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Eigentlich wollte ich nur Zigarette

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Das war die Mauer, gegen die ich jetzt anzurennen versuchte.

Ich möchte Einfluss nehmen, mich nicht Fremdbestimmen lassen. Egal was mir durch den Kopf ging, ich stellte immer wieder fest, dass es mich kränkte, wenn Charlotte so einfach über mich verfügte. Den letzten Schluck aus der Tasse nehmend kam mir der Gedanke, meine eigene Unsicherheit, mein Mangel an Selbstvertrauen und meine geringe Selbstakzeptanz, könnten Ursache sein dafür, dass ich immer die Kontrolle über Lebenssituationen haben wollte.

Eine Illusion, so schien es mir plötzlich.

Auch der Soldat führt den Befehl nur aus, weil er Angst vor den Folgen einer Verweigerung hat. Nicht die Einsicht, das Vorgeschriebene sei richtig, lässt jemanden gehorchen. Ich hatte wohl viele Jahre lang gedacht die Klarheit, mit der ich meine Bedürfnisse einforderte, führe zur Einsicht des Anderen. In Wirklichkeit richteten sich andere wahrscheinlich nur nach mir, weil ich so stark aufgetreten bin. Und dies tat ich, um mir keine Schwäche eingestehen zu müssen.

Ich ließ mich nach hinten aufs Bett fallen, starrte die weiße Decke an und war wie ausgelaugt. Der Gedanke, dass ich über viele Jahre hinweg Menschen, ohne es selbst zu bemerken, in meine Zwänge einzubinden versucht habe, schockierte mich. Wie könnte ich das ändern? Das farblose Weiss der Zimmerdecke gab mir darauf keine Antwort.

Anstatt dessen suchten meine Augen in Staub- und Nikotinspuren der Raufasertapete nach Bildern. Immer wenn ich nicht weiter wusste, suchte ich solche Bilder, egal wo. Wolken, Wasser, Berge, Wiesen und auch einfache Tapeten, konnten mir Vorlagen ausbilden, in denen ich nach Mustern suchte, die mir einen Hinweis geben würden, wie ich die Frage, an der ich knabberte, lösen konnte.

Ich sprang augenblicklich auf, rannte ins Wohnzimmer und durchsuchte mein Bücherbord. In einer alten hölzernen Zigarrenkiste fand ich, was ich suchte. Meine drei Münzen und das I Ging Buch. Nach einem Blick auf meine Uhr war klar, ich hatte nicht mehr allzu viel Zeit. Ich warf die Münzen, wie ich das früher oft getan habe, bildete die Linien und erhielt ein Hexagramm. Nr. 49. Die Umwälzung. Wie treffend dieses Buch immer Auskunft gab? Das Urteil hieß:

Die Umwälzung.

Am eigenen Tag, da findest Du Glauben.

Erhabenes Gelingen, fördernd durch Beharrlichkeit.

Die Reue schwindet.

Ich glaubte, den Sinn dieses Spruches für mich zu verstehen. Mein Tag war gekommen. Ich nahm mir vor, heute besonders wachsam mit mir umzugehen. Aufgeben, das kam schon gar nicht infrage. Meine Finger klappten das gelbe Taschenbuch zu. Gemeinsam mit den Münzen legte ich es zurück an seinen Platz. Ich hatte ein gutes Gefühl, zwar waren meine Ängste und Zweifel nicht von diesem Spruch beseitigt worden, aber er gab mir Hoffnung.

Ich vollzog einen Rundgang durch meine Wohnung, sammelte in meiner Tasche die verschiedenen Utensilien ein, die ich im Büro benötigen würde, und wollte mich auf den Weg machen. Beim Abschalten des Radios überkam mich plötzlich ein Bedürfnis. Ich wollte Charlottes Duft mit in den Tag nehmen.

Mit vorsichtigem Tasten hob ich den Slip auf, führte ihn unter meine Nase und sog ihren Duft auf.

Bisher kannte ich mich nicht als Wäschefetischisten, doch Charlottes Geruch übte eine magische Anziehung auf mich aus. Berauscht und in der Erinnerung der letzten Nacht schwelgend, schloss ich die Türe hinter mir und ließ mich vom Lift nach unten bringen.

Vor der Haustüre durchfuhr mich: Du musst ja an ihrem Geschäft vorbei, wie sollst du dich verhalten? Ich wurde unsicher, glaubte, egal wie ich es machen würde, es wäre sicher verkehrt. Hinein schauen hieße, ihren Wunsch nicht zu respektieren. Unbeteiligt vorbeigehen? Dann könnte sie mich sehen und glauben, ich ignoriere sie. Auf halbem Weg zwischen den beiden Häusern kam mein Gang ins Stocken.

'Ich kann jetzt nicht an diesem Haus vorbeigehen!'

Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, da hatte ich bereits eine Hundertachtzig-Grad-Drehung vollzogen und ging dorthin zurück, wo ich hergekommen war, in meine Wohnung. Meine Tasche flog achtlos in eine Ecke, ich griff zu Telefonhörer und rief Andrea an.

"Es geht mir noch nicht besser, ich werde noch einen Tag brauchen." Gab ich ihr mit leidender Stimme zu verstehen, und wunderte mich über das schauspielerische Talent, das ich dabei entwickelte.

"Ich werde noch zum Arzt gehen", schloss ich ab.

"Gute Besserung", wünschte Andrea durch den Hörer und ich hatte heute erstmals den Eindruck, ihre Stimme verrate, echtes Mitgefühl.

"Mach dir keine Sorgen, ich werde die Telefonkunden trösten, schau du erst mal, dass du bald wieder auf dem Damm bist, ... Johann Damm!",

"Danke, und tschüss!"

Dann legte ich auf. Das war ein Schritt. Ich gehe einfach nicht zur Arbeit, weil ich keine Lust habe. Der pflichtbewusste Johann Damm war heute nicht auf dem Damm. Dieses Gedankenspiel hatte mir Andrea mit ihrer Bemerkung gerade rüber gegeben. Gestern den Halben, heute den ganzen Tag, einfach blaumachen? Ich nickte zustimmend in den Garderobenspiegel, sah mich an und fand, dass ich allen Grund hatte: "Ja!", zu mir zu sagen.

Die Kaffeemaschine war noch an und lieferte mir eine weitere Tasse. Damit setzte ich mich auf den Balkon und betrachtet meinen Ausschnitt der Welt, wie er sich täglich anbot. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt.

Genüsslich legte ich mich in die Lehne des Stuhls und ließ die feinen Tröpfchen in mein Gesicht fallen. Jeder Zentimeter meiner Haut wurde im Laufe der Zeit in dem warmen Nass getränkt.

Dieses Sprühen ließ mich in eigenartiger Weise meine Grenzen spüren.

'Die Haut, das ist meine Grenze nach außen, aber auch der Schutz nach Außen'.

Ich wurde gewahr, dass ich bisher nie daran gedacht habe, wo ich beginne und wo ich ende. Wenn ich die Wassertropfen in meinem Gesicht auf den ganzen Körper übertrug, dann war 'meine' Welt doch erschreckend klein. Ich beginne und ende genau an dem Organ: Haut.

Die intensiven Berührungen des vergangenen Tages haben mich gelehrt wie wunderbar es sein kann die Berührung dieses Grenzorgans zuzulassen und gleichzeitig den Kontakt zu einem anderen Menschen darüber herzustellen.

Ich wollte für heute in dieser Traumwelt bleiben, sie auskosten und solange als möglich erhalten.

'Raus', dachte ich, 'raus in die Natur, egal wie sich das Wetter verhält, ich möchte die Weite der Welt heute für mich haben, mit mir alleine sein und den freien Tag genießen.'

Kurz entschlossen streifte ich mir einen Regenschutz über und war schon wieder auf der Straße, schlug die Richtung zur anderen Straßenbahnlinie ein. Alles ergab sich, die Linie zwölf brachte mich weg von Zuhause und wie auf Geheiß einer inneren Stimme, stieg ich am See aus. Stundenlang spazierte ich dem Ufer entlang. Träumend, versunken, hätte ich niemanden erkannt, dem ich begegnet wäre. Aber die Witterung hatte dafür gesorgt, dass ich alleine sein konnte.

Nur um die Mittagszeit standen an dem kleinen Imbissstand ein paar Arbeiter, die ebenfalls eine Bratwurst zum Essen verlangten. Der Sonnenschirm über dem runden Stehtisch, an dem ich meine Wurst mit viel Senf verspeiste, war einfach zu Regenschirm geworden. Er diente für beide Fälle vorzüglich. Das Gespräch der Arbeiter war laut und zwischendurch vulgär gewesen, deshalb aß ich schnell, trank meine Kola nur zur Hälfte und verschwand wieder im dunstigen Sprühregen.

An einer dicht mit Schilf bewachsenen Stelle verließ ich den Weg. Ich suchte nach einem Platz an dem ich mich niederlassen und einfach 'Sein' wollte. Ein entwurzelter umgestürzter Baum bot mir an, mich zu setzen. Ich verneigte mich vor ihm und nahm dankend an. Ein Ast bot sich als Rückenlehne, die morsche Rinde als bequemes Sitzpolster.

Der kleine Bach, der hinter dem liegenden Baum vorbei floss, trug heute sicher mehr Wasser als an anderen Tagen. Er rauschte und gurgelte, als ob es ihm eine Freude wäre, auf sich aufmerksam zu machen. Ich sah und hörte ihm mit gespannter Neugier zu.

Als ich dann die Augen schloss, spürte ich das Wasser durch mich hindurchfließen. Ermutigend forderte ich den Bach auf, alles was an altem Gerümpel in meinem Inneren im Weg lag, mitzunehmen, wegzuschwemmen.

"Ja, fließe durch mich hindurch, spül den alten Schrott weg, nimm dem Müll der Jahre und lass ihn abfließen", rief ich laut und begann, zu weinen. Mir rannen salzige Tränen über die Wangen, verdünnt mit Regenwasser bildeten sie kleine Bäche auf meinen Wangen, tropften herunter und der Baumstamm sog sie auf.

War es Trauer oder Freude? Ich konnte es nicht sagen. Eine Welle ergriff mich, schüttelte mich durch und ich zitterte am ganzen Leib. Es war mir gleichgültig, wenn irgendjemand mich sehen würde, die Welt um mich herum war unwichtig geworden. Schluchzend verbrachte ich fast den ganzen Nachmittag an dieser Stelle. Mein Herz und mein Kopf wurden leichter, lebendiger, als sie das in meiner Erinnerung jemals waren.

Langsam verebbte der Fluss aus meinen Augen und der Körper wurde ruhig.

Ein dringender Harndrang zwang mich, noch in der Nähe pinkeln zu gehen. Ich wollte dieses Geschäft aber in einiger Distanz zum Baum und Bach erledigen, und als ob auch meine Blase, noch eine Unmenge an Unrat herausspülen wolle, ließ ich Wasser ab. Zurück bei den Beiden redete ich laut:

"Was kann ich für euch beide tun?", fragte ich sie so laut, dass auch der Bach verstehen musste, was ich sagte. Die beiden blieben stumm.

"Ich danke euch!", schrie ich aus vollem Hals und beschloss, noch eine Zigarette mit ihnen zu rauchen, um mich dann auf den weiteren Weg zu begeben.

Auf dem offiziellen Weg zurück, sprang ich tänzelnd und hopsend wie ein Kind an Karneval durch die Gegend. Ich war unbeschwert, voller Lust mich auszutoben. Erst als es zu dämmern begann, wurde ich langsamer und kehrte schlussendlich, um.

Mir war in diesem Augenblick nicht bewusst, dass ich noch viele Kilometer zu gehen hatte, um die erste Station der Straßenbahn zu erreichen. Immer wieder überfiel mich ein fröhliches Lachen.

'Das ist Glück', dachte ich für mich. 'Glück, das jetzt und hier in mir steckt und das ich nie wieder loslassen will.'

Es war nach zehn, als ich in die hell erleuchtete, Straßenbahn einstieg. Die Stadt hatte sich verändert, das grelle Neonlicht war zu einer Beleuchtung geworden, die dazu aufzufordern schien, etwas zu unternehmen. Die vielen Menschen, an denen der elektrische Wagen vorbeizog, waren nicht nur die Masse, der ich aus dem Weg gehen wollte. Sie hatten plötzlich ein Gesicht, einen unterschiedlichen Gang, waren fröhlich oder traurig. Bei meinen Beobachtungen im Vorbeifahren begriff ich, nicht die Stadt, ich hatte mich verändert. Meine Augen nahmen anderes wahr.

Hatte ich noch was zum Essen Zuhause? Ein stiller Hunger kündigte sich an und stellte diese Frage. Am Bahnhof stieg ich aus, ließ mir ein Sandwich geben und begann schon auf dem Rückweg zu Haltestelle, es zu verspeisen.

Noch drei Haltestellen und ich war da. Stand vor dem Schaufenster des Ledergeschäftes versuchte, im Inneren jemanden zu sehen, doch um diese Zeit würde niemand mehr da sein, auch nicht Charlotte.

Die letzten Schritte zu meiner Haustüre waren schnell gegangen. Der Lift trug mich nach oben. Jetzt noch ein kühles Bier und dann unter die Decke. Ich drehte den Schlüssel und stellte zu meiner Verwunderung fest, dass die Türe nicht verschlossen war.

Ein Schreck durchfuhr mich. Hatte ich vergessen, die Türe zu schießen? Vorsichtig, eher tastend betrat ich den Raum. Alles war still. Ich konnte keine Veränderungen feststellen. Der Griff nach dem Lichtschalter erleuchtete mit einem Schlag die kleine Wohnküche. Ich staunte nicht schlecht. Im Sessel in der Ecke saß Charlotte.

"Was machst du denn hier?", wollte ich wissen, und ohne Pause",wie kommst du hier herein?"

Sie lächelte nur und blieb mir zunächst eine Antwort schuldig.

"Arbeitest du immer so lange?"

"Nein, ich war heute nicht bei der Arbeit! Sag, wie kommst du hier herein?"

"Ich weiß, dass du nicht bei der Arbeit warst, eure Telefonistin hat mir nach langem Drängen gesagt, dass du krank bist. Danach habe ich versucht, dich hier zu erreichen, aber da konnte ich nur das Band deines Anrufbeantworters abhören. Ich war dann drei Mal hier, hab' geklingelt und geklopft. Beim dritten Mal war deine Nachbarin da und hat mir deine Türe aufgeschlossen. Ich hatte Angst, dir ist was passiert."

Ihr Tonfall wurde dabei zitternd. Es war eindeutig, dass sie sich Sorgen gemacht hatte. Sie sprang auf, stürzte auf mich zu und hielt mich fest umklammert. Wie von selbst strich ich ihr über die Haare, um sie zu beruhigen.

"Nein, ich bin nicht krank, aber passiert ist heute sehr viel", sprach ich ihr ins Ohr und versuchte, einen beruhigenden Tonfall zu finden. Ich schob sie ein wenig zurück und bemerkte Tränen in ihren Augen.

"Es tut mir leid", begann ich",aber du hattest mir geschrieben, dass ich dich nicht anrufen soll, nicht besuchen soll. Was sollte ich tun? Ich bin so überwältigt von den beiden letzten Tagen, bin aus dem Häuschen. Ich musste einfach einmal alleine sein mit mir, meine Gefühle verstehen können."

"Du hättest doch trotzdem ..."

"Nein hätte nicht gekonnt. Meine Gefühle für dich sind mit Liebe und auch Respekt gefüllt, und wenn du nicht angerufen werden willst, dann muss ich es eben lassen. Was glaubst du, wie viel Überwindung mich das gekostet hat, es nicht zu tun? Dafür war ich nun alleine unterwegs, habe gespürt, wie sehr ich dich liebe, und freue mich jetzt, dich zu sehen."

Ich hielt sie an beiden Schultern fest, gab ihr je einen zarten Kuss auf beide Augen und sah sie fragend an.

"Und du, freust du dich auch?"

"Entschuldige, du musst das verstehen. Es geht im Augenblick noch nicht, dass du mich anrufst. Ich kann dir's auch noch nicht erklären, warum das einfach so ist. Sobald ich kann, werde ich es tun. Ich ... ich habe noch nie für einen Menschen so viel wie für dich empfunden, trotzdem ich fühle mich ein Stück weit unwohl damit. Bitte verstehe mich und vergesse es nicht, was immer auch geschieht, ich liebe dich und will dich nicht mehr verlieren."

Sie ließ sich in ihren Sessel zurücksinken und schluchzte leise vor sich hin.

"Ich verspreche es dir, ich werde dran denken und bin mir auch sicher, dass es so ist. Es ist nicht ganz einfach für mich, wenn ich den Zusammenhang nicht kenne, aber ich will dich so, wie du bist. Ich kann auch warten."

Erstaunt über mich selbst, setzte ich mich in den Sessel neben sie. Ich suchte nach einem Papiertaschentuch, das ich ihr geben konnte. Charlotte trocknete ihre Tränen und ich fragte sie, ob sie ein Bier mit mir trinken wolle.

"Gläser sind dort im oberen Fach." Ich zeigte auf den Hängeschrank in der Kochnische. Ich dachte ein wenig Bewegung könnte sie auflockern.

Mit der offenen Bierflasche setzten wir uns wieder. Ich goss uns beiden ein und wir prosteten einander zu.

"Ich würde heute Nacht gerne bei dir bleiben. Einfach nur, um zu schlafen."

"Ich freue mich. Musst du wieder früh weg?", wollte ich wissen, denn eine Überraschung wie heute Morgen, wollte ich für den kommenden Tag vermeiden. Sie hatte den Unterton verstanden.

"Bist du sauer wegen meines Abgangs heute Morgen?"

"Nein ich war erschrocken, ich hätte mit allem gerechnet, nur damit nicht."

"Ich werde es dir noch erklären müssen, aber ..."

"Nicht jetzt", fiel ich ihr ins Wort und konnte mir ein Lachen, nicht verkneifen. "Wir werden bald ein langes Wochenende benötigen, damit du mir alles erzählen kannst, was sich in den wenigen Tagen angesammelt hat."

"Ich weiß, das bin ich dir schuldig."

"Kannst du das Licht noch eingeschaltet lassen?"

Wir waren zu Bett gegangen, lagen nebeneinander und schauten uns an.

"Ich möchte dich noch sehen, bevor ich einschlafe."

Charlotte rollte sich ins Kissen formte ihre Lippen zu einem Kuss und gab ihn mir rüber. Mit leichtem Blasen verstärkte sie seinen Flug. Ich war müde, dementsprechend sank ich schnell weg und schlief ein.

Ganz gegen meine Gewohnheit wurde ich früh am Morgen wach. Charlotte schief noch tief, ihr entspanntes Gesicht schmiegte sich ins Kissen und ich glaubte, auf ihren Lippen ein zufriedenes Lächeln zu erkennen. Mit einem Bein lag sie auf der Bettdecke. Mein Blick folgt den Kurven bis an die Stelle, an der das Laken alles in sich einhüllte. Einen Moment lang war ich in Versuchung, mit meinen Händen den Weg von den Füßen zu ihrem Po nach zu fahren. Dies hätte aber bedeutet, dass sie aufwachen und der Zauber vorüber sein würde, also verwarf ich die Absicht.

Vorsichtig schälte ich mich aus dem Bett, ohne sie zu wecken. Auf leisen Sohlen schlich ich mich aus dem Zimmer und hob die Türe behutsam in die Falle. Die Morgensonne lockte mich auf den Balkon. Der blau strahlende Himmel versprach einen schönen Tag. Doch heute werde ich wieder ins Büro gehen müssen, einen weiteren Fehltag wollte ich auch meinen Kunden nicht zumuten.

Um den Lärm des Mahlwerks der Kaffeemaschine zu vermeiden, besorgte ich mir im Badezimmer das große Badetuch und legte es über das Gerät. Stellte meine Tasse darunter und betätigte den Knopf. Mein Schalldämpfer zeigte Wirkung, die Maschine zerquetschte leiser als sonst, die braunen Bohnen und produzierte den Morgentrunk, den ich zum Tagesstart einfach benötige.

Ich fühlte mich gut. Mit der vollen Tasse und einem Aschenbecher ließ ich mich wieder auf meinen Gartenmöbeln nieder. Die umliegende Silhouette der Häuser, hinter der die Sonne bald erscheinen würde, verschwamm vor meinen Augen. Ich glaubte, im Gegenlicht die Konturen von Charlotte zu sehen. Gold glänzend strahlte das Licht über ihre seidenweichen Linien. Wie eben im Bett lag sie überdimensional vor mir.

'Eine schöne Aussicht', dachte ich, bevor das Tagtraumbild sich wieder aufzulösen begann und die bekannte Skyline wieder in den Vordergrund trat.

Es war schön, so träumen zu können. Die weiche zärtliche Seite an Charlotte nahm mich in ihren Bann, die fordernd erotische Hälfte weckte Begeisterung. Hätte ich mir das vor drei Tagen schon vorstellen können, dass ein menschliches Wesen mich in eine derartige Faszination versetzt? Nein, wenn mir jemand dies vorausgesagt hätte, ich bin mir sicher, mein Rat für ihn wäre gewesen, einen Psychiater aufzusuchen.

"An was denkst du?" Ich erschrak. Charlotte war, ohne dass ich es bemerkt hatte, in der Balkontüre, gestanden.

"An dich!", mehr brachte ich vor Verwunderung nicht hervor.

"Stehst du schon lange hier?", wollte ich noch wissen.

"Schon eine ganze Weile. Ich beobachte gerne Menschen, die es nicht merken. Die unbeobachtete Mimik und Gestik ist sehr aufschlussreich für mich."

"Und welchen Schuss ziehst du aus deinen eben gemachten Beobachtungen?"

"Ich denke, du hast mich eben nackt über die Dächer der Häuser gelegt und darauf gewartet, dass die Sonne hinter meinem Körper auftaucht."

Mir schoss das Blut in den Kopf, sicher bin ich rot angelaufen. Ich sah sie an.

"Du hast mich erwischt, machst mich verlegen."

"Warum? Ich finde es schön, wenn du von mir und nicht von anderen Dingen träumst. Solange ich die Protagonistin in deinen Stücken bin, habe ich nichts dagegen. Da mögen deine Geschichten so ausgefallen sein wie sie wollen. Ich möchte, dass ich in all deinen Stücken, die Hauptrolle spiele."

"Das hast du bereits geschafft, ich kann an nichts anderes mehr denken als an dich."

"Schön!", kommentierte sie knapp.

"Kann ich einen Tasse Kaffee bekommen. Ich muss morgens etwas haben, das mich wach macht."

Wir gingen zusammen in die Kochnische. Charlotte wunderte sich über die seltsame Verkleidung meines Kaffeeautomaten. Als ich ihr erklärte, dass es sich um einen Schallschutz handelte, lachte sie.

"Ich bin aufgewacht als du mich im Bett mit deinen gierigen Blicken gestreift hast. Das war sehr schön und ging mir unter die Haut. Aber dann bist du einfach gegangen. Ich hatte ein wenig die Befürchtung, heute würdest du mich alleine im Bett zurücklassen, daher bin ich leise aufgestanden und dir gefolgt."

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