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Die Macht des Drachens

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Nun lacht Vespera. Sie scheint es mir gar nicht übel zu nehmen, was mich ehrlich gesagt wundert.

„Ich gebe zu, dass das eben eine etwas gruselige Vorstellung war. Du musst aber bedenken, dass es auch für sie das erste Zusammentreffen dieser Art war."

„Wie? Zum ersten Mal?"

„Die Götter gehen normalerweise ihren Tätigkeiten nach und darin sind sie gut. Nimm Amor zum Beispiel. Der ist ein aufgewecktes Kerlchen, das die ganze Zeit herumfliegt und Liebespaare zusammenbringt. Der ist immer gut gelaunt und hyperaktiv.

Nun müssen plötzlich alle zum Treffen mit dir antanzen und sich in Reih und Glied auf Stühle setzen, in einem Raum, den sie nicht kennen, in dem sie eine Göttin treffen sollen, die Großes vollbringen soll. Das hat es für sie so noch nie gegeben. Da wärst du sicher auch etwas unsicher und zeigst dich womöglich nicht von deiner besten Seite.

Aber damit nicht genug. So ein Gott ist ja verwöhnt. Die Leute beten die Götter an, bringen ihnen, in eigens errichteten Tempeln, Gaben dar und himmeln sie an. Sie fühlen sich, wie etwas Besseres, sie kommen sich vor, als seien sie der Star.

Und plötzlich sind sie alle zusammengepfercht in einem kleinen Raum. Plötzlich sind alle gleich, in einem Raum alle die gleichen Stars und sie treffen dich, den Superstar."

„Ich soll der Superstar sein?"

„Unter den Göttern schon."

„Das verstehe ich nicht. Ich bin doch nur ein einfaches Mädchen."

„Du bist eine mächtige Kriegerin. Selbst Mars, der Gott des Krieges, würde es nicht wagen, sich mit dir anzulegen. Du bist klug und wunderschön, sollst die Welt retten und bist zu allem Überfluss die Seelenverwandte des mächtigsten Drachens aller Zeiten. Hast du eine Ahnung, wie mächtig du sein musst, um nicht von Horus und seiner Energie erdrückt zu werden? Und das Wichtigste natürlich, du bist meine Schwester."

„Aha, das ist das Wichtigste", lache ich laut auf.

„Natürlich!", lacht auch sie laut los. „Hast du eine Ahnung, wie angesehen ich deswegen in der Götterwelt bin?"

Ich umarme sie spontan. So eine Schwester habe ich mir tatsächlich immer schon gewünscht. Sie ist frech und locker drauf. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Welt der Götter ganz schön aufmischt.

Wir haben inzwischen meine Grotte erreicht. Lässig sitzen wir auf meinem Thron, jede auf einer der beiden Armlehnen und die Füße auf der Sitzfläche. Wir plaudern und ich bekomme sämtlichen Klatsch und Tratsch der Götterwelt mit. Vespera meint, als Göttin müsste man Bescheid wissen.

Auch, wenn mich gerade ein anderes Problem quält, tut es trotzdem gut, endlich einmal so völlig unbeschwert mit einem anderen Mädchen zu quatschen. Sie entführt mich in eine völlig neue Welt. Doch plötzlich kommt mir eine Frage in den Sinn.

„Wenn jede Gottheit für etwas zuständig ist, was ist dann mein Aufgabenbereich?"

„Du bist die Göttin des Lebens."

„Des Lebens?"

„Du bist Aurora, die Morgendämmerung, mit dir beginnt der Tag. Sie ist das Sinnbild für das Leben. Du bist der Anfang, wenn alles hell wird und sich alles zu regen beginnt.

Du bist ausgesprochen wichtig. Ohne dich würde es kein Leben geben, weder auf der Erde noch im Reich der Götter. Du bist die Energie, die alles nährt und allem die nötige Kraft schenkt. Auch deshalb besitzt du so viel Macht und Energie und bist in der Lage, eine Verbindung mit einem so mächtigen Drachen, wie es Horus ist, einzugehen. Sein Energiefluss muss gewaltig sein.

Wie das Leben so spielt, vereinst du viele Elemente der anderen Götter in dir. Du bist klug und schön, auch wenn es eine eigene Göttin für die Schönheit und eine für das Wissen gibt. Du bist eine Kämpferin, obwohl es einen Kriegsgott gibt, du bist mutig und du wirst lieben und du wirst als einzige Gottheit auch sterben, zumindest in deiner menschlichen Form. Verstehst du jetzt, warum du der Superstar unter den Göttern bist. Das Leben ist die Grundlage allen Seins.

Ohne Leben kann Amor keine Verliebten zusammenbringen, ohne Leben gibt es kein Wissen und keine Schönheit und selbst der Gott des Todes, der alte Griesgram Mors, hätte nichts zu tun. Wo kein Leben, da auch kein Tod."

Kapitel 18

Ich habe mich noch lange mit meiner Schwester unterhalten. Sie ist ein Wirbelwind und das mag ich so an ihr. Sie ist salopp, aber auch klug. Sie ist aber auch loyal und verteidigt die anderen Götter, die wirklich nicht den besten Eindruck hinterlassen haben. Aber es könnte gut sein, dass sie in ihrem natürlichen Umfeld, wie Vespera es genannt hat, normaler sind. Außerdem hat sie mir das schlechte Gewissen genommen, dass ich bisher nicht an die Götter geglaubt habe.

„Ich werde langsam gehen müssen", sage ich schließlich. „Ich muss eine Welt retten."

„Mach´s gut Schwesterherz!"

Dabei drückt sie mich an sich. Ich finde es rührend, dass sie mich nicht nur Schwester nennt, sondern auch das schöne Wort Herz dranhängt. Ich spüre, dass dies bei ihr von Herzen kommt und sie es ehrlich meint.

„Komm bald wieder in die Götterwelt. So jemanden wie dich, brauchen wir dringend", grinst sie.

„So jemand wie mich? Was soll das schon wieder heißen."

„Bis auf Amor gibt es in der Welt der Götter fast nur alte Säcke oder Langweiler. Da geht es ja auf einem Zentralfriedhof lustiger zu", kichert sie.

„Du glaubst, ich würde Leben in die Bude bringen?", grinse nun auch ich.

„Wer, wenn nicht die Göttin des Lebens", prustet sie los.

„Ich habe dich lieb, kleine Schwester", sage ich. Dabei drücke ich sie erneut.

„Ich war immer schon mächtig stolz auf meine große Schwester", antwortet sie.

„Du wusstest zumindest, dass es mich gibt."

„Ich habe jedem erzählt, dass du meine große Schwester bist. Dann hatten alle plötzlich Respekt vor mir."

„Warum das?"

„Weil ich ihnen erzählt habe, dass, wenn sie mir blöd kommen, du sie verhauen wirst, wenn du wieder in die Welt der Götter kommst", kichert sie.

„Das dauert aber wohl doch noch einige Zeit."

„Für Götter ist Zeit kein Problem, Haue dagegen schon."

Wir lösen uns schließlich voneinander und Vespera macht sich auf den Weg zurück in die Götterwelt. Während sie den Raum verlässt, denke ich, sie würde sich hervorragend mit Mirabell verstehen. Sie sind nicht nur gleich alt, sie haben auch das gleiche Temperament.

Als sie weg ist, bleibe ich noch etwas, um nachzudenken, komme dabei aber auf keinen grünen Zweig. Genau genommen habe ich keine andere Wahl. Ich werde losgehen müssen und mich Borsin stellen. Natürlich könnte ich auch weglaufen, aber das ist nicht meine Art. Ich bin nicht gemacht, um klein beizugeben. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob ich nun eine Göttin bin oder nicht.

Schließlich verlasse ich meine Höhle der Meditation und suche die anderen. Ich finde sie im Raum des Rates. Da keiner bemerkt, dass ich eingetreten bin, bleibe ich an der Tür stehen und beobachte. Mirabell leitet eine Sitzung.

„Wir müssen Lotta doch helfen können", sagt sie energisch.

„Wenn ihr jemand weiterhelfen kann, dann das Wissen. Wir können uns nur auf die Prophezeiungen stützen", verteidigt sich Nefrin.

„Ihr seid mir Luschen!", gibt sie genervt von sich. „Wozu gibt es euch denn überhaupt."

„Mirabell, sei nicht so ungeduldig, auch, wenn dies ein Vorrecht der Jugend ist", mische nun ich mich lächelnd ein.

Sie springt auf und kommt zu mir. Stürmisch umarmt sie mich. Als sie sich an mich drückt und ich zu den anderen schaue, fange ich den dankbaren Blick auf, den mir Nefrin schenkt.

„Du warst drei lange Tage in dieser Kammer. Was hast du denn so lange da drinnen gemacht."

„Ich habe viel erlebt und habe viele neue Erkenntnisse gewonnen. Sei unbesorgt, ich weiß nun, was ich zu tun habe."

„Das wäre?"

„Ich werde zu Borsin gehen und ihn herausfordern."

„Ich komme mit!"

„Du bleibst hier. Das ist eine Sache zwischen dem König und mir."

„Was soll ich hier?"

„In Sicherheit sein?"

„Während du kämpfst. Kommt nicht in die Tüte."

Ich schaue ihr tief in die Augen. Das Mädchen begegnet meinem Blick ausgesprochen entschlossen. Sorge liegt darin. Sie will mich nicht allein lassen und das finde ich rührend. Aber es bringt nichts, wenn sie mich begleitet.

„Mirabell, du kannst mir nicht helfen, da muss ich allein durch. Du hingegen wärst in großer Gefahr, weil Borsin immer noch dich töten will, nicht mich. Für mich ist es einfacher, wenn ich mir nicht Sorgen um dich machen muss und mich auf meine Aufgabe konzentrieren kann. Den Kampf selbst muss ich alleine ausfechten, da kannst du mir nicht helfen."

„Ich bin dir im Weg", sagt sie beleidigt.

„Nein, das bist du ganz und gar nicht. Du weißt, wie sehr ich dich gernhabe und genau deshalb ist es mir so wichtig, dich in Sicherheit zu wissen", beteuere ich.

„Du willst mich echt nicht dabeihaben?"

„Ich will, dass du in Sicherheit bist", beharre ich.

Erneut umarmt sie mich. Sie drückt sich an mich und legt den Kopf in meine Halsbeuge. Dabei spüre ich, wie meine Haut feucht wird, feucht von ihren Tränen, nehme ich an.

„Ich will doch auch, dass dir nichts passiert", flüstert sie.

„Mir wird nichts passieren", versichere ich ihr.

„Wie kannst du dir da so sicher sein."

„Ich bin eine starke und erfahrene Kämpferin. Meine Aufgabe ist es, die Welt von der Tyrannei zu befreien. Die Prophezeiungen besagen, ich bringe der Welt Frieden und Wohlstand. Um das aber hinzukriegen, muss ich überleben", versuche ich sie zu trösten.

„Na, dann wollen wir es hoffen", schluchzt sie. „Aber du kommst mich holen, sobald alles vorbei ist."

„Das mache ich."

Damit löse ich mich von Mirabell, verabschiede mich von den Weisen und mache mich auf den Weg. Bis zum Wasserfall begleitet mich Nefrin. Er geht schweigend neben mir her.

„Ich weiß nicht, was dir das Wissen mitgegeben hat. Ich sehe aber, du bist ruhiger und scheinst erfahren zu haben, was dir für diese Mission nützt", meint er, als wir durch das herabstürzende Wasser treten. Sebios steht dort bereits mit meinem Pferd.

„Ich weiß noch nicht alles, was wichtig ist, aber das Wichtigste", sage ich zu Nefrin. „Ich brauche kein Pferd. Könnt ihr auf das Tier aufpassen und es versorgen, bis ich wieder da bin?"

„Aber natürlich!"

„Wir fliegen?", meldet sich Horus.

„Aber nicht gleich, etwas später, wenn wir außer Sichtweite sind."

„Wie Ihr wünscht, Göttin Aurora."

„Willst du mich necken?"

„Das würde ich mir nie erlauben."

„Und das soll ich dir glauben? Träum weiter!"

Wir legen ein kleines Stück des Weges zurück. Als ich um eine Kurve gebogen bin, entlasse ich den Drachen und ziehe mich meinerseits in ihn zurück. Horus schwingt sich in die Höhe und wir fliegen nach Noresia.

Wir landen wieder auf dem Feld, genau an der Stelle, an der ich schon damals gelandet bin, als ich in dieses Land gekommen war. Zu Fuß mache ich mich auf den Weg in die Stadt und werde am Schlosstor problemlos durchgelassen. Hauptmann Erlin hat die Aufsicht, begrüßt mich herzlich und bringt mich in den Thronsaal. Dort angekommen gehe ich direkt auf den König zu, der am Thron sitzt.

„Eure Majestät, ich muss mit Eurer Familie sprechen", sage ich.

„Wo ist Mirabell?"

„In Sicherheit!"

Er schaut mich einen Moment irritiert an, dann erhebt er sich und gibt dem Wachmann eine Anweisung.

„Komm!", meint er dann zu mir.

Ohne auf eine Reaktion zu warten, setzt er sich in Bewegung. Ich folge ihm und wenig später erreichen wir einen kleinen Salon. Er setzt sich in eine gemütliche Couchecke und bietet auch mir Platz an.

„Mirabell ist also in Sicherheit", sagt er vor sich hin.

„Sie ist absolut sicher."

Zum Glück kommen in diesem Moment die Königin und Jeson zur Tür herein. Mirabell's Mutter schaut sich aufmerksam um und wendet sich dann mit ängstlichem Blick an mich.

„Wo ist meine Tochter?"

„In Sicherheit, macht euch keine Sorgen. Ich bin nur hier, um euch auf den neuesten Stand zu bringen."

Auf ein aufforderndes Kopfnicken des Königs hin, beginne ich zu erzählen, dass Mirabell beim Rat der Weisen ist und dass kein normaler Mensch in die Grotte vordringen kann. Dann erzähle ich, dass ich nach Wesaria zurückkehren muss, um mich Borsin zu stellen und ihn zu töten.

„Die Prophezeiung besagt, dass du über beide Länder regieren wirst", wirft der König nachdenklich ein.

„Macht euch keine Sorgen. Ich beanspruche nicht die Herrschaft über euer Land", versichere ich. „Ich weiß noch nicht, was die Weissagung mit diesem Abschnitt zum Ausdruck bringen will, aber zunächst werden wir uns Borsin widmen. Das ist wichtiger. Das Volk von Wesaria hat schon viel zu lange gelitten."

„Ich vertraue dir", versichert mir der König. Ich bin gerührt von seiner Zuversicht. Immerhin könnte er die gleichen Bedenken gegen mich hegen, wie Borsin bei Mirabell.

„Machen wir zwei noch einen Spaziergang?", wendet sich plötzlich Jeson an mich.

„Wenn deine Eltern mich nicht mehr brauchen, dann gern."

„Nein, geht nur!", entlässt uns der König.

Jeson bietet mir den Arm an und geleitet mich zum Ausgang, der in den Garten führt. Er sagt keinen Ton. Mir ist klar, dass ihm etwas auf der Seele brennt. Mir fällt aber auch auf, wie uns die Königin hinterherlächelt, als wir den kleinen Salon verlassen. Allerdings denke ich mir nicht viel dabei.

Erst als wir auf einem Kiesweg entlangspazieren und uns garantiert keiner hören kann, dreht sich der Prinz zu mir um.

„Hast du herausgefunden, was es mit der Prinzessin auf sich hat?", will er wissen.

„Ich bin diese Prinzessin. Ich bin die Tochter von Borsin."

Er bleibt stehen und schaut mich mit großen Augen an. Ich kann sehen, dass ihm viele Fragen durch den Kopf schwirren.

„Ich habe das auch nicht gewusst. Erst in der Höhle der Meditation habe ich erfahren, dass Borsin mich im Alter von etwa zwei Jahren meiner Mutter entrissen und wie eine normale Kriegerin aufgezogen hat. Ich habe keine Ahnung, warum er das gemacht hat. Tatsache ist, dass ich die Prinzessin bin, die seinem Leben ein Ende bereiten und Anspruch auf den Thron erheben wird."

„Wirst du auch deine Mutter suchen."

„Ich denke nicht."

„Warum?", will er wissen. „Sie ist deine Mutter."

„Ich werde sehen, wie sich alles entwickelt. Wichtiger ist im Moment, die Macht zu übernehmen und herauszufinden, welche Bedeutung der zweite Teil der Prophezeiung hat."

„Du willst wirklich zurück nach Wesaria. Wozu bist du dann geflohen?"

Ich kann Sorge in seinen Augen erkennen. Ich deute auch seine Aussage genau richtig. Es ist kein Vorwurf, es ist eher so, dass er mich dazu überreden möchte, mir die ganze Sache noch einmal zu überlegen.

„Jeson, ich weiß deine Sorge zu schätzen. Wirklich! Aber es ist meine Aufgabe, die Götter selbst haben mir diese aufgebürdet und ich werde mich ganz bestimmt nicht davor drücken. Ich bin nun stärker, ich habe alle nötigen Informationen und ich habe die Macht des Drachens auf meiner Seite."

„Ich komme mit!"

„Nein, mein Freund, du bleibst hier. Deine Aufgabe ist es, dich nicht in Gefahr zu bringen. Das Königreich braucht dich. Mit wem soll ich streiten, wenn ich dann die Königin in Wesaria bin?"

„Wir werden uns nicht streiten."

„Immer der gleichen Meinung werden wir aber auch nicht sein", grinse ich.

Er schaut mir erneut tief in die Augen. Völlig überraschend macht er einen Schritt auf mich zu und zieht mich in eine innige Umarmung. Zunächst bin ich überrascht und überlege, ob ich ihn von mir stoßen soll. Doch dann wird mir klar, dass ich es genieße, wie er mich hält und erwidere die Geste.

Als wir uns nach längerer Zeit voneinander lösen, schaut er mich irritiert an. Ich erkenne den früher so selbstbewussten und fast schon arroganten Prinzen kaum noch wieder. Hat das etwas mit Horus zu tun, dass dieser mächtiger ist als sein Drache? Ich kann es nicht sagen.

„Gehen wir wieder rein?", erkundigt er sich.

„Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne noch etwas hierbleiben. Ich muss nachdenken."

„Dann bis später."

„Bis später!", erwidere ich.

Ich schaue Jeson noch hinterher, wie er den Weg zurück zum Schloss geht. Auch als er schon etwas länger darin verschwunden ist, blicke ich immer noch in die Richtung, in die er verschwunden ist. Plötzlich nehme ich jemand neben mir wahr, ein Räuspern.

„Du bist abgelenkt", lächelt die Königin neben mir.

„Ich? Äh? Warum?", stottere ich.

„Die Lotta, die ich kenne, hätte mich schon sehr viel früher bemerkt."

„Ich habe eurem Sohn nachgeblickt."

„Sag du zu mir, mein Name ist Melissa."

„Aber ihr seid eine Königin."

„Und du eine Prinzessin, die bald Königin sein wird."

„Ich bin ein ganz normales Mädchen, eine Kriegerin."

„So fühlst du dich, weil du dein ganzes Leben lang geglaubt hast, das wäre deine Bestimmung."

„Warum soll plötzlich alles anders sein?"

„Weil nichts so sein muss, wie es scheint. Du bist eine Prinzessin und zu Höherem bestimmt. Ich kann spüren, dass eine unglaubliche Kraft in dir innewohnt. Trotzdem ist es gut, dass du demütig und bescheiden bist. Das wird dich zu einer großartigen Königin machen und ich bin froh, dass mein Land eine so umsichtige und entschlossene Regentin bekommt."

„Dein Land?", frage ich überrascht. „Kommst du auch aus Wesaria?"

„Nein, ich komme aus Noresia und ich meine auch Noresia."

„Aber warum? Wie kommst du auf die Idee, ich könnte dein Land an mich reißen. Ich habe doch gesagt, wir müssen erst herausfinden, was die Prophezeiung im zweiten Teil meint."

„Ich weiß das schon seit einiger Zeit", grinst sie.

Wir sind während unseres Gesprächs etwas weitergegangen und haben eine Sitzbank erreicht. Auf diese lassen wir uns nieder.

„Was weißt du schon längst?"

„Du wirst auch Königin von Noresia. Die Prophezeiung wird sich erfüllen."

„Aber warum, ich will das nicht", wehre ich vehement ab.

„Hast du meinem Sohn schon einmal in die Augen gesehen?", wechselt sie völlig überraschend das Thema.

„Ja, er hat wirklich sehr schöne Augen."

„Das habe ich mir gedacht, dass dir das aufgefallen ist. Hast du aber auch die Liebe gesehen, die er dir entgegenbringt."

„Das war doch Sorge", wiegle ich ab.

„Sorge? Ja, auch."

„Aber?"

„Die Frage ist doch, warum macht er sich Sorgen?"

„Warum sagt er nichts?"

„Warum sagst du nichts?"

„Ich?"

„Ja, du schaust ihm genauso verträumt hinterher, wie er dir."

„Ich, ja sicher!"

„Wer hat mich nicht kommen hören?"

„Ich habe nachgedacht."

„Über was?"

„Äh, ..."

Gute Frage, über was habe ich denn nachgedacht. Ich habe geträumt, ich habe den Anblick des Prinzen genossen. Ist das Liebe?

„Du magst ihn", sagt sie. Es ist eine Feststellung, keine Frage.

„Ja, ich mag ihn."

„Siehst du, genau das gleiche empfindet er für dich. Ich würde sagen, sogar etwas mehr als du im Augenblick für ihn."

„Wird das ein Wettbewerb?"

„Nein, meine Liebe, das ganz sicher nicht. Du bist auch etwas mehr abgelenkt als er."

Sie lächelt sanft und auch glücklich. Dann verabschiedet sie sich. Zurück lässt sie ein verwirrtes Mädchen. Ich soll mich verliebt haben? Ich kann es kaum glauben. Aber, wenn ich ehrlich bin, ich habe keine Ahnung, ob das stimmt. Ich war noch nie verliebt, in wen denn auch?

Beim Abendessen neigt sich Jeson ganz nahe an mein Ohr. Erneut bemerke ich das Lächeln, das sich auf das Gesicht von Melissa schleicht.

„Fliegen wir nachher eine Runde zusammen?"

„Du könntest mich bis Wesaria begleiten. Ich lande dort und du kehrst zurück."

„Wenn ich doch bei dir bleibe?"

„Sei vernünftig Jeson, ich komme zurück. Versprochen!"

„So etwas kannst du nicht versprechen", meint er energisch.

„Ich versuche es zumindest", versichere ich ihm.

Plötzlich spüre ich, wie er unterm Tisch meine Hand nimmt und sie fast verzweifelt drückt. Es ist keine liebevolle Berührung, aber eine sehr schöne Geste.

Als wir den Speisesaal verlassen und ich mich verabschiede, weil ich mich auf den Weg mache, nimmt mich Melissa in den Arm. Dabei flüstert sie mir mit zufriedener Stimme in Ohr.

„Ihr seid schon sehr vertraut miteinander. Das ist schön."

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