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Die Macht des Drachens

Geschichte Info
Eine Kriegerin flieht von ihrem König und erlebt Abenteuer.
69.4k Wörter
4.68
17.5k
19
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Kapitel 1

Gehetzt blicke ich mich um. Der kleine Raum, in den ich mich gerade geschlichen habe, ist leer. Angestrengt versuche ich noch einmal meine Umgebung zu prüfen. Es ist mir niemand gefolgt. Gott sei Dank! Ich bin alleine in der kleinen Vorratskammer. Ich horche in die Nacht. Auch vor der Tür sind keine Schritte zu vernehmen.

Ich schaue mich noch ein letztes Mal gehetzt in dem winzigen Raum um, dann zwänge ich mich aus dem schmalen Fenster hinaus ins Freie. Es ist ein äußerst riskanter Weg, aber der einzige, um aus diesem verfluchten Schloss herauszukommen. Ich weiß nur eins, ich muss weg, weg aus dieser Umgebung, weg von diesem König und weg aus diesem Gefängnis. Ja, es ist ein Kerker, so zumindest fühlt es sich seit Jahren für mich an.

Ich muss mich ganz schön verbiegen, um durch die winzige Öffnung zu passen. Dabei bin ich wirklich nicht die Größte und noch dazu schlank, ja fast schon dürr. Von Klein auf musste ich äußerst hart trainieren. Jeder Zentimeter an meinem Körper besteht nur aus Muskeln und Knochen. Es ist kein Gramm Fett an mir. Wie auch, bei dem harten Training das ich Tag für Tag absolvieren muss und dem wenigen Essen, das ich bekomme, kann man keinen Speck ansetzen.

Auch wenn das Fenster klein ist, ich schaffe es! Es muss klappen! Ein anderes Fenster kommt für meine Flucht nicht in Frage. Nirgendwo anders könnte ich unbehelligt entkommen. Es stehen überall Wachen. Ein Wunder, dass nicht auch diese winzige Vorratskammer kontrolliert wird. Vermutlich glaubt keiner, dass es möglich ist, durch diesen Spalt in der Mauer hinaus ins Freie zu klettern.

Einmal draußen wird es allerdings auch nicht leichter. Es kostet mich ungeheure Anstrengung, mich an der senkrecht abfallenden Schlossmauer festzuhalten und dann daran langsam nach unten zu klettern. Ich muss mich dabei dicht an die kalten Steine pressen, damit ich vom Kontrollgang, oben von der Mauer aus, nicht entdeckt werden kann.

Ich will hier nur noch weg. Zu lange musste ich in diesen kalten Mauern ausharren. Kalt sind die Mauern nicht nur wegen der Temperaturen. Hier drinnen habe ich noch nie auch nur den kleinsten Funken menschlicher Wärme erfahren. Alle sind abweisend und nur auf sich selbst konzentriert. Das ist aber auch kein Wunder, jeder muss schauen, dass er irgendwie überlebt. Der König selbst hat dieses Klima aus unmenschlicher Gefühlskälte und Misstrauen gegen alles und jeden erschaffen. Er hat dies bewusst getan, es ist seine Taktik, um zu verhindern, dass sich Freundschaften und damit Allianzen bilden, die sich womöglich gegen ihn richten könnten.

Schon von klein auf wurde ich trainiert. Unerbittlich musste ich den Kampf mit und ohne Waffen lernen und verinnerlichen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann das alles angefangen hat. Mir kommt es beinahe so vor, als wäre ich bereits mit Waffen in der Hand zur Welt gekommen. Der Kampf füllt mein gesamtes Denken aus. Kein Wunder, ich habe ja auch nie etwas anderes getan oder gesehen. Aber ich weiß, dass es auch etwas anderes gibt. Tief in mir drinnen weiß ich, dass Menschen lieben können.

Ich musste unerbittlich lernen, was mir irgendwann helfen würde, meine Aufträge auszuführen, sollte ich mir einprägen. Ich musste dabei auch andere Völker studieren, damit ich mich dort unbemerkt bewegen könnte, sollte ich einen Auftrag außerhalb des Reiches ausführen müssen. Bücher waren deshalb ein ständiger Begleiter in meinem Leben. Ich müsse mir Wissen aneignen, meinte der König ernst und ich tat es. Beim Studieren habe ich allerdings auch erfahren, dass es noch etwas anderes als Hass, Kampf und Misstrauen geben muss.

Ich war 10, als für mich die letzte, ultimative Stufe der Ausbildung zur Kriegerin des Königs begann. Zu diesen gehörte nur eine Hand voll Kämpfer. Sie sind die Härtesten und Geübtesten, die es weit und breit gibt. Was vorher für mich eher der Geschicklichkeit diente, war nun auf den ultimativen Kampf ausgerichtet. Die Ausbildung war brutal und unmenschlich. Wenn man einen Fehler machte, wurde man hart bestraft, sehr hart. Nur wenige waren körperlich und mental in der Lage, diese Ausbildung auch bis zum Ende durchzuhalten. Ich schon!

Es ist dabei aber nicht gelungen, mich zu brechen und aus mir eine reine Kampfmaschine zu formen. Der Widerstand gegen die reine Gewalt hat in mir trotz allem überlebt. Ich habe ihn versteckt, das schon, weil ich musste. Aber tief in mir drinnen habe ich immer meinen eigenen Willen behalten, auch wenn ich mich den Befehlen des Königs hatte beugen müssen. Eine andere Wahl hatte ich damals nicht. Mein Wesen und meine Menschlichkeit konnte man mir aber trotz allem nicht nehmen. Ich habe den Wahnsinn überlebt.

Doch nun will ich hier nur noch weg. Es ist definitiv Zeit, dies alles hinter mir zu lassen und endlich ein Leben anzufangen, ein Leben das man auch als solches bezeichnen kann. Ich habe mich penibel auf mein Verschwinden vorbereitet. Monate habe ich damit zugebracht, den geeigneten Weg und den richtigen Zeitpunkt zu finden und zu studieren. Ganz, wie ich es jahrelang gelernt habe und wie ich auch sonst immer meine Aktionen vorbereitet habe.

Meine Finger sind schon ganz taub vor Kälte und Anstrengung. Trotzdem halte ich meine Konzentration voll aufrecht und drücke die Kuppen meiner Finger in die kleinsten Zwischenräume und Ritzen, die mir die Mauer bietet. Dasselbe gilt für meine Zehen. Auch sie suchen nach jedem Halt in der Mauer, der sich ihnen bietet. Meine Stiefel habe ich ausgezogen. Sie hängen am Rucksack, den ich mir auf den Rücken gebunden habe. Natürlich ist mir kalt, auch an den Zehen, aber nur so schaffe ich es, die Mauer zu fühlen und mich an ihr festzuhalten. Ich komme mir vor, wie eine Spinne. Doch es gibt für mich keinen anderen Weg.

Die Dunkelheit hüllt mich ein. Ich hoffe, dass meine Erscheinung dank der schwarzen Kleidung mit der Mauer verschmilzt und ich in der Dunkelheit so gut wie unsichtbar bin. Ich habe bewusst eine Neumondnacht ausgesucht. Zum Glück ist der Himmel auch noch bedeckt, sodass die Dunkelheit nahezu perfekt ist. Im Augenblick regnet es zum Glück noch nicht, sonst hätte ich meine Flucht wohl verschieben müssen. Wenn die Mauer nass ist, wäre es lebensgefährlich, daran nach unten klettern zu wollen. Wahnsinnig bin ich dann auch wieder nicht.

Es ist so schon mehr als riskant. Sollte ich auch nur einen Moment den Halt verlieren, würde ich unweigerlich abstürzen und in den Burggraben fallen, der das Schloss umgibt. Die Höhe wäre dabei nicht das größte Problem. Das Geräusch vom Eintauchen ins Wasser würde in der Stille der Nacht unüberhörbar sein und dann hätte ich sofort die Wachen am Hals. Sie würden augenblicklich Jagd auf mich machen. Sie sind darauf trainiert und ich kenne die Abläufe genau. Ich hätte keine Chance, zu entkommen.

So oder so werde ich zur Gejagten. Sobald sie mein Verschwinden entdecken, werden sie mich suchen und alles daransetzen, meiner habhaft zu werden. Eine Königskriegerin ziehen zu lassen, wäre keine Option für den König. Er würde alles unternehmen, mich wieder einzufangen und dann Gnade mir Gott. Doch je weiter ich vom Schloss entfernt bin, umso größer werden meine Chancen, dass ich es dennoch schaffe und sie mich nicht mehr erwischen. Nur, wenn sie nahe am Schloss auf meine Flucht aufmerksam werden, wäre für mich ein Entkommen so gut wie ausgeschlossen.

Ich erreiche mit großer Mühe, aber erfolgreich, den Fuß der Mauer. Ganz langsam lasse ich mich ins Wasser gleiten, um nicht das geringste Geräusch zu verursachen. Ich spüre, wie meine Kleidung zusehends nass und damit schwerer wird. Als ich endlich den glitschigen Boden des Burggrabens unter mir fühlen kann, atme ich erleichtert auf. Kurz verharre ich, um mich etwas auszuruhen und meine Finger und Zehen ein kleines bisschen zu entspannen. Nun beginnt der nächste, nicht minder schwierige Teil. Ich muss unbemerkt den Burggraben überqueren. Von der Mauer aus haben die Wachen freie Sicht auf die Wasseroberfläche. Aber ich bin gut vorbereitet.

Ich hole aus einer Tasche meiner Ledermontur einen der Halme hervor, die ich auf einem Kornfeld heimlich mitgenommen und getrocknet habe. Er soll mir helfen, Luft zu holen, auch wenn ich mit dem Körper komplett unter Wasser bin. Ich tauche vorsichtig und ohne ein Geräusch zu verursachen unter die Oberfläche. Bei diesen Temperaturen ist das echt kein Vergnügen. Der Winter ist zwar vorbei, aber die Temperatur legt nur langsam zu. Vor allem nachts ist es noch bitterkalt.

Es ist zudem eklig, mit dem gesamten Körper in das faulige Wasser des Burggrabens einzutauchen. Aber eine andere Möglichkeit gibt es für mich nicht, unerkannt zu entkommen. An der Zugbrücke wird genauestens kontrolliert. Da ist ein Durchkommen absolut unmöglich.

Einmal ganz ins Wasser eingetaucht, robbe ich, mehr schlecht als recht, auf dem Rücken liegend und mit dem Halm Luft holend, unter Wasser dahin. Jetzt im Frühjahr ist das Wasser nicht besonders tief. Erst mit dem Frühlingsregen, der in wenigen Tagen einsetzen dürfte, wird auch der Burggraben wieder aufgefüllt. Dann wäre ein Durchkommen nur noch schwimmend möglich, was aber wiederum Geräusche verursachen und auffallen würde.

Ich muss meine Ängste zurückdrängen. Im pechschwarzen, halb vergammelten Wasser, völlig in der Dunkelheit versunken, spielt mir meine Fantasie einige Streiche. Ich habe den Eindruck, ständig von irgendwelchen Monstern umgeben zu sein, die aus dem Nichts auf mich zuschießen könnten. Das Wasser ist einfach nicht mein Element, auch wenn ich eine ganz passable Schwimmerin bin.

Trotz aller beklemmenden Gefühle lasse ich mir Zeit, zwinge mich ruhig zu bleiben, setze jede Bewegung langsam und mit Bedacht. Ich versuche so wenig Wellen, wie möglich zu verursachen. Auch, wenn den Wachen in dieser Neumondnacht Wellen wohl nicht auffallen würden, bin ich lieber vorsichtig.

Als mir bewusst wird, dass auch noch ein leichter Regen eingesetzt hat und jeder Tropfen kleine Kreise auf die Oberfläche zeichnet, bin ich zusätzlich erleichtert. Auch wenn ich nicht wirklich einen Grund dazu habe, freue ich mich darüber. Die von den auftreffenden Tropfen aufgewühlte Oberfläche und der Geräuschpegel des Regens, sind für mich eine zusätzliche Absicherung. Für die Wachen wird es noch schwieriger, mich zu entdecken.

Trotzdem behalte ich mein Tempo bei, bin vorsichtig und erreiche schließlich das gegenüberliegende Ufer. Nach langem Beobachten habe ich vor einigen Wochen eine Stelle entdeckt, an der im Schilf des Ufergürtels eine schmale Lücke klafft und ich genau dort, immer noch unter Wasser, sehr nahe ans feste Ufer gelangen kann und dort, hinter den Pflanzen der Uferböschung, gute Deckung haben müsste.

Als ich den Kopf vorsichtig aus dem Wasser recke, wird mir klar, dass ich genau diese Lücke erwischt habe. Es ist aber auch kein Wunder, mein Orientierungssinn ist jahrelang hart trainiert worden. Es fehlt nur noch der letzte Meter bis zum Ufer. Diesen lege ich zurück, ohne den Kopf wieder unter Wasser zu drücken. Vom Regen und dem Schilf bin ich ausreichend geschützt.

„So ein Sauwetter, jetzt beginnt es auch noch zu regnen", höre ich die Wache auf der Mauer leise jammern.

„Mann, bist du ein Weichei! Das bisschen Regen ist doch nicht schlimm", neckt ihn der andere.

Ich verharre augenblicklich in meiner Position, warte ab, bis die beiden ihren Rundgang fortsetzen, wobei sie mir den Rücken zuwenden und mich damit nicht mehr sehen können. Das ist ja noch einmal gut gegangen!

Ich nutze es aus, zu wissen wo sich die Wachen befinden, und steige in geschmeidigen Bewegungen aus dem Wasser. Da das, aus meinen klatschnassen Kleidern, rinnende Wasser ein leises Plätschern verursachen würde, gehe ich hinter dem Schilf sofort in die Hocke und warte, bis das Ärgste herausgesickert ist. Damit sind die Geräusche, der am Boden auffallenden Topfen, kaum noch wahrnehmbar, auf der Mauer oben schon gar nicht.

Kann schon sein, dass ich übervorsichtig bin, aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Es ist zudem erst kurz nach Mitternacht. Ich bin besser vorangekommen, als ich gedacht hatte und kann mir ein wenig Zeit gönnen, auch um etwas auszuruhen und mich zu beruhigen. Die Anspannung in mir bleibt jedoch aufrecht. Mir ist klar, dass ich nicht unvorsichtig werden darf. Im Schloss wird man erst gegen 4 Uhr morgens bemerken, dass ich weg bin. Da sollte ich aufstehen, wie seit vielen Jahren schon und das jeden Tag.

Es ist zwar bitterkalt, in den nassen Klamotten hinterm Schilf zu hocken und zu warten, aber ich bin auch auf Kälte trainiert, wie auf so vieles andere. Das Training einer Kriegerin der königlichen Garde bei Borsin ist ganz bestimmt kein Honigschlecken. Nur die ganz Harten halten bis zum Ende durch. Vor allem die anderen Mädchen haben schon lange vor Ende der Ausbildung gebrochen aufgegeben. Ich habe das nicht, als Einzigste. Mich hat aber auch nur der Entschluss am Leben gehalten, eines Tages auch dank der harten Ausbildung, dieser Hölle den Rücken kehren zu können.

Wohin ich bei meiner Flucht genau gehen und was ich tun soll, darüber habe ich mir noch keine konkreten Gedanken gemacht. Ich habe mir vorgenommen, erstmal ins benachbarte Königreich Noresia zu flüchten. Da bin ich dann erstmal in Sicherheit. Wenn ich es bis dorthin schaffe, dann habe ich immer noch mehr als genug Zeit, mir zu überlegen, was ich mit meinem neu gewonnenen Leben anfangen könnte. Vorher wären es eh nur unnütze Träumereien.

Als nur noch wenige Tropfen aus meinen Kleidern zu Boden fallen, recke ich etwas den Kopf und fixiere durch die Schilfhalme hindurch die Schlossmauer. Trotz der Dunkelheit kann ich zumindest Umrisse erkennen und Bewegungen wahrnehmen. Das reicht, um mir ein Bild von der Situation zu machen. Auch darauf wurde ich gedrillt. Egal wie die Lichtverhältnisse sind, mir wurde eingeschärft, genauestens auf meine Umgebung zu achten.

Nach einigem Beobachten entdecke ich die Wachen, die langsam von der einen Seite zur anderen wandern. Sie blicken sich eher gelangweilt um. Da auch ich schon unzählige Male zum Dienst auf der Mauer eingeteilt war, weiß ich, dass sie nebeneinander hergehen und jeweils zu der Seite hinunterblicken, an der sie entlanggehen. Während also der Mann innen, vor allem den Schlosshof und die Fenster zur Innenseite im Auge behält, sollte sich der Mann außen, auf die Umgebung des Schlosses konzentrieren.

Die beiden scheinen aber nicht sonderlich aufmerksam zu sein. Der Regen führt vermutlich auch dazu, dass sie oft blinzeln müssen und damit eine leicht getrübte Sicht haben. Dies von meiner entfernten Position aus zu sehen, ist unmöglich, aber ich kenne diese Situationen nur zu gut.

Als sie vorbeimarschiert und wieder etwas entfernt von meiner Position sind, drehe ich mich um und laufe gebückt auf den Wald zu. Ich versuche mich schnell und geschmeidig zu bewegen, dabei aber auch jede Deckung auszunützen, die sich mir bietet. Ich hoffe innständig, dass ich durch meine schwarze Kleidung mit meiner Umgebung verschmelze und nicht gesehen werde. Dies ist für mich der gefährlichste Moment der Flucht. Erst am Waldrand bleibe ich stehen und blicke vorsichtig zurück. Ich bin hinter einem Busch in Deckung gegangen.

Alles ist noch ruhig, die beiden haben noch immer nichts von meiner Flucht mitgekriegt. Auch sonst scheint niemand in der Nähe zu sein. Also drehe ich mich um und verschwinde im Dunkel des Waldes. Der schwierigste Teil der Flucht ist geglückt!

Kapitel 2

Die Dunkelheit verlangsamt mein Vorankommen, aber ich komme voran und das ist die Hauptsache. Ich entferne mich immer mehr vom Schloss des verhassten Königs und mit jedem Schritt fühle ich mich ein ganz kleines Stück freier und unbeschwerter. Trotzdem lasse ich meine Wachsamkeit keine Sekunde sinken.

Mir ist sehr wohl klar, dass immer noch Gefahr droht. Vor allem in der Nähe des Schlosses, aber nicht nur dort, sind immer wieder Soldaten des Königs unterwegs, die jeden und alles kontrollieren. Einer solchen Patrouille zu begegnen, würde für mich zwar nicht das Ende der Flucht bedeuten, aber ich würde eine Spur hinterlassen und genau das würde ich gerne vermeiden. Sie sollen keinen Anhaltspunkt haben, an welcher Stelle sie suchen müssen.

Ich marschiere trotz Dunkelheit die ganze Nacht durch. Immer wieder stoße ich mit einem Fuß gegen eine Wurzel oder einen Stein, streife einen Strauch oder laufe gegen einen kleinen Baum. Ich habe vermutlich unzählige blaue Flecken. Aber trotz der Schwierigkeiten komme ich voran und das ist das Wichtigste.

Als der Morgen langsam zu grauen beginnt, habe ich ein besseres Vorankommen und kann nun laufen. Damit lege ich allein in den zwei Stunden um den Tagesanbruch eine beachtliche Strecke zurück. Die Entfernung zum Schloss wird immer größer, stelle ich mit großer Erleichterung fest.

Doch dann macht sich allmählich doch die Müdigkeit in meinen Knochen breit. Ich bin es zwar gewohnt, wenig Schlaf zu bekommen, aber ich habe nun drei Nächte in Folge kein Auge zugetan. Die zwei Nächte vor der Flucht war ich auf einer anstrengenden Mission. Zusammen mit der Flucht hat sich diese Müdigkeit in meinen Knochen festgesetzt. Deshalb beschließe ich, mich ein wenig auszuruhen.

Da ich es von den Missionen her gewohnt bin, einen absolut sicheren Platz zum Ausruhen auszuwählen, suche ich mir einen passenden Baum aus und klettere behände hinauf bis in die Krone. Dort setze ich mich in eine Astgabel, sichere mich und den Rucksack mit einem Seil und versuche zu entspannen.

Mein Platz ist gut gewählt, perfekt versteckt im Blätterdach. Während ich kaum noch zu sehen bin, habe ich selbst noch ausreichend Sicht, um meine Umgebung einigermaßen gut im Blick zu behalten. Der Baum, den ich gewählt habe, ist genau richtig. Es ist eine mächtige Buche mit breiten Ästen und gesunden Blättern bis hinauf in die Krone. Mich dort oben zu entdecken ist nahezu unmöglich. Wenn man nicht weiß, dass da oben jemand lauert, ist es absolut unmöglich.

Mein Schlaf ist, wie immer, sehr leicht. Das hat man mir eingebläut. Dazu durfte ich oft tagelang nicht schlafen und wenn es dann endlich soweit war, dass mir mein Ausbildner die Erlaubnis dazu erteilte, musste ich trotzdem sofort reagieren, wenn er sich mir während des Schlafes näherte. Für jedes Mal, dass er mich überraschen konnte, erhielt ich Hiebe mit der Peitsche. Das erste Mal 10, das nächste Mal waren es 20 und immer so weiter.

Nachdem er mich das dritte Mal überraschen konnte und mein Rücken von der Auspeitschung brannte wie Feuer, wurde mein Schlaf deutlich leichter. Nie wieder konnte er sich mir unbemerkt nähern. Für diese besondere Einheit von Kriegern wie mich, war die Ausbildung extrem hart. Kein Wunder, dass ich die einzige Frau bin, welche die Ausbildung überlebt hat. Das meine ich wörtlich, denn gar einige haben sich das Leben genommen oder es anderweitig verloren.

Der König ist ein brutaler und machtgieriger Despot. Hier oben in der Krone der Buche fühle ich mich zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie frei. Auch wenn mich seine Misshandlungen und Grausamkeiten wohl mein ganzes Leben lang begleiten werden, langsam dringt das Wissen in mein Bewusstsein vor, dass ich mir von ihm, nie mehr in meinem Leben, etwas sagen lassen muss.

„So eine Schlampe, wie hat sie es nur geschafft, zu fliehen?"

Die Stimme ist zwar etwas weiter weg, aber ich kann sie einigermaßen deutlich verstehen und sie reißt mich sofort aus meinem Schlaf. Sie haben also meine Flucht entdeckt und jagen mich. Mein Körper spannt sich augenblicklich an.

„Sie kann überall sein. Weiß jemand, wo sie hinwill? Eine wie sie findet, doch nirgends einen neuen Platz", sagt eine zweite Stimme.

„Sie ist recht hübsch. Sie sucht sich einen Mann, heiratet und lebt ein beschauliches Leben."

„Egal, wo sie hinkommt, sie wird eine Fremde sein. Fremden traut man nicht so leicht in Wesaria", sagt der andere.

„Du musst aber auch zugeben, dass die Kleine ganz schön heiß ist. Da könnte ein Mann schon schwach werden und seine Vorsicht außer Acht lassen."