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Julia

Geschichte Info
Erinnerungen an ein Geschenk.
15.5k Wörter
13.1k
7
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Ich gab Jens einen schmatzenden Kuss auf die Wange. Drückte ihm das Geschenk und den Blumen-Pott in die Hand. Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. So hatte ich vielleicht Kinder an ihrem Geburtstag mal erlebt. Aber am dreißigsten? Na, hatte er vielleicht schon was genommen?

Ich begrüßte den hinzugeeilten Sammy ebenfalls mit einem Küsschen auf die Wange. Die Geburtstagsparty schien bereits gut besucht. Stimmengewirr und Gelächter drang von den beiden großen Wohnzimmerteilen in den Flur.

„Ich freu mich so, dass du gekommen bist, Schätzchen."

Als ob ich hätte nein sagen können. Das war das Gefährliche an diesen beiden völlig unschuldig wirkenden Schwulen mit den Engelsgesichtern. Ich konnte ihnen nichts abschlagen. Gar nichts. Ich war völlig in ihrer Hand. Und das nach einem halben Jahr.

Fast genau ein halbes Jahr war es nun her, dass ich in dieses Haus gezogen war. Gewohnt, Nachbarn als Leute zu erleben, die frau freundlich auf der Treppe grüßt, oder netterweise ein paar Tüten für sie die Treppen hochschleppt, wenn sie die achtzig überschritten hatten. Manche, bei denen Kopfnicken und aus dem Weg gehen angesagt ist.

Es war Jens gewesen, der mich schon an meinem zweiten Tag im neuen Haus in ihre Wohnung verschleppt hatte. Mich sofort in sein gigantisches Herz geschlossen. Mein Bekenntnis, ebenfalls nun ausschließlich von meinem eigenen Geschlecht angezogen zu werden, besiegelte dann mein Schicksal. Ich hatte Freunde fürs Leben gewonnen.

Es war tatsächlich proppenvoll. Schrille und schöne Gestalten, von denen ich nur wenige von vorherigen Besuchen kannte.

„Och, ist die wunderhübsch", kommentierte Jens die mitgebrachte Orchidee. „Du kennst meinen Geschmack halt ganz genau. Danke, mein Schatz."

Ich musste grinsen. Nun, der Tipp war von Sammy gekommen, der ihn nach zehnjähriger Beziehung wirklich kennen sollte. Ich hätte nicht mal genau gewusst, wie eine Orchidee aussah. Mir hätte man im Blumenladen eine Gladiole oder sonst was andrehen können. Hatte man offenbar aber nicht.

Oh, er machte das Geschenk auf. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wo doch noch etliche ungeöffnete auf einem Tisch am Rand aufs Auswickeln warteten. Einige neugierige Augen folgten dem Vorgang und Beifallsbekundungen und Gelächter folgten dem kleinen Begeisterungssturm des Geburtstagskindes. Der mich dann knuddelte und wie irre kicherte.

Na ja, wer wünscht sich keine echten Handschellen. Die waren gar nicht so einfach zu bekommen. Diese Verlustmeldungsformulare hatten es in sich. Ich selbst brauchte bei meinem Job solche Dinger nicht und musste geeignete Kollegen anquatschen. Für Jens nahm ich das schon mal in Kauf. Hatte ja geklappt. Er war mir das wert.

Nun aß ich artig den mir sofort aufgedrängten Kuchen, der viel zu süß war und trank Kaffee, während die Majorität längst bei alkoholischen Getränken und anderem angekommen war. Immerhin eine Gnadenfrist, denn das kannte ich bereits von ihren anderen Freunden. Ich würde zwangsläufig in Gespräche gezogen werden. Alleine konnte man bei ihnen nicht bleiben.

Es waren tatsächlich auch Frauen da. So eng, wie die sich an ihre Freunde klammerten, war allerdings klar, wie schrecklich heterosexuell sie waren. Offenbar voller Angst, dass einige der objektiv schönen jungen Männer hier die Bi-Ader in ihnen schwellen lassen könnten. Dem Vernehmen nach reagierten Männer auf solche Schwellungen in absehbarer Weise.

Vor den beiden hatte ich das Gefühl gehabt, am besten mit mir selbst und alleine auszukommen. Ich hatte meine Arbeit, in die ich mich hineinkniete. In der ich erfolgreich sein wollte. Wo ich oft Überstunden schob, die ich nicht einmal angab. Einfach, weil ich nicht aufhören konnte und wollte.

Auf Beziehungen hatte ich keinen Bock mehr. Meine letzte Freundin hatte mich mitten durchgebrochen. Hatte mir alle Hoffnungen, alle Träume, alle Sehnsüchte, alle Energie und alle Liebe ausgesaugt wie ein Staubsauger. Bis ich nur noch eine trockene, verschrumpelte Mumie war. Und gab mir dann den Gnadenstoß.

Jetzt fickte ich nur noch. So oft und mit wem auch immer ich wollte. Na ja, zuletzt immer seltener. Selbst das war zu viel Aufwand. Selbst das Wollen ließ nach, änderte die Richtung. Ich wollte nur noch ich selbst sein. Ohne mich für irgendjemanden zu verbiegen. Attraktiv zu wirken, begehrenswert. Interessant. Scheiß drauf. Ich bin ich. Leckt mich doch alle. Oder lasst es eben.

Den Kuchen gerade so heruntergewürgt. Der Kaffee war zu heiß, um ihn runterzukippen, sonst hätte ich das auf Ex getan, um mir schnellstmöglich zur Feier des Tages ein Bier zu geben. Jens stürzte gerade wieder zur Tür, um die nächsten Besucher zu begrüßen. Er hatte nicht übertrieben, das würde eine fette Party werden. Dreißig wird man nur einmal.

Na, die beiden Frauen kamen aus meiner Fraktion. Und miteinander. Bei einer zumindest sehr bedauerlich. Hui. Da passte aber einiges zusammen. Ich konnte es nicht hören, aber ich ahnte, dass Jens überflüssigerweise auf mich aufmerksam machte. Das Erkennen war beiderseitig gewesen. Freundliches Grinsen in meine Richtung.

Kannte ich die eine nicht sogar? Aus dem Himmelreich? Sammy zog die beiden zum Kuchenbuffet. Zu spät, um sie noch vor der rosa Verfehlung zu bewahren, von der ich langsam Sodbrennen bekam. Und Jens sprang wieder zur Tür.

Hinter einem kleinen Tisch in der rechten Ecke des Raums nahm jetzt ein schon älter aussehender Typ Platz und klappte ein paar Laptops auf. Sammy hatte mir erzählt, dass sie drei DJs für die Nacht verpflichtet hatten. Einen davon kannte sogar ich, und ich war alles andere als eine Szene-Mieze oder Club-Enthusiastin.

Ich sah noch, wie er sich eine Line auf einer CD-Hülle vorbereitete, dann zum Zimmereingang. Und alle Wahrnehmung zog sich in diesem Moment auf einen Punkt zusammen. Blendete alles andere aus. Hielt alles an. Stoppte den Ablauf der Zeit. Der mit einem hart hämmernden Herzschlag urplötzlich wieder einsetzte.

Uff. Wer war denn... das?

Mein Herz wummerte schneller, als mir klar wurde, dass mir diese Frage binnen Sekunden beantwortet werden würde. Denn diesmal wollte sich Jens nicht mit einem Hinweis begnügen. Schnappte sich die Hand der jungen Frau und steuerte geradewegs auf mich zu.

„Julia, das ist Janine, unsere Haus-Lesbe. Janine, das ist Julia. Und so fangen deine Schwierigkeiten an."

Wobei nicht klar war, für wen der letzte Satz gedacht war. Dabei hatte er ihn von mir geklaut. Wenn das überhaupt möglich war, strahlte er allerdings noch mehr als zuvor. Und es bimmelte schon wieder an der Tür.

Julia sah mich mit einem undefinierbaren Blick an und nickte nur, als sich Jens entschuldigend in Richtung Tür verzog. Sie lächelte fein.

„Das ist neu. Eine Haus-Lesbe. Seit wann lebst du hier?"

Diese Stimme. Überraschend tief und rauchig. Und so gottverdammt sexy. Verwirrt starrte ich die junge Frau an, die ich ungefähr gleichaltrig mit mir einschätzte, also Anfang, Mitte Dreißig.

„Halbes Jahr", hörte ich mich nach einem Räuspern antworten. Und, um mich aus der Beklemmung zu lösen: „Du kennst die beiden schon länger?"

„Ein Leben lang. Rutsch mal ein bisschen. Oder, warte, ich hol mir erstmal Kuchen."

Langsam löste sich meine Anspannung.

„Wenn ich einen Tipp geben darf, halt dich von dem rosa Teil fern, der ist eklig süß."

„Ich weiß, schließlich habe ich ihn gebacken", gab sie gelassen zurück.

Fuck! Fuck! Fuck!

„Er hatte mal Penis-Form. Ich nehme an, das hast du schon nicht mehr mitbekommen? Das ist dieses Fondant-Zeug, was so schrecklich süß ist. Die beiden stehen da trotzdem drauf, ich muss fast jedes Jahr sowas in der Art entwerfen. Magst du Käsekuchen? Der ist auch von mir, und schmeckt deutlich besser. Gib mal deinen Teller, ich bring dir ein Stück mit."

Mehr als schwach zu nicken brachte ich nicht zustande. Ich reichte ihr meinen Teller, dann auf Nachfrage meine schnell leergetrunkene Tasse, mit der sie sich auf den Weg zum Buffet machte. Jens war mit einigen lederbekleideten Männern in den Raum zurückgekehrt und musterte mich amüsiert. Er schien sich diebisch über meine Überraschung zu freuen. Und die von Julia, denn offenbar hatte er ebenfalls nichts von mir erzählt.

Julia reichte mir meinen Teller und meine Tasse und setzte sich dicht neben mich. So dicht, dass sich unsere Beine berührten. Ich spürte, dass ich zu zittern begann. Warum? Was ging hier ab? Sie wartete nicht ab, bis ich mein Kuchenstück in Angriff nahm, sondern führte ihre Gabel zu meinem Mund.

„Und? Besser?"

„Mmmh. Ja... Der ist richtig lecker."

Nun setzte dröhnende Musik ein. Das laute Gelächter und Stimmengewirr war trotzdem weiterhin das dominante Geräusch. Man redete und lachte einfach etwas lauter. Verzweifelt suchte ich nach irgendeinem schlauen Satz, um von mir aus das Gespräch in Gang zu bringen, da Julia nur genüsslich ihren Kuchen verzehrte. Und mich dabei stumm und irgendwie spöttisch beobachtete.

„Das ist Piet. Der spielt auf jedem von ihren Geburtstagen. Solange er nüchtern ist, sogar richtig gut", informierte mich die dunkelblonde Frau nach einer Weile.

„Nun, er scheint sich momentan mit Schneegestöber in der Nase zu begnügen", wagte ich meine vorherige Beobachtung mitzuteilen, völlig verunsichert. Tappte ich jetzt ins nächste Fettnäpfchen?

„Du wirkst so hibbelig... was hast du dir reingetan?", kam prompt ihre Frage.

„Gar nichts. Ich nehme keine Drogen", antwortete ich fest. Sie zog die Stirn kraus. Scheiße, war das die falsche Antwort? „Ich habe natürlich nichts dagegen... jeder soll machen, was er will. Könnte ich nicht, aus verschiedenen Gründen."

„Oho? Jetzt machst du mich neugierig. Die wären?"

Ja, oute dich als lahme Ente vor dieser Hammerfrau. Mit dem Beruf, der hier so einigen eine Gänsehaut bescheren würde.

„Na... ich bin eine Yogini. Und... dann ist da mein Job."

„Ärztin? Therapeutin?", kam ihre Frage mit einem blitzenden Lächeln. Uff. Also gut. Eben jetzt schon die Stunde der Wahrheit.

„Ich... arbeite fürs BKA."

Ihr Lächeln schien einzufrieren. Oder bildete ich mir das nur ein? Verdammt, verdammt, verdammt. Bitte, bitte, lass das okay sein.

„Cool. Offenbar nicht im Drogendezernat?", meinte sie leichthin, aber durchaus interessiert, nachdem sie aufgekaut hatte.

„Nein, nichts in der Art. Ich arbeite im Dezernat für Internet-Kriminalität. Reiner Schreibtisch- beziehungsweise Computer-Job."

„Interessant?"

„Ja, total. Macht mir voll Spaß und ich mache gerade richtig Karriere. Die Kollegen sind wirklich gut drauf. Ist sozusagen mein zweiter Anlauf, ursprünglich war ich Journalistin. Brauchte dann irgendwann einen radikalen Schnitt und hatte die Stellenausschreibung in der FAZ gefunden. Habe es nie bereut."

Es wurde langsam schwieriger, die Musik zu übertönen. Piet, oder wie auch immer er hieß, schraubte die Lautstärke stetig weiter rauf. Wie sie mich ansah. Oh Mädel. Wer bist du? Was tust du? Mit mir?

„Und du?"

„Auch keine Drogen. Ich bin Radsportlerin, fahre für ein italienisches Profiteam."

Daher hatte ich sie noch nie bei den beiden erlebt. Sie war bestimmt viel auf Achse. Wow.

„Oh, ich fahr auch gern Rad. Sogar Rennrad."

Blöder Spruch. Oh Mädel, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren lässt sich sicher nicht mit ihrer Lebens-Passion vergleichen. Verdammt, warum fühlte ich mich wie ein kleines Mädchen neben ihr? Hatte sie blaue oder graue Augen? Oh. Ein blaues und das andere sah tatsächlich mehr grau aus. Ungewöhnlich. Einzigartig. Verdammt, starr sie nicht so an.

„Sehr schön. Schmeckt dir der Kuchen doch nicht? Du isst ja gar nicht?", bemerkte sie wieder mit diesem leicht spöttischen Gesichtsausdruck.

„Doch... ich bin nur... weiß nicht..."

„Fasziniert?", hauchte sie mir verführerisch entgegen.

Mir sträubten sich alle Nackenhaare. Auf meinen Unterarmen formte sich eine Gänsehaut.

„Und wie", hörte ich mich ungebremst antworten.

Sie legte den Kopf schräg und lächelte mich an. Sanft und plötzlich gar nicht mehr spöttisch. Setzte zu einer Antwort an, die ich nie zu hören bekam, weil es plötzlich in der Mitte des Raums laut und lustig wurde. Jens wurde auf einen Stuhl verfrachtet. Julia kicherte.

„Das ist deine erste Geburtstagsfeier hier? Dann kennst du das noch nicht... jetzt wird die ‚Geburtstagskerze' ausgeblasen."

Nun, das war ja... huch... nicht wörtlich zu nehmen. Sammy hatte die Hose seines Freundes geöffnet und machte sich an der ‚Kerze' zu schaffen. Angefeuert vom Rest der Geburtstagsgesellschaft. Ja, da waren die schwulen Männer ein wenig anders drauf. Zumindest in meinen Kreisen hätte es so etwas unter Lesben nicht gegeben.

Jens hatte auch von ihren ‚speziellen' Videoabenden erzählt. Beiden waren Filmfreaks, hatten ein Zimmer wie ein kleines Kino eingerichtet. Mit 4K-Beamer und edler Surround-Anlage. ‚Normale' Filme hatte ich mit den beiden und Freunden von ihnen schon einige Male geschaut.

Zu ihrem Repertoire zählten aber gleichfalls Porno-Abende, die dann in Gruppensex mündeten. An denen nahm ich natürlich nicht teil. Auch jetzt war ich eher peinlich berührt. Julia schien das Ganze ziemlich lustig zu finden. Nur lustig?

„Bist du eigentlich bi, oder..."

„Nö", meinte sie, ohne mich anzusehen. Mit einem Pokerface, das mich nun völlig verunsicherte.

Und wenn mich mein Gefühl ausnahmsweise trog und sie heterosexuell war? Nein, so grausam war Jens nicht. Der hatte das sauber einfädelt. Nein, so grausam konnte das Schicksal nicht sein. Nein, heterosexuelle Frauen hatten nicht eine solche Ausstrahlung.

„Aber ist doch witzig, oder? Als ob man einen Tierfilm schaut, findest du nicht? Magst du Tierfilme?", erkundigte sich Julia mit einem kurzen Seitenblick.

„Ja. Und auch nur Frauen", gab ich sicherheitshalber zurück, um die letzte Brücke vor einem möglichen Missverständnis einzureißen. Nun, aber... Gab mir einen Ruck. „Das heißt... es gab mal einen Mann. Nur einen, und der war irgendwie einzigartig... eine Art Lesbe mit Schwanz..."

Julia prustete in hohem Bogen ihren Kaffee ins Zimmer und lachte sich schlapp. Ich half ihr, den Kaffee mit einem Taschentuch vom Boden aufzuwischen, als sie sich wieder eingekriegt hatte. Gott sei Dank hatten die beiden ihre kostbaren Teppiche für die Party entfernt. Unsere Hände berührten sich beim Aufwischen.

Das war schon ein mittelschwerer Stromschlag. Was war das bloß? Ich glaubte nicht an diesen ‚Liebe auf den ersten Blick' Quatsch. Liebe hat nichts mit Momentaufnahmen zu tun. Aber irgendwie funkte und knisterte es ganz gewaltig. Mächtig gewaltig.

Hatte diese Frau eine Energie, ein Feld der Anziehung, das mich völlig einschloss, gefangen nahm. Das hatte ich noch nie erlebt. Der Spruch von Jens fiel mir ein. Und so fingen meine Schwierigkeiten an?

„Also heizt dich das Spektakel ein wenig an?", fragte sie mich nach einer Weile mit einem undefinierbaren Blick.

Jens schien dem Höhepunkt näher. Ich nahm all meinen Mut zusammen. Verdammt, schließlich war ich alles andere als schüchtern. Normalerweise. Ansonsten. In der Regel. Mit Frauen, die mich nicht so vom Stuhl rissen, wie dieses Geschöpf. Zur sabbernden Idiotin degradierten.

„Nicht im Mindesten. Du aber schon."

„Na sowas", gab sie mit ihrem Signatur-Spott-Grinsen zurück. Kein weiteres Feedback. Na klasse, mach du mal einen auf mysteriös. Das weckt die Kriminalistin in mir. Wirst schon sehen, was du davon hast.

Jens erlebte einigermaßen lautstark das Verlöschen seiner Kerze unter großem Beifall der Geburtstagsgesellschaft. Die Geschichte hatte nicht nur Tradition, sondern offenbar eine Signalwirkung. Einige der Männer beschäftigten sich intensiver miteinander und nun fingen darüber hinaus einige zu tanzen an.

Julias Lächeln machte mich nervös, weil ich es nicht einordnen konnte. Aber unbedingt wollte. Wissen wollte, ob ich nur allein diese Begegnung als einzigartig und, das wurde mir in diesem Moment bewusst, bedeutsam einstufte. Ohne genau benennen zu können, warum.

„So nachdenklich?", riss sie mich aus meinen Gedanken.

Ich verschaffte mir eine kurze Antwortpause, indem ich mir schnell den letzten Bissen von ihrem wirklich leckeren Käsekuchen in den Mund stopfte. Geduldig wartete sie, bis ich kein Alibi mehr hatte.

„Irgendwie schon. Du bist viel unterwegs nehme ich an? Weil ich bin nun wirklich oft bei den beiden hier oben, und hab dich noch nie gesehen."

„Ja, absolut. Bis jetzt war ich das. Die Saison ist fast vorbei, ein Rennen noch in Holland und dann war es das. Runterfahren, bisschen Pause, bevor dann im Winter die ersten Trainingslager wieder anfangen. Kommst du mit in die Küche? Ich hatte Fingerfood vorbereitet und wollte noch einen frischen Salat machen, der wäre sonst zu klitschig geworden."

„Ja gerne", kam es wie aus der Pistole geschossen. Es wurde immer lauter und in der Küche konnte ich mich sicher halbwegs ungestört mit ihr unterhalten.

Mir ging durch den Kopf, dass sie mit Kuchenbacken und weiteren Essens-Mitbringsel bei sicher laufenden Vorbereitungen für ihr letztes Rennen viel von ihrer knappen Freizeit für diese Feier geopfert hatte. In der Küche sprach ich sie darauf an.

„Musst du denn nicht trainieren, ich meine..."

„Ja, deshalb bin ich so spät gekommen, ich hatte mein Zeug vorhin hier abgeladen und bin dann die zweite Trainingseinheit für heute gefahren."

„Dann seid ihr wirklich eng befreundet?"

„Na, Sammy ist mein Stiefbruder. Hat er nie von mir erzählt? Sieht ihm ähnlich", kommentierte sie mein Kopfschütteln. „Kannst du mir mal den Balsamico aus dem Küchenschrank holen? Ganz oben rechts."

Ich beeilte mich, ihr das Gewünschte zu besorgen. Sie widmete sich wieder ihrer Vinaigrette.

„Kann ich dir noch irgendwie helfen, was schnippeln vielleicht?", wurde ich gerade noch los, als zwei junge Männer die Küche betraten und sie erst einmal begrüßend in den Arm nahmen. Beide stellten vorher mit Silberfolie abgedeckte Tabletts ab, trugen also ebenfalls zu späteren kulinarischen Genüssen bei.

Irgendwie fühlte ich einen Stich der Eifersucht, dass mir ihre Aufmerksamkeit so plötzlich und unvermittelt entzogen wurde. Aber nicht lange. Sie lenkte einfach alle Aufmerksamkeit auf mich.

„Das sind Toby und Fritze, und diese bildhübsche Frau hier ist Janine, die neue Haus-Lesbe, falls ihr euch noch nicht kennen solltet."

Freundliches Grinsen in meine Richtung, das ich mit glückseligem Strahlen beantwortete. Sie hatte bildhübsch gesagt. Sie fand mich hübsch. Das war nichts Neues, hörte ich keineswegs zum ersten Mal. Warum bedeutete mir das in diesem Augenblick so viel?

„Tomaten. Du kannst Tomaten schneiden, wenn du möchtest", fügte sie als Antwort auf meine frühere Frage hinzu, als die beiden Männer nach dem Abladen ihrer Gaben wieder aus der Küche verschwanden. „Warum grinst du jetzt von einem Ohr zum anderen?"

„Ich gefalle dir", wagte ich ihren Ansatz weiterzuspinnen.

„Selbstbewusst bist du wohl gar nicht", konterte sie. „Im Kühlschrank ist alkoholfreies Bier. Holst du mir eine Flasche?"

„Wie heißt das bei euch, Wasserträger-Dienste?"

Sie lachte leise.

„Genau. Bei mir im Team muss ich die leisten. Ich bin alles andere als der Star der Mannschaft, weißt du? Aber es muss eben auch Frauen wie mich geben. Die sich für andere quälen können, alles für sie und ihren Erfolg tun."

Ich reichte ihr grinsend die Bierflasche und hatte mir ebenfalls eine von gleicher Sorte genommen.

„Ich könnte auch alles für dich tun", gab ich bekannt, da ich langsam wieder Oberwasser bekam und meine unerklärliche Scheu ihr gegenüber langsam ablegte.

„Na sowas. Du ahnst aber nicht, mit wieviel Quälerei das verbunden sein könnte."

„Wenn sich das lohnt, quäle ich mich sogar sehr gerne. Oder dich, wenn du darauf stehst."

„Na, das ist mal ein Statement. Gehst du immer so ran? Du hoffst doch hoffentlich nicht, noch heute in meine Wäsche zu kommen? Nur, um dir da mögliche Frustrationserlebnisse zu ersparen..."

Verdammt.

„Du hast eine Freundin?", fragte ich, gleich um drei Nummern verkleinert.