Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Legenda Major - Aurorae Mundi

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Er dreht sich erst einmal erschrocken zu mir um. Als er realisiert, dass ich es bin, atmet er erleichtert aus. Er ist voll auf das Geschehen konzentriert.

„Du bist zurück?"

„Wie du siehst."

„Zum Glück, sie haben dich nicht erwischt."

„Willst du mich beleidigen", lache ich auf.

Mein Blick und meine Körperhaltung sind gespielt beleidigt. Mein Vater jedoch versteht sofort, dass ich ihn nur necken will und lacht laut auf.

„Du willst mir nicht Majestätsbeleidigung vorwerfen", grinst nun er.

„Könnte ich, aber weil du es bist, lassen wir es ausnahmsweise dabei bewenden", lache ich nun auf.

„Warst du erfolgreich?"

„Die Waffen sind zerstört, die Waffenkammer fest verschlossen. Sie haben nur noch die Waffen, welche die diensthabenden Wachen bei sich trugen."

„Dann haben wir gute Chancen, diese Schlacht zu gewinnen", meint er. „Gut gemacht!"

„Wir sollten versuchen, die Soldaten auf unsere Seite zu ziehen, bevor wir gegen sie kämpfen. Sag es den anderen. Wir töten nur, wenn es sein muss."

„Ich mache das. Du aber leg dich etwas hin und schlaf noch eine Runde. Es wird ein anstrengender Tag."

„Ich kann nicht schlafen. Ich bin zu aufgeregt."

„Dann solltest du etwas essen. Zumindest das!"

„Ja, Hunger habe ich", gestehe ich.

Er führt mich zu einer Feuerstelle, auf der noch ein Hase brutzelt. Er nimmt ihn vom Feuer und reicht mir einen Teil davon. Ich beiße mit Genuss in das zarte Fleisch und lasse es beim Kauen fast auf der Zunge zergehen. Ich liebe den Duft und den Geschmack von gegrilltem Fleisch.

Mit vollem Bauch lege ich mich unter einen Baum und warte, bis die Zeit für den Angriff naht. Die Männer formieren sich inzwischen und einige begeben sich an entlegenere Seiten des Schlosses. Lord Kemenor ist eingekreist, ein Entkommen ist nicht mehr möglich.

Als die Sonne sich ihren Platz am Himmel von der Dunkelheit zurückgeholt hat, begebe ich mich zu den Männern, die das Haupttor angreifen werden. Sie sind alle hoch motiviert und fiebern dem Kampf entgegen.

„Männer!", rufe ich. „Heute ist ein entscheidender Tag. Heute haben wir die Möglichkeit, den Menschen in diesem Reich Friede, Freiheit und Wohlstand zu bringen. Wir müssen uns diese Werte erkämpfen und dafür einstehen. Aber wir haben eine historische Chance.

Ich möchte, dass wir nicht unnötig Blut vergießen. Lassen wir dem Feind die Möglichkeit, sich auf unsere Seite zu schlagen und das Richtige zu tun. Wenn es aber darum geht, unser Leben zu verteidigen, dann zögert nicht. Dann ist es Notwehr."

Da tritt für mich völlig überraschend ein Mann vor. Er blickt sich noch einmal um und schaut die anderen an, die ihm zunicken.

„Wir ziehen mit dir in den Kampf und werden, wenn es sein muss, für dich unser Leben geben"; ruft er. „Es lebe Königin Aurora!"

„Es lebe Königin Aurora", rufen hunderte Männerkehlen. Ich bin echt gerührt.

„Dann los!", rufe ich.

Entschlossen ziehen wir vor das Tor des Schlosses. Die Wachen beäugen uns misstrauisch. Wir sind noch ein ganzes Stück entfernt, da höre ich, wie Alarm ausgelöst wird. Ich bekomme es dank meines Drachengehörs mit.

Als wir unter dem Tor stehen, sehe ich oben auf der Mauer eine Bewegung. Mir ist sofort klar, dass dort Männer mit einer Wanne heißem Pech stehen und dabei sind, es über die Pechnase auf uns herabzuschütten.

Doch ich lasse es nicht so weit kommen. Ich greife nach meiner Magie, lasse oben auf der Mauer einen starken Wind aufkommen, der die Männer aus dem Gleichgewicht bringt, die Wanne kippt nach hinten und ergießt sich über die Wachen, die uns angreifen wollten. Ich nehme an, dass der gesamte Wehrgang über dem Tor vom heißen Pech überflutet wird und sich damit kein Mann mehr dorthin begeben kann.

Ich höre die Schreie und das Brüllen der Männer, die von der heißen Pampe getroffen wurden. Ich habe aber kein Mitleid. Schließlich wollten sie das heiße Zeug auf uns herabschütten. Es war Notwehr.

Nun aber warte ich nicht lange, lasse meine Magie erneut wirken und diesmal geben die Halterungen nach, in denen die beiden massiven Flügel des Tores verankert sind. Einmal ohne jeglichen Halt und mit etwas Wind, kippen die schweren Türen nach innen. Ich lasse den Männern dahinter genügend Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Einige jedoch versuchen bar jeder Logik die gewaltigen Holzteile mit ihren Körpern zu stützen.

Natürlich funktioniert das nicht. Als ich den Wind auf der Innenseite wegnehme, folgen die bereits leicht geneigten Holztore der Schwerkraft und knallen laut krachend in den Innenhof. Dabei begraben sie die vier oder fünf Männer unter sich.

Nun gibt es für die Rebellen kein Halten mehr. Sie laufen über die am Boden liegenden Tore in den Innenhof. Ich allen voran.

„Aurora, sei vorsichtig!", ruft mir mein Vater zu.

„Ich suche Kemenor und stelle ihn. Übernehmt ihr den Rest!", rufe ich zurück.

Durch das Umfallen des Tores ist der Hof wie leergefegt. Alle Männer, die sich hier aufgehalten haben, sind offenbar geflohen. Erst am Haupteingang zum Schloss, stellen sich mir zwei Wachen in den Weg.

„Geht zur Seite. Die Schreckensherrschaft von Lord Kemenor muss ein Ende haben!", rufe ich ihnen zu.

„Wer sagt das?", will einer der beiden wissen.

„Ich, Königin Aurora!", antworte ich selbstbewusst.

Während daraufhin einer der beiden zur Seite tritt und die Waffen niederlegt, stellt sich mir der zweite entschlossen in den Weg. Er will kämpfen. Dann soll er es auch so haben. Ich gehe in Kampfposition, das Schwert habe ich von Anfang an schon in der Hand.

„Manfred, bist du irre? Willst du für diesen Mann noch kämpfen?", ruft ihm sein Kollege zu.

Manfred aber knurrt nur etwas Unverständliches und geht sofort zum Angriff über. Ich sehe dabei aber sehr schnell, dass er nicht der beste Schwertkämpfer ist. Er führt seine Waffe etwas unkoordiniert und stochert mehr in der Luft herum, als dass er gezielte Schläge platzieren würde. Ich habe keine größeren Schwierigkeiten, ihn in Schach zu halten, lasse ihn aber sich verausgaben.

Als er schon Anzeichen von Müdigkeit zeigt, warte ich, bis er auf mich zu rennt, stelle ihm ein Bein und bringe ihn zu Fall. Noch bevor er auf dem Boden aufschlägt, versetze ich ihm mit dem Knauf des Schwertes einen Schlag gegen den Schädel, sodass er ohnmächtig liegen bleibt.

„Fessle ihn und pass auf ihn auf", rufe ich seinem Kollegen zu.

Ich warte gar nicht auf eine Antwort, ich stürme gleich weiter ins Schloss. Einen Moment muss ich mich an die geänderten Lichtverhältnisse gewöhnen, aber meine Augen passen sich sehr schnell der Dunkelheit an, die mich in der Vorhalle empfängt. Ich versuche mich zu orientieren und gehe dann den Gang entlang, der zum Thronsaal führen dürfte. Ich hoffe dabei, dass sich seit den Büchern nichts geändert hat. Ich folge einfach dem Weg, den Serena zurückgelegt hat.

Ich bin vermutlich richtig, denn vor einem weiteren großen Tor stehen erneut zwei Wachleute. Sie haben offenbar schon mitbekommen, dass die Rebellen angreifen. Von weitem höre ich sie diskutieren. Sie sind deshalb unachtsam und merken gar nicht, dass ich näherkomme.

„Wir haben so gut wie keine Waffen. Wie sollen wir das Schloss verteidigen", sagt einer der beiden. Ich kann an seiner Stimme hören, dass er unschlüssig ist, ob er weiter kämpfen soll oder nicht.

„Du hast Waffen, also mach das, wofür du hier bist", antwortet ihm der andere.

„Aber, wer in der Lage ist sich heimlich ins Schloss zu schleichen und die Waffenkammer zu verschließen, dass keiner mehr an die Waffen rankommt, der muss gewieft sein."

„Das soll ein kleines Mädchen gewesen sein."

„Ein kluges Mädchen."

„Ein hinterhältiges Mädchen. Sie hat Persikos entmannt, mit einem Wurfmesser. Wenn das nicht gegen jede Regel des Kampfes verstößt?"

„Persikos hat sie mit Sicherheit belästigt, wie er es immer macht. Der konnte sein Ding doch noch nie in der Hose behalten."

„Trotzdem, ist das ein Grund, ihm gleich jede Lebensfreude zu nehmen?"

Ich belausche die beiden und muss insgeheim lachen. Es ist mir tatsächlich gelungen, ihm seine Männlichkeit zu nehmen. Er hat sicher nicht nur mich belästigt und ich will nicht wissen, was er noch alles in seiner Überheblichkeit mit Frauen gemacht hat. Es geschieht ihm recht!

„Was ist, wenn die Rebellen gewinnen?"

„Noch haben sie nicht gesiegt."

„Dazu brauche ich nur noch an euch beiden vorbeizukommen", sage ich laut.

Damit werden sie auf mich aufmerksam. Beide drehen sich in meine Richtung und ziehen die Waffen. Während einer der beiden in Kampfposition geht, bleibt der Unentschlossene einfach nur stehen.

„Wollt ihr wirklich einem Mörder wie Lord Kemenor treu bleiben bis in den Tod?", frage ich.

„Ich nicht!", ruft der Unsichere und legt sein Schwert zur Seite.

„Verräter!", brüllt ihn der andere daraufhin hasserfüllt an.

Er springt mit gezogener Waffe auf seinen Kollegen zu. Dieser ist von der Reaktion seines Partners dermaßen überrascht, dass er nicht reagiert. Geistesgegenwärtig springe ich dazwischen, pariere den Schlag und rette dem Mann damit vermutlich das Leben.

Nun ist es sein Kollege, der überrascht ist. Ich nütze diesen Moment aus und ramme ihm mein Schwert in den Bauch. Wer seinen Freund in dieser Situation hinterrücks angreift, der hat von mir keine Gnade zu erwarten.

Meine Klinge dringt von unten schräg in seinen Bauch ein. Erst als sie bis zum Schaft in ihm steckt und die Spitze bis tief in seinen Brustkorb vordringt, kommt sie zum Stehen. Ich ziehe sie gleich wieder heraus und springe zur Seite. Der Mann schaut mich aus weit aufgerissenen Augen an und sackt dann in sich zusammen.

„Danke, du hast mir das Leben gerettet", sagt der andere.

„Nicht der Rede wert", antworte ich und gehe auf das Tor zu.

Davor bleibe ich kurz stehen und hole noch einmal tief Luft. Nun ist es soweit, ich werde meine Mutter rächen. Ich werde den Mann zur Rechenschaft ziehen, der für ihren Tod verantwortlich ist.

Entschlossen öffne ich die Tür und trete in den Thronsaal. Ich schaue mich erst einmal um und wundere mich. Auf dem Thron sitzt Kemenor, der arrogant dreinschaut. Davor steht nur noch ein Wachposten, der sich zwischen mich und seinen Herrscher stellt.

Ich lasse aber zunächst den Raum auf mich wirken. Hier drinnen hat meine Mutter das Beste für ihr Volk gegeben. Sie musste sich gegen den Adel durchsetzen und ist schließlich an einigen wenigen Sturköpfen gescheitert. Dieses Problem habe ich nicht mehr. Ich muss nur noch Lord Kemenor bezwingen.

Es kommt mir vor, wie die Ironie des Schicksals. Einige wenige Adelige haben sich meiner Mutter widersetzt und auf die Seite Kemenor's geschlagen. Dieser hat den Adel, einmal an der Macht, kurzerhand entmachtet. Es gibt keine Grafen und Barone mehr, keine Freiherren und auch keine Lords mehr. Es gibt nur noch ihn, Lord Kemenor. Er wollte eine Gefahr für seine Macht beseitigen.

„Irre ich mich oder seid Ihr tatsächlich Gräfin von Westerstein? Ihr erfreut Euch ja plötzlich strahlender Gesundheit?", wundert sich Kemenor.

„Ich bin und ich war nie Gräfin Eleonora von Westerstein. Ich habe mich nur unter ihrem Namen hier eingeschlichen."

„Wer seid Ihr denn dann? Ein freches kleines Mädchen?"

„Ich bin Königin Aurora Simons, die rechtmäßige Herrscherin über das Reich der Mitte und des Südens, ich bin die Erbin meiner Mutter, Königin Serena Simons, die Ihr habt ermorden lassen."

Ein hämisches Grinsen spielt um seine Lippen. Es kommt mir so vor, als wollte er sich über mich und meine Mutter lustig machen. Aber ich versuche, nach außen hin ruhig zu bleiben.

„Sagt mir jetzt aber nicht, dass Ihr gekommen seid, um Eure Mutter zu rächen."

„Ich bin nicht wie Ihr. Ich gebe Euch die Gelegenheit, Euch zu ergeben."

„Damit ich in den Kerker gesperrt werde?"

„Da wo ihr hingehört."

„Das hat schon Eure Mutter versucht und es ist ihr nicht gelungen."

Erneut spielt ein überhebliches Grinsen um seine Lippen. Aber auch dieses Mal gelingt es mir, mich nicht provozieren zu lassen, zumindest äußerlich nicht.

„Nun aber setze ich Eurem widerlichen Treiben endgültig ein Ende. Ob dies nun auch Euer physisches Ende bedeutet oder nicht, ist mir egal. Die Tyrannei muss ein Ende haben."

„Was für ein Ende?", erkundigt er sich. Ich sehe ihm an, dass er den Begriff nicht kennt.

„Euer physisches Ende, Euren Tod."

„Das wollen wir doch mal sehen. Wache, bringt dem Mädchen Manieren bei!", lacht Kemenor.

„Willst du diesem Mann noch weiter dienen? Was hat er alles deiner Familie angetan, deinen Verwandten? Das hier könnte sein Ende sein, das Ende einer Schreckensherrschaft. Also lass mich das, was ich angefangen habe, zu Ende bringen."

„Das wäre Fahnenflucht!", brüllt Kemenor.

„Das nenne ich vernünftig", halte ich dagegen.

Ich sehe, wie der junge Mann zögert. Er ist im Zwiespalt mit sich, weil er sich zwischen Gehorsam und Vernunft entscheiden soll.

„Wie geht es deiner Familie? Wie deinen Eltern?", frage ich ihn. Ich will ihn zum Nachdenken bringen.

„Meine Mutter leidet Hunger, mein Vater ist an einer Krankheit gestorben, weil er sich keinen Heiler leisten konnte."

„Und wer hat es so weit kommen lassen?"

„Es hätte wirklich nicht so weit kommen müssen", antwortet er weinerlich.

„Dann tu das Richtige, geh zur Seite und ich setze dem Schrecken ein Ende."

„Als Schrecken bezeichnest du mich? Ich bin der mächtigste Mann im Reich!", faucht mich Kemenor an.

Ich kann die aufsteigende Angst in seinen Augen erkennen. Langsam wird im bewusst, dass es eng für ihn wird. Als der Wachmann sein Schwert zieht, spanne ich mich automatisch an. Dann aber wirft er es dem Lord mit sichtlicher Verachtung vor die Füße.

„Verteidigt Euch selbst, wenn Ihr den Mut dazu habt", sagt er.

„Den Mut, gegen ein kleines Mädchen anzutreten? Dass ich nicht lache", meint Kemenor. Sein Lachen klingt allerdings etwas hysterisch.

„Wenn das kleine Mädchen es bis hierher geschafft hat, dann kann sie nicht so hilflos sein, wie sie aussieht", kontert der junge Mann.

Mit diesen Worten dreht sich der Wachmann um und kehrt uns den Rücken zu. Überrascht schaut der Lord hinter ihm her. Als der Wachmann aus dem Saal ist, lenkt der Lord seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.

„Du wirst langsam lästig", meint er. „Weißt du das?"

„Du bist es schon lange!"

„Als ich von den Gerüchten gehört habe, dass eine Königin Aurora unterwegs sein soll und Lebensmittel verteilt, da habe ich das zunächst nur für ein Märchen gehalten. Dummerweise ist das Mädchen, das behauptet hat, sie gesehen zu haben, spurlos verschwunden."

„Sie ist in meiner Obhut."

„Du hast sie befreit?", antwortet er mit verengten Augen. „Wie ist das möglich?"

„Macht, es braucht dazu nur die nötige Macht."

„Dass ich nicht lache. Ein halbes Kind, wie du es bist und du sprichst von Macht?"

„Ein halbes Kind, mit Ehre im Leib. Etwas das du nicht einmal buchstabieren könntest."

„Schlagfertig bist du, das muss ich zugeben", lacht er auf. „Aber was hat man von Ehre und Anstand?"

„Was hat man davon, wenn man ein Volk unterjocht, wie du es getan hast? Am Ende wird abgerechnet."

„Und du glaubst, das machst jetzt du."

Er steht von seinem Thron auf und geht langsam die zwei Stufen vom Podest herab und nähert sich dem Schwert, das der Wachmann ihm hingeworfen hat. Ich weiß genau, dass er es sich holen will, aber ich unternehme nichts dagegen. Ich will ihn, wenn dann im fairen Kampf besiegen und dazu gehört, dass er eine Waffe in Händen hält.

Er hingegen glaubt, mich überlisten zu können. Wie ein hinterhältiges Tier schleicht er sich an das Schwert heran. Als er es fast erreicht hat, hält er einen Moment inne. Ich sehe genau, wie er hinabschielt zur Waffe.

„Nun nimm das Schwert schon. Ich will das hier endlich hinter mich bringen", sage ich genervt.

„Du lässt mir das Schwert?"

„Ich bin nicht du. Das habe ich dir schon einmal gesagt. Ich stelle mich dem Kampf, von Angesicht zu Angesicht. Ich will dir in die Augen schauen, wenn das Leben aus ihnen schwindet."

„Ganz schön brutal für ein kleines Mädchen", spottet er.

„Auf diesen Augenblick habe ich gewartet, seit ich die Geschichte meiner Mutter erfahren habe. Ich habe kein Mitleid mit dir. Das hast du schon lange verwirkt."

Mich nicht aus den Augen lassend, beugt er sich zum Boden, um das Schwert aufzuheben. Er wiegt es in der Hand, um vermutlich seine Tauglichkeit zu testen. So wie er sich bückt und wie der das Schwert hält, ist mir sofort klar, dass Kemenor ein ungelenker und langsamer alter Mann geworden ist. Er hat keine Chance gegen mich.

Plötzlich höre ich Stimmen und Geräusche hinter mir. Auch mein Gegner scheint diese zu vernehmen und ein Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht.

„Jetzt ist es wohl doch aus für dich", meint er. „Die Wachen werden dich festnehmen und in den Kerker sperren. Ich werde meinen Spaß haben, wenn du gefoltert und gequält wirst."

In diesem Augenblick kommen Männer zur Tür herein, allen voran mein Vater. Nach einer Schrecksekunde beruhige ich mich sofort wieder. Als ich dann sehe, dass Rebellen, Wachen, Angestellte des Schlosses sowie einige Beamte kunterbunt untereinander in den Saal strömen, ist mir klar, dass wir gewonnen haben. Der Sieg über Kemenor ist damit nur noch die Kirsche auf der Torte. Allerdings hat er große Symbolkraft. Mit diesem Mann fällt der letzte Stein seiner Schreckensherrschaft.

„Na, mein Lieber, ergibst du dich?", frage ich.

„Niemals!", brüllt er.

„Vater, wie sieht es draußen aus?", erkundige ich mich.

„Alles bestens gelaufen. Die Wachen haben sich fast alle ergeben. Es sind nur sehr wenige ums Leben gekommen. Wie konntest du das wissen?"

„Dieser Tyrann hat nur aufgrund von Angst und Schrecken regiert. Wirklich hinter ihm standen nur ganz wenige. Meist dumme Männer oder solche, die Profit daraus geschlagen haben. Einige waren wohl etwas übereifrig in ihrem Gehorsam. Die anderen hatten einfach keine Alternative."

„Du bist wohl besonders schlau oder kommst dir so vor", ätzt Kemenor gegen mich.

„Es hat funktioniert und das ist das Einzige was zählt. Jetzt kommt nur noch dein Abgang. Wie dieser am Ende ausfällt, liegt eigentlich nur noch an dir."

„Du redest doch nur und hoffst, dass ich mich ergebe. Du hast nicht den Mumm, gegen mich zu kämpfen. Du hast die Hosen gestrichen voll", faucht er.

„Es ist deine Entscheidung. Kämpfe, wenn du willst. Ich habe ganz bestimmt keine Angst vor dir."

Nun gehe ich in Kampfposition und fixiere meinen Gegner. Ich warte ab, denn er wirkt noch unschlüssig. Er nimmt zwar auch eine kämpferische Haltung ein, so wirklich entschlossen wirkt er dabei allerdings nicht. Offenbar hadert er noch mit sich selbst.

„Ach was! Ich will nicht noch einmal in den Kerker!", brummt er mürrisch.

Er nimmt sein Schwert etwas fester in die Hand und kommt auf mich zugestürmt. Leo würde lachen. Das war das Erste, was er mir im Rahmen meiner Kampfausbildung ausgetrieben hat. Er hat großen Wert darauf gelegt, dass ich überlegt und besonnen kämpfe. Jetzt, da ich sehe, welchen Fehler ein nicht durchdachter Angriff darstellt, verstehe ich, warum ihm dies so wichtig war.

Kemenor rennt mit nach vorne gerichteter Waffe auf mich zu. Es ist für mich ein Leichtes, auszuweichen. Dabei stelle ich ihm ein Bein und er donnert der Länge nach zu Boden. Der alte Mann bleibt erst einmal am Boden liegen, dann hat er Mühe, wieder aufzustehen. Es wäre für mich ein Leichtes, ihn jetzt zu erledigen. Doch ich habe Lust, mit ihm zu spielen. Er soll leiden, für alles, was er getan hat.

Er steht schließlich wieder und fixiert mich böse. Ich vermute, er hat verstanden, dass ich mit ihm spielen will, wie die Katze mit der Maus. Er blickt in die Runde. Einige der Zuschauer grinsen, vermutlich über seine ungeschickte Art.

„Ich gehe nicht in den Kerker", faucht er erneut.

„Das werden wir sehen", lache ich.

Meine Heiterkeit ärgert ihn noch mehr. Diesmal versucht er es mit einem nicht ganz so simplen Angriff. Aber dank meiner Kampfausbildung bei Leo durchschaue ich seine Finte sofort. Ich blocke seinen Schlag ab und versetze ihm einen Schnitt am rechten Oberschenkel. Es ist eine recht tiefe Wunde, die sofort heftig zu bluten beginnt.

1...1516171819...22