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Die einsame Highland Farm - Okt. 23

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„Wenn die Bestellungen rechtzeitig geliefert werden, der Kühlraum in Betrieb geht, die Vakuumverpackungsmaschine installiert ist und die Tiefkühlschränke aufgestellt sind, sind wir voll einsatzfähig", verkündete Ludmilla vier Tage nach ihrer Ankunft beim Abendessentisch.

„Kannst Du das vom Datum her festlegen?" Mary war neugierig, weil sie jetzt das Jagdprogramm mit Andrew im Detail festlegen wollte.

Ludmilla dachte kurz nach. „Vermutlich in der dritten Oktoberwoche, eventuell ein paar Tage früher."

„Das passt ja großartig." Mary klatschte in ihre Hände. „Dann beginnen wir mit etwa zehn Hirschen. Und ab 21. Oktober ist die Jagd auf Ricken freigegeben. Dann machen wir mit Euch ein detailliertes Abschussprogramm in Anpassung an Eure Verarbeitungsmöglichkeiten."

„Einverstanden." Mir als Beobachter war mittlerweile klar, dass Ludmilla, die ältere Schwester, die Rolle des Vorarbeiters voll ausfüllte. „Wie habt ihr Euch das jetzt in Sachen Vertrieb und Auslieferung vorgestellt?" Ludmilla schaute wechselweise zwischen Mary und mir hin und her.

„Wir haben für diese Saison erst einmal einen Liefervertrag mit zwei Spezialunternehmen für Wildfleisch abgeschlossen, die hier regelmäßig mit eigenen Fahrzeugen abholen werden. Wenn wir deren Verarbeitungsvorgaben folgen, nehmen die uns im Prinzip alles ab", erläuterte Mary. „Aber ab dem kommenden Jahr will ich eine eigene Marke für unser Wild- und Lammfleisch schaffen und selbst in die Vermarktung gehen. Das Internet gibt uns ganz viele Möglichkeiten dafür."

„Das Konzept gefällt uns", brachte sich jetzt erstmals Ekatarina ins Gespräch ein. „Wobei wir im Direktvertrieb noch deutlich mehr machen können, als nur das Fleisch zu verkaufen."

„Hast Du eine bestimmte Idee? Oder gar mehrere?"

„Ja. Ich liebe die britische Kunst, sehr schmackhafte Pies zu machen. Ich kenne eine Firma in Cornwall und eine an der schottischen Westküste, die damit sehr erfolgreich sind und UK-weit mit ihrem Internetshop liefern. Nur in den heißen Sommermonaten nicht. Aber die beiden Hersteller kommen eigentlich aus dem Restaurationsbereich, kaufen also ihre Rohwaren ein und verarbeiten diese zu ihren Pies. Wir können diese Produktqualitätskette hinsichtlich ihrer Qualität und Nachhaltigkeit erweitern, weil wir beispielsweise unser eigenes, hochwertiges Wildfleisch in den Pies verarbeiten. Vielleicht sogar nach speziellen Rezepten nach ukrainischer oder polnischer Herkunft."

„Großartige Idee", klatschte Mary in ihre Hände. Andrew und ich stimmten anerkennend zu, auch unsere drei Litauer, die mit am Tisch saßen, bekundeten ihre Zustimmung.

„Das würde heißen, wir müssten in einer zweiten Ausbaustufe eine Pie-Bäckerei und -küche an das Schlachthaus anbauen?"

„Ja. Und unsere kleine Community würde um weitere Arbeits- und Lebensplätze vergrößert. Das ist doch genau das, was ihr beide mit der Estate hier anstrebt, oder?"

„Du hast sehr gut zugehört", nickte Mary anerkennend. „Ich liebe es, wenn solche Ideen gleich mit eingebracht werden." Sie schaute mich an. „Dann erweitere mal gleich Deine mittelfristige Bauplanung."

Ich grinste sie an. „Offen-Stall, Backstube mit Küche. Und mehr Menschen auf der Estate bedeutet mehr Wohngebäude. Ganz schönes Programm."

„Genau!" Mary klatschte, begeistert wie ein junges Mädchen, wieder in ihre Hände. „Das machen wir. Ich habe immer schon gerne gute Pies gegessen. Ob in Großbritannien oder am Hindukusch. Und anderen geht es genauso."

Die Erweiterung der Scheune, die wir zum neuen Schlachthaus um- und ausgebaut hatten, um einen Trakt für die Herstellung und Lagerung der Pies stellte planerisch kein Problem dar. „Da stellt sich ‚nur' noch das Personalproblem", bemerkte ich ein paar Tage später zu meiner Partnerin.

„Welches Problem?"

„Wohnraum. Und woher sollen das Personal herkommen, dass auch noch Lust hat, mit uns an diesem abgelegenen Ort zu leben und zu arbeiten?"

Mary grinste kurz und schaute mich neckisch an. „Ganz einfach, mein Lieber. Wie wir gesagt haben: Army-Veteranen." Sie breitete ihre Arme aus und faltete dann ihre Hände zusammen, die sie mir regelrecht entgegen streckte. „Du glaubst gar nicht, wie viele Army-Veteranen, männlich wie weiblich, nach einem neuen Leben suchen, nach einem neuen Sinn, nach einer neuen Herausforderung. Auch um ihre eigene, teilweise sehr traumatische Vergangenheit zu bewältigen. Genauso wie ich sie bewältigt habe." Dann schaute sie mir tief in die Augen. „Kümmere Du Dich um die Baulichkeiten und ihre Einrichtung. Ich kümmere mich um die Menschen."

Die schweren Regenfälle ab Mitte des Monats wechselten sich nahezu täglich mit ruhigen Wettertagen ab. Zur ‚Belohnung' nutzten die Typhoon-Jagdflugzeuge der Royal Air Force, die im schottischen Lossiemouth stationiert waren, die höher hängende Wolkenschicht zu ihren üblichen Tiefflugübungen über den nördlichen Highlands, wobei insbesondere Abfangübungen mit zwei Flugzeugen auf der Tagesordnung standen. Mary war die teilweise in nur fünfzig Meter Höhe fliegenden Jagdflugzeuge mittlerweile so gewohnt, dass sie ihnen fröhlich zuwinkte. Manchmal, so auch am 20. September, sahen die Piloten Mary in ihrer roten Outdoorjacke und wippten mit den Tragflächen zum Gruß. Gänzlich ungewöhnlich war aber an diesem Mittwochmittag, dass eine der beiden Maschinen, nachdem sie bereits hinter dem südlichen Bergrücken verschwunden war, zurückkehrte und den westlichen Bergrücken, der zugleich die westliche Estate-Grenze darstellte, in tiefster Flughöhe passierte, um dann nach Osten zu seinem heimischen Fliegerhorst abzudrehen. Mary und ihr begleitenden Wildhüter dachten sich aber nichts weiter über das ungewöhnliche Flugmanöver und konzentrierten sich wieder auf die rund vierzig Hirsche und Ricken umfassende Rotwildherde, die in rund einhundertfünfzig Metern Entfernung wieder graste.

„Ist schon erstaunlich, wie wenig diese Krach machenden Flugzeuge das Rotwild aufscheuchen. Die blicken hoch, traben ein wenig los und wenn die Flugzeuge nach wenigen Sekunden durch sind, kehren sie wieder zu ihrer Hauptbeschäftigung zurück: fressen." Andrew grinste ein wenig.

„Die empfinden die Jagdflugzeuge nicht als Bedrohung. Weder die Hirsche noch wir haben je gesehen, dass so eine Typhoon Rotwild jagt." Andrew stimmte so laut in Marys Lachen ein, dass die ersten Tiere aufblickten und sie registrierten. Aber mit der noch hinreichenden Entfernung fühlten sie sich auch nicht von den beiden Menschen bedroht. Es war halt auf Durran Estate für mehr als zehn Jahre nur sehr, sehr wenig gejagt worden.

An diesem trockenen und windarmen Mittwoch erreichten die drei litauischen Handwerker mit Walters Hilfe einen weiteren Meilenstein in ihren Umbau- und Renovierungsarbeiten. Die neuen Fenster als auch die neuen Haustüren waren in beiden Häusern fertig montiert und eingeputzt, alle Leitungen und Wasser- wie Sanitärinstallationen waren betriebsbereit. Jetzt mussten ‚nur' noch die Fußböden fertiggestellt als auch die Malerarbeiten erledigt werden. Dann sollten in der ersten Oktoberhälfte die neuen Küchen geliefert und montiert werden, Anschließend waren sowohl das Wildhüter-Cottage als auch die ehemalige Schule einzugsklar.

Der Wetterbericht hatte für die nächsten zwei Tage wieder Sturm und heftige Regenfälle vorhergesagt.

„Ist das Wetter hier ständig so?" fragte Ludmilla beim Abendessen. „Der ständig trommelnde Regen auf dem Caravandach raubt einem echt den Schlaf."

„Eigentlich nicht", antwortete Mary. „In den vier Jahren, die ich jetzt hier lebe, waren der September und Oktober eigentlich immer sonnig. Wahrhaftig ‚Goldener Herbst', aber dies Jahr ist sehr eigenartig. Solche regenschweren Stürme aus ehemaligen Hurrikans kamen in meiner Jugend eigentlich frühestens im November."

„Hat vielleicht doch etwas mit den Global Warming-Effekten zu tun." Ich mischte mich jetzt selbst in die Diskussion ein. „Wärmeres Atlantikwasser bedeutet mehr Hurrikans in Amerika und dann mehr Reststürme, die über den Atlantik hierher kommen. Und wenn das Atlantikwasser auf dem ganzen Weg auch noch warm ist, bringen die Stürme mehr Regen mit."

„Hat das irgendwelche Nachteile für den Betrieb der Estate?" Andrew war neugierig geworden.

„Glaube ich nicht. Dem Rotwild und den Schafen ist das Wetter relativ egal, im Gegenteil, dies Wetter bedeutet sogar mehr natürliches Grasfutter. Und solange es nicht viel schneit oder gar länger andauernd friert, ist unsere Estate-Wirtschaft nicht betroffen." Mary war zumindest in diesem Punkt gelassen und optimistisch.

„Hat sogar einen Vorteil", ergänzte ich. „Ich prüfe derzeit den Bau eines zweiten kleinen Wasserkraftwerks für die Estate. Das ist eine ganz einfache Gleichung: je mehr Wasser sicher und kontinuierlich verfügbar ist, desto mehr Strom können wir erzeugen."

„Wo soll dies neue Wasserkraftwerk stehen?" Die gesamte Runde an unserem Abendessentisch schaute mich interessiert an.

„Am Südende von Loch Durran. Es gibt dort ein kleineres, höher gelegenes Loch, das relativ viel Regenwasser aufnehmen kann, wenn man ein kleines Wehr hangseitig errichtet. Der Rest ist einfache, robuste Technik. Wir könnten unsere eigene Stromerzeugung damit verdoppeln. Solar bringt an unserem Standort überhaupt nichts und Windkraft mag ich nicht. Ist laut und beeinträchtigt die Vogelwelt massiv. Aber diese Nachteile werden in der schön gefärbten politischen Diskussion gerne unterdrückt."

Später am Abend, auch Ekatarina hatte sich zu den beiden Mädchen ins Gästezimmer zurückgezogen, kam Mary noch einmal auf die Diskussion beim Abendessen zurück. „Die Idee mit dem zweiten Wasserkraftwerk war mir neu. Wie lange denkst Du schon darüber nach?"

„Eine ganze Weile schon. Im Moment ist das bestehende Kraftwerk ausreichend, weil das Sägewerk noch nicht läuft. Aber wenn wir alles hier realisieren und noch weitere Wohnhäuser mit Stromheizung bauen, könnte es knapp werden. Ich bin zweimal auf dem Weg Richtung Crask Inn den Berg hoch gelaufen, denselben Weg, auf dem ich ursprünglich Richtung Süden wandern wollte. Und da ist mir die Idee gekommen, dass wir dort eigentliche ideale Bedingungen für eine zweite Anlage haben. Im Übrigen ist dort das benötigte Investment niedriger als ich erwartet habe. Für die Turbine könnte man direkt am Ufer von Loch Durran eine kleine Holzhütte errichten und das Wasserdruckrohr aus dem hochliegenden Loch, das die Turbine versorgt, kann im Prinzip ebenerdig verlegt werden."

„Und wann willst Du das machen? Wir haben im Moment ja wahrhaftig genug zu tun."

„Frühestens im nächsten Frühsommer. Zuerst muss ich überhaupt erst einmal mit SEPA reden. Die schottische Wasserschutzbehörde redet bei allen noch so kleinen Hydropowerprojekten ein gewaltiges Wörtchen mit."

„Dann viel Vergnügen im Behördendschungel." Mary grinste mich an und streckte ihre Arme in meine Richtung. „Hast Du Lust auf ein bisschen Liebesdschungel unter herabströmendem Warmwasser? Ist bestimmt angenehmer."

Dankend nahm ich ihre Einladung an und wir verschwanden im Handumdrehen in der großen Dusche unseres Badezimmers.

Am nächsten Morgen erreichte uns die nächste massive Regenfront, die diesmal vom Wetterdienst mit einer gelben Wetterwarnung für drohende Überflutungen angekündigt worden war. Dies war für Durran Estate nicht relevant, hier floss das Wasser so schnell von den Bergen in die Lochs und dann über Loch Durran zum River Naver, der sein Wasser bereits nach 30 Meilen ins Nordmeer entließ. Aber es regnete auch bei uns mal wieder zwanzig Stunden lang waagerecht, so dass man sich selbst auf den kurzen Wegen von Farmhaus zu unseren Baustellen voll mit Regenzeug versehen musste. Im dann langsam nachlassenden Regen marschierten unsere drei litauischen Handwerker und ich Freitagmittags zum Lunch ins Farmhaus, als ein gepflegter, wenn auch schon etwas älterer, bordeauxroter Range Rover auf dem Hof vor dem Haus vorfuhr. Auf der Beifahrerseite stieg zunächst ein junger Mann mit Regenjacke und dunkelblauer Baseballmütze aus und direkt auf uns zuging.

„Ist dies Durran Estate?"

„Ja." Ich machte eine Handbewegung zur Tür zum Farmhaus. „Lassen Sie uns schnell ins Trockene gehen." Der junge Mann folgte uns umgehend. Dort angekommen standen wir zunächst im kleinen Vorraum, der typischerweise die nassen Mäntel und Schuhe aufnahm. „Was kann ich für Sie tun?" drehte ich mich wieder zu dem jungen Mann um, während ich begann, meine Regenjacke aufzuknöpfen.

Er griff in seine Hosentasche, zog eine Erkennungsmarke der schottischen Polizei heraus und hielt sie mir hin. „Ich bin Detective Sergeant Andrew MacLeod vom CID Inverness. Sind Sie der Eigentümer der Estate?"

Ich war im ersten Moment mehr als überrascht. „Kriminalpolizei? Was wollen Sie hier draußen in der Einsamkeit?"

„Das kann Ihnen gleich der Chief Inspector erklären." Er drehte sich halb um und winkte zurück zum Auto. Dann drehte er sich wieder zu mir. „Sind Sie Lord Robertson?"

Ich musste laut auflachen. „Oh nein, der Lord ist in Northumberland. Aber ich bin zusammen mit meiner Partnerin der Pächter der Estate." Im Hintergrund konnte ich jetzt beobachten, wie eine zweite Person aus dem Range Rover stieg. Bekleidet mit einer sichtbar teuren Burberry-Outdoorjacke und einem Regenhut mit umlaufender Krempe schritt sie ebenfalls zur Tür unseres Farmhauses herrüber. Der Vorgang war so ungewöhnlich, dass ich beide Augenbrauen vor Verwunderung hochzog. Diese Frau ging nicht oder rannte gar, sie schritt geradezu würdevoll. An der Farmhaustür angekommen, griff sie ebenfalls in ihre Hosentasche und hielt mir ihre Dienstmarke hin.

„Detective Chief Inspector Lady Redburn", stellte ihr Assistent seinen Chef vor.

"Mit wem haben wir das Vergnügen?" richtete die Lady ihre erste Frage an mich. Die schätzungsweise fünfzigjährige Frau hatte eine warme, im Mezzosopran anzusiedelnde und kultivierte Stimme vollkommen ohne schottischen Akzent, wie ich als Engländer sofort feststellte.

„Walter Hamsun", beantwortete ich ihre Frage und streckte nun beiden Kriminalpolizisten meine Hand zur Begrüßung hin. „Was kann ich für Sie tun?"

„Wir müssen mit Ihnen reden. Dürfen wir reinkommen?"

Ich machte einen Schritt beiseite und eine einladende Geste in unsere Eingangsdiele. „Kommen Sie. Ihre Regensachen können Sie hier vorn aufhängen."

Ich ging vor und rief nach meiner Partnerin. „Mary, hier sind zwei Kriminalpolizisten, die uns sprechen wollen."

„Wer?" rief Mary aus der Küche zurück. „Warum? Lunch ist gerade fertig."

Mary kam in den Eingangsflur, wo sich die DCI und der DS noch einmal vorstellten und mit ihrer Erkennungsmarke auswiesen. „Dann kommen Sie mal gleich mit in die Küche. Der Esstisch ist groß genug für alle. Wollen Sie was abhaben? Und einen Tee oder Kaffee?"

Den Lunch lehnten die beiden Polizisten dankend ab, aber das Teeangebot war angesichts des miesen Wetters zu verführerisch. Mary setzte den Wasserkocher in Betrieb, füllte zwei Teesiebe mit schwarzem Tee und setzte sich dann erst einmal zu uns an den Tisch. Unsere drei Litauer, unsere beiden Ukrainerinnen als auch Andrew, die alle mitbekommen hatten, dass wir polizeilichen Besuch bekommen hatten, musterten unsere überraschenden Besucher mit sichtbarer Skepsis und Zurückhaltung.

„Sind sie alle hier auf der Estate zu Hause?" Ohne ihr Regenzeug wirkte die DCI eher wie eine typisch schottische Landlady und nicht wie ein Detective Chief Inspector. Sie strahlte irgendwie eine ruhige Souveränität aus.

„Ja und nein", beantwortete Mary direkt ihre Frage. „Die drei Freunde gehören zu den Handwerkern von Lord Robertson, dem Besitzer dieser Estate. Sie arbeiten hier zurzeit an der Modernisierung und Renovierung der Estate-Baulichkeiten. Andrew und die beiden Damen hier sind unsere Angestellten und leben und arbeiten seit einigen Wochen beziehungsweise einige Tagen hier."

„Danke", antwortete DCI Lady Redburn. „Mein Sergeant wird nachher Ihre Personalien aufnehmen, das ist eine reine Routineangelegenheit."

„Und was führt bei Sturm und Regen die Kriminalpolizei der Highlands ausgerechnet auf eine der einsamsten Highland-Estates?" Ich war richtig neugierig geworden und brachte die Kernfrage, die uns alle bewegte, direkt auf den Punkt.

„Das ist in der Tat eine berechtigte Frage, Herr Hamsun. Ist ein etwas mysteriöser Vorgang." Lady Charlotte Redburn ließ sich von ihrem Sergeant einen schmalen Aktenfolder geben und klappte diesen auf. „Unser Chief Superintendent bekam gestern Mittag einen Anruf von Wing Commander Watt vom sechsten Jagdgeschwader der RAF in Lossiemouth, der ihn über eine ungewöhnliche Beobachtung eines seiner Piloten bei einem Übungsflug informierte. Ich bin dann zu einem persönlichen Treffen zum Fliegerhorst gefahren und mit folgendem konfrontiert worden." Die DCI legte nun zwei auf DIN-A4 vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotos auf den Esstisch, so dass wir alle sie betrachten konnten. „Am vergangenen Mittwoch haben zwei Maschinen der sechsten Jagdgeschwaders diese Region bei einer Übung im Tiefflug überflogen."

„Ja", bestätigten Mary und Andrew wie im Chor. „Die kommen öfters. Und wenn sie mich erkennen und ich ihnen zuwinke, grüßen sie zurück, indem sie mit den Flügeln wackeln."

DCI Lady Redburn lächelte Mary an. „Trägt einer von Ihnen eine rote Outdoor-Jacke?"

„Ja, ich."

„Dann haben die beiden Piloten das bereits bestätigt." Sie deutete nun auf die beiden Fotos. „Kurz nach dem Tiefflug über ihr lang gestrecktes Loch sah einer der beiden Piloten aus seinem Augenwinkel etwas Ungewöhnliches am Boden. Aus diesem Grund flog er eine Schleife und kehrte im Tiefflug zu dieser Region zurück, diesmal mit eingeschalteten Bodensuchkameras, die sonst zur Aufklärung feindlicher Bodenstellung eingesetzt werden. Aus dem so entstandenen Film stammen diese beiden Aufnahmen."

„Was sollen die Fotos Ihrer Meinung nach zeigen?" sprach ich die DCI direkt an, nachdem ich beide Fotos eingehend betrachtet hatte, mir aber keinen Reim auf das Dargestellte machen konnte.

„Unserer Meinung nach können wir eines dieser Spezial-Allrad-Mini-Trucks für Jagdgesellschaften sehen, voraussichtlich mit zwei in Jagdkleidung gekleideten Menschen und etwas Geheimnisvollem auf der Ladefläche, auf der normalerweise gejagtes Wild abgelegt wird." Die DCI blieb einen Augenblick stumm während wir wechselweise die Bilder und die beiden Polizisten anschauten. „Sowohl unsere Kollegen im Crime Investigation Department als auch die erfahrenen Bildauswerter bei der RAF sind der Meinung, dass auf der Ladefläche ein menschlicher Torso liegt, also ein Mensch, dessen Kopf und dessen Hände abgetrennt worden ist."

„Iiiiiih", stieß Marja einen durchdringend spitzen Schrei aus. „Wie gruselig." Sie war schlagartig bleich geworden und begann zu zittern.

Die neben ihr sitzende Ludmilla nahm sie spontan in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. „Ganz ruhig meine Liebe, ganz ruhig."

Marja schaute ihr direkt ins Gesicht. „Du bist als Schlachter sicherlich viel Blut und Fleisch gewohnt. Aber ich lege Fliesen und baue Badezimmer."

„Schlachter?" Die Frage des Detective Sergeant kam langsam, aber nicht überhörbar.

„Ja", antwortete ich als Erster. „Ludmilla und Ekatarina betreiben unseren neuen Schlachthof; wir beginnen gerade mit der eigenen Verarbeitung des von uns erlegten Rotwilds. Wir müssen dringend den übergroßen Bestand auf ein ökologisch vertretbares Niveau reduzieren. Die beiden Damen sind ausgebildete Metzegerinnen und sind aus Mariupol in der Ukraine hierher geflüchtet. Sie haben bisher bei Lord Robertson in Northumberland gelebt und gearbeitet und sind seit einer Woche hier."

„Danke für die Erläuterung", lächelte Lady Redburn. „Dann haben wir diesen Punkt schon einmal geklärt." Dann schaute die DCI in die Runde. „Nach den Geodaten der Luftwaffe und unserer Schnellüberprüfung mit dem Katasteramt befindet sich dies Fahrzeug zum Zeitpunkt der Aufnahmen auf dem Gebiet dieser Estate. Wenn wir jetzt unterstellen, dass es sich bei der Ladung dieses Fahrzeugs um einen menschlichen Torso handelt, ist dies Gebiet ein Tatort eines Kapitalverbrechens."