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Rapunzel 02

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Sie gehorchte und zog die Decke bis unters Kinn hoch. Mick verschwand in der Küche, sie schloss die Augen und lauschte den beruhigenden, vertrauten Geräuschen: das Auf und Zu der Schubladen, das Klappern von Geschirr, das Knarren der Tür vom alten Hängeschrank.

Keine fünf Minuten später kam er wieder herein und stellte ein Tablett neben ihr auf dem Nachttisch ab.

„So, ich hoffe, das ist dir so recht..."

„Danke", sagte sie, setzte sich auf und griff nach dem Glas und der Flasche Mineralwasser, die er mitgebracht hatte. Sie hatte mittlerweile wirklich verdammt großen Durst.

Plötzlich kam ihr eine Idee. „Mick, würdest du mir meinen Collegeblock und was zu schreiben bringen?"

Erstaunt zog er eine Augenbraue hoch. „Du willst dich doch ausruhen."
„Das hat auch nichts mit Arbeit zu tun."

Er zuckte die Schultern. „Okay. Von mir aus."

Während er ging um ihr das Gewünschte zu bringen, biss sie hungrig in das Brot, das er ihr geschmiert hatte. Noch begriff sie selbst nicht so ganz, was gestern mit ihr los gewesen war. Aber sie würde herausfinden, was sie wirklich wollte. Was gut für sie war.

„Bitte sehr", sagte Mick, als er den Block und einen Kugelschreiber aufs Bett legte. „Soll ich dich jetzt... allein lassen?"

„Ja, bitte", erwiderte sie und versuchte ein Lächeln. Er nickte nur, nahm sich ein paar saubere Klamotten aus dem Schrank und verließ dann das Schlafzimmer, machte sogar die Tür hinter sich zu.

Tanita fing an zu schreiben.

Freitagvormittag wagte Mick es, sein Mädchen eine Weile allein in der Wohnung zu lassen. Es schien ihr besser zu gehen, sie war zwar nach wie vor etwas geistesabwesend, aber sie benahm sich ihm gegenüber nicht mehr so erschreckend kalt wie vor zwei Tagen. Mittlerweile hatte er sich mit dem Gedanken abgefunden, dass sie mit der Sorge um ihn doch irgendwie überfordert gewesen sein musste und wahrscheinlich eine Art kurzen psychischen Zusammenbruch gehabt hatte. Dass etwas anderes dahinter steckte, konnte er sich auch beim besten Willen nicht vorstellen. Was er allerdings ums Verrecken gern gewusst hätte, war, was sie geschrieben hatte. Als Tanita gestern Abend eingeschlafen war, juckte es ihn in den Fingern, es zu lesen. Ihr Collegeblock lag schließlich griffbereit auf dem Nachttisch. Er hatte das Ding schon in der Hand, als er sich plötzlich darüber klar wurde, was er da vorhatte. Misstraute er seinem Mädchen etwa? Genauso gut hätte sie seine Briefe lesen können. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, verdammt noch mal! Und dementsprechend gab es auch keinen Grund für so eine bescheuerte Spionageaktion.

Kopfschüttelnd hatte er den Collegeblock wieder zurückgelegt, heilfroh, dass Tanita nichts davon mitbekommen hatte.

Jetzt war er unterwegs zum Einkaufen. Tanita hatte heute auch nicht vor, zur Uni zu gehen, aber immerhin war sie aufgestanden und hatte sich selbst etwas zum Frühstück gemacht. Nach dem Wochenende würde sie sicher wieder die Alte sein und sie könnten beide ihrem normalen Tagesablauf nachgehen. Er würde wieder zur Arbeit gehen und sie wie gehabt zur Uni bringen und abholen. Dann war sie nicht mehr von den Bussen abhängig und außerdem hatte er halbwegs die Kontrolle darüber zurück, wer ihr begegnete.

Als er vom Supermarkt nach Hause kam und die Wohnungstür aufschloss, befiel ihn wie aus heiterem Himmel eine böse Ahnung.

„Tanita?"

Die Wohnung war leer. Er wusste es einfach, er spürte die Leere. Trotzdem riss er alle Türen auf, rief in jedes Zimmer ihren Namen wie ein verdammter Idiot.

Auf ihrem Kopfkissen lag ein Zettel.

Lieber Mick,

bitte mach dir keine Sorgen, ich bin spätestens heute Abend wieder da.

Tanita

„Willst du mich verarschen?"

Das konnte doch nicht wahr sein! Sie... sie verschwand einfach so... ohne auch nur...

Er hätte diesen verdammten Collegeblock aufschlagen sollen, wer wusste schon, was... Wie konnte sie ihn nur so enttäuschen!

Dieses Ding lag immer noch da auf ihrem Nachttisch. Er schnappte es sich, ließ wie von Sinnen die Seiten durch die Finger rauschen. Leer. Kein einziges Wort. Was auch immer da drin gestanden haben mochte, sie hatte die Seiten herausgerissen und versteckt. Oder mitgenommen.

Mick stand bestimmt eine geschlagene Minute äußerlich nahezu völlig ruhig da und fühlte, wie sich langsam von innen ein Zittern in ihm ausbreitete, bis er schließlich am ganzen Körper vor Wut vibrierte.

Er brüllte, dass man es bis unters Dach hören konnte. Mit einem hässlichen Klatschen flog der Collegeblock an die Wand.

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