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Legenda Major - Aurorae Mundi

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„In einem Tag? Wie soll das gehen?", will Boridin wissen.

„Aurora steckt voller Geheimnisse. Aber das, was sie tut, macht sie gut und schnell", antwortet Severin an meiner Stelle.

„Was soll das denn bitte heißen?", will der andere wissen.

„Dass Frauen ihre Geheimnisse haben und sie auch bewahren", grinse ich.

Nun traut sich Boridin nicht mehr nachzubohren. Es entsteht ein Augenblick des Schweigens. Alle schauen mich erwartungsvoll an. Deshalb ergreife ich erneut das Wort.

„Wir haben keinen Adel mehr. Den hat Kemenor ausgemerzt. An sich kein Schaden, denn wir brauchen gute Verwalter und keine Erbhöfe, wo der Sohn vom Vater übernimmt, ganz gleich, ob er fähig ist oder nicht, ob er Lust dazu hat oder nicht. Ich schlage vor, dass mein Vater, der das Land am besten kennt, Verwaltungsbereiche ausmacht. Sie können, wenn es Sinn gibt, auch den alten Grafschaften entsprechen. In jedem Verwaltungsbezirk dürfen sich Interessierte bewerben und wir suchen den geeignetsten Kandidaten aus. Er wird dann für fünf Jahre ernannt. Hat er seine Arbeit gut gemacht, wird er im Amt bestätigt, sonst wird er ersetzt. Der neue Verwalter wird dann erneut aus mehreren Bewerbern gewählt."

„Das klingt vernünftig", stimmt mir Vater zu.

Auch Boridin und alle anderen stimmen zu. Damit scheinen alle mit meinem Vorschlag einverstanden zu sein.

„Stimmen wir ab. Wer dafür ist, soll die Hand heben."

Alle schauen mich verwundert an, außer Lea. Ich dagegen verstehe im ersten Moment nicht, warum sie nicht wissen, was ich damit meine. Dann allerdings geht mir ein Licht auf.

„Ich bin nicht die Königin, die Entscheidungen im stillen Kämmerlein trifft. Wir werden gemeinsam diskutieren, jeder kann dabei frei seine Meinung vortragen und wir stimmen ab. Ist die Mehrheit dafür, dann machen wir es so, sonst nicht. Nur, wenn ich der Meinung bin, dass etwas sehr wichtig ist oder auf keinen Fall gemacht werden sollte, dann habe ich das Recht, es trotzdem so zu machen, wie ich es für richtig halte."

„Wir sollen entscheiden?", erkundigt sich diesmal mein Vater.

„Das nennt man Demokratie."

„Gut, dann stimmen wir ab", meint Severin. Er scheint das Prinzip verstanden zu haben.

„Wer dafür ist, hebt die Hand auf", ergänze ich.

Alle Hände schießen nach oben. Ich bin froh, dass dieser Vorschlag von allen mitgetragen wird. Es geht immerhin um die Verwaltung des Reiches.

„Gut, dann machen wir es so, wie ich vorgeschlagen habe. Lea wird in Abstimmung mit mir Regeln aufschreiben, nach denen dieses Prinzip umgesetzt werden soll."

„Ich?", krächzt meine Freundin.

Sie war bisher ruhig neben mir gesessen und hat einfach nur zugehört. Dass sie jetzt plötzlich eine Aufgabe erhalten soll, reißt sie offenbar aus ihren Gedanken.

„Du willst doch hierbleiben, also wirst du dich auch nützlich machen", antworte ich ihr grinsend.

„Und was bin ich dann?"

„Die rechte Hand der Königin?"

„Davon habe ich immer schon geträumt", kichert sie. „Gut, ich mache es."

„Warum Lea?", will Boridin irritiert wissen.

„Weil Lea das Prinzip, das ich erklärt habe, bereits kennt und genau weiß, was ich mir vorstelle", antworte ich.

Boridin wirft Lea einen Blick zu. Er hat sie bisher nicht beachtet, doch nun, scheint er sie genauer zu mustern. Und wenn ich seinen Blick nicht falsch deute, scheint ihm zu gefallen, was er sieht. Allerdings glaube ich nicht, dass er bei meiner Freundin landen kann. Sie steht ganz und gar nicht auf ältere Männer. Außerdem hat er einen entscheidenden Fehler gemacht, er hat ihre Intelligenz unterschätzt, weil er Frauen generell so etwas gar nicht zutraut. Das merke ich auch in seinem Verhalten mir gegenüber. Es ist das Amt, das mir seinen Respekt verschafft, nicht das, was er mir zutraut.

„Dann werde ich mich jetzt mit Severin um die Finanzen kümmern. Wir werden versuchen, die Schatzkammer zu öffnen."

„Wie wollt ihr das anstellen?", mischt sich schon wieder Boridin ein. Ich kann genau den geringschätzenden Unterton heraushören.

„Mach dir darüber keine Sorgen, wir werden bei Bedarf Spezialkräfte beiziehen", beruhige ich ihn.

Dass ich damit meine Fähigkeiten meine, er aber vermutlich glaubt, ich spreche von Handwerkern, ist mir so was egal. Ich habe bewusst diese Zweideutigkeit gewählt.

Damit ist die Sitzung beendet und alle gehen ihren Aufgaben nach. Boridin wirft mir noch einen fragenden Blick zu, ich aber nehme Severin zur Seite und mache mich mit ihm auf den Weg in den Keller.

Dort wo man hinabsteigt zum Kerker, zweigt ein Gang ab, der zu einer schweren Eisentür führt. Sie ist, wie von mir erwartet, verschlossen und niemand weiß, wo sich der Schlüssel befindet. Diese massive Metalltür aufzubrechen wäre eine gewaltige Herausforderung. Das sieht man dem Teil deutlich an.

„Und nun?", will Severin wissen.

Er rüttelt frustriert an der Tür, die sich keinen Millimeter bewegt. Sie muss unglaublich schwer sein.

„Geh bitte etwas zur Seite", bitte ich ihn.

„Was hast du vor?"

„Ich setze meine Kräfte ein."

Severin macht Platz und lässt mich an die Tür. Ich halte meine Hand auf das Schloss und konzentriere mich darauf, dass sich der Mechanismus darin bewegt und sich damit die Tür öffnen lässt. Ich nehme Einfluss auf die Materie, die mir nicht widerstehen kann. Es dauert deshalb nicht lange und ein leises Klickgeräusch verrät, dass ich erfolgreich war.

Ich öffne die Tür und lass auf meiner Hand eine kleine Flamme erscheinen, um das Dunkel dahinter zu erhellen. Eine Treppe führt nach unten und an der Wand erkenne ich eine Fackel. Diese zünde ich mit der Flamme auf meiner Hand an und lass diese wieder verschwinden.

Severin folgt mir hinter die Tür, die ich schließe. Von innen genügt es, einen Riegel vorzuschieben, was ich auch mache. Ich möchte ungestört sein, wenn ich hier bin. Zusammen gehen wir die Treppe hinunter.

Als wir den Fuß der Treppe erreichen, bleiben wir zunächst beide staunend stehen. Vor uns liegt eine riesige Höhle, gefüllt mit Gold und Geld. Es muss ein unglaublicher Schatz sein. Kemenor muss das Land ausgepresst haben, wie eine Zitrone.

„So etwas habe ich noch nie gesehen", meint Severin.

„Ich auch nicht, wenn dich das beruhigt."

„Das dauert ewig, das zu zählen", meint er.

„Oder auch nicht."

Ich habe in einer Ecke einen Schreibtisch entdeckt und gehe darauf zu. Ich setze mich auf den alten Stuhl und beginne damit, die Schubladen zu öffnen. Severin bitte ich, die Fackel zu halten.

„Hier ist eine Liste, in der offenbar alle Bürger verzeichnet sind und der Betrag, den sie jährlich an Steuern abführen müssen."

Ich halte Severin den dicken Stapel an Blättern hin. Er nimmt sie an sich und schaut kurz rein.

„Darf ich die mit nach oben nehmen?"

„Natürlich, das ist doch deine Zuständigkeit."

Ich suche weiter. In der zweiten Schublade finde ich nur Schreibmaterial, Papier und ähnliches. Dann öffne ich die dritte und letzte Lade ganz unten.

„Na, wer sagt´s denn? Da hast du deine Buchhaltung. Kemenor ist ein sehr penibler Mann. Er will ganz genau wissen, wie viel Geld er bunkert."

Severin nimmt auch diese Blätter an sich. Er schaut auf die Summe ganz unten, schaut mich an und reißt dabei seine Augen ganz weit auf. Ihm entkommt ein langgezogener Pfiff, der wohl sein Erstaunen zum Ausdruck bringen soll.

„Das ist ein gewaltiges Vermögen."

„Mit dem er im Kerker wenig anfangen kann", antworte ich. „Können wir den Bürgern einen Teil zurückgeben?"

„Ich denke schon. Ich mache mich gleich an die Arbeit."

Ich stehe auf und wir steigen die Treppe wieder nach oben. Severin hält die Unterlagen wie einen Schatz in seiner Hand. An der Tür angekommen, schiebe ich den Riegel zur Seite. Durch Zufall entdecke ich neben der Tür einen Schlüssel. Ich hoffe, dass es sich um einen Zweitschlüssel handelt und nehme ihn deshalb an mich. Als wir von außen die Türe zudrücken, versuche ich, sie damit abzuschließen und es klappt tatsächlich.

„Nimm du den Schlüssel. Ich bekomme die Tür auch so auf", grinse ich.

„Das habe ich gesehen", lacht auch er.

Wir steigen wieder nach oben. In der großen Eingangshalle bleibe ich stehen, weil ich zunächst unsicher bin, was ich als Nächstes machen soll.

„Ich ziehe mich in meine Gemächer zurück, um die Unterlagen zu studieren, wenn dir das recht ist", meint er.

„Ja, gut, mach das", sage ich.

Ich lächle ihn dabei an und er lächelt zurück. Mir gefällt sein Eifer, mir gefällt aber genau genommen der ganze Mann und so komme ich ein wenig ins Träumen.

„Eure Majestät, Eure Majestät!", ruft ein Mann.

Damit reißt er mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich zu der Stimme um. Ein einfacher, älterer Mann, an dessen lebhaften Augen ich sofort erkenne, dass er klug sein muss, kommt auf mich zugelaufen.

„Ja, was ist?"

Er kommt schwer atmend vor mir zum Stehen. Er muss seine Hände zunächst auf die Knie stützen und nach Luft ringen.

„Lasst Euch Zeit", sage ich.

„Es geht um Lord Kemenor", keucht er.

„Was ist mit ihm?"

Meine Augen verengen sich automatisch zu kleinen Schlitzen. Allein der Name dieses Mannes lässt in mir Wut aufkommen.

„Seine Wunden haben sich infiziert. Wundbrand greift um sich."

„Ihr seid wer?", frage ich.

„Oh verzeiht, Eure Hoheit, ich bin der oberste Heiler im Reich. Bisher verantwortlich für den Lord. Deshalb wurde ich gerufen, als es ihm im Kerker immer schlechter ging."

„Was ist mit ihm?"

„Wir müssen ihm ein Bein und einen Arm abnehmen, jene Gliedmaßen, die beim Kampf verwundet wurden."

„Wegen dieser kleinen Verletzungen?"

„Sie waren größer, als ich gedacht hatte. Außerdem befindet sich der Lord in einem sehr schlechten Gesundheitszustand. Er hat sich in den letzten Jahren nicht viel bewegt und nur fettes Essen zu sich genommen. Ich habe ihm immer gesagt, er solle sich gesünder ernähren. Aber er hat ja meinen Rat in den Wind geschlagen."

„Gut, dann nehmt ihm die Gliedmaßen ab. Im Kerker wird er auch ohne sie zurechtkommen."

„Es gibt nur ein Problem, ich weiß nicht, wie ich die Blutung stillen soll, wenn ich operiere."

„Das lasst meine Sorge sein. Ich werde dabei sein."

„Es ist aber dringend!"

„Dann bereitet alles vor und lasst ihn zur Krankenstation bringen. Ich komme auch gleich nach", weise ich ihn an. „Außerdem wird er nur noch Kemenor genannt und nicht mehr mit einem Titel angesprochen. Er ist ein Gefangener."

„Das ist auch gut so", murmelt der Mann.

Er hat vermutlich geglaubt, ich würde ihn nicht hören. Dem ist aber nicht so. Dank meines ausgeprägten Gehörsinns bekomme ich jedes Wort mit. Ich zeige ihm jedoch nicht, dass ich seine Worte verstanden habe. Er eilt auch sofort davon.

Ich gehe noch zu Serafina und ihren Eltern. Sie haben schöne Zimmer im Schloss zugewiesen bekommen, ganz in der Nähe des königlichen Traktes. Das war mir wichtig.

Als die Kleine mich sieht, lässt sie alles liegen und stehen und kommt auf mich zugelaufen, sie springt mir in die Arme, die ich, sie kennend, bereits ausgebreitet habe und drückt mir einen dicken Schmatzer auf die Wange.

„Aurora, es ist so schön hier. Ich wusste nicht, dass es so etwas überhaupt gibt", strahlt sie. „Und das Essen erst. So viele köstliche Sachen."

„Es freut mich, wenn es dir hier gefällt", sage ich strahlend. Das Wohl des kleinen Mädchens liegt mir sehr am Herzen.

„Serafina, du kannst doch nicht so mit der Königin sprechen und sie anspringen", meint ihre Mutter leicht tadelnd. Ich aber lache nur.

„Serafina darf das."

„Siehst du Mama!", sagt Serafina. Dabei streckt sie übermütig die Zunge heraus.

„Serafina", sage ich tadelnd. „Liebe zu zeigen ist immer erlaubt, aber du sollst deiner Mutter auch immer den nötigen Respekt entgegenbringen. Sie hat so viel für dich getan, vergiss das bitte nie."

„Verzeih Mutter", meint die Kleine schuldbewusst. „Ich war etwas übermütig."

„Schon gut", sagt ihre Mutter gütig. „Eure Majestät."

„Sagt bitte Aurora zu mir. Ich würde mich damit wohler fühlen."

„Aber ...", will der Vater einwenden.

„Weil ich jetzt wirklich die Königin bin und keine Rebellin mehr? Was ändert das? Ich habe eine Aufgabe, die zudem nicht einfach sein wird. Ich habe aber noch nicht bewiesen, dass ich das auch kann."

„Oh doch, du kannst das. Da bin ich mir sicher", platzt Serafina heraus.

„Das ist lieb von dir", sage ich lächelnd. Dabei streiche ich ihr über den Kopf. „Ich komme aber aus einem anderen Grund. Ich wollte mit euch über die Zukunft Serafinas sprechen."

„Über meine Zukunft?", wundert sich Serafina.

„Ja, was willst du einmal werden? Welchen Beruf würdest du gerne machen."

„Ich werde Tischlerin, wie mein Vater, oder Schneiderin, wie meine Mutter."

„Und das willst du auch?"

„So ist das doch?", will sie unsicher wissen. Auch ihre Eltern schauen mich überrascht an.

„So muss es nicht sein. Ich will es ändern. Jeder junge Mensch soll eine Ausbildung bekommen, damit er den Beruf ergreifen kann, der ihm Freude macht."

„Das ist machbar?"

„Ich denke schon. Was für einen Beruf würdest du gerne ergreifen, wenn du einmal groß bist?"

„Ich bin schon groß!", protestiert sie.

„Ja, das bist du. Ich meine, wenn du so weit bist, einen Beruf auszuüben."

„Ich möchte Königin werden", sagt sie entschlossen.

„Gut, der Job ist schon besetzt oder willst du ihn mir streitig machen?", grinse ich.

„Nein, das ganz bestimmt nicht. Dann etwas in deiner Nähe."

„Eine hohe Beraterstelle oder Leiterin einer Verwaltung?"

„Ja, so etwas. Aber ich kann nicht rechnen. Schreiben kann ich auch nicht."

„Das kann man lernen. Meine Freundin Greta wird begabte Kinder unterrichten und ihnen alles beibringen. Würde dir das gefallen."

Ich halte das Mädchen immer noch im Arm. Sie schaut mich nachdenklich an. Dann wirft sie erneut ihre Ärmchen in die Höhe, ich bücke mich zu ihr und sie legt sie um meinen Hals.

„Du bist ein kluges Mädchen. Wenn du meinst, es könnte gut für mich sein, dann mache ich das", sagt sie feierlich.

„Dann informiere ich Greta, dass du ihre erste Schülerin bist", sage ich zu Serafina. Dann wende ich mich an ihre Eltern. „Auch für euch habe ich eine Aufgabe. Ihr seid Schneiderin und Tischler. Wenn es euch recht ist, werdet ihr in der Schneiderei und der Tischlerei des Schlosses arbeiten. Ich habe schon entsprechende Anweisungen gegeben."

„Eure Maje ...", will die Mutter sagen.

„Aurora, einfach Aurora."

„Womit haben wir das verdient?"

„Ihr habt eine kluge und liebenswürdige Tochter. Ihr müsst gute Menschen sein, sonst wäre sie nicht so erzogen worden", sage ich, verabschiede mich und verlasse den Raum. Ich will eben, dass es der Kleinen gut geht. Dazu gehört auch, dass ihre Eltern bei ihr sind.

Nun ist es Zeit für mich, zur Krankenstation zu eilen. Auf dem Weg dorthin muss ich mehrmals nach dem Weg fragen. Einer der Angesprochenen will mich zunächst etwas ärgerlich abwimmeln, erkennt mich dann aber und geht in eine tiefe Verbeugung.

„Verzeiht, Eure Majestät", meint er untertänig.

„Schon gut, sag einfach, wo ich hinmuss."

„Ohne Wachen habe ich Euch nicht erkannt", plappert er weiter.

„Wohin?", frage ich etwas energischer.

Da zuckt er zusammen und begleitet mich sogar bis zur Tür der Krankenstation. Die anderen, die ich vorher gefragt habe, wussten gar nicht, wer ich bin. Da mich noch nicht alle gesehen haben, halten sie mich wohl für eine ganz normale Bedienstete des Schlosses. Das liegt sicher auch daran, dass ich mich nicht prunkvoll kleide und Hosen trage.

Als ich die Krankenstation betrete, schlägt mir ein Duft von Kräutern entgegen. Ich bleibe einen Moment lang stehen und lächle, denn ich hatte den typischen Geruch erwartet, wie ich ihn aus dem Krankenhaus kenne.

Ich fange mich aber schnell wieder und vernehme ein Wimmern und Klagen. Ich folge diesem Geräusch und komme in einen Raum, wo ein Mann auf einem Tisch liegt. Es ist Kemenor. Als er bei meinem Eintreten den Kopf hebt, verfinstert sich sein Blick.

„Das hast du mir angetan. Dafür wirst du büßen!", brüllt er mir hasserfüllt entgegen.

„Im Moment bist wohl eher du mit Büßen dran. Das alles hier, hast du dir selbst zuzuschreiben. Ich habe dir angeboten, dich zu ergeben", sage ich ruhig.

„Ich werde mich doch keinem kleinen Mädchen ergeben, pfff!"

„Gegen ein kleines Mädchen verlieren ist so viel besser?"

„Ach leck mich doch!"

„Da kannst du lange warten", grinse ich. Dann wende ich mich an den Heiler, der zur Tür hereinkommt. „Seid Ihr bereit?"

„Ja, Eure Majestät."

„Sag einfach Aurora zu mir. Wie heißt du?"

„Mein Name ist Kunibald, aber Ihr seid die Königin."

„So wirst du nie den Respekt deines Volkes bekommen", lacht Kemenor.

„Ich will den Respekt, weil ich etwas kann, weil ich etwas leiste und nicht, weil ich gefürchtet werde und die Leute Angst vor mir haben", fahre ich ihn an.

„Schöne Sprüche!", meint er abfällig.

„Sag Aurora und nun los. Hast du Desinfektionsmittel?", wende ich mich wieder an Kunibald."

„Desinfektionsmittel?"

„Ja, etwas die Bakterien abzutöten, die in die Wunde kommen könnten?", frage ich. „Alkohol, Jod oder so etwas."

„Nein, das kenne ich nicht."

„Gut, dann lass dir aus der Küche eine oder zwei Flaschen Schnaps bringen, möglichst starken Schnaps."

Er schaut mich mit großen Augen an. Dann aber eilt er davon, um einen Assistenten in die Küche zu schicken. Anschließend kommt er wieder zu mir.

„Zeig mir die Wunden", weise ich ihn an.

Der Heiler zieht das Laken, das über den Körper Kemenor's ausgebreitet war, weg. Außer einer Unterhose hat er nichts mehr an. Ich gehe zum linken Arm und betrachte die Wunde. Sie ist feuerrot, ich kann aber noch kein abgestorbenes Gewebe erkennen.

„Hier werden wir mit Schnaps großzügig desinfizieren und hoffen, dass wir den Arm nicht abnehmen müssen. Wenn sich die Wunde verschlimmert, können wir immer noch amputieren."

„So eine Wunde wird nicht mehr, das weiß ich", versichert mir der Heiler.

„Vertrau mir!"

Dann betrachte ich mir die abgetrennte Hand. Der Stumpf sieht grauenvoll aus. Mit Feuer hat man offenbar die Wunde behandelt, um die Blutung zu stillen. Es riecht immer noch nach verbranntem Fleisch.

„Das desinfizieren wir auch. Wenn es abgeheilt ist, müssen wir wohl etwas von dem verbrannten und abgestorbenen Fleisch wegschneiden."

„Das werden wir."

Schließlich gehe ich zum Oberschenkel. Diese Wunde ist deutlich tiefer und sie weist bereits schwarze Wundränder auf. Hier ist mit Sicherheit nichts mehr zu retten. Die rote Linie, die von der Wunde ausgeht und sich den Schenkel nach oben zieht, deutet auf eine beginnende Blutvergiftung hin.

„Das Bein muss ab und zwar schnell", sage ich.

In dem Moment kommt der Gehilfe mit zwei großen Flaschen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit zur Tür herein. Ich öffne eine davon und schnuppere daran. Es ist Schnaps. Ein ganz kleiner Schluck bestätigt mir, dass er ausgesprochen stark ist.

„Gut, ich versorge zunächst schnell die Wunde am Arm, dann machen wir uns daran, das Bein abzunehmen. Habt ihr eine Knochensäge?"

„Sobald wir schneiden, verblutet der Mann ja. Da hilft uns auch keine Knochensäge mehr", wirft Kunibald ein.

„Lass mich nur machen."

Wie bereits angekündigt, desinfiziere ich eilig die Wunde am Arm. Als diese mit dem Alkohol in Berührung kommt, bäumt sich Kemenor vor Schmerzen auf.

„Spinnst du, du bringst mich um!", faucht er.

„Das hättest du wohl gerne", halte ich dagegen. „Wenn du hier schon jammerst, dann wird das Bein eine echte Herausforderung."

Mir ist klar, dass wir mit primitivsten Mitteln arbeiten müssen. In diesem Land haben sie sehr wenig Ahnung von Medizin. Wenn nicht einmal Schnaps zum Desinfizieren bekannt ist, brauche ich gar nicht zu hoffen, dass sie über Betäubungsmittel verfügen. Ich überlege zwar kurz, Kemenor mit einem Schlag auf den Kopf in den Schlaf zu befördern, aber das könnte eine Gehirnblutung und Schäden am Hirn verursachen.

„Hast du ein berauschendes Mittel?", frage ich den Heiler.