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Der Kassandra-Komplex

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Unser Kreis wuchs und weitete sich aus, verlegte sich bald auf Abende, wo die Teilnahme für die vielen Berufstätigen, aber auch teilnehmenden Studenten, einfacher wurde. Nun erwies es sich als Vorteil, dass die Bestätigung für den Sperrmüll einige Zeit auf sich warten ließ, denn sonst wären die Stühle, die meine Eltern für große Feiern aufbewahrt hatten, längst dort gelandet, konnten so aber einem neuen Zweck zugeführt werden.

Es stieß dabei noch etwas anderes an, bei mir und meinem Laden. Es wurde mir wichtig, dort die vielen Bücher, die ich entweder durch Claudia oder andere unseres Kreises, von dem sie selbstverständlich ein Teil, wenn nicht gar oft dessen Mittelpunkt wurde, zum Lesen und Verstehen vorgeschlagen wurden, anzubieten.

Das begann so, dass ich verstärkt darauf achtete, diese Titel im Sortiment zu haben, wobei ich schnell feststellte, dass wahre Schätze eben nicht so häufig im Umlauf sind, weil sich die Besitzer davon nicht trennen wollen. Also stellte ich mithilfe eines Teils des Kapitals, was Claudia nach der Auszahlung ihres Anteils an der Eigentumswohnung zur Verfügung stellte, zusätzlich auf den gleichzeitigen Verkauf von druckfrischen Büchern um.

Was das Geschäft ankurbelte, denn es sprach sich herum, dass man diese Bücher am leichtesten und besten bei mir finden konnte. Die Kehre in finanzieller Hinsicht brachte dann allerdings meine überfällige Öffnung gegenüber den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts. Mit anderen Worten, ich ließ den Eintritt des Internets in mein Leben zu.

Und öffnete mich der Möglichkeiten insofern, als ich eine Webseite zu betreiben begann, wo man die neuen und gebrauchten Bücher online erwerben konnte. Davon wurden wir nicht reich, aber finanzielle Engpässe waren und sind auch nicht mehr zu befürchten. Und noch etwas eröffnete diese Runde für uns.

Claudia und ich begannen unsere nun gemeinsamen und weiterentwickelten Konzepte und Ideen auf Anregung unseres Kreises niederzuschreiben. Im Herbst 2015 erschien unser erstes gemeinsames Buch, was sich nicht nur in meinem Laden sehr gut verkaufte. Aber auch meinen Roman habe ich nun endgültig fertiggestellt und veröffentlicht.

Es gab also viele Veränderungen, die mein und unser Leben überformten und neugestalteten. Nicht mehr so schnell und dramatisch, als überraschender und vollständiger Durchbruch, wie durch Claudias Eintritt in mein Leben, mit dem vorläufigen Höhepunkt meiner ersten echten Begegnung mit der Sexualität. Durchaus radikal war selbstverständlich die Veränderung, die die Geburt unseres Sohnes mit sich brachte.

Alles andere wurde eine langsame, stete Entwicklung, die weiter geht, kleine und große Veränderungen in mir und unserer Beziehung auslöst, sie und mich erweitert, aber auch festigt. Weitere Horizonte eröffnet, zudem einen Rückfall in vorherige Muster nicht unmöglich, aber immer unwahrscheinlicher macht.

Am schwersten war und ist für mich die Integration meiner als negativ empfundenen Gefühle, Schmerz, Angst, Trauer, Wut, Neid, sogar Hass. Nicht nur deren Entdeckung und das Freisetzen durch Rolfing-Sitzungen, die Claudia und ich von 2016 - 2018 durchführten, sondern weiterhin der Umgang mit solcherart Gefühlen in der Gegenwart.

Eine Bewusstmachung feit keinesfalls davor, erneut ähnlich zu empfinden und sie wiederum als problematisch zu empfinden. Obwohl sie das wirklich nicht sind. Einfach ein Teil von uns, der genauso verstanden und angenommen werden muss. So schwer das manchmal auch fällt.

Wohin uns unser und mein Weg führt, kann ich nicht sagen. Es ist im Grunde nicht wichtig, wichtig ist nur die Bewegung. Auch das hat Christa Wolf einmal in ihrem "Nachdenken über Christa T" wunderschön formuliert: "Die Bewegung mehr lieben als das Ziel."

In Bewegung geraten ist vieles, auf der persönlichen, wie auch der gesellschaftlichen Ebene. In unserem kleinen bescheidenen Rahmen für uns beeindruckender und nachhaltiger, aber auch dort nur langsam, schrittweise und nicht ohne Mühen. Was zählt, ist die Richtung, der Wille zur Veränderung und die größtmögliche Aufmerksamkeit. Richtiges zu unterstützen, Falsches abzulehnen, oder aufzugeben.

Claudia hatte ebenfalls weiter damit zu kämpfen, mit ihrer Schwester Birgit einen halbwegs normalen Umgang wieder hinzubekommen. Es fiel ihr leichter, als sich Birgit und Jonas, wie von ihr erwartet und vorausgesagt, kurze Zeit später trennten. Birgit besuchte uns fortan häufiger, und eine Normalisierung schien eigentlich schon erreicht.

Dann allerdings wiederholte Birgit ein Muster, welches sie nach Claudias Aussagen bereits seit ihrer frühen Kindheit gezeigt hatte. Nämlich, wirklich gern und mit Begeisterung, eigentlich am liebsten, mit den Spielsachen ihrer Schwester zu spielen. Das war in dem Fall ich, und sie versuchte tatsächlich, mich zu verführen.

Daran war ich nicht völlig unschuldig. Meine großartige Kommunikation mit Claudia, aber gleichfalls den Frauen in unserem Gesprächskreis, hatte nämlich dazu geführt, dass ich mit Frauen nun anders und lockerer umging. Ich fühlte mich in ihrer Nähe wohl und interessierte mich für sie. Weiterhin allerdings nur akademisch und menschlich.

Ich zeigte mein Interesse, auch in privateste und intimste An- und Einsichten, ihre Gefühle, schreckte nicht davor zurück, sie in den Arm zu nehmen, oder Trost zu spenden, wenn sie traurig waren. Ging unbefangen und offen mit ihnen um, wobei diese sehr wohl verstanden, wie mein Verhalten, mein Interesse und meine Anteilnahme zu verstehen waren.

Birgit, muss ich vorausschicken, war eine außergewöhnliche Frau, die sich vom Typ und im Handeln von den anderen, die ich nun näher kennengelernt hatte, abhob. Und mich vielleicht daher sogar noch mehr interessierte. Sie stand aufgrund ihrer zahlreichen Besuche und ebensolcher Gespräche gleichfalls öfter als phänomenologisches Studienobjekt zur Verfügung.

Wie Claudia in der Tat eine faszinierende Frau, mit augenscheinlicher Schönheit. sich dieser und ihrer weiblichen Ausstrahlung völlig bewusst. Wie Claudia, so dachte ich, dem Spielen und lustigen Wortgefechten sehr zugetan, worauf ich mich durchaus gerne einließ. Dass dies in Wahrheit nach ihrem Verständnis Flirten war, und sie meine Reaktionen als Bereitschaft hierzu interpretierte, kam mir nicht einmal in den Sinn.

Es war ja für mich völlig anders, denn körperliche oder emotionale Reaktionen meinerseits blieben aus. Obwohl sie sicherlich eine aufregende Frau war und ist, gab es meinerseits keinerlei sexuelles Interesse und keine Reaktionen auf dieser Ebene. Ich fand es einfach nur witzig und dachte, wir lägen damit auf einer Wellenlänge.

So erlebte ich einen ganz ordentlichen Schock, als ich im Verlaufe eines lockeren, lustigen und bis dahin sehr schönen Nachmittages nur mit ihr alleine, während sich Claudia und Heinrich an diesem Sonntag auf einem Kindergeburtstag befanden, Birgit nach meiner Rückkehr von der Toilette nackt auf unserem Sofa vorfand.

Und mich nach meinem perplexen Setzen sofort ihrem Frontalangriff ausgesetzt sah, bei dem sie sich in ihrem Eva-Kostüm auf meinen Schoß setzte und versuchte mich zu küssen. Meine Schockstarre und fehlenden Reaktionen schienen sie eher noch anzustacheln und es verging einige Zeit, bis ich mich soweit gefangen hatte, dass ich sie verbal und mit Gesten von ihrem Irrtum in Kenntnis setzen konnte.

Als Reaktion darauf brach sie in Tränen aus. Also bekam sie von mir wieder sofort, ungeachtet ihrer Nacktheit, eine körperliche und emotionale Reaktion. Und schon hatte ich sie wieder an meinen Lippen und ihre Hand bahnte sich ihren Weg in meine Hose. Diesmal wehrte ich sie bestimmt und eindeutig ab. Auch verbal. Woraufhin sie erneut weinte, aber dann meiner Aufforderung, sich anzuziehen, nachkam.

Sie tat mir leid, denn mir war völlig klar, dass es ihr nicht nur um den Kick, etwas Verbotenes zu tun, ging. Ein vielleicht nur kurzes oder einmaliges sexuelles Abenteuer mit dem Mann zu suchen, den sie nicht nur kennen und schätzen gelernt hatte, sondern der gerade auch aufgrund der Vorgeschichte ein absolutes Tabu für sie hätten sein sollen.

Nein, da kam eindeutig viel mehr ins Spiel, eine Einsamkeit, unter der sie litt, eine Haltlosigkeit, die ihr ganzes Leben bestimmt hatte. Und bei ihr wie vormals bei mir, eine Verkapselung in ein Selbstbild und eine Rolle, die sie spielte, die ihr allerdings in ihrem Falle oft oberflächliches oder sexuelles Interesse, aber keineswegs das wirklich Gewünschte einbrachte.

So sehr mich das menschlich berührte, stieß mich ihre Bereitschaft, erneut dafür ihre Beziehung mit Claudia und alle anderen Beziehungen ebenso, aufs Spiel zu setzen, ab. Hörte mein Verständnis und Mitgefühl an diesem Punkt auf.

Sie war nicht einmal verliebt in mich, es war kein Überschwang eines starken und unkontrollierbaren Gefühls. Meine Erklärungen wollte sie nicht mehr hören und rannte förmlich aus unserer Wohnung.

Ich stand vor einem Dilemma. Ich wusste, wie sehr es Claudia wehtun und das Verhältnis zu Birgit belasten würde, wenn ich ihr von diesem Versuch berichtete, erzählte ihr daher bei ihrer Rückkehr davon zunächst nichts.

Ich diskutierte es stundenlang mit Sebastian, denn selten hatte ich mich in einer persönlichen Angelegenheit so hilflos gefühlt. Wie so oft enthielt er sich eines echten Ratschlags und eröffnete mir mit seinem Feedback stattdessen einfach die Situation im Ganzen, wofür ich ihm immer wieder dankbar war.

Am Ende entschied ich mich dafür, es zu ihr zu erzählen. Wobei ich auch meine gefühlte Mitschuld an dem Entstehen dieser Situation nicht ausließ. Wozu Sebastian mir nicht direkt hatte raten wollen, aber was er persönlich ebenfalls getan hätte, wie er mir im Nachhinein versicherte.

Es tat ihr weh und es schaffte wirklich für einen Moment eine größere Distanz zu Birgit, aber es brachte uns näher. Denn sie meinte zurecht, wichtiger als der vorübergehende Schmerz sei das intakte Vertrauen, auch in sie selbst und ihre Fähigkeit Schmerzen dieser Art zu ertragen und damit umzugehen.

Dass ich nicht versucht hatte, durch falsches Schweigen diesen notwendigen Schmerz von ihr fernzuhalten. So ganz unschuldig sei sie daran ebenfalls nicht, gab sie augenzwinkernd zu, immerhin hatte sie ihrer Schwester so einiges von meinen körperlichen Attributen und Fähigkeiten erzählt.

Und wie sie dann in der Folge damit umging, war mehr als beeindruckend. Sie verzieh Birgit nicht nur vorbehaltlos, sondern kümmerte sich so intensiv wie nie zuvor um sie, hatte wie ich genau erkannt, dass auch diese Aktion ein verkappter Hilfeschrei gewesen war.

Zeigte erneut ihre ganze menschliche Größe und ihre umfassende Liebe. Ich weiß immer noch nicht, womit ich eine Frau wie sie verdiene. Und wem ich dafür danken muss, sie in mein Leben gebracht zu haben. War es eine Fügung des Schicksals, dass ich Claudia getroffen habe? Gab es sowas?

Vielleicht auch nur das Phänomen, dass man manchmal zur richtigen Zeit genau den Menschen und Ideen begegnet, die unser Leben und unser Denken verändern können, weil sie den Wunsch dazu auslösen. Auch der Liebe, die uns tragen und in die richtige Richtung lenken kann.

Auf uns zu, aus uns heraus. Und in eine bessere Zukunft.

  • KOMMENTARE
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23 Kommentare
PaarohneBar1PaarohneBar1vor 2 Monaten

Vielen Dank für diese Geschichte. Ich liebe diese Art der Geschichten auf dieser Plattform , wo beide Hände an der Tastatur sind. Darum suche ich viel Schrott durch um als Belohnung solche Autoren zu finden.

In diese Geschichte habe ich so viele Möglichkeiten für neue Blickwinkel gefunden, welche mir in meiner Beziehung helfen , aber auch beim Umgang und Verständnis anderer Menschen.

Vielen Dank

theoretikertheoretikervor 9 Monaten

Eine ganz wunderbare Erzählung, die neben außergewöhnlichen Protagonisten und einer fesselnden Handlung auch eine Reihe von Exkursionen in philosophische, ja teilweise fast esoterische Gefilde bietet, und all das in einer bezaubernden, zeitlosen Sprache. Vielen Dank für das unglaubliche Vergnügen beim Lesen.

GeorgnGeorgnvor mehr als 1 Jahr

Wahnsinnig eindrucksvolle Story von Liebe und Vertrauen. Danke. Schade das du aufhörst zu schreiben. Deine Beweggründe dazu kann ich aber durchaus verstehen. Gruß GN

AnonymousAnonymvor mehr als 1 Jahr

Also ich muss sagen, ich habe bei den Sternen echt gehadert.

Auf der einen Seite hast du dir meinen letzten Kommentar angenommen, und diesmal einen echten Schluß gezaubert, das finde ich klasse. Das hebt es von den anderen Geschichten ab. Klares plus.

Das schwierige war, dass die Gedankengänge teils oft verworren waren, und für mich als Laie nur schwer nachzuvollziehen sind. Dabei hast du dir echt Mühe gemacht, in eine andere gedankliche Welt abzutauchen. Und das muss ebenfalls honoriert werden.

Der Start der Geschichte war für meinen Geschmack etwas zu lang, aber es stellte sich heraus, dass du die Gedanken und Gefühle schon vorher betonen wolltest. Da ist der nächste Minuspunkt weg.

Ich kann leider nicht anders, auch wenn es stellenweise relativ langatmig wurde, ist es dennoch mit 5 Sternen dabei.

Beste Grüße und super gemacht

T. H.

AnonymousAnonymvor mehr als 1 Jahr

Eine tolle Geschichte, an manchen Stellen etwas ausschweifend aber der Inhalt fängt sich wieder ein, so dass ich keine Zeile missen möchte. Nun, es ist ein anderer Stil aber deshalb nicht schlechter. Ist halt mehr für Kopf und Geist. Mir hat die Geschichte sehr gefallen. Danke!

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