Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Die Macht des Drachens

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

„Du wirst in das Land zurückkehren müssen, aus dem du gekommen bist", höre ich eine Stimme im Kopf.

„Du bist nicht Horus."

„Nein, ich bin das Wissen."

„Oh, dann kannst du mir sicher sagen, ob die Prophezeiung stimmt, dass eine Prinzessin, die einen Drachen zum Seelenverwandten hat, die Länder eint."

„Sie wird die Macht über Wesaria und Noresia übernehmen. Sie wird herrschen und Frieden bringen, so steht es in den Weissagungen."

„Aber wo finde ich diese Prinzessin?"

„Sie ist dir näher, als du denkst."

„Wenn du sagst, ich soll ins Land zurückkehren, aus dem ich gekommen bin, dann meinst du Wesaria."

„Du wirst dich überwinden müssen. Die Antworten auf alle deine Fragen wirst du nur in dem von dir so gehassten Schloss finden."

„Ich muss Borsin gegenübertreten?"

„Es führt wohl kein Weg daran vorbei."

„Das schaffe ich nicht."

„Vergiss nie, du bist nun viel stärker und du hast Horus."

„Dieser Mann hat mich fast mein ganzes Leben lang unterdrückt."

„Du bist jetzt stärker!"

„Trotzdem, ich habe Angst!"

„Du bist nicht mehr die Lotta, die Nummer 15, du wirst eine ganz andere sein, eine starke Frau, die sich nie hat unterkriegen lassen. Borsin wird vor dir erzittern."

„Das glaubst du doch selbst nicht?"

„Ich weiß es!"

„Trotzdem habe ich Angst."

„Das ist auch gut so. Angst hält uns davon ab, leichtsinnig zu werden."

Es klopft an der Tür. Ich werde abgelenkt und kehre langsam in die Realität zurück. Ich muss mich in Trance befunden haben. Ich kann noch immer die Angst spüren, die ich gefühlt habe, als mir das Wissen erklärt hat, ich müsse Borsin gegenübertreten. Es war die Angst, die immer dann in mir hochgekrochen ist, wenn ich vor den König treten musste.

Langsam gehe ich zur Tür und als ich sie öffne, steht davor ein Tablett mit einem Krug Wasser, Brot und gebratenem Fleisch. Ich nehme es und schließe wieder die Tür. Erneut setze ich mich auf den Thron und beginne zu essen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass einiges an Zeit vergangen sein muss und ich großen Hunger habe.

Nachdenklich esse und trinke ich. Dabei denke ich über das nach, was mir das Wissen erzählt hat. Ich bin also die Auserwählte und ich soll beide Länder vereinen. Wie soll ich das machen? Ich soll regieren, dabei habe ich davon nicht die geringste Ahnung. Die Prophezeiung sieht schließlich eine ganze Reihe von Aufgaben für die Prinzessin vor. Was aber hat es damit auf sich, dass die Weissagung von einer Prinzessin spricht, ich aber keine bin. Sowohl Nefrin als auch das Wissen sind überzeugt, dass ich es bin, die kommen soll, um Frieden und Wohlstand zu bringen. Sie sagt aber nicht, wie ich das anstellen soll.

Mir dröhnt schließlich der Kopf. Es geistern so viele Fragen durch meine Gedanken, nur Antworten scheinen keine in greifbarer Nähe zu sein. Ich kann und will nicht alles glauben, was sich andeutet. Wie soll ich einfache Kriegerin alle diese Aufgaben erfüllen? Das ist für ein Mädchen, wie mich, nicht zu schaffen. Kämpfen kann ich und Borsin zu töten, könnte möglich sein, auch wenn ich große Angst davor habe. Vom Rest allerdings habe ich wirklich keine Ahnung. Erschöpft setze ich mich schließlich wieder auf den Thron, nachdem ich das leergegessene Tablett beiseite gestellt habe.

Müde und gesättigt schlafe ich ein. Plötzlich habe ich den Eindruck, mitten in einem Traum zu sein. Ein kleines Mädchen steht neben einer Frau. Sie befinden sich auf einem Feld. Das Mädchen kommt mir bekannt vor, aber ich wüsste nicht, woher ich sie kennen sollte. Plötzlich fällt mir am Kind ein Muttermal in Form eines Herzens auf, das sich an der linken Seite des Halses befindet. Genau darunter liegt das Herz. Da auch ich genau ein solches Muttermal habe, gehe ich davon aus, dass ich dieses Mädchen bin.

Wie aus dem Nichts kommt Borsin auf uns zu. Er wirkt auf mich bedrohlich. Grob packt er die Hand des Kindes. Ich schätze, ich bin zu der Zeit zwei oder höchstens zweieinhalb Jahre alt. Der König schreit meine Mutter an und zerrt an mir. Meine Mutter wehrt sich, sie will mich nicht loslassen. Erst als zwei Wachen meine Mutter grob packen und zurückhalten, sie auch noch schlagen, erst da entgleitet ihr meine kleine Hand. Mir ist sofort klar, dass es nicht ihre Schuld ist. Ich jedoch werde von Borsin sofort hochgehoben und eilig weggetragen.

Für eine kurze Zeit verschwimmt das Bild, bevor eine neue Szene erscheint. Ich sehe, wie das kleine Mädchen von vorhin in ein winziges, fensterloses Zimmer gesperrt wird. Borsin selbst schubst mich in den düsteren Raum, schließt die Tür und lässt mich im Dunkeln zurück.

Ich war damals zu klein, um mich wirklich daran zu erinnern. Ob es sich damals wirklich so zugetragen hat? Sein könnte es. Ich traue Borsin jede Gemeinheit zu und ich muss ja irgendwie ins Schloss gekommen sein. Womöglich hat sich mein Unterbewusstsein diese Erlebnisse eingeprägt und über all diese Jahre gespeichert. Nun, in der Höhle der Meditation und mit Hilfe des Wissens, kommt alles wieder hoch. Es waren für ein kleines Kind sehr einschneidende Erlebnisse und mein Hass auf Borsin steigt noch weiter an.

Als nächstes sehe ich mehrere Ausschnitte aus meiner Ausbildung. Erst dabei wird mir bewusst, dass Borsin oft im Hintergrund zu entdecken ist. Es sieht so aus als hätte er mich versteckt beobachtet. Auch, wenn ich mich an einige der Episoden aus meinem Leben erinnere, war mir nie bewusst, dass mir der König so große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Hat er mich wirklich derart stark kontrolliert und überwacht oder bilde ich mir das nur ein?

Doch in meinen Träumen fällt mir noch eine weitere Person auf, ein Mädchen, das etwas jünger ist als ich. Sie steht oft in der Nähe des Königs. Ich erkenne sie, ihr Name ist Jegrina. Es hieß, sie sei die Zofe Borsin's und war ständig in seiner Nähe anzutreffen. Ich hatte mir dabei nie viel gedacht, doch jetzt, wo ich sie ständig bei ihm sehe, frage ich mich doch, warum sie fast immer bei ihm war. Alle anderen Angestellten haben im Laufe der Jahre gewechselt. Sie aber war immer da, immer nur sie.

Allmählich wird mir bewusst, dass das Wissen, die Götter oder wie immer es heißen mag, möglicherweise doch nicht falsch liegen, wenn gesagt wird, ich müsste zurück nach Wesaria. Allmählich habe ich den Verdacht, dass es kein Zufall war, dass mich Borsin auserkoren hat, zur Kriegerin ausgebildet zu werden. Es muss hinter allem ein tieferer Sinn stecken.

Auch Jegrina's Rolle ist mir immer noch nicht klar. Am Hof hatte man immer wieder gemunkelt, der König halte sich dieses Mädchen für sein fleischliches Vergnügen, denn viel gearbeitet hat sie nie. Allerdings habe ich die beiden nie dabei beobachtet, dass sie vertrauter miteinander umgegangen wären. Auch für den Fall, dass sich Jegrina nur unter Zwang dem König hingegeben hätte, so hätte ich doch irgendwann sehen müssen, dass er sie anfasst oder heimlich berührt. Aber das war nicht einmal der Fall. Oder habe ich es nur nicht bemerkt?

Erneut erwache ich, weil es an der Tür klopft. Es muss erneut einiges an Zeit vergangen sein, denn ich habe schon wieder Hunger. Gähnend stehe ich auf und öffne die Tür. Erneut steht ein Tablett davor, auf dem sich Essen und Wasser befindet.

Ich stelle das leere Tablett raus, hole das neue herein und setze mich auf den Thron zurück. Ich mache mich über die Speisen her. Schon wieder quälen mich unzählige Fragen und ich esse eher lustlos.

Als ich endlich aufgegessen habe, überkommt mich erneut ein Zustand, als wäre ich in Trance. Doch diesmal ist es anders, mir kommt es so vor, als sei eine ganz eigene Atmosphäre im Raum. In der Wand tut sich plötzlich eine weitere Tür auf. Neugierig, wie ich eben bin, stehe ich auf und gehe darauf zu. Vorsichtig öffne ich sie, trete hindurch und finde mich in einem Felsengang wieder.

Es ist dunkel und doch kann ich meine Umgebung einigermaßen gut erkennen. Es kommt mir alles so unrealistisch vor und langsam frage ich mich, ob dem Essen nicht ein Rauschmittel beigemischt war. Ich fühle mich sonderbar, fast so, als würde ich über den Boden schweben. Ich überlege zwar kurz, was ich hier eigentlich mache und ob es schon klug ist, einfach dem Gang zu folgen, aber bevor ich mich dazu entschließen könnte, umzukehren, erreiche ich eine zweite Halle. Sie ist etwas größer als meine Höhle der Meditation, ist aber genauso mit unzähligen Kristallen ausgekleidet und strahlt hell und bunt.

Zu meinem Schreck stehen unzählige Stühle in dem Raum, genau mir gegenüber und alle sind besetzt. Mir völlig unbekannte Leute sitzen da und schauen mich an. Hastig blicke ich mich um und frage mich, was hier gespielt wird und ob ich in Gefahr bin. Es ist wohl eine Reflexhandlung. Aber ich kann schon bald keine Gefahr erkennen. Es sind mindestens 30 Frauen und Männer, die ganz ruhig auf den Stühlen sitzen. Keiner scheint bewaffnet zu sein und niemand zeigt auch nur das geringste Anzeichen, mich angreifen zu wollen.

Auf zwei mächtigen Sesseln ganz vorne sitzen ein Mann und eine Frau. Dahinter ziehen sich drei Reihen von links nach rechts, alle vollbesetzt mit Leuten jeden Alters. Ich frage mich, was die hier wollen.

„Wartet ihr auf mich?", durchbreche ich das Schweigen.

„Ja, meine Tochter", sagt der Mann ganz vorne.

„Meine Tochter? Wie meint Ihr das?", frage ich vorsichtig.

Ein Mann in einer schlichten Uniform bringt einen weiteren Stuhl und stellt ihn gegenüber von den beiden ganz vorne auf. Die Leute vor mir tragen alle eine leuchtend weiße Tunika. Die der beiden ganz vorne ist mit goldenen Verzierungen versehen. Sie sind wunderschön.

„Setz dich!", sagt der Mann.

„Ich möchte zuerst wissen, was hier gespielt wird."

„Du wolltest Antworten, Aurora. Also setz dich!"

„Aurora? Ich heiße nicht Aurora. Ich heiße Nummer 15 oder Lotta."

„Du heißt Aurora und bist unsere Tochter. Wir sind Sol, der Gott der Sonne und meine Frau, Luna, deine Mutter, die Göttin des Mondes", meint er energisch.

„Aurora wäre dann die Morgendämmerung?", überlege ich.

„Die Verbindung zwischen Tag und Nacht, genau. Sie geht aus der Verbindung zwischen Sonne und Mond hervor."

„Aber ich heiße nicht Aurora, Ihr müsst euch irren", beharre ich.

„Lass es dir erklären."

Ich stelle mich mit verschränkten Armen hin und schaue die beiden herausfordernd an. Ich verstehe allmählich gar nichts mehr.

„Na dann, fangt an!"

„Du solltest dich setzen", rät mir Sol.

Er schaut mich erwartungsvoll an, aber ich bleibe stehen. Die Frau neben ihm schmunzelt. Sie hat ein unglaublich schönes Lächeln, das ihre Lippen wie eine Melodie umspielt. Dabei strahlen auch ihre Augen. Ich mag die Frau auf Anhieb.

„Fang an, Liebster. Du solltest deine Tochter kennen. Sie hat deinen Dickschädel geerbt", sagt sie sanft.

„Na gut", meint nun Sol. „Die Weissagung spricht von einer Prinzessin, welche die Länder vereint und ihnen Frieden bringt. Aber diese Prinzessin muss zum einen mächtig sein und sie muss von irgendwo herkommen. Da es uns Göttern so wichtig war, dass nach der langen Schreckensherrschaft von Borsin endlich Frieden und Wohlstand auf der Welt einkehren, haben wir unser eigenes Kind geopfert, dich meine Aurora."

Bei diesen Worten setze ich mich tatsächlich auf den Stuhl. Das könnte noch etwas länger dauern. Als ich beim Niedersitzen zu Luna schaue, sehe ich das wissende Lächeln in ihrem Gesicht. Ich schaue aber gleich wieder Sol auffordernd an. Er soll weitermachen.

„Du bist unser Kind, musstest aber irgendwie auf die Welt gelangen. Da haben wir es so eingerichtet, dass wir dich vor die Tür einer Frau gelegt haben, mit der Borsin ein Verhältnis hatte."

„Er glaubt, ich sei seine Tochter?"

„Das glaubt er, weil er es glauben wollte. Er hat die Geschichte vom Kind, das auf der Türschwelle lag, nie geglaubt. Das ist aber auch deshalb wichtig, damit du Anspruch auf den Thron von Wesaria hast, wenn Borsin eines Tages nicht mehr König ist."

„Aber, wenn das so ist, dann bin ich keine Prinzessin, sondern ein Götterkind."

„Das stimmt. Doch für die Menschen bist du eine Prinzessin. Deshalb sprechen die Prophezeiungen auch davon. Sie sind schließlich an die Menschen gerichtet. Wir aber wissen, dass du ein Kind der Götter bist. Du bist aber nicht nur ein gewöhnliches Götterkind, du bist die Erstgeborene von Sol und Luna, den zwei höchsten Göttern."

„Habe ich Geschwister?"

„Du hast eine Schwester, sie heißt Vespera."

„Die Abenddämmerung, na klar."

„Die erneute Vereinigung von Tag und Nacht."

Bei diesen Worten erhebt sich ein Mädchen, das ich auf 12 Jahre schätzen würde. Sie sieht mir ähnlich und hat ein ausgesprochen süßes Lächeln. Auch ich springe von meinem Sessel auf und gehe auf sie zu. Wir stehen uns eine kurze Zeit lang einfach nur gegenüber.

Ohne ein Wort zu sagen, legt sie die Arme um mich und zieht mich in eine innige Umarmung. Als sie sich nach längerer Zeit von mir löst, schaut sie mir etwas traurig in die Augen.

„Es tut mir leid, dass du so viel mitmachen musstest", sagt sie. Ich glaube ihr aufs Wort.

„Es hat wohl einen tieferen Sinn, glaube ich allmählich."

„Du wirst das schaffen, Schwesterherz. Ich habe dich von hier oben aus beobachtet und muss dir gestehen, dass ich dich unglaublich bewundere. Du hast so viel mitgemacht und dabei nicht gewusst, wozu das alles gut sein soll. Du hast nicht gewusst, dass das Wohl so vieler Menschen von dir abhängt."

„Hatte ich eine andere Wahl?", frage ich. Dabei lache ich süßsauer.

„Vermutlich nicht. Aber du hast es mit Würde ertragen und hast dich nicht brechen lassen. Du hast die Hölle überlebt. Dieser Borsin ist der Innbegriff des Bösen."

„Das kannst du laut sagen", bestätige ich. „Und noch regiert er."

„Aber nicht mehr lange. Meine unglaublich tapfere Schwester wird ihn das Fürchten lehren. Davon bin ich überzeugt."

Diesmal ziehe ich sie in eine Umarmung. Dabei hauche ich ihr ein „Danke" ins Ohr. Doch anstatt sie zurück auf ihren bisherigen Platz gehen zu lassen, schnappe ich mir ihren Stuhl und stelle ihn neben meinen.

„Ich kann jemand brauchen, der sich hier auskennt, kleine Schwester. Sonst bin ich allein mit dem ganzen Haufen da", grinse ich.

„So schlimm sind die nicht, auch wenn es nervige Götter sind, die sich etwas darauf einbilden", lacht nun auch sie.

Vespera setzt sich auf ihren Stuhl und hält meine Hand. Sie lacht mich so offen an, dass mir das Herz aufgeht. So eine Schwester habe ich mir mein Leben lang gewünscht.

„Aber etwas angsteinflößend sind sie schon, wenn man neu in dieser Gruppe ist", werfe ich ein.

„Ach was, die sind harmlos. Onkel Mors, der Gott des Todes, ist etwas humorlos, aber die anderen muss man nur wissen, wie man sie zu nehmen hat."

„Du kennst sie von Klein auf. Ich sehe sie heute zum ersten Mal."

„Ehrlich, du hast nicht viel versäumt", grinst sie.

„Habt ihr genug gelästert?", will Sol leicht tadelnd wissen.

„Vater, Aurora kennt sich bei uns noch nicht aus. Sei nicht so streng."

„Was heißt hier streng? Wir müssen wichtige Dinge besprechen."

„Ach ja, Vater, jetzt auf einmal haben wir wichtige Dinge zu besprechen. Wäre es nach deinem Sturschädel gegangen, dann hätte Aurora uns immer noch nicht kennengelernt. Nur weil Mutter und ich so genervt haben, hast du dem Treffen zugestimmt. Wie soll sie wissen, was sie zu tun hat, wenn ihr keiner hilft", braust Vespera auf.

Lachend erhebt sich währenddessen Luna von ihrem Stuhl, kommt auf mich zu und beugt sich zu mir herab. Nun erhebe auch ich mich, damit sie sich nicht so verbiegen muss. Für mich völlig überraschend zieht sie mich in eine innige Umarmung.

„Es ist schön, dich endlich in den Arm nehmen zu können."

„Mutter!", hauche ich.

Ich bin einfach nur überwältigt. Ich habe mein bisheriges Leben lang nie gewusst, wer meine Mutter ist und ob sie noch lebt. Ich habe dieses Thema verdrängt, da ich keine Antwort bekommen konnte, oder dies zumindest geglaubt habe. Und plötzlich steht sie vor mir, nimmt mich in den Arm und eine Freudenträne kullert ihre Wange herunter. Sie liebt mich! Nun drücke ich sie fest an mich.

„Uff! Aurora, du erdrückst mich. Ich spüre, dass du eine starke Kriegerin bist", grinst sie. „Sol, sei einmal nicht so förmlich, komm her und nimm dein Kind in den Arm. Was für ein Vater bist du denn?"

„Er ist eigentlich ganz liebevoll. Aber, wenn er glaubt im Amt zu sein, dann ist er steif wie ein Stock", flüstert mir meine Schwester zu.

„Das sieht man", grinse ich zurück. „Soll ich ihn schocken?"

Vespera schaut mich fragend an. Da springe ich auch schon auf, laufe auf meinen Vater zu und umarme ihn. Er ist im ersten Moment völlig überrascht, entspannt sich dann aber und erwidert die Umarmung. Ich schmatze ihm noch einen dicken Kuss auf die linke und dann auf die rechte Wange.

„Hallo Vater!", sage ich.

„Hallo Tochter", antwortet er überrumpelt.

Ich lasse ihn los und gehe zurück zu meinem Stuhl. Ich drehe ihn um, setze mich verkehrt drauf und lege das Kinn auf die Lehne. Meine Schwester grinst von einem Ohr zum anderen.

„Du bist ganz nach meinem Geschmack", meint sie belustigt.

„Jetzt sollten wir aber wieder reden", bremse ich ihre Euphorie. „Wir müssen schließlich die Welt retten."

„Du musst sie retten, Schwesterherz", korrigiert mich Vespera. „Du ganz allein."

„Und wie soll ich das anstellen?"

„Da können wir dir leider nicht helfen. Du kennst jetzt deine Aufgabe und du weißt, wer du bist."

„Ich darf aber niemandem sagen, dass ich eine Göttertochter bin, nehme ich an."

„Nein, das darfst du nicht", meint Sol etwas geknickt.

„Ihr könnt mir sonst nicht weiter helfen?", frage ich etwas enttäuscht.

„Leider nicht."

„Ihr seid mir Götter!", antworte ich ein wenig genervt.

„Ich denke, ihr verschwindet und ich rede noch etwas mit Aurora allein", meint Vespera.

„Mit wem?", frage ich.

„Mit dir, mit wem sonst. Es gibt nur dich als Aurora."

„Oh, verzeih mir. Ich wurde fast mein ganzes bisheriges Leben nur Nummer 15 genannt, dann hat Horus gemeint, das sei blöd und hat mich Lotta getauft, keine Ahnung warum und nun soll ich auf einmal Aurora heißen. Da kann man leicht durcheinanderkommen."

„Naja, drei Namen ist in der Tat etwas viel", stimmt mir meine Schwester zu. „Aber ich denke, wir sollten zurück in die Höhle der Meditation. Da haben wir Ruhe."

„Von mir aus", meint Sol. „Mach´s gut, meine Tochter."

„Sehen wir uns wieder?", frage ich

„Immer, wenn du hierherkommst und dich darauf konzentrierst, uns treffen zu wollen, kommen wir zu dir."

„Du musst dazu nicht warten, bis du als Mensch stirbst", kichert Vespera.

„Aber, wenn es einmal soweit ist, komme ich dann zu euch?"

„Natürlich, du bist eine Göttin."

„Hier ist nur alles so anders."

„Keine Sorge, der Haufen ist nicht so schlimm, wie er aussieht."

„Ah, nicht?"

„Lass uns in deine Meditationsgrotte gehen, da redet es sich leichter."

„Da haben wir keine Zuhörer, vermute ich."

Sie kichert verlegen, nimmt mich untern Arm und lässt mir gerade noch Zeit, mich bei allen zu verabschieden. Ich mache mich allerdings doch noch los und umarme meine Mutter und meinen Vater, wobei es schon etwas sonderbar anmutet, die beiden als Eltern zu bezeichnen. Bis vor wenigen Minuten habe ich nicht einmal gewusst, dass es sie gibt.

Dann aber ziehen sich die Götter zurück und ich gehe mit Vespera zurück in meine Grotte. Da ich nachdenken muss, sage ich erstmal gar nichts. Dann aber muss ich lachen.

„Und was ist jetzt so komisch?", will meine Schwester wissen.

„Nun ja, ich habe so gut wie mein ganzes Leben lang an den Göttern gezweifelt. Ich konnte nicht glauben, dass es sie gibt und sie mich derart vergessen konnten", gestehe ich. „und nun bin ich das Kind von zwei Gottheiten."

„Du bist nicht nur das Kind von zwei Gottheiten, du bist selbst eine Göttin."

„Und jetzt soll ich jubilieren?

„Nein, das nicht. Aber du solltest stolz sein."

„Auf was? Dass ich zu dem komischen Haufen gehöre. Entschuldige, wenn ich so ehrlich bin. Schließlich bist du ja auch Teil dieses Haufens, wie ich euch nenne."

1...1314151617...22