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Folgeschäden

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Auf Knall folgt Fall.
15.1k Wörter
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Na, klasse. Zwölf Minuten aus der Werkstatt. Bumm. Vor mehr als dreißig Jahren hatte ich mich noch über meinen älteren Bruder schlapp gelacht, dem das Gleiche widerfahren war.

Erst war ihm einer in die Beifahrerseite seines geliebten weißen Asconas reingefahren. Als bei diesem Rahmenverzug jenseits von Richtmöglichkeiten attestiert wurde, tauschte er ihn beim Opel-Händler, dem die Werkstatt gehörte, gegen ein oranges Modell gleicher Bauart aus.

Bis zur ersten Ampel hatte er es noch geschafft. Dann war ihm eine Frau „ganz in Gedanken" hinten draufgeknallt. Ein erster Blick in den Rückspiegel zeigte mir, dass ich Opfer desselben Geschlechts geworden war. Familientradition offenbar.

„Er hat ihr die Vorfahrt genommen. Ich hab's genau gesehen. Halunke! Schäm dich", wurde mir gehstockwedelnd eine etwas verblüffende Sichtweise des Tathergangs von einem weißhaarigen Hutzelweib präsentiert, als ich seufzend ausstieg.

„Er hat bei Rot an der Ampel gestanden und sie ist ihm fast ungebremst draufgefahren, Oma", befand sich zu meiner Erleichterung ein Zeuge aus unserer Realitätsebene an ihrer Seite.

Ich nickte ihm dankbar zu.

„Du glaubst wohl, ich bin senil? Bin ich aber nicht", wurde er dafür keifend angegangen. „Wie redest du denn überhaupt mit deiner Mutter?", wurde er im Zuge mit Sicherheit verwechselt.

Wohl nicht zum ersten Mal. Ich hörte noch, wie er mir seine Nummer anbot, falls seine Aussage relevant werden könnte, da war ich schon am Heck meines Wagens angekommen.

In der Werkstatt war er gewesen, weil mir irgendjemand die linke Heckkante eingeditscht hatte, und ein Rücklicht dabei zerbratzelt. Da hatte ich mich gefreut, als ich einen Zettel auf der Windschutzscheibe fand. Zu früh, denn statt Kontaktdaten stand da nur: „Tut mir echt leid". Immerhin.

Na, dieser Dame würde es nicht nur leidtun. Und es war nicht nur die Heckkante. Sie hatte mir den Kofferraum ordentlich zusammengeschoben. Aber selbst das nahm ich nur mit einem Seitenblick zur Kenntnis. Denn die Frau in dem anderen Auto schluchzte hemmungslos.

„Sind Sie verletzt?", versuchte ich zu eruieren, aber sie hörte mich trotz fehlender Windschutzscheibe offenbar nicht einmal.

Ich zögerte einen Moment, öffnete dann ihre Wagentür und wiederholte meine Frage. Sie antwortete nicht, schaute mich aber mit einem Blick an, der das eindeutig belegte. Nur, mit dem Unfall hatte das wohl nicht viel zu tun. Das war mir sofort klar.

„Ganz ruhig, alles gut. Wir regeln das ganz in Ruhe. Noch einmal: Haben Sie körperliche Beschwerden? Druck auf der Brust? Irgendwo Schmerzen?"

Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht spürte sie die nur nicht. Es hatte ordentlich gerumst. Kein Airbag. Ihre Windschutzscheibe war auf der ramponierten Motorhaube offenbar in einem Stück gelandet. Hatte ich auch noch nie gesehen, kaum Glas im Innenraum.

„Kommen Sie, ich helfe Ihnen", bot ich mich an, griff dann widerstrebend über sie rüber an ihren Gurt und öffnete ihn.

Ließ ihr meinen Arm als Stütze und Ausstiegshilfe, von dem sie zögernd Gebrauch machte. Dann zitternd neben mir stand. Na, so war nichts zu sehen. Vielleicht ein Schleudertrauma, der Hals? Nein, alles schien so weit in Ordnung. Trotzdem zur Sicherheit einen Krankenwagen rufen?

Jetzt hatte sich der junge Mann von der Alten gelöst und half mir, die Frau auf den Bürgersteig zu geleiten. Dann schoben wir gemeinsam mit gerade eingetroffenen anderen Fahrern die ramponierten Fahrzeuge an die Seite, damit der jetzt langsam einsetzende Feierabendverkehr passieren konnte.

Der junge Mann bot sich noch an, die Polizei zu rufen. Das machte man in solchen Fällen wohl. Aber irgendwie wollte ich das der wieder hemmungslos weinenden jungen Frau, die an einer Hauswand Halt gefunden hatte, nicht antun.

Ließ mir nur noch von ihm schnell seine Nummer geben, bevor er versuchte, seinen senilen Schützling zu verfolgen, die die Gelegenheit zum Ausbüxen erkannt und ergriffen hatte. Aber mit Sicherheit nicht schwer einzuholen war, bei ihrer Fluchtgeschwindigkeit. Irre.

Oh, Gott, das arme Mädel. Da tat gerade etwas viel mehr weh als körperliche Schmerzen jemals könnten. Drei Häuser weiter war ein Bäcker, da konnte man, soweit ich mich erinnerte, sitzen und Kaffee trinken. Ich kaufte da sonst nur ein.

Ich wiederholte noch einmal meine Frage nach Verletzungen und bot ihr nach erneutem Kopfschütteln an, dort erst einmal den Schock zu verdauen. Sie nickte mit angedeuteter Dankbarkeit und ließ sich willenlos von mir dorthin führen.

Wir wurden von den Kunden, die uns als die Unfallbeteiligten identifizierten, neugierig beäugt. Ich bugsierte die Frau geschätzt Mitte zwanzig auf einen Stuhl und besorgte uns jeweils ein Kännchen Kaffee. Die hatten da auch leckeren Kuchen, aber das schien nicht passend zur Okkasion.

Sie hatte aufgehört, zu weinen, als ich zurückkehrte. Saß aber offenbar immer noch unter Schock stehend wie ein Häufchen Elend da. Verdammt, das könnte zeitlich knapp werden. Ich informierte sie, dass ich ein kurzes Telefonat führen musste.

„Ja, ich bin's. Hier, es kann sein, dass ich mich etwas verspäte, wenn ich die Kurzen abhole", informierte ich meine Ex-Frau auf der anderen Seite. Und überlegte gerade, wie ich das ohne Auto tun konnte.

„Abhole? Doch heute nicht. Wir haben die Wochenenden getauscht, hast du das schon wieder vergessen? Ich zwei, dann du zwei", wurde ich prompt und unerwartet gescholten. Szenen meiner Ehe, auch danach.

„Aha. Wann denn das?"

„Das habe ich dir schon vor drei Monaten in der E-Mail über den Urlaub geschrieben, damit du es nicht vergisst."

Na toll. Wer erinnerte sich auch noch an Details ihrer ellenlangen E-Mails ohne jeden Absatz oder irgendeine andere Strukturierung? Die Urlaubswochen hatte ich mir mühsam rausgeschrieben.

„So, so. Na, dann verspäte ich mich eben nicht. Aber nächste Woche sind sie wieder bei mir?"

„Wie abgemacht. Schreib dir die Sachen doch endlich mal in deinen Kalender."

„Wäre besser, stimmt. Knuddele die Kleinen von mir. Bis nächste Woche dann", beendete ich das Gespräch. Kalender. So weit kommt's noch, für sie damit anzufangen.

Zurück zu der nächsten Frau, die einen ziemlich heftigen Eindruck in meinem Leben hinterlassen hatte.

„Geht es etwas besser?"

Sie nickte erst, dann schüttelte sie leicht den Kopf.

„Es war nicht der erste Unfall oder die erste Katastrophe heute, nicht wahr?"

„Ja. Das nicht", schien sie langsam am Gespräch teilnehmen zu können.

Ein Folgeschaden. Klar. Irgendetwas hatte sie richtig zerfetzt und in ihrem desolaten Zustand hatte es dann zusätzlich noch mit mir geknallt. Durfte, sollte, musste ich mich da erkundigen?

„Sie standen schon vorher unter Schock", versuchte ich ihr weiter vorsichtig Wege zu öffnen.

„Ja. Unter Schock", bestätigte sie das. „Mein Mann..."

Oh, Gott. Hatte sie gerade ihren Mann verloren? Fuck, das würde es natürlich verständlich machen...

„Dieses Dreckschwein", wurde diese Theorie allerdings sofort entkräftet.

Oh, dieses Lied. Herrje. Na, beim Gedanken an ihn kam zumindest ein Hauch von Farbe zurück in ihr Gesicht. Ein hübsches Gesicht, wenn man sich die vom Weinen geröteten Augen wegdachte.

„Beim Fremdgehen erwischt?", versuchte ich das gerade im Einschlafen befindliche Gespräch weiterzuführen.

Sie sah mich direkt an und nickte langsam.

„Autsch. Verstehe. Das kann keine gute Erfahrung sein. Erklärt die fehlende Reaktion auf Ampeln oder andere Verkehrsteilnehmer. Das regeln wir nebenbei ganz in Ruhe, wozu gibt es Versicherungen. Ich weiß nicht, ob wir zur Polizei..."

„Mit meiner... Mutter. Ich fand ihn... im Schlafzimmer... mit meiner Mutter. Beim Vögeln meiner Mutter", gab sie den erschütternden Bericht des Ausmaßes ihrer Privat-Katastrophe.

Hoppla. Nicht mit einem jüngeren oder aufregenderen Modell schwach geworden, mit der vorherigen Baureihe. Dem Original ja nun nicht, der Herstellerin müsste man sagen. Ach, du grüne Güte. Was sagt man denn dazu?

„Dieses Dreckschwein", echote ich einfach ihr vorheriges Urteil.

Ein kurzes Aufblitzen in ihren Augen, ein leichtes unwillkürliches Zucken an den Mundwinkeln. Immerhin.

„Schön, dass wir das ähnlich sehen", wurde mein Vorstoß belohnt. „Danke, dass Sie eben nicht ausgerastet sind. Ich habe Sie nicht mal gesehen... geweint... alles verschwamm... und dann hatte es auch schon geknallt."

„Nebensächlich, gegen diesen Super-GAU. Wirklich. Blechschäden sind keine Seelenschäden. Es tut mir echt leid, was Ihnen da widerfahren ist. Sie haben mein volles Verständnis."

„War das deine Frau eben am Telefon?", interessierte sie sich eigenartigerweise für meine Angelegenheiten und beendete beiläufig die förmliche Anrede.

„Ex-Frau. Ich stand unter dem Eindruck, dass meine Kinder dieses Wochenende bei mir sein würden."

„Geschieden. Hast du sie auch betrogen?"

„Nein. Nur aufgehört zu lieben. Und angefangen, sie für das zu sehen, was sie ist. Nicht die Frau, mit der ich weiterleben konnte und wollte. Nicht mal den Kindern zuliebe."

„Scheidung. Wie mache ich das?"

„Oh, das ist nicht so schwer. Der Gesetzgeber möchte allerdings ein Trennungsjahr eingehalten sehen, bevor das möglich wird. So... lang kann die Ehe noch nicht gewesen sein?", spielte ich auf ihr vermutliches Alter an.

„Drei Jahre. Ich habe gewusst, dass irgendwas nicht stimmt. Dass er mir etwas verheimlicht. Aber das..."

Ja, das war vermutlich nicht mal vorstellbar gewesen. Oh, die hatten diese geile Schokotorte wieder da. Shit. Das grenzte ja an seelischer Grausamkeit, die am Nebentisch zu essen. Sie folgte meinem Blick. Wieder der Hauch eines Lächelns.

„Schmeckt die gut?"

„Göttlich sogar. Soll ich uns ein Stück holen?", nutzte ich die Gelegenheit sofort.

„Warum nicht..."

Sorry, deine Kunstpausen verstehe ich nicht. Ach so.

„Pascal. Soll ich noch Kaffee mitbringen? Der in der Tasse ist möglicherweise kalt."

Sie nippte kurz an der Tasse.

„Nee, geht noch. Ich bin die Marina. Und dir unendlich dankbar, dass du dich um mich kümmerst."

„Das ist doch selbstverständlich. Bin gleich zurück."

Na, zumindest kuchengeschmacklich lagen wir auf einer Wellenlänge. Meine Wahl wurde in höchsten Tönen gelobt.

„Warst du auf dem Weg zu einer Freundin?"

„Nein, mir war überhaupt nicht klar, wo ich hinwollte. Nur da weg."

„Es war doch hoffentlich sein Auto?"

Und das erste Lächeln.

„Ja, allerdings. Selbst schuld. Um deins tut es mir schrecklich leid, Pascal."

„Ach, kein Thema, es war ohnehin nur zwölf Minuten aus der Werkstatt und hatte sich da wahrscheinlich sehr wohlgefühlt."

„Oh, was, echt? Du bist ja ein Pechvogel."

„Du musst gerade reden. Ist nebenbei in meiner Familie so üblich", begann ich die Anekdote mit meinem Bruder.

„... und dass dieses neue Orange nicht nur Auffahrer anzieht, hat er dann hinterher erleben müssen. Im Umkreis von zweihundert Metern war sein Auto das Einzige, auf dem Vögel sich erleichtern mussten oder wollten. Wohl im wahrsten Sinne des Wortes Signal-Orange."

Sie kicherte leise. Fasste sich dann doch an den Hals und ihre Schulter.

„Tut jetzt doch was weh? Soll ich dich zum Arzt bringen?"

„Wieso, bist du mit dem Auto hier?", bekam ich die erste Kostprobe ihres Humors.

„Da hast du allerdings recht. Meine Mobilität wurde hinterrücks eingeschränkt. Ist gar nicht schlimm, ich hätte es fast bis nach Hause geschafft. Nur noch fünf Minuten Fußmarsch von hier. Danke, dass ich dir bis hierhin noch entkommen konnte, ich bin nicht so der wilde Wandersmann. Und wo willst du jetzt hin? Ich denke mal, zu deiner Mutter scheidet aus?"

„Das wäre vielleicht nicht die beste Idee. Ich habe offen gestanden nicht die mindeste Ahnung. Ich habe nicht mal Sachen mitgenommen. Ich musste einfach nur raus."

„Verständlich. Hier um die Ecke gibt es einige Geschäfte. Sogar einen Secondhand-Klamottenladen. Hotels oder Pensionen gibt es hier allerdings eher nicht. Keine Freundinnen oder andere Verwandte, die dich aufnehmen würden?"

„Ich bin nicht von hier. Jonas habe ich auf Mallorca kennengelernt, wir haben uns verliebt und nach unserer Heirat bin ich endgültig hierhergezogen. Vor einem Jahr kam meine Mutter hier an, angeblich, weil sie mich vermisst hatte. Wer weiß, wie lange die beiden schon was am Laufen hatten."

Oje. Jetzt sah sie wieder völlig fertig aus, dabei hatte sie sich gerade so schön gerappelt. Verdammt, die sollte nicht allein sein, nach diesem Katastrophentag.

„Meine beiden Racker sehe ich nun an diesem Wochenende nicht. Allerdings habe ich richtig fett eingekauft für die beiden, das kriege ich niemals alleine weg. Wenn ich nur einen Gast hätte, der mir dabei helfen könnte... Ich werfe so ungern etwas weg."

„Du lädst mich zu dir nach Hause ein?", hatte sie keine Schwierigkeiten, das einzuordnen.

„Ich bin ein perfekter Gentleman. Und ein guter Zuhörer. Oder einfach nur Gesellschaft. Es klingt sicher etwas..."

„Gern. Ich danke dir. Du bist ein Engel. Können wir ein Stück von der Torte für morgen mitnehmen? Die ist wirklich göttlich."

„Aber sicher. Wenn du sonst noch was brauchst, eine Zahnbürste hätte ich sicher da, aber Tampons und ähnliche Hygieneartikel würdest du bei mir nicht finden, meine Tochter ist erst acht."

„Da läuft der Countdown noch nicht. Aber glücklicherweise liegen meine Tage gerade hinter mir. Man merkt, dass du länger verheiratet warst. Mein Mann wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich überhaupt etwas brauchen könnte. Racker, Plural, also noch einen oder mehrere Söhne?", erwies sich, dass sie nicht ganz so konzentriert zuhörte. Verständlich.

„Einen davon. Der ist zehn. In dem Alter, wo er nichts ohne ausschweifende Erklärungen gelten lassen will. Ich liebe die Kleinen. Aber sie können auch sehr anstrengend sein. Das kam euch noch nicht in den Sinn? Die Bevölkerungszahl hochzutreiben?"

„Ich habe mich erfolgreich dagegen verwahrt. Das wenigstens halbwegs richtig gemacht. Sonst nicht viel."

„Du bist jung genug, um noch ganz viel richtigzumachen. Hoffentlich mit jemandem, der dich wirklich verdient und glücklich macht."

„Zwei Stück von der Schoko-Torte zum Mitnehmen, bitte. Die ist wirklich total lecker", gestand sie der Frau am Tresen ihre gerade begonnene Liebesaffäre. „Noch was dazu?"

„Ich habe, wie gesagt, satt eingekauft. Ich drehe immer ein bisschen durch, wenn die Kinder kommen. Sonst, so für mich allein, habe ich meist nicht mal Bock zu kochen. Dabei habe ich das immer gern gemacht. Nee, ich zahle. Wäre ja noch schöner. Du bist mein Gast."

„Ich glaube, ich hätte keinem lieberen und netteren Mann hinten reinfahren können. Du bist echt ein Engel."

„Ich würde ja sagen, immer gerne wieder, aber ab und zu brauche ich mein Auto tatsächlich auch."

„Du bist jetzt erst mal vor mir sicher. Größer war unser Fuhrpark nicht. Wie lange bist du jetzt geschieden?"

„Zwei Jahre, nach dem angesprochenen Trennungsjahr. Mehrere davor der geistigen Vorbereitung darauf."

„Aber doch sicher wieder in festen Händen?"

„Nicht mal in der Reichweite von solchen."

„Dauert es so lange, bis man sich davon erholt?"

„Nein, das ist es gar nicht mal. Man ringt mehr mit der Frage, ob man genug Optimismus zusammenbekommen kann, es tatsächlich noch ein weiteres Mal zu versuchen."

„Das verstehe ich. Tue es einfach. Ein Mann wie du sollte nicht allein sein."

„Es gibt tatsächlich Tage, wo ich so denke. Noch sind sie selten."

„Und Nächte?", fragte sie wissend.

Du bist ja süß. Hast ein bezauberndes Lächeln. Der Typ muss doch echt ein Idiot sein. Ohne die Mutter jetzt zu kennen.

„Davon tatsächlich ein paar mehr."

„Verstehe. Die lassen sich aber mit kurzen Trostpflastern überbrücken, oder?"

„In meinem Alter wären selbst die ein Angehen."

„In besten Mannesalter?"

„Flirtest du mit mir? Vielleicht sollten wir doch zum Arzt, du könntest eine Gehirnerschütterung haben."

„Äch, nach dem Anblick zuvor konnte mich nichts mehr erschüttern."

„Aber dein Hals und deine Schulter scheinen doch was abbekommen zu haben."

„Nein, wohl Verspannungen, die hatte ich schon, als ich losgefahren bin, eigentlich schon viel länger."

Oje. Ich würde ihr mit Sicherheit eine Massage anbieten. Vielleicht einfach das Thema nicht mehr anschneiden. Und vielleicht mal nicht an meinem Haus vorbeilaufen.

„Hier ist es dann auch schon. Folge mir vertrauensvoll."

„Das tue ich. Dir total vertrauen. Das ist echt komisch, das kenne ich so nicht."

„Das freut mich. Immer herein, klein, aber mein. Ein Gästezimmer habe ich nicht, aber ein mit zwei normal großen Betten bestücktes Kinderzimmer. Sogar mit frisch bezogenen Betten, wenn dir Star Wars oder Frozen-Bettwäsche nichts ausmacht."

„Umso mehr habe ich Grund, ‚Lass jetzt los' zu singen."

Die war echt gut drauf.

„Du kannst sicher auch mit ihren Barbies spielen. Nur vergiss nicht, sie hinterher wieder auszuziehen, sonst denkt sie, ich habe das wieder getan."

„Sie zieht sie aus?"

„Und ich sie an, ja. Irgendwie spielt sie damit anders als andere Mädchen. Dabei hat sie so viele tolle Klamotten, Schuhe und Accessoires."

„Siehst du, da ist dein Ansatz falsch. Du solltest mehr wie sie denken."

„Setz dich, mach es dir bequem. Du sagst ja Sachen. Hm, soll ich uns noch einen Kaffee machen?"

„Für mich nicht, danke. Ich müsste stattdessen mal welchen loswerden. Wo wäre das hier möglich?"

„Die nächste links. Alternativ hätte ich mehrere sehr ordentliche Rotweine im Angebot. Oder diverse Fruchtsäfte und Softdrinks."

„Wein ist gut. Und es ist dringend. Bis gleich."

Also dann Wein. Tja, von ihrer etwas krassen Art sich vorzustellen einmal abgesehen, war sie doch ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Mit solchen sollte man ein edles Tröpfchen wie diesen hier auch mal genießen. Wie ich das mit ihrer Gesellschaft auf jeden Fall schon tat.

Und es schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Sie hatte sich frisch gemacht. Ihre Augen sahen nicht mehr verweint aus. Die Farbe war endgültig in ihre Wangen zurückgekehrt. Na, bei dem Wein kam da gleich noch einiges dazu.

„Oh, der ist gut."

„Du kennst dich mit Wein aus?"

„Nicht wirklich. Aber der schmeckt so, als ob ich davon problemlos betrunken werden könnte."

„Das auch. Grund genug hättest du. Ich ja irgendwie auch. Das machen wir so."

„Keiner von uns beiden muss oder könnte noch fahren."

„Dafür hast du ja gesorgt."

„Wennschon, dennschon. Auch so kann man sich die ungeteilte Aufmerksamkeit eines interessanten Mannes sichern."

Eines interessanten Mannes? Aber hallo. Die gute Frau war wirklich hart im Nehmen. Zwei Knalleffekte am Tag schienen ihr nicht genug. Versuchte die allen Ernstes, mit mir zu flirten?

„Meine ungeteilte Aufmerksamkeit hast du zweifellos. Und meine Sorge um deine Gesundheit. Vielleicht hast du doch Sehstörungen?"

„Wie kommst du darauf?"

„Nun, dir fällt schon auf, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit doppelt so alt bin wie du?"

„Ich bin sechsundzwanzig."

„Dann stimmt meine Rechnung sehr wohl. Ich erhöhe um: mehr als."

„Interessant. Deine Frau war dann um einiges jünger? Man sieht dir das Alter übrigens nicht an."

„Das Erste stimmt, beim zweiten habe ich meine berechtigten Zweifel. Vielleicht sehe ich nur attraktiver für dich aus, weil ich deiner Mutter wahrscheinlich zu alt wäre."

Was für eine völlig unpassende Aussage in ihrer Situation. Über die sie faszinierenderweise sogar schon lachen konnte. Wirklich hart im Nehmen.

„Möglich. Du wunderst dich, warum ich darüber schon wieder lachen kann, nicht wahr?"

„Ein bisschen schon. Sicher besser als darüber nur weinen zu müssen. Auch das wäre okay, und wenn du das an meiner Schulter tun möchtest, stehe ich dir gerne zur Verfügung."

„Ich hatte vorher schon das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Die ganze Geschichte mit ihm war von Anfang an ziemlich dumm."

„Mallorca. Dann hat es im Ballermann gleich richtig geknallt?"

„Nicht dort, sonst aber ja. Dabei wollte ich mich eigentlich nur mal so richtig nach Herzenslust knallen lassen."