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Party-WG 05 -- Silvano

Geschichte Info
Der schüchterne Cousin von Veronica.
16.2k Wörter
4.39
4.4k
1
0

Teil 5 der 5 teiligen Serie

Aktualisiert 01/31/2024
Erstellt 09/20/2023
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Die Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Orten sind rein zufällig und keineswegs beabsichtigt.

Copyright 2024 © LiteroCat1147

Party-WG 05 - Silvano V1.0

Vorbemerkung: Diese Geschichte ist nichts für ungeduldige Leser. Zu einem grossen Teil geht es nicht um Sex, sondern um Einflüsse, die guten Sex ganz oder teilweise verunmöglichen.

***

Geschäft ist nicht gleich Geschäft - Bericht von Paul

Peter und ich hatten in den letzten Wochen ziemlich viel über Geschäftliches gesprochen. Ursprünglich war ja vereinbart, dass wir abwarten wollten, ob sich die Schocktherapie von Veronica bewährte. Nach ungefähr zwei Wochen waren Peter und ich überzeugt, dass man dieses 'Experiment mit ungewissem Ausgang' als gelungen betrachten konnte. Von da an war ich darauf gefasst, dass sich Peter wieder für die Frage interessieren würde, ob ich für ihn arbeiten wollte.

Mir brannte das Thema keineswegs unter den Nägeln, da ich mit meiner Situation bei der international tätigen Firma eigentlich sehr zufrieden war. Ich drängte Peter also nicht. Auch er schien einige andere Dinge im Kopf zu haben, doch eines Abends lenkte er das Gespräch auf meine Karriere bei diesem Konzern. Bald merkte ich, dass er von der Idee ausging, dass man in einer grossen Firma gewisse Erfahrungen sammeln konnte, die es so in einer kleineren Firma gar nicht geben konnte, und diese Arbeitshypothese konnte ich ihm voll bestätigen:

«Du sagst richtig 'anders' und das muss man zunächst völlig wertfrei sehen. Grosse Firmen haben andere Probleme als kleine, aber auch andere Chancen, und damit bieten sie ihren Mitarbeitern auch andere Chancen. Sie erfüllen übrigens aus volkswirtschaftlicher Sicht auch eine andere Rolle.» -- «Davon habe ich noch nie gehört.» -- «Da siehst Du gleich ein Beispiel: Die grossen Firmen können es sich leisten, ihren Kadermitarbeitern eine breite Ausbildung zukommen zu lassen, aber dafür ist diese überhaupt nicht individuell. Alle werden über einen Kamm geschoren und wie mit einer Giesskanne mit Wissen übergossen.»

Ich konnte Peter ansehen, dass ihm diese Welt, die ich nun zu beschreiben begonnen hatte, völlig fremd war.

«Hier ein Beispiel, das auf den ersten Blick überhaupt nichts mit Technologie zu tun hat, aber auf einem Technologie-Seminar von einem Nationalökonomen vorgetragen wurde. Kennst Du zufällig die Siebkurve oder Sieblinie?» -- «Von der Zubereitung von Beton?» -- «Genau. Wenn die Korngrössenverteilung optimal ist, bekommt man mit der minimalen Menge an Zement den maximal druckfestesten Beton.» -- «Ich weiss, dass man mehr Zement braucht, wenn die kleinen Körner untervertreten sind. Das wird teuer.»

Ich nahm einen Schluck Mineralwasser, um eine Kunstpause entstehen zu lassen: «Wenn in einer Volkswirtschaft die kleinen Firmen zu wenig zahlreich sind oder zu schlecht funktionieren, leidet die Bevölkerung unter Versorgungsengpässen. Das versucht der Staat dann mittels Fördermassnamen zu korrigieren, beginnt also Subventionen auszuschütten. Dumme Staaten plagen die kleinen Firmen mit Steuern und Vorschriften. Dafür müssen sie sie mit Subventionen am Laufen halten. Zudem kommen Funktionäre und halten sie von der Arbeit ab oder versuchen ihnen gar dreinzureden.» -- «Dann wandern sie an einen anderen Standort ab.» -- «Genau. Das Problem haben wir hier in diesem Land zum Glück noch nicht so sehr.»

Nach einem weiteren Schluck fuhr ich fort: «Wenn umgekehrt die grossen Kaliber im Kies fehlen, wird der Beton eine geringe Tragfähigkeit aufweisen. Nun fragt sich, was das in der Analogie bedeutet: Wenn in einer Volkswirtschaft die grossen Firmen fehlen, werden keine 'grossen' Vorhaben realisiert werden, vor allem keine mit grossen Risiken.»

Peter schaute etwas ungläubig zu mir herüber, wie wenn er um ein Beispiel bitten würde, also fügte ich eines hinzu: «Nimm mal die Entwicklung einer Magnetschwebebahn. Das hat meines Wissens eine einzige europäische Firma einigermassen erfolgreich versucht. Ein Kunde wurde bedient und diese Bahn läuft bis zum heutigen Tag ohne Probleme. Sie gilt als das beste Transportsystem der Welt. Viele andere Kunden standen Schlange. Dann passierte wegen einer kleinen Unachtsamkeit in Unfall mit etwa zwei Dutzend Toten. Die Kunden waren weg und die Entwicklung kam zum Erliegen. Eine kleinere Firma wäre bankrott gewesen. Diese war gross genug und hat es überlebt, aber auch sie liess ab sofort die Finger von dem Thema. Auch darum herum haben nun alle Angst vor der neuen Technologie. Dabei hatte der Unfall gar nichts mit dieser zu tun. Ja, der Aufprall war wegen der höheren Geschwindigkeit vielleicht etwas gröber als das bei Pferdefuhrwerken der Fall gewesen wäre, aber eine Schnellbahn der letzten Generation hätte auch gereicht.

Je weiter weg wir schauen, desto grösser ist die Bereitschaft, einen neuen Anlauf zu machen. Vermutlich wird die nächste MagLev in Japan gebaut, oder in China, und dann wird dieses Geschäft für die Europäer definitiv verloren sein. Jetzt nimm mal an, die Europäer wollten das verhindern. Was bliebe ihnen übrig? Irgendwelche Politiker müssten sich zusammenraufen und mit staatlicher Unterstützung eine Weiterentwicklung in Gang bringen, mit allen bekannten Nachteilen.

Diese grossen Vorhaben haben für die daran Beteiligten natürlich ihren eigenen Reiz. An ihnen kann man Dinge lernen, die man bei kleineren Vorhaben gar nicht zu sehen bekommt.»

An dieser Stelle hob Peter die Hände in die Höhe, wie wenn er sich ergeben würde: «Das kann ich mir nicht so richtig vorstellen, denn ich habe das noch nie selbst erlebt. Kannst Du ein Beispiel aus Deiner persönlichen Erfahrung beschreiben?»

«Das grösste und interessanteste Projekt, das ich je von nahem gesehen habe, hatte damit zu tun, dass vereinfacht gesagt alle Kupferkabel durch Glasfaserkabel ersetzt werden sollten - in den nächsten dreissig Jahren oder so. Der Lieferant, der die dafür nötige Elektronik liefern könnte, würde ein ziemliches Geschäft machen. Wir sprechen von einer Grössenordnung von Milliarden pro Jahr. Ich wurde mit meinem Chef zum obersten Manager dieses Geschäftszweiges gerufen und der war ziemlich verzweifelt. Die Hardware-Entwicklung käme gut voran, aber eines der Software-Teams sei seit einem halben Jahr am Arbeiten und Resultat: Zero! Er könne mit den Hardware-Leuten gut reden, da er selbst aus der Hardware-Entwicklung komme, aber bei den Softies habe er immer das Gefühl, angelogen zu werden. Er sei sich aber bewusst, das könnte an ihm liegen.»

«Was sollten die Jungs denn entwickeln?» -- «Sie sollten einfach einmal eine Spezifikation schreiben, die man in die Vernehmlassung geben konnte.» -- «Und wie gross war das Budget?» -- «Du wirst lachen, aber das habe ich gar nicht gefragt. Ich habe die beteiligten Leute kennengelernt. Von dem Teilprojekt - nur Spec schreiben - haben locker zehn Leute gelebt, eine Hand voll Ingenieure vollzeitlich, eine Handvoll etwa halbamtlich, davon ein paar auf Stufe Gruppenchefs und mindestens zwei Abteilungschefs waren damit befasst, möglicherweise mehr, denn es waren Personen von vier Standorten daran beteiligt. Wenn Du es genauer nehmen wolltest, müsstest Du auch noch Anteile von vier Bereichsleitern und vier Direktoren gewichten. Ich habe eine andere Frage gestellt: Was wir für ihn tun könnten? Mit den Leuten reden und hoffen, dass wir sie verstehen, einfach weil wir ja selbst in der Software-Entwicklung aufgewachsen und zwanzig Jahre jünger waren. Kostendach für die Spesen? Spesen spielen keine Rolle. Was zählt sind Ergebnisse. Also los!»

«Und konntet Ihr das Problem lösen?» -- «Moment. Wir sprechen hier von einem grossen Vorhaben und Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Mein Chef war Mathematiker von Beruf. Er hat zwar Software-Entwicklungs-Projekte geleitet, aber da ging es um die Entwicklung von Compilern und ähnlichen Werkzeugprogrammen. Hier sprechen wir aber von Software, die Hardware steuern soll, die ihm nicht geheuer war. Supermodern, alles Custom-LSI, alles CAD und CAM.»

Jetzt sah ich Peter prüfend an, da ich wissen wollte, ob es ihm auch gehen würde wie meinem Chef damals, aber er antwortete locker: «Kundenspezifische hochintegrierte Schaltungen, computergestützte Entwicklung und Fertigung. Ja, das war damals Cutting Edge.»

«Mich schreckte das weniger, denn ich hatte ursprünglich als Hardware-Entwickler angefangen, zwar noch ohne alle diese neuen Dinge, aber ich hatte immer wieder etwas darüber gelesen, kannte die aktuelle Terminologie und konnte mit den Leuten reden. Hätte ich selbst solche Hardware entwickeln wollen, hätte ich noch einiges lernen müssen, aber ich sollte ja eigentlich nur zuhören, und dafür hat mein Halbwissen gereicht. Mein Chef hat dann noch organisiert, dass für uns beide eine Art Seminar veranstaltet wurde, an der die Schlüsselpersonen als Referenten aufgetreten sind und uns zu erklären versuchten, was sie taten.»

«Hatten die Freude daran?» -- «Nur zum Teil. Das bedeutete natürlich zusätzliche Arbeit, aber die schlaueren wussten, dass eine solche 'Design Review' auch für die Entwickler selbst ganz wertvoll sein kann. Einer unserer Gastgeber hatte für solche 'Inspektoren' von der Konzernleitung eine typisch amerikanische Bezeichnung parat: Corporate Seagulls.» -- «Möwen?» -- «They fly in, they eat all your food, they shit all over your place, they fly out.»

Gelächter.

«Aber im Ernst: Eine Design Review ist dann am ergiebigsten, wenn die Besucher hilfreiche Fragen stellen können. Uns beiden war das eher weniger möglich, denn für uns war das ganze Thema ebenso neu wie für so ziemlich alle anderen auch. Ich fand am ersten Tag eigentlich nur eines heraus: Die betreffenden Normen sind quasi druckfrisch und existieren in zwei Formen, nämlich einmal amerikanisch und einmal europäisch. Die Japaner übernahmen wie üblich die amerikanischen Normen und alle anderen, also Australier, Afrikaner, Inder usw. würden die europäischen übernehmen. Die beiden Ausgaben waren sogar kompatibel, aber leider gab es für vieles zwei Bezeichnungen.»

«NIH?»

«Du hast es erfasst: Not Invented Here Syndrom. Die Amerikaner waren zuerst, dann haben die Europäer die Ideen angeschaut - es waren vermutlich vor allem Franzosen, weil das ETSI in Valbonne, in der Nähe von Nizza zu Hause ist. Sie haben die amerikanischen Ideen für gut befunden und mehr oder weniger fehlerfrei abgeschrieben. Sie haben aber das 'untere Ende' weggelassen, da so 'langsame' Glasfasern unterdessen nur noch belächelt wurden, also hiess bei ihnen 'Stufe 1', was bei den Amerikanern 'Level 3' war und so weiter bis hinauf zu Stufe 20, was absolut futuristisch war, denn mehr als 16 GHz konnte damals fast niemand auf der Erde beherrschen, allenfalls grobschlächtig wie im Mikrowellenofen. Aber Normen sind wie Papier, und das ist bekanntlich geduldig.»

«Das war aber noch nicht die Lösung. Wie seid Ihr dann weitergekommen.»

«Mein Chef hatte dann plötzlich etwas wichtiges irgendwo anders im Konzern zu tun und ist abgereist. Ich habe mich noch eine ganze Woche in den Räumen der Entwickler herumgetrieben. Zufällig kannte ich auch einen der Hardware-Entwickler, der im Hause nebenan für das gleiche Projekt arbeitete. Ich habe ihn und seine Frau zum Nachtessen ausgeführt - erinnere Dich, Spesen spielen keine Rolle - und dabei nicht nur eine ganze Menge über mexikanisches Essen, sondern über die Betriebskultur am betreffenden Standort gelernt. Was ich hörte, war alles problemlos. Ich hatte bis da hin ergebnislos im Heuhaufen herumgestochert. Ich konnte zwar diverse mögliche Ursachen ausschliessen, aber die Ursache nicht benennen.

Dann haben mir die Softies mitgeteilt, sie würden nun alle zu einem Meeting fliegen. Ob ich auch mitkommen wolle. Ich tat das und erfuhr an diesem Meeting in der Kaffeepause etwas, das mich weiterbrachte. Erst lernte ich von den Amerikanern einen neuen Begriff: Pearlharbouring. Gibt es meines Wissens nicht in den offiziellen Wörterbüchern. Gemeint ist ein Verhalten, das wir 'hinterrücks' nennen würden. Ich machte mir diverse Notizen, aber wirklich schlau wurde ich aus dem ganzen nicht.

Was ich verstand war nur das: Am Schluss eines Meetings meinten die Amerikaner, alles sei klar, aber nach etwa zwei Wochen bekamen sie ein Telex - es gab noch keine E-Mail - und dann war wieder alles ganz anders, oder zumindest verwirrend. Das Telex habe immer den gleichen dreiteiligen Aufbau, den ich mal 'Beobachtung', 'Analyse' und 'Vorschlag' nennen möchte. Ich schaltete immer noch nicht.

Am anderen Sonntag machte ich einen Spaziergang mit einem Kollegen aus Toulouse, den ich als Lieferantenvertreter kennen und schätzen gelernt hatte. Der war mit der französischen und mit der angelsächsischen Arbeitswelt und auch mit der Welt der Ingenieurschulen beider Kulturkreise vertraut. Plötzlich lachte er laut und unterbreitete mir eine Arbeitshypothese, die auf folgender Beobachtung beruhte: Diese Dreiteilung kannte er aus seiner eigenen Studienzeit und von seinen Studenten. Er unterrichtete teilzeitlich Software-Engineering an der Ingenieurschule in Toulouse.

Viel später recherchierte ich ein wenig und fand eine Wurzel bei der US Coast Guard. Dort wird das Completed Staff Work genannt. Heute kann das jeder bei Wikipedia und in besseren Management-Büchern nachlesen, aber damals wussten das nicht viele Leute, und wie das leicht abgewandelt an die französischen Ingenieurschulen gelangt war, ist mir bis heute nicht ganz klar geworden. Ich habe nur eine Vermutung: Etwa zehn Jahre früher hatte ich an der IDSEAD in Fontainebleau bei Paris einen Lehrer kennengelernt. Das Fach hiess 'Corporate Behavior' und der Mann kam von der US Coast Guard.»

Peter unterbrach mich: «War das auch einer von den Kursen, die sich Konzerne leisten?» -- «Stimmt. Wer ins obere Kader kam, wurde in einen Crash-Kurs 'MBA in two weeks' gesteckt. Das wäre aber eine Geschichte für sich. Zurück zu meinem Spaziergang mit dem Toulouser. Dieser machte mich dann noch etwas mit Kultur und Geisteshaltung an den französischen Ingenieurschulen vertraut und so gewappnet drängte ich mich in das nächste Projektmeeting hinein, wo es immer noch keinen Entwurf für das zu schreibende Dokument gab, nur einen Entwurf für ein Inhaltsverzeichnis.»

Peter fragte: «Mussten die Franzosen an den Meetings Englisch sprechen?» -- «Ja, warum?» -- «Ich ahne etwas. Anfangs hatten wir bei den Indern ähnliche sprachliche Hürden beobachtet. Aber erzähl mal weiter.»

Ich nickte anerkennend. «Du hast es erfasst.»

Nach einem weiteren Schluck fuhr ich fort: «Ich war echt gespannt, wie sie auf meinen Vorschlag reagieren würden, den ich etwa so erklärte: Einige von Euch wurden so erzogen, dass sie entweder sofort ihre Einwände vorbringen oder dann ewig schweigen. Beim Heiraten formulieren sie das dann so 'Speak Now or Forever Hold Your Piece'. Andere wurden so erzogen, dass sie erst gründlich überlegen und analysieren, dann aber vollständig ausgearbeitete Vorschläge unterbreiten. Ich habe den Verdacht, dass die Tatsache, dass Ihr an den Meetings Englisch verwendet, bei den Franzosen bewirkte, dass sie so vorgingen, was dann eben zu den Telex führte.

Ich betonte, dass das nur eine Vermutung, eine Arbeitshypothese sei. Dann war Schweigen im Raum, bis jemand sagte 'may well be'. Bald wurde nach dem 'wie weiter' gefragt, was hiess, dass niemand gegen die Arbeitshypothese Einspruch erheben wollte. Einige Franzosen bestätigten sogar recht deutlich, dass sie das auch so sahen. Damit hatte ich das Team auf der Bewusstseinsstufe, die man mit 'Wunsch nach Veränderung' umschreiben könnte: So konnte es offensichtlich nicht weitergehen!

Jetzt schlug ich vor, alles möglichst anders zu machen als bisher. Das hiess, keine kleinen häufigen Treffen, sondern ein Arbeitslager, z.B. zwei Wochen am Stück, mit dem Ziel, danach den gewünschten Entwurf zu haben, mindestens eine Rohfassung. Gesucht war ein Host, der die benötigte Infrastruktur - Unterkunft, Büros, Konferenzraum, Computernetzwerk, Software - besorgen konnte. Die Amerikaner telefonierten kurz und sagten zu, sich darum zu kümmern. Einen Monat später reisten wir alle nach Raleigh NC, USA, wohnten alle im gleichen Hotel gleich neben der Firma, hatten ein Konferenzzimmer und einige Büros mit Arbeitsplatzrechnern für uns. Die konzernweit normierte Software - eine Art Vorgänger von Word, nur teurer (aber dafür besser) zum Erstellen von Dokumenten war installiert und der Betreuer des Computernetzwerkes stand bereit, unsere Wünsche zu erfüllen.

Jeden Morgen moderierte ich ein Briefing, eine Art Antrittsverlesen, dann bildeten sich sprachhomogene Gruppen (Deutsch, Französisch, Englisch), die je ein Kapitel bearbeiteten. Sie konnten in ihrer Sprache diskutieren, mussten ihren Beitrag aber auf Englisch abliefern. Jeden Abend um vier Uhr war alles eingecheckt und ein Operator generierte ein komplettes Dokument mit Inhaltsverzeichnis. Während dieser Zeit moderierte ich ein kleines Debriefing, das eigentlich nur der Sozialhygiene diente und dem Drucker Zeit verschaffte. Dann bekam jede Gruppe ein Exemplar ausgehändigt und hatte die ganze Nacht Zeit, dieses zu studieren. Input bitte am nächsten Morgen beim Antrittsverlesen.»

Peter meinte: «Das war ja wirklich ein Arbeitslager. Drückte da Deine Zeit beim Militär durch?» -- «Ja, schon ein bisschen. Das Management sah das ganze ja als eine Art Notlage und in einer solchen ist eine Portion Disziplin nicht ganz falsch.» -- «Hast Du selbst mitgeschrieben?» -- «Ich schrieb selbst nur ein paar wenige Seiten, nämlich ein Glossar, das ich während des Studiums der Normen anfertigte. Den Rest der Zeit verbrachte ich mit den Chefs der Leute, die da fleissig an dem Dokument arbeiteten. Sie waren verständlicherweise neugierig auf den Mann von der Konzernzentrale, der ihre Leute zum Rotieren brachte. Sie reichten mich geradezu weiter und wedelten plötzlich mit meinem Glossar: Jetzt könnten sie selbst diese Normenhierarchie verstehen. Sie verstanden höchstens die Terminologie, aber das verschaffte ihnen ein nie gekanntes Wohlgefühl. Sie reichten mich bis zum höchsten Chef aller Entwickler am Standort weiter, einem Australier, der nur eines von mir wissen wollte: Ob ich heute Abend Zeit hätte. Beim Nachtessen wollte er dann wissen, was denn geklemmt hätte. Er war ziemlich erstaunt, zu erfahren, dass es nur am Teambuilding gescheitert war, nicht an der Technik. Die Leute hatten alles an Wissen und Können, um die Aufgabe in einigen Wochen zu erledigen, haben aber ein halbes Jahr darauf verwendet, sich zusammenzuraufen, und auch das ist ihnen nicht wirklich gelungen. Der Mann sagte dann noch etwas, was ich zunächst nicht so richtig verstand: «An iron hand in a velvet glove, and a few convincing arguments.»

Peter war immer nachdenklicher geworden, während ich erzählte: «In so einem Konzern treten tatsächlich Probleme auf, die wir Kleinen nicht kennen und vermutlich auch nicht überleben würden. Hätten sie Dich von Anfang an dabei gehabt, wäre der Job vielleicht in zwei Monaten erledigt gewesen?» -- «Danke für die Blumen, aber das ist überhaupt nicht sicher. Ich hatte ja auch Glück. Beispielsweise der Spaziergang mit dem Toulouser war überhaupt nicht geplant. Wir hatten beide zufällig in der Woche davor und danach am gleichen Ort zu tun, und am Wochenende habe ich ihm eigentlich nur aus Langeweile von dem Projekt erzählt. Er hatte technisch nichts mit dem Thema am Hut. Seine Interessen lagen eher in Richtung Simulatoren und Flugzeugbau, Toulouse eben, aber die Normen des ETSI konnten ihm gestohlen bleiben.» -- «Aber der Trick mit dem Glossar war von Dir, nicht vom Toulouser.» -- «Stimmt. Mir war die Bedeutung eines projektspezifischen Glossars schon von früheren Projekten her klar. Übrigens kannst Du ein fast gleichwertiges Dokument heute auf dem Internet wiederfinden.»

Wir einigten uns dann darauf, dass Peter mich nicht einstellen würde. So eine 'Spielwiese' könnte mir ein kleiner Betrieb nicht bieten. Er würde aber gerne hin und wieder meinen Rat hören.