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Göttliche Fügung

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„Gut, dann nehmen wir Herrn Grumser zur Befragung mit. Würden Sie uns begleiten?"

„Das können Sie nicht machen. Herr Bodener, bitte!", fleht er. „Ich arbeite seit fünf Jahren für Sie."

„Ich könnte über so einiges hinwegschauen. Ich bin ganz sicher kein Mensch, der anderen Schaden zufügen will", antworte ich ihm. „Dass Sie aber einem jungen Mann zweimal die Zukunft verbauen wollten, das ist für mich zu viel."

Ich drehe mich um. Für mich ist die Sache damit erledigt. Jenny und Werner, die hinter mir stehen, schauen mir überrascht nach. Als sie merken, dass ich zum Wagen gehe, kommen sie eilig hinter mir her.

„Ich hätte dir nicht zugetraut, so hart zu sein", meint Jenny.

„Was dieser Mann versucht hat, ist einfach nur schäbig", antworte ich. „Fahren wir zurück ins Büro und reden über alles Weitere."

„Was gibt es noch zu besprechen? Darf Werner wieder hier arbeiten?", erkundigt sich Jenny.

„Wenn er möchte."

„Natürlich möchte ich. Danke, Herr Bodener", meldet sich zum ersten Mal Werner zu Wort.

Er schaut mich mit einem unglaublich dankbaren Blick an und hält mir die Hand entgegen, die ich nehme und schüttle.

„Du brauchst nicht mir zu danken. Bedanke dich bei der Frau Pastor. Sie hat an dich geglaubt und sich für dich eingesetzt."

„Danke!", sagt Werner zu Jenny.

---

„Möchte jemand Kaffee, Wasser, Kuchen, Saft?", frage ich.

Wir sind zurück, betreten mein Büro und ich dirigiere die beiden zur Couchecke. Dabei reagiere ich unbewusst. Ich lege Jenny die Hand aufs Kreuz und schiebe sie vorsichtig in die entsprechende Richtung. Sie lässt mich gewähren und wirft mir über die Schulter hinweg einen freundlichen Blick zu. Sie lächelt dabei.

„Darf ich einen Saft haben?", erkundigt sich Werner.

„Mir bitte Kaffee", meint Jenny.

„Mir auch Kaffee, danke", sage ich zur Sekretärin. Sie ist uns ins Büro gefolgt.

„Was machen wir hier eigentlich?", erkundigt sich Jenny. „Das habe ich dich bereits auf der Baustelle gefragt, aber du hast mir keine Antwort gegeben."

„Du solltest mehr Geduld haben", antworte ich gespielt tadelnd.

Werner, der sofort versteht, dass ich mir einen Spaß erlaube grinst mich an. Er scheint ein heller Kopf zu sein. Er beobachtet genau und checkt sofort.

„Werner, die Frau Pasto hat mir gesagt, du würdest gerne Jura studieren."

„Das wird wohl immer mein Traum bleiben. Ich muss mithelfen, damit meine Familie über die Runden kommt", antwortet er.

Ich höre deutlich heraus, dass ihm das sehr leidtut, dass er aber auch genau weiß, dass er seine Wünsche hinter das Wohl der Familie zurückstellen muss.

„Wenn die Frau Pastor einverstanden ist, rufen wir eine Stiftung ins Leben, die Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen hilft. Sie übernimmt die Verwaltung und ich zahle das Geld ein. Unser erster Schützling wirst du sein. Die Stiftung finanziert dir das Studium und zahlt an deine Mutter das Geld, das du verdienen würdest, wenn du deine Arbeit auf meiner Baustelle wieder aufnehmen würdest. Was sagst du dazu?"

Einen Moment herrscht Schweigen. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Beide schauen mich mit offenem Mund an. Dass es ihnen beiden die Sprache derart verschlagen würde, hätte ich nicht erwartet.

„Das würden Sie tun?", erkundigt sich Werner.

Er sagt das ganz still, so als könne er nicht glauben, was er gehört hat. Seine Augen sind immer noch ungläubig auf mich gerichtet.

„Ist das dein Ernst?", will auch Jenny wissen.

„Natürlich ist es mein Ernst", bestätige ich. „Du allein verwaltest die Gelder, du allein entscheidest wer unterstützt wird und wie. Das ist meine Bedingung."

„Ich? Wäre nicht besser, ich unterbreite dir Vorschläge und du entscheidest?"

„Ich möchte, dass du allein das Sagen hast", halte ich dagegen. „Du hat das Herz am rechten Fleck. Ich vertraue deiner Menschenkenntnis."

„Darf ich mir das noch überlegen?"

„Generell schon, nicht was Werner angeht."

„Ja, ja, generell. Das mit Werner machen wir. Wenn du es willst."

„Ich will es", antworte ich lächelnd.

„Noch nie hat mich ein Mann in so kurzer Zeit so oft überrascht", meint Jenny. „Danke!"

„Wofür?"

„Dass du mich angehört und ernst genommen hast."

Ich lehne mich zu ihr hinüber und umarme sie. Ich kann nicht anders. Ihr aber scheint es nicht anders zu ergehen. Auch sie drückt mich an sich. Ich fühle eine Vertrautheit, wie ich sie noch nie derart intensiv empfunden habe.

„Ihr seid ein nettes Paar", meint Werner.

Erschrocken lösen wir uns voneinander und schauen uns gegenseitig an. Er hat das ausgesprochen, worum wir uns schon seit gestern herumdrücken. Ich schaue Jenny an. Auch sie weiß nicht, was sie auf diese Frage antworten soll.

„Wir sind doch kein Paar", meint sie schließlich. Allerdings ist es, so wie sie es sagt, wenig überzeugend. Zudem kommt die Antwort zu spät.

„Ihr seid alt genug, Ihr müsst wissen, was Ihr tut", hält Werner dagegen.

„Jetzt sei nicht so vorlaut", tadelt Jenny ihn gespielt.

„Entschuldigung, Frau Pastor", kontert Werner. Sein Grinsen zeigt mir, dass er sie auf den Arm nimmt.

„Ich bringe Euch nach Hause", biete ich an.

---

Wir kommen vor dem Pfarrhaus an. Eine Parklücke ist noch frei, allerdings steht dort ein Schild, wonach der Platz reserviert ist. Werner haben wir bereits abgesetzt.

„Stell dich nur auf diesen Platz. Mein Vorgänger hatte ein Auto und deshalb dieses Schild anbringen lassen, damit er nicht lange suchen muss. Ich jedoch fahre lieber mit dem Fahrrad."

„Ich habe noch etwas auf dem Herzen", sage ich vorsichtig, während ich den Wagen abstelle.

„Ich wusste es", meint Jenny.

„Was wusstest du?"

„Dass die Sache einen Haken hat."

„Was für einen Haken?", erkundige ich mich.

„Das wirst du mir gleich sagen."

„Ich? Warum ich?"

„Du hast gemeint, du hättest noch etwas auf dem Herzen."

„Ach das, das ist doch kein Haken?"

„Was dann?", erkundigt sich Jenny. Sie ist genervt und sichtlich enttäuscht.

„Deine Heizung ist völlig hinüber."

„Das weiß ich schon längst. Da sagst du mir nichts Neues."

„Ich habe sie von einem Klempner anschauen lassen."

„Wie hast du das gemacht?"

„Als wir zur Baustelle aufgebrochen sind, habe ich eine entsprechende Anweisung gegeben."

„Wem?"

„Meiner Sekretärin."

„Die Arme."

„Warum, die Arme?"

„Sie muss ständig deine Arbeit erledigen."

Jenny schaut mich freundlich an und lächelt. Es ist klar, dass sie mich neckt. Dann wird sie wieder ernst.

„Das hätte ich dir aber auch ohne erneute Kontrolle sagen können."

„Man weiß nie. Oft wollen Klempner nur eine neue Anlage installieren und geben vor, die alte sei hinüber. Bringt mehr Geld ein."

„Ich vertraue meinem Klempner", kontert Jenny. „Wäre noch schöner, wenn er eine Pastorin anlügen würde."

„Aber meiner hat bereits eine neue Anlage bestellt. Allerdings wird es zehn bis vierzehn Tage dauern, bis sie geliefert und installiert ist."

„Du hast was?", erkundigt sie sich. Jenny ist sichtlich überrascht. „Wer soll das denn bezahlen? Die Pfarrei hat kein Geld. Das habe ich dir doch gesagt."

„Ich rede nicht von Geld. Das ist schon erledigt."

„Wie?", will sie wissen. „Schon erledigt?"

„Die Heizung für das Pfarrhaus wird von einen unbekannten Spender finanziert."

„Du gibst das ganze Geld aus?", meint sie. „Warum?"

„Ich sagte unbekannt."

„Greg, nimm mich nicht auf den Arm!"

„Es gibt nur ein Problem."

„Mit der Heizung?"

„Nein, mit dir."

„Wie? Mit mir?"

„Bis die neue Heizung läuft holst du dir den Tod, wenn du hier wohnen bleibst."

„Das wird schon nicht so schlimm werden", wiegelt sie ab.

„Schau dich an. Noch zwei Wochen hältst du unmöglich durch."

„Was soll ich deiner Meinung nach tun?"

„Entweder du ziehst in ein Hotel oder ich stelle dir mein Gästezimmer zur Verfügung."

„In deiner Luxusvilla?"

„Nun ja, zwei Wochen wirst du dort hoffentlich überleben", scherze ich.

„Was sagen die Leute dazu?"

„Die müssen es doch nicht wissen."

„Denen bleibt nichts verborgen."

„Was ist so schlimm dran? Es ist das Gästezimmer. Außerdem wohne ich nicht weit von hier entfernt. Die Strecke ist locker mit dem Fahrrad zu bewältigen."

„Und wann soll ich übersiedeln?"

„Am besten gleich, sonst erfrierst du, bevor ich dich ins Warme bringen kann."

---

Jenny hat zum Glück ihren Widerstand aufgegeben. Die Kälte war doch schrecklicher, als der Gedanke, bei mir im Gästezimmer zu übernachten. Sie hat schnell eine Sporttasche mit Kleidern und anderen Sachen zusammengepackt, während ich im Wagen gewartet habe.

„Dann auf in die Lasterhöhle", meint sie, als sie wieder zu mir ins Auto steigt.

Die Tasche hat sie vorher lässig auf den Rücksitz geworfen. Ich muss grinsen. Sie wirkt wie jede andere Frau in ihrem Alter. Wenn man sie so sieht, würde man nie im Leben auf die Idee kommen, dass sie Pastorin ist.

„Hast du alles, was du brauchst?", erkundige ich mich.

„Wenn ich etwas vergessen habe, habe ich es nicht weit", kontert sie.

Es ist tatsächlich nicht weit, deshalb sind wir bereits kurz nach dem Losfahren auch schon am Ziel. Ich biege in die Einfahrt ein. Das massive Eisentor gleitet lautlos zur Seite und gibt den Weg frei. Dahinter tut sich der Blick auf mein Grundstück auf. Ein weißer Kiesweg führt zunächst am Fuße eines Hügels nach rechts und macht dann eine Linkskurve, um schließlich den Hang hinaufzuführen.

„Wow!", höre ich vom Beifahrersitz. „Das nenne ich eine bescheidene Hütte."

„Naja, bescheiden habe ich nie behauptet", schränke ich ein. „Aber man gönnt sich ja sonst nichts."

„Ich bin gespannt."

Wir fahren den Weg hinauf zur Villa. Es ist ein moderner Bau aus Beton, Stahl und Glas. Vor allem das viele Glas lässt das Haus leicht wirken, als ob es Teil der Natur wäre. Einige Scheiben sind von außen verspiegelt, damit man nicht hineinsehen kann. Das Licht dagegen kann ungehindert durch. Es handelt sich um eine ganz spezielle Behandlung, der das Glas unterzogen wurde.

„Hast du auch einen Pool?", erkundigt sie sich.

„Pool, Sauna, Dampfbad, Fitnessraum, alles was das Herz begehrt."

„Darf ich den Pool benützen?"

„Natürlich, auch die Sauna."

„Sauna ist nicht ganz meins, ich mag es nicht so heiß."

„Dann könnte das Dampfbad das Richtige für dich sein."

„Ich weiß aber nicht, wie man das macht."

„Wir können auch zusammen in den Nebel."

„Muss man da nackt sein?"

„Besser schon."

„Ich überleg´ s mir", antwortet sie nach einer kurzen Pause.

Wir sind ausgestiegen. Ich nehme Jenny die Tasche ab und wir gehen auf die Eingangstür zu. Diese öffnet sich und Verena, mein Hausmädchen, hält sie auf.

„Heute in Begleitung, Herr Bodener?", erkundigt sie sich erstaunt.

„Ja, Frau Simons wird ein paar Wochen bei uns im Gästezimmer wohnen. Bei ihr zuhause ist die Heizung ausgefallen."

„Oh, Sie Ärmste", zeigt Verena Mitleid. „Na, dann kommen Sie. Ich zeige Ihnen das Gästezimmer."

Verena nimmt mir die Tasche ab und geht mit Jenny einfach nach oben. Sie ist offenbar dermaßen überrascht, dass ich eine Frau mit nach Hause bringe, dass sie gar nicht daran denkt, dass eventuell ich ihr das Zimmer zeigen möchte. Mich hingegen lässt sie einfach stehen. Mich kennt sie ja schon, denke ich belustigt. Jenny folgt ihr. Sie wirft mir zwar einen fragenden Blick zu, geht aber doch mit Verena die Treppe nach oben.

Da mich die beiden im Eingang stehen lassen, mache ich mich auf ins Wohnzimmer. Ich nehme mir einen Whisky und stelle mich ans Panoramafenster. Der Blick in den Garten ist wunderschön. Auch, wenn er jetzt im Spätherbst verhältnismäßig trostlos aussieht, kann ich trotzdem an verschiedenen Stellen noch Blüten ausmachen. Bevor nicht die ersten Reifnächte auch den abgehärteten Pflanzen den Garaus machen, halten sich diese immer noch tapfer.

„Du hast einen wunderschönen Garten", sagt Jenny hinter mir.

Sie muss von mir unbemerkt in den Raum gekommen sein. Ich drehe mich um.

„Ich liebe diesen Garten."

„Das glaube ich."

„Essen!", ruft Verena.

„Komm, wir sollten besser gehorchen. Verena ärgert sich sonst, weil das Essen kalt wird."

---

Das Essen war köstlich. Verena ist eine ausgezeichnete Köchin. Das weiß ich sehr wohl zu schätzen. Jenny und ich haben uns mit einem Glas Rotwein ins Wohnzimmer zurückgezogen und plaudern über alles Mögliche. Verena hat noch den Tisch abgeräumt und sich anschließend auf den Weg gemacht.

„Verena wohnt nicht im Haus?", erkundigt sich Verena.

„Sie und ihr Mann bewohnen ein kleines Häuschen, das etwas entfernt aber immer noch auf dem Grundstück steht. Es ist das Gebäude, das ursprüngliche zu diesem Grundstück gehört hat. Es hat seinen ganz eigenen Charme und ich wollte es nicht dem Erdboden gleichmachen. Deshalb habe ich dieses Haus an einer anderen Stelle gebaut, die ich auch für geeigneter halte. Verena hat das alte Hexenhäuschen so gut gefallen, dass sie dort sofort eingezogen ist."

„Du scheinst ein guter Arbeitgeber zu sein. Verena ist begeistert von dir."

„Ihr habt über mich gesprochen?"

„Na klar! Als sie mir das Gästezimmer gezeigt hat."

„Das alte Tratschweib", scherze ich.

„Sei nicht ungerecht. Sie war ganz aufgeregt, weil du eine Frau mit nach Hause gebracht hast. Das hat es noch nie gegeben, hat sie gemeint."

„Da hat sie wohl Recht", bestätige ich. „Mich würde interessieren, was du ihr erzählt hast."

„Ich habe nichts gesagt."

„Du hast sie im Glauben gelassen, wir wären ein Paar?", erkundige ich mich.

„Sie hat nicht gefragt und ich habe nichts gesagt", antwortet sie schelmisch.

„Du als Pastorin?"

„Was hat das damit zu tun?"

„Du darfst doch nicht lügen."

„Habe ich nicht", kontert sie.

Jenny wird dabei ein wenig rot im Gesicht. Ich habe den Eindruck, als würde ihr der Gedanke, dass wir tatsächlich ein Paar werden könnten, schon irgendwie gefallen. Doch, wie gesagt, das ist nur mein Eindruck. Könne auch sein, dass bei mir der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Auf jeden Fall lässt mich ihr Verhalten hoffen. Sie mustert mich auffallend eindringlich. Ihr Blick ist dabei weich und die Augen leuchten freundlich. Trotzdem wirkt sie sehr konzentriert.

„Wie kommt eine hübsche, junge Frau, wie du, auf die Idee Pastorin zu werden?", erkundige ich mich.

„Das ist eine lange Geschichte", meint sie. Jenny nimmt einen Schluck Wein und scheint zu überlegen.

„Wir haben Zeit."

„Du gibst ja doch keine Ruhe", kontert sie nach einer Pause. Dabei lacht sie sehr freundlich. Sie ist mir nicht böse. Das sehe ich sofort.

„Meine Mutter wurde schwer krank, als ich etwa zehn Jahre alt war. Wochenlang lag sie im Krankenhaus und war viel zu schwach, um mich zu erkennen. Sie befand sich auf der Isolierstation und ich durfte nur durch eine Scheibe hindurch zu ihr ins Zimmer schauen. An guten Tagen konnte sie gerade so den Kopf heben und zur Scheibe blicken, hinter der ich ihr wie eine Wilde gewinkt habe. Aber solche Tage gab es nur wenige.

Zweimal in der ganzen Zeit schaffte sie es sogar, mir zuzuwinken. Selbst ich als Kind konnte erkennen, wie sehr sie sich anstrengen musste. Trotzdem waren solche Zeichen mein einziger Halt und gaben mir unglaublich Hoffnung, dass sie es schaffen würde.

Manchmal kam auch ein Onkel von mir zu Besuch, der Bruder meiner Mutter. Er war Pastor und hat mich immer aufgefordert zu Gott zu beten, damit es meiner Mutter bald wieder gutgehen würde. Das habe ich dann auch getan. Doch all meine Gebete schienen nicht zu helfen. Der Zustand meiner Mutter änderte sich nicht. Manchmal ging es ihr besser, manchmal dagegen miserabel."

„Das muss für dich ganz schön schwer gewesen sein. Als Kind leidet man mit der Mutter mit."

„Es war hart, das gebe ich zu. Als sich nach unzähligen Wochen der Zustand meiner Mutter, die ich heute noch unglaublich liebhabe, immer noch nicht gebessert hatte, wurde ich zunehmend unruhiger. Als mein Onkel wieder einmal zu Besuch war und mich zum wiederholten Mal aufgefordert hat, zu beten, da fasste ich einen Entschluss. Da Beten allein offenbar nicht stark genug war, versprach ich Gott, dass ich Klosterfrau oder Pastorin werden würde, wenn er meine Bitte erhören würde."

„Das hat dann geholfen?"

„Keine Ahnung, ob es mein Versprechen oder reiner Zufall war. Etwa eine Woche nach diesem Versprechen verbesserte sich der Zustand meiner Mutter deutlich und die Genesung schritt von da an rapide voran."

„Trotz des Zweifels hast du dein Versprechen eingelöst?"

„Ich wollte nicht den Zorn Gottes auf mich ziehen. Ich hatte Angst, dass sich dann der Gesundheitszustand meiner Mutter wieder verschlechtern könnte."

„Aber das Versprechen stammte von einem Kind. Ein gütiger Gott kann nie und nimmer verlangen, dass jemand das Versprechen, das er in seiner kindlichen Naivität gegeben hat, auch einlöst."

„Für mich war die Entscheidung nicht so schwer", meint sie beschwichtigend. „Ich bin möglicherweise nicht die Pastorin, die ganz tief im Glauben verwurzelt ist und meine Bibelfestigkeit könnte auch besser sein. Dafür engagiere ich mich viel stärker im sozialen Bereich und in der Jugendarbeit."

„Deshalb hast du dich so für Werner eingesetzt."

„Ist es fair, wie man mit ihm umgesprungen ist?", will sie wissen. „Es muss doch Gottes Wille sein, dass ich mich für die Armen und Schwachen einsetze."

„Genau deshalb möchte ich eine Stiftung gründen."

„Die du heute erwähnt hast?"

„Genau die."

„Tust du das nicht nur deshalb, weil du auf diese Weise einen Grund hast, dich immer wieder mit mir zu treffen?"

„Das könnte sicher ein sehr angenehmer Nebeneffekt. Aber genau genommen, musst du mich nicht treffen. Ich wünsche mir, dass du ganz allein und ohne dich beeinflussen zu lassen, entscheidest, wofür das Geld verwendet wird", gestehe ich. „Mir schwebt schon lange ein solches Projekt vor. Nur hatte ich bisher nicht die richtige Person, der ich die Verwaltung für das Geld zugetraut hätte."

„Da gibt es sicher geeignetere Personen als mich", wehrt sie ab.

„Du hast den Kontakt zu den Menschen und du hast ein ausgesprochen gutes Gefühl für die Wahrheit und für Gerechtigkeit."

„Du alter Schmeichler."

„Ich bin nicht alt", scherze ich.

„Du meinst es wirklich ernst", stellt sie fest.

„Ich will das wirklich."

Jenny schaut mich eine Zeitlang an, ohne ein Wort zu sagen. Es herrscht eine sonderbare Spannung zwischen uns, eine positive jedoch.

„Gut, wir machen es", sagt sie auf einmal. „Aber nach meinen Regeln."

„Die da wären?"

„Wir treffen uns regelmäßig. Ich mache Vorschläge, welche Jugendlichen wir fördern und wir entscheiden dann gemeinsam."

„Ich sagte, du kannst allein entscheiden. Ich vertraue dir voll und ganz."

„Ich brauche doch auch einen Grund, um dich von Zeit zu Zeit wiederzusehen", meint sie und lächelt.

„Brauchst du den?"

„Was?"

„Einen Grund?"

„Du meinst, wir könnten uns auch so treffen."

„Wann immer du willst."

„Greg, ich bin Pastorin", gibt sie zu bedenken.

„Genau! Du bist kein katholischer Priester und damit nicht ans Zölibat gebunden."

Ihr Blick ist starr auf mich gerichtet. Sie hängt an meinen Lippen und scheint zu überlegen.

„Lass uns nichts überstürzen", meint sie schließlich.

„Ich lasse dir alle Zeit der Welt."

Wir nehmen nahezu zeitgleich das Weinglas zur Hand. Ich halte es ihr zum Anstoßen hin, so als würden wir das Gesagte besiegeln.

„Auf uns", sage ich.

„Greg!", meint sie tadelnd. „Du wolltest mir Zeit geben."

„Ja, das werde ich auch", sichere ich ihr zu. „Aber träumen werde ich doch noch dürfen."

Ein glückliches Lächeln spielt um ihre Lippen. Ihr Blick ist weich und sie neigt leicht den Kopf zur Seite. Ich habe einen Moment lang den Eindruck, als würde sie mir jeden Augenblick entgegenkommen und mich küssen. Doch dem ist nicht so.

„Träumen darf man", meint sie stattdessen.

Sie stößt mit ihrem Glas gegen das meine und trinkt den letzten Schluck Wein aus. Ich tue es ihr gleich und wir setzen nahezu zeitgleich die Gläser wieder ab.