass ich ein wenig zu schnell voll eindringen wollte und überließ dann alles Weitere mir. Die Bewegungen kamen dann tatsächlich wie von selbst und es war schon irgendwie erregend. Aber doch ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Weit weniger aufregend als die orale Stimulation zuvor. Und führte auch nach geraumer Zeit zu nichts. Das merkte sie dann ebenfalls mit einiger Verblüffung und unterbrach das Ganze dann nach einer entsprechenden Klage. Fragte mich mit durchtriebenem Blick, wie oft ich denn an diesem Tag schon gevögelt hätte und ich erzählte ihr treuherzig, was in den letzten zwei Stunden geschehen war. Sie lachte und brachte mich mit der Hand zum Höhepunkt. Und fragte danach, ob ich ihr nicht noch ein Trinkgeld geben wollte, weil es für sie so ein Aufwand gewesen war. Was ich mit einem Zwanziger tat."

Ich seufzte.

"Das war also das erste Mal, dass ich mit einer Frau geschlafen habe. Mit ihren ordinären Sprüchen und ihrer ganzen Art hatte sie mir das gründlich verdorben, weil sie, anders als ihre Arbeitskollegin, offenbar keinerlei Feingefühl für mich und meine besondere Situation entwickelt hatte. Für sie war ich nur ein eben etwas jüngerer geiler Bursche wie alle anderen auch gewesen."

"Aber du warst nicht nur enttäuscht?"

Verblüfft sah ich ihr in die Augen. Das konnte sie erahnen?

"Nein, da hast du ganz Recht. Ich fühlte mich auch... als Mann. Endlich als Mann. Nun konnte ich sozusagen mitreden, was ich selbstverständlich nicht tat. Das war kein Erlebnis gewesen, mit dem ich mich hätte brüsten können und wollen. Meinem Freund erzählte ich als Einzigem, dass und wo ich die Geschichte durchgezogen hatte und auf seine grinsende Rückfrage, dass es ganz okay gewesen war."

"Du hattest aber die Hoffnung, dass es mit einer anderen, empathischeren Prostituierten anders sein könnte?"

"Genau. Ich war allerdings für eine Weile bedient. Und dann auch pleite, denn nun hatte wirklich das Auto Vorrang. Mein erstes Auto, ein gelb-schwarzer Käfer. Mein ganzer Stolz. Der allerdings ständig irgendwelche Mucken hatte und kleinere Reparaturen brauchte... und was sonst so dazugehörte, eine gute Anlage..."

"Interessant, aber du kommst ein wenig vom Thema ab", kam ihre grinsende, wohl nur halb ernst gemeinte Schelte.

"Du möchtest wirklich hören, wie es weiterging?"

"Ja, aber vielleicht nicht mehr heute, es ist tatsächlich schon nach zwei. Und zumindest du musst morgen ja noch arbeiten. Ich möchte nicht verantwortlich sein, wenn findige Leute deinen Laden ausräumen, während du den Schlaf der Gerechten schläfst, weil ich dich solange wach gehalten habe..."

"Oh Gott, echt schon so spät? Mit dir vergeht die Zeit wirklich wie im Flug. In Ordnung, dann lass uns hier abbrechen..."

"Du versprichst mir aber, dass du mir morgen weiter davon berichtest?"

"Es... interessiert dich wirklich? Für mich waren das eigentlich schrecklich peinliche Episoden, etwas, wofür ich mich irgendwie ziemlich schäme..."

"Das brauchst du nicht. Und, das merkst du doch gerade wohl selbst, das musste heraus, oder nicht?"

Ja, das Gefühl hatte ich auch. Was war sie in diesem Moment für mich, ein weiblicher Beichtvater? Würde sie mir, nachdem ich all diesen Schmutz gebeichtet hatte, Absolution erteilen?

"Ja, aber vielleicht habe ich mit den Details etwas übertrieben..."

"Auf keinen Fall. Ich finde es großartig, dass du dich traust, so offen darüber zu reden. Ich werde mich gerne in gleicher Weise revanchieren, wenn du das möchtest. Auch wenn mein erstes Mal sicher marginal romantischer war", gab sie lächelnd zurück.

"Oh. Das wäre... wunderbar", gab ich erschüttert und ohne echte Hintergedanken zurück.

Sie lächelte fein, gab mir einen Kuss auf die Wange, überließ mir das Bad als erstem zum Zähneputzen und wünschte mir eine gute Nacht.

Ja, sie hatte völlig Recht. Es war befreiend gewesen, ihr davon zu erzählen. Noch immer war ich verblüfft darüber, wie leicht es mir gefallen war, mich ihr gegenüber in dieser eigentlich extremen Weise zu öffnen. So groß waren ihre Vorleistungen da ja nicht gewesen, wenn auch ansatzweise vorhanden.

Ich fand trotzdem nicht leicht in den Schlaf. Daran war auch ihre Ankündigung nicht ganz unschuldig. Zum ersten Mal seit langem dachte ich wieder an Sex und nicht nur aus meinen Erinnerungen heraus. Der Gedanken daran, dass ich von ihr Ähnliches zu hören bekommen würde, erregte mich schlicht und ergreifend.

Zum ersten Mal seit langem masturbierte ich vor dem Einschlafen. Dachte dabei nicht direkt an sie, nur an eine namenlose, gesichtslose Frau, mit einem warmen, weichen, innen wirklich verheißungsvoll feuchten Körper.

Einer Frau als solche.

Geschichten aus zwei Welten

Am Morgen erlebte ich eine Enttäuschung. Ich war trotz der späten Stunde, zu der ich eingeschlafen war, zu meiner normalen Zeit wach geworden. Sie nicht. Wie traurig das Frühstück alleine war, wie sehr mir ihre Anwesenheit bereits fehlt, erschütterte mich. Wurde mir klar, wie einsam ich seit dem Ableben meiner Mutter gewesen war.

Erst kurz bevor ich die Wohnung verlassen wollte, öffnete sich ihre Zimmertür und sie tippelte barfuß in einem kurzem weißen Nachthemd mit einer Stones-Zunge darauf in Richtung Bad. Oder war das vielleicht nur ein langes T-Shirt?

"Morgen!", begrüßte sie mich erfreut, als sie mich bemerkte. Sah aber im nächsten Moment, dass ich bereits meine Jacke und die kleine Aktentasche trug, in der ich meine Brote und das Wechselgeld für die Kasse transportierte. "Oh, doch schon so spät?"

"Ich fürchte ja. Ich... habe dich beim Frühstück richtig vermisst", gab ich, mich selbst über diese frühmorgendliche Ehrlichkeit verblüffend, zurück.

"Na, wir machen uns zum Ausgleich wieder einen schönen gemeinsamen Abend", meinte sie schmunzelnd. "Soll ich uns was Schönes kochen?"

Darüber hatte ich mir allerdings Gedanken gemacht. Und da sie keine Vegetarierin war...

"Ehm... hier hält freitags immer ein Hähnchengrill vor dem Rewe. Magst du sowas? Ich muss gestehen, das ist eine meiner geheimen Leidenschaften, und von dort schmecken sie wirklich großartig..."

"Super Idee, soll ich die holen?"

"Nein, dann bringe ich die auf dem Heimweg mit. Auch Pommes dazu? Gut, mit Ketchup oder Majo?"

"Dann sag ich ganz frech mit beidem. Und ich besorge uns dazu passend ordentlich Bier, oder?"

"Du bist eine Frau nach meinem Geschmack", gab ich in vollem Bewusstsein der Doppeldeutigkeit mit erstaunlichem Mut zurück, was ihr ein weiteres Lächeln entlockte.

"So, so", kam ihr Kommentar. "Na dann los, deine Bücher wollen verkauft und meine Blase entleert werden", jagte sich mich davon.

~~~

"Boah, die sind echt lecker", bestätigte sie am Abend mein Urteil über die Hähnchen.

Vergnügt nagte ich an dem Schenkelknochen und nickte nur, da mein Mund voll war. Binnen Sekunden hatte sich meine Hoffnung erfüllt und sie aß genau wie ich mit den Fingern, wobei sie das auch auf die Pommes ausdehnte.

Insgeheim hatte ich befürchtet, dass ich gezwungen wäre, wie im Restaurant auf Messer und Gabel zurückgreifen zu müssen. Teil dieser Erfahrung war für mich aber schon immer gewesen, hier das Essen wirklich in den Fingern zu halten.

"Sag ich doch", entgegnete ich nachdem ich das Fleisch heruntergeschluckt hatte. "Hattest du einen guten Tag?"

Upps, jetzt sprach ich sie schon in gleicher Weise wie meine Mutter beim Essen an. Na ja, das konnte sie natürlich nicht wissen. Und war hier bei ihr keine ritualisierte Formel, sondern echtes Interesse.

"Ja, den hatte ich tatsächlich. Ich habe mein Zimmer jetzt weitestgehend eingeräumt, nur einige Bücherkisten warten noch auf die Fertigstellung unseres gemeinsamen Projekts... Wann wolltest du das in Angriff nehmen?"

Eigentlich hatte ich das erst nach der Abholung des Sperrmülls tun wollen. Um einen Termin hatte ich tatsächlich schon ersucht, aber noch keine Bestätigungs-Postkarte erhalten. In dem Raum befanden sich noch Stühle und ein Tisch, die meine Eltern für größere Feiern dort gelagert hatten, sowie die Nähsachen meiner Mutter, antik wie modern, eine alte gusseiserne Nähmaschine und ihre modernere elektrische, dazu Stoffe und allerlei Zubehör. Hm, die beiden konnte ich ja notfalls verkaufen, daran hatte ich gar nicht gedacht.

"Eigentlich wollte ich damit warten, bis die Sperrmüllabholung kommt. Aber wenn du mir hilfst, könnten wir das im kleinen Zimmer befindliche Zeug auch in den Keller schaffen und schon morgen damit anfangen. Ich hatte geplant, einfach nur schöne Echtholzbretter und entsprechende Wandhalterungen aus dem Baumarkt zu besorgen. Mal abgesehen davon, dass dies eine der kostengünstigsten Lösungen ist, kann man so auch durch unterschiedliche Bretttiefen optimal an die tatsächlichen Bedürfnisse anpassen."

Sie lächelte vergnügt.

"Das ist dein Forte, nicht wahr? Optimale Lösungen, perfekte Aufbewahrung... nein, brauchst dich nicht zu rechtfertigen, ich finde das toll. Und total niedlich, wie deine Augen dabei zu glänzen beginnen. Ich unterstütze dich natürlich gerne, auch bei der handwerklichen Seite, wenn du das möchtest. Ich habe irgendwann notgedrungen diesen Part in meiner Ehe übernehmen müssen. Jonas hatte zwei linke Hände. Nach dem dritten verhunzten Ikea-Teil habe ich ihn nichts mehr machen lassen. Ich kann ebenfalls mit einer Bohrmaschine umgehen..."

Irgendwie überraschte mich das bei ihr nicht im Mindesten.

"Ich liebe nebenbei Baumärkte. Du wirst auf mich aufpassen müssen, sonst werden wir nicht nur mit Regelbrettern nachhause kommen...", setzte sie grinsend fort.

"Da sehe ich kein Problem. Hm, kannst du außer mit Bohrmaschinen auch mit Nähmaschinen umgehen? Es steht noch eine gute von meiner Mutter in dem Zimmer, weiß gar nicht, was ich damit machen soll."

"Da muss ich leider ebenfalls passen. Ich kann notfalls einen Knopf mit der Hand annähen, aber damit erschöpfen sich dann schon meine hauswirtschaftlichen Fähigkeiten."

"Darf ich bei dir mal tunken?", fragte ich zusammenhanglos, weil ich auf den Geschmack von Majo neugierig geworden war, denn ich hatte mir wie immer Ketchup auf meine Pommes geben lassen. In der Zwischenzeit war ich ihrem Beispiel gefolgt und hatte auch für die Pommes die Verwendung einer Gabel aufgegeben.

"Vielleicht... ach so, du meinst die Majo? Das natürlich sofort", bestätigte sie mit einem verschmitzten Grinsen. Mir wurde heiß und kalt, als mir der Sinn ihrer Einleitung klar wurde.

Sie lachte kurz, als sie meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. Aha, der gewöhnungsbedürftige Sinn für Humor. Hm, mit Majo schmeckten die Pommes fast noch besser.

"Wobei mir fast schon wieder beim Thema wären...", meinte sie zu allem Überfluss noch und blitzte mich an.

"Oh... vielleicht nach dem Essen? Und nach dem ersten Bier wäre vielleicht auch vorzuziehen...", gab ich meinen ehrlichen Standpunkt bekannt und versuchte die Verunsicherung durch ihren Scherz abzuschütteln. "Glückwunsch zur Wahl, nebenbei. Warsteiner gehört zu meinen absoluten Lieblingssorten."

"Dachte ich mir. Natürlich, wie du willst. Ich lade dich in meine Welt ein, wenn du möchtest. Du hast das Zimmer seit seiner tatsächlichen Fertigstellung ja noch gar nicht gesehen."

"Oh... ja, warum nicht. Nur, wo wollen wir da sitzen?", wunderte ich mich. Mit dem Sessel hatten wir das einzige Sitzmöbel entfernt.

"Das wirst du sehen. Und wenn es dir zu unbequem wird, können wir selbstverständlich auch aufs Bett..."

Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ihre Zweideutigkeiten brachten mich ordentlich aus dem Konzept, wie auch das Wissen um die Themenbereiche, die wir später anreißen würden. Auf einmal war eine seltsam geladene Stimmung in der Küche. Was sie sicher hatte vorhersehen können. Gewollt hatte?

Oh Jammer, selbst die Art, wie sie ihr Hähnchen und die Pommes aß, schien nun eine sexuelle Komponente zu haben. Ich fühlte bereits eine leichte Schwellung, wo sie beim Essen keinesfalls hingehörte. Nur beim Essen? Sie war meine Mitbewohnerin, verdammt. Bloß das Thema wechseln.

"Also gut, den Verlauf des Abends haben wir geklärt. Wenn es dir recht ist, sollten wir dann gleich morgens in den Baumarkt, das Zimmer leerräumen könnten wir dann im Verlaufe des Vormittags und nach der Mittagsruhe mit dem Anbringen der Regalbretter beginnen. Vielleicht sollten wir wegen der Maße für deinen Bereich deine Bücher kurz sichten. Meine Erfordernisse sind mir bereits bekannt."

So leicht ließ sie sich nicht von ihrem Spiel abbringen, wie ich sofort erfahren musste.

"Es freut mich, dass du an meinen Maßen so großes Interesse hast. Ich gewähre dir gerne den gewünschten Einblick. Ich habe nichts zu verbergen", kam die Antwort, bei der ich mir sicher war, dass sie sich dabei innerlich kaputtlachte.

"Sehr witzig", machte ich einen schwachen Versuch, mich gegen das Spiel zu wehren, das mir nur halb unangenehm war, mich aber wirklich voll verwirrte. "Von einer guten Planung wirst du schließlich auch profitieren."

"Selbstverständlich. Ich stimme dir voll zu. Solche Dinge geht man am besten planvoll an. Andere Dinge lassen sich nicht so gut in Pläne und Systeme zwängen, gerade bei Gefühlen ist von vor Überraschungen nie sicher... das ist aber sicher eine interessante Diskussion, die wir zu einem späteren Zeitpunkt einmal führen könnten und sollten. Du siehst etwas müde aus, das war doch sicher deutlich zu wenig Schlaf für dich?"

"Oh, stimmt schon, es war etwas weniger als gewohnt, aber auch mit wenig Schlaf gut auszukommen, lernt man beim Bund."

"So, so. Du hast noch eine ganze Weile gebraucht, um einzuschlafen, nicht wahr?", kam ihre Frage, die ich genauso wenig wie ihren Gesichtsausdruck dabei einordnen konnte.

"Das ist richtig... wieso...", setzte ich an.

"Die Wände sind recht dünn...", gab sie ihre völlig korrekte Einschätzung bekannt. Ich hatte das Gefühl, vor Scham im Boden zu versinken. Oh mein Gott. Sie hatte mitbekommen, wie ich meinen Schlaf induziert hatte? Verdammt, das Bett quietschte tatsächlich leise, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.

So, wie sie umgeräumt hatte, waren unsere Betten tatsächlich nur von der, wie ich wusste, dünnen Rigips-Wand voneinander getrennt. Mein Vater hatte diese selbst eingezogen, es war vorher ein Riesenraum mit zwei Eingängen gewesen.

"Das ging mir ganz genauso. In jeder Beziehung. Darum bin ich heute Morgen auch deutlich später aufgewacht", holte sie mich aus meinen Gedanken ab. "Kein Grund zur Aufregung... oder falscher Scham."

Es fiel mir schwer ihrem Blick standzuhalten, der allerdings ihre Worte noch einmal zu bekräftigen schien. Natürlich, es ist ganz natürlich, schoss mir durch den Kopf. Moment, wenn ich sie richtig verstanden hatte, hatte sie auch... oh weia... sie nickte zu allem Überfluss auch noch, als ob sie meinen Gedankengang nachverfolgen konnte.

"Ehm... ich hatte ganz vergessen, wie hellhörig die Wohnung ist, das tut mir leid."

"Komm, das braucht dir nicht leid zu tun. So leise, wie ich gestern dabei war, bin ich übrigens auch nicht immer. Nur zur Info. So, das war richtig lecker. Wollen wir die zwei Teller zusammen abwaschen und dann rüber?"

Nun, die eine oder andere Minute hätte ich lieber noch gesessen, zumal dieses Gespräch, wie auch ihr augenblickliches Fingerabschlecken, nicht spurlos an mir vorübergegangen waren. Egal, Augen zu und durch. So aufmerksam, wie sie mich sonst auch beobachtete, dort schaute sie sicher nicht hin. Oder?

Wir räumten gemeinsam ab und kümmerten uns um den kleinen Abwasch. Als ich den fast vollen Bio-Mülleimer beim Einfüllen der Knochen bemerkte, tat sich zudem ein Fluchtweg zur Abkühlung auf.

"Ehm... ich bringe mal schnell die Bio-Müll runter", erklärte ich.

"Lass doch, können wir morgen früh mit runternehmen. Schnapp dir lieber noch den Rest des Trägers aus dem Kühlschrank und dann gehen wir in mein Zimmer. Ich bin echt neugierig, was du dazu sagen wirst."

Ich war völlig von den Socken, als wir in ihrem Zimmer standen. Trotz der vertrauten Möbel war es in der Tat kaum noch wiederzuerkennen. Meine Mutter hatte alles ihrer Persönlichkeit entsprechend sehr nüchtern und ohne jeden Sichtschmuck gestaltet gehabt. Claudia war da völlig anders.

Alle freien Stellflächen hatten irgendeine kleine Figur, Minidosen, Kerzen, auch einige Bücher oder irgendetwas anderes darauf. Einen Teil der Möbel hatte sie mit interessant gemusterten Tüchern bedeckt, die wahrscheinlich von ihren Indien-Urlauben stammten. Sie hatte sogar eine indische Flagge an ein Regal gebunden, das nicht vorher im Zimmer gewesen war.

Das musste sie tatsächlich angebohrt haben, denn es war ein Hängeregal. Sie folgte meinem Blick und lächelte.

"Meine Bohrmaschine habe ich natürlich mitgenommen. Damit kann sich mein Ex eh nur verletzen. Das ist ihm sogar beim Dübel-Einklopfen gelungen. Gefällt es dir?"

Das tat es in der Tat, obwohl viele der Sachen sicher nicht meinem persönlichen Geschmack entsprachen. Ich stellte zudem verblüfft fest, dass sich in den Fenstern zusätzliche Blumen befanden und auch eine größere Palme in einer Ecke stand, die wir sicherlich nicht beim Umzug mitgenommen hatten.

"Großartig, so... lebendig", gab ich zurück und meinte das auch so. Dagegen war das Zimmer, während meine Mutter es bewohnt hatte, richtig steril gewesen. Dies hier lebte, atmete, war ein Abbild ihrer Persönlichkeit.

Sie hatte auf dem Fußboden eine Sitzecke mit einer Reihe Sitzkissen geschaffen, zu der sie mich nun mit einer einladenden Handbewegung steuerte. Auch hier lag eines dieser bunten Baumwolltücher darunter.

"Ich hoffe, es macht dir nichts auf dem Boden zu sitzen. Ich tue das eigentlich sehr gern, weil es besser für die Haltung und den Körper insgesamt ist. Es schafft dabei eine gewisse Erdung", dozierte sie und machte es sich dort bequem, in einer Art Schneidersitz.

Auf einem kleinen, ebenfalls abgedeckten Schrank, der meiner Mutter als Nachtschränkchen gedient hatte, befand sich dann einer dieser gefürchteten Räucherstäbchenhalter. Nun, immerhin hatte sie ihn noch nicht in Betrieb genommen. Trotzdem roch es irgendwie frischer als zuvor. Oder war sie das?

Die Sitzkissen waren erstaunlich bequem, obwohl mir schon klar war, dass ich die nun eingenommene Sitzhaltung vermutlich nicht so lange wie sie schmerzfrei durchhalten konnte. Irgendwie würde es schon gehen.

"Wirklich, das hast du fantastisch hinbekommen. Der Raum ist kaum wiederzuerkennen."

"Nun... jetzt fühle ich mir wirklich wohl hier drin. Jetzt fühlt es sich wie ein Zuhause an. Wie ich dir schon angedroht habe, so leicht kriegst du mich hier nicht wieder weg."

"Ich sagte doch, das kann mir nur recht sein", eröffnete ich ihr und uns beiden ein Bier, reichte ihr eines und stieß mit ihr an.

"Auf dein neues Zuhause."

Sie lächelte erfreut, erwiderte "Auf uns" und trank ein paar Schlucke. In einer Ecke standen noch sechs große übereinandergestapelte Umzugskisten.

"Sind da die Bücher drin? Die sollten wir wie gesagt sichten."

"Ja, können wir später gerne machen. Sind nicht alle bis obenhin voll, ich hatte wegen des Gewichts andere Dinge obenauf gelegt, nicht dass du jetzt die Krise kriegst. Ein paar sind es aber schon. Du bist neugierig darauf, was ich so lese, nicht wahr?"

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