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Unter ihrer Uniform

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Doch im Büro fand er Johanna nicht. Unruhig schob und trug er seine Akten hin und her und linste durch die oben durchgängig verglasten Zwischenwände auf ihren verwaisten Schreibtisch. Er machte sich schreckliche Vorwürfe — lag es an ihm? Würde sie den Dienst quittieren, weil er sie schon am ersten Arbeitstag belästigt hatte? Blut schoss ihm in die Wangen, wenngleich niemand ihn beobachtete. Anderthalb Stunden nach Schichtbeginn rief er wieder Frau Back von der Rezeption an, die angab, schon den ganzen Tag Johanna nicht gesehen zu haben; und die saß immerhin am Eingang. Nach einigen bangen Stunden entschloss er sich kurz vor Mittag, nicht länger zu warten und stattdessen die übrige Zeit zu nutzen, seinen Tatort noch einmal zu besuchen.

Doch im abgelegenen Hotel angekommen erwartete ihn eine weitere überraschende Enttäuschung. Offenbar hatte man gestern in beeindruckender Geschwindigkeit sowohl schon alle Spuren aufgenommen, als auch die Leiche abtransportiert. Die Männer mussten eine Nachtschicht geleistet haben, um so schnell die Spuren des blutigen Gewaltmordes zu beseitigen. Sicher hatte es ihnen da geholfen, dass die Mörderin umsichtig das Blut aufgefangen hatte -- ihm schauderte bei dem Gedanken. Jetzt begegnete ihm in dem Zimmer nur noch eine Putzfrau, die, mit gleichmütiger Miene und offenbar ahnungslos über das Geschehene, die Ecken auswischte. Etwas unschlüssig verharrte Wessels in dem Zimmer, während die Putzfrau ihn ignorierte und er sich weigerte die so rapide gewandelte Szenerie zu verlassen. Es war doch schließlich sein Tatort!

»Überrascht?« tönte es da hinter ihm.

Perplex dreht er sich um - dort stand starr an die Ecke zum Flur gelehnt die gestrenge Frau von gestern mit ihrem blonden Pferdeschwanz und dem grauen Blazer und konnte den leichten Hohn in ihrem Blick nicht vollständig unterdrücken.

»Dass alles weg ist?«

»Nein, wie schnell ihre Männer arbeiten können, unter der richtigen Führung.« Sie hielt einen gekünstelten Moment inne und lachte dann jovial, als hätte sie einen Witz gemacht und ihm nicht etwa gerade seine Unfähigkeit vor Augen geführt. Sie kam einen Schritt näher und streckte ihm die Hand hin, indem sie die hellbraune Aktentasche in die andere wechselte. »Ich habe erwartet, Sie hier anzutreffen. Dr. Paneolus. Ich bin die Ihnen zugeteilte Kommissarin.«

»Davon weiß ich nichts. Warum teilt man mir eine Kommissarin zu?«

Sie verstand die Frage offenbar anders: »Ich habe einige Jahre pausiert, um meinen Doktor zu schreiben. Deswegen besitze ich noch nicht genügend Diensterfahrung.«

Sie meinte wohl, ihm damit in vertraulicher Bescheidenheit einen Makel zu offenbaren. Oder zu rechtfertigen, warum sie nicht selbst als Leitende Kommissarin den Fall innehatte, obwohl sie einen Doktor besaß. Er fand sie unsympathisch. Ihr Stil war geschäftsmäßig neutral, die Schminke saß perfekt, wies aber keinen Deut Verspieltheit auf -- Dr. Paneolus schminkte sich nur, weil man es in ihrer Position für erwartbar hielt.

»Aber sie sind doch nicht nur zufällig hier, weil sie wussten, dass ich komme, oder?«

»Nein, ich hatte einen Termin mit dem Hotelmanager. Ich habe ihn über seine Rechte und Pflichten bezüglich des Mordes in seinen Räumlichkeiten belehrt und darüber, dass er uns auf der Suche nach Zeugen behilflich sein wird. Er hat bereits zu Sprache gebracht, dass die Methodik seiner Buchführung eventuell zu unseren Ungunsten ausfallen möge.« Dabei drehte sie sich bereits ins Treppenhaus und zwang ihn so, ihr zu ihrem Wagen zu folgen, während sie ihre Strategie bei der Zeugensuche darlegte: »Ich sage Ihnen, solchen Leuten muss man direkt den Wind aus den Segeln nehmen.«

Wessels fühlte sich übertölpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt - es hatten bereits ohne seine Mitsprache Befragungen stattgefunden? Aber er begriff auch, was hier gespielt wurde: Diese süffisante Tusse mit ihrem kalten Lächeln wollte sich seinen Fall unter den Nagel reißen! Sein erster Fall seit Monaten! Höchste Eisenbahn zu handeln.

»Nun, Frau Paneolus, sie haben ja den Vorfall mit meiner Streifenbeamtin gestern gesehen, der mich davon abhielt, die Arbeiten früher anzuleiten. Wenn Sie mich also bitte in den Stand der Ermittlungen einweisen würden?«

»Was ich gesehen habe, war ein Leitender Kommissar, der wegen eines Muffensausens seiner jungen hübschen Streifenbeamtin den frisch aufbereiteten Tatort verließ und nicht mehr wiederkam.« Den schwerwiegenderen, persönlichen Vorwurf sprach sie nicht aus, doch das brauchte sie auch nicht, damit er als bitterer Nachgeschmack in der Luft stand: Er hatte den Retter spielen wollen und die »junge hübsche Maid« fortgezogen, womöglich, um später die Belohnung einzuheimsen, die ihm seiner lüstlichen Meinung nach »als Mann« zustand. Ihr Blick spie Verachtung.

»Nun Gut. Kommen sie morgen um Elf in mein Büro.« damit schlug sie die Tür ihres schwarzen Mercedes zu und brauste davon. Das saß.

Denn das Schlimme war, dass es sich tatsächlich genau so (und schlimmer) zugetragen hatte, wie er als Vorwurf in ihren Augen hatte lesen können. Und dass er eigentlich derjenige war, der sie an seinen Schreibtisch hätte bitten müssen. Den Rest des Tages verließ er eben denselben nicht mehr und stierte immer wieder auf die klappernde Tür des Großraumbüros, wo ständig Betrieb herrschte. Käme sie doch nur endlich! Er war dabei, alle Sicherheiten zu verlieren.

Am nächsten Morgen erwartete er fast schon, dass ihn ein weiteres Mal der leere Arbeitsplatz seiner vielleicht ehemaligen Hilfspolizistin verhöhnte, doch in dem Selbsthass, der sich in einer schlaflosen Nacht, dessen Morgen er schließlich doch verschlafen hatte, aufstaute, wurde er enttäuscht. Er traf Johanna im Büro an ihrem Schreibtisch an, sie schien aber wenig zu tun zu haben und klickte nur lustlos an ihrem Computer hin und her. Als er zu ihr trat blickte sie jedoch erwartungsvoll auf, ihre Miene war nicht zu lesen. Aber das brauchte er auch nicht, denn seine Worte waren zurechtgelegt: »Frau Siewers, ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Ich weiß nicht, was mich vorgestern geritten hat.« Dabei legte er das kleine eingeschlagene Päckchen vor sie auf den Schreibtisch.

»Ich schon.« sagte sie tonlos, während sie das Päckchen öffnete und darin kramte, ob alles derartig war, wie sie es von ihm erwartete. Offenbar ja, denn jetzt lächelte sie. »Etwas, das die Männer schon seit Äonen von Jahren reitet.« Dabei zwinkerte sie und schmunzelte etwas, wobei sie aufstand und neben den Schreibtisch vor ihn trat.

Damit war sich zufriedenzugeben. Er würde sie nicht fragen warum sie gestern nicht zur Arbeit erschienen war. Vielleicht war sie auch nur weggeblieben, um ihm an seiner eigenen Unruhe vor Augen zu führen, wie dämlich er sich benommen hatte.

»Ich fürchte, ich muss mich ebenso entschuldigen, Herr Wessels«, wobei sie das »Herr« sarkastisch betonte, »ich habe mich hinreißen lassen, Sie zu demütigen...«

»Frau Siewers, nein...« unterbrach er sie, in Überzeugung seiner Schuld,

»...und das stand mir nicht zu.« sprach sie ruhig zu Ende.

Er schwieg zustimmend. Sie wollte einen Ausgleich schaffen, obwohl sie beide wussten, dass er den ersten großen Schritt in eine falsche Richtung getan hatte. Das war entgegenkommend.

»Ich war wohl etwas außer mir...« Unmerklich schweifte ihr Blickfokus durch ihn hindurch, bevor sie sie sich mit unschuldigem Lächeln wieder fing. »Und bitte nennen Sie mich Johanna.« fügte sie schließlich nach einer kurzen Pause hinzu, in der sie sich ehrlich in die Augen sahen, und streckte die Hand aus, gleichermaßen zur Versöhnung wie zur Bekräftigung des Dus.

»Ja, verständlich. Til.« erwiderte er nur und schlug ein, sehr erleichtert, welch harmonischen Ausgang das Gespräch nahm. Sie würden weiterhin zusammenarbeiten können. Vielleicht würde sie das gemeinsame Geheimnis sogar noch zusammenschweißen. Als Kollegen.

Paneolus' Büro lag ganz am Ende eines niedrigen Gebäudetraktes einer Seitenstelle am Rande der Innenstadt -- ein Umstand, den sie offensichtlich damit wettzumachen suchte, jeden ihrer Untergebenen zu jeder Uhrzeit und Lappalie herzubeordern -- Eine Reihe von Untergebenen, an die er sich nun anstellte. Als der letzte Speichellecker endlich die geriffelte Glastür verließ, empfing ihn seine Kommissarin mit ihrem ewigen, berechnenden Lächeln.

»Endlich sind Sie da, Herr Wessels.« Sie sah kaum auf, während sie einige Dokumente wegsortierte.

Wessels vermutete, dass der Schreibtisch zu jeder Zeit zu pedantisch frei war, und sie ihn allein damit ärgern wollte, dass sie nun Papiere hin und her schob.

»Ich hatte mit Ihnen um Elf gerechnet.« Die stillose Wanduhr an der Seite ging gegen viertel vor Zwölf. Der ganze Raum wirkte auf kalte Art generisch, austauschbar, als perlte jede Art von menschlichem Einfluss davon ab, doch es gab keinen Grund, auf die der Tropfen hätte fallen können.

Sollte das ein Witz sein? Nicht einmal sie konnte so dreist sein! »Ich habe eine geschlagene Stunde vor ihrem Büro gewartet, dass ich endlich durch konnte!«

»Ich hatte Sie nicht für jemanden gehalten, der sich gerne hinten anstellt, als Leitender Kommissar.« Ihr Augen sahen nun fast mitleidig über den makellosen Zähnen hervor. Ob sie ihre Schlagfertigkeit vor dem Spiegel trainierte? Wahrscheinlicher noch, dass sie jegliche kommunikative Situation bewusst zu ihren Gunsten einrichtete. Wie gut kannte sie ihn? Konnte er sie noch überraschen? »Aber wahrscheinlich ist es besser, dass sie ihre Kollegen abgewartet haben. So habe ich ein größeres Zeitkontingent für Ihr Anliegen.« Nun richtete sie sich auf, ließ alle Papiere stecken und ihr Gesicht wechselte mechanisch zu einem Ausdruck von Freundlichkeit. »Warum kommen Sie nicht einfach direkt mit zum Meeting?«

Mit etwas mulmigem Gefühl folgte er Paneolus zur Teambesprechung, die sie um Zwölf Uhr einberufen hatte. Dies war ein Heimspiel für sie, er dagegen wurde herumgeführt wie ein angeleinter Hund.

Als sie sich dem engen Sitzungsraum näherten bemühte er sich um einen aufrechten Gang und zog das Holster seiner Waffe zurecht. Viele Kommissare sahen es als Privileg, keine Dienstuniform tragen zu müssen, er dagegen wollte sich zu seinen Männern unter Gleichen gesellen, außerdem genoss er die autoritäre Ausstrahlung in der Öffentlichkeit. Tatsächlich stellte sie ihn sofort überraschend freundlich vor und gab ihm sogar Gelegenheit, selbst ein paar Wort an die kleine Gruppe zu richten; pochte sie darauf, dass er sich abermals blamierte? Weitere »Inkompetenzen« zur Schau stellte? Den Gefallen würde er ihr sicher nicht tun.

»Wessels. Til, Wessels, KriPo 3, Leitender Kommissar in dieser Sache.« Er war aufgestanden, ihm entgingen nicht einige verwirrte Blicke zu Paneolus hinüber, die sich an der Tür gehalten hatte, doch die nickte unterstützend. Vielleicht war sie ja doch nicht so unkooperativ, wie er angenommen hatte und nutzte die kalte Fassade nur als Schutz vor den unschönen Einflüssen ihres Berufs? Wer weiß, vielleicht war sie privat sogar recht empfindlich? So oder so war er froh, dass der Fall nun wieder in seiner Hand lag - der gestrige Tag schrumpfte damit zu nicht mehr als einer Atempause.

Im folgenden diskutierten sie dann erste Ermittlungsschritte und kamen überein, dass sowohl der Hotelbetreiber mit der angeblich schlampigen Buchführung noch einmal befragt werden müsse, sowie DNA-Analysen aus den Abteilungen Forensik und Beweismitteltechnik zusammengeführt und abgeglichen werden sollten. Widerwillig musste er Dr.Paneolus dafür loben, dass sie das Wunder vollbracht hatte den Tatort zu bereinigen, noch bevor die ersten Pressefritzen dort eingetroffen waren. Sie erstellten noch eine Liste mit Kontaktdaten der einzelnen Experten und dann löste er die Sitzung auf. Paneolus hatte sich tatsächlich nur wenig eingemischt und sie quittierte den Nachmittag mit einem weiteren Lächeln und gab ihm die Hand zum Abschied. Zufrieden verließ er die kleine Dienststelle und setzte sich in den Wagen. Sie waren erstaunlich schnell vorangekommen, es blieben noch zwei Stunden bis Feierabend.

Wessels kehrte also nochmal zurück auf die Wache. Dort begegnete er prompt Johanna, die sich im Flur gerade ihre dicke Dienstjacke anstreifte und den brandneuen Holster an den Gürtel hängte, wobei sie die übrigen Utensilien hinter ihre Hüfte verlagerte, damit man die Waffe besser sehen konnte. Er musste grinsen. Auch er hatte damals in den ersten Wochen so einige Unbequemlichkeit beim Sitzen in Kauf genommen, nur damit seine Waffe nicht von irgendwelchem Krimskrams am Gürtel verdeckt wurde. Nun unterdrückte er das Grinsen, noch war er sich unsicher über den Boden, auf dem er mit ihr stand. Ihre Miene aber hellte sich sofort auf, als sie ihn gewahrte.

»Da sind Sie ja! Sie... äh, ne, Du hast mich schon den ganzen Tag nicht mehr gefragt, ob wir auf Streife fahren sollten. Mir war so langweilig, ich wäre doch beinahe mit deinem Jörg gefahren!« witzelte sie.

Er lächelte schal. Ihre Annäherung kam ihm wiederum ein bisschen zu reibungslos. Aber vielleicht war es besser, wenn das vorgestrige Geschehen einfach ein für alle Mal aus der Welt war. Zudem war er dem Gedanken einer geruhsamen Feierabendrundfahrt nicht abgeneigt, auch wenn sein Aufgabenbereich nun eigentlich woanders lag. Aber eine gemütliche Gondelei allein mit Johanna —; Er tadelte er sich für die aufkeimende Sehnsucht.

»Na wenn Du willst, ich freu mich.«

Außerdem war die stille Fahrt durch die dunkelnden Alleen eine angenehme Gelegenheit, den Stress des Tages davonzuplauschen. Sie unterhielten sich harmonisch und er erzählte ihr von den Fortschritten, die sie heute mit dem Mordfall gemacht hatten, während der Frost unsichtbar in die reglosen Baumwipfel zog. Dabei ignorierte er sogar geflissentlich, wenn sie die Jacke öffnete und man im richtigen Winkel noch immer ihre Nippel durch ihren Pullover stechen sah. Konnte es sein, dass sie seit gestern schon keine Unterwäsche mehr trug? Oder bezog sich das nur auf das Oberteil? Er hatte von Frauen gehört, die aus Prinzip keine BHs mehr anzogen. Aber gestern hatte sie doch einen angehabt? Hatte sie gewollt, dass ihr Busen sich am ersten Arbeitstag besonders attraktiv zusammenwölbte? Er konnte sich die prallen Konturen ihrer Brust im schattenen Zwielicht vorbeiglänzender Straßenlaternen nicht noch attraktiver vorstellen. Anders aber als am vorigen Tag bedachte er sie nicht mehr mit stumpfer Geilheit sondern fühlte sich eher... liebevoll.

Johanna zeigte sich sehr interessiert und er versprach ihr, sie auf dem Laufenden zu halten. Sie hatten dann auf Johannas Vorschlag noch ein Spiel gespielt: Jeden Passanten, von dem sie von Weitem glaubten, dass der andere freiwillig mit ihm ins Bett gehen würde, musste derjenige auf den Ausweis kontrollieren -- manchmal hatten sie ihr Gekicher nur mühsam unterdrücken können -- wie zwei Kinder, die einen Streich spielten, von dem sie eigentlich ahnten, dafür zu jung zu sein.

Wessels verließ die Wache mit einem warmen Gefühl in der Brust und trabte nach Hause. Es war ein schöner Abend gewesen. So ganz ohne Erektion. Na ja, fast.

5

Die Ermittlungen liefen erfreulich an, Stück für Stück begann sich eine beachtlich Beweislage zusammenzufügen. Allein die ganzen »Folterutensilien« ergaben schon einen bemerkenswerten Haufen an Material, was die halbdunkle Asservatenkammer fast zu einer Art S/M-Keller mutierte.

Sie hatten in der Befragung des Hoteliers erfahren, dass angeblich Nadia, das Mädchen, das auch Wessels und Johanna am Tatort empfangen hatte, zur wahrscheinlichen Tatzeit Schicht geschoben hatte, welche aber wiederum hartnäckig das Gegenteil behauptete, dafür sogar ein semi-stabiles Alibi vorzuweisen im Stande war, jedoch ebenso keine Auskunft darüber gab, wer stattdessen die Rezeption besetzt haben sollte (genau so wenig wie der Hotelier, der an seiner Geschichte festhielt). Eine Liste seiner Gäste war er jedoch nicht bereit herauszugeben und dazu bedauerlicherweise auch nicht verpflichtet, sodass sie vorerst keine weiteren Zeugen suchen konnten als diese beiden. Die Forensik war sich mittlerweile so gut wie sicher, dass die Tat am Vorabend stattgefunden haben musste; Der Hotelier wollte indes jedoch an besagtem Abend nichtmal im Haus gewesen sein.

Auch wenn man hier eine Sackgasse hätte vermuten können, sah Wessels dort ganz im Gegenteil einen Ansatzpunkt, einen Spalt, wo er den Hebel verkeilen konnte, um die widersprüchlichen Aussagen ihrer beiden Problemfälle zu knacken. Er war sich vollkommen sicher, dass sie beide logen, nur noch nicht worin genau. Denn offensichtlich vermischten sich hier Wahrheit und Fiktion.

Nun sollten die Ergebnisse der DNA-Analysen endlich das Zünglein an der Waage sein, welches die Waagschale der Justitia zu ihren Gunsten senkte. Wessels unterstellte zwar weder Nadia noch ihrem Chef diesen Mord, doch es würde einen befriedigenden Fortschritt bedeuten, die beiden mit Sicherheit auszuschließen, allein schon einer erneuten Bestätigung seiner Menschenkenntnis wegen. Erleichternder als ein gelungenes Verhör war nur eines, das gar nicht erst stattfand.

Sie standen also vor der zur Sicherheit stets verschlossenen Tür des notdürftig eingerichteten Labors der städtischen Polizeizentrale und warteten auf Dr. Probst. Nach dem Haufen Papierkram, der ihm am Vormittag aufgebrummt worden war (teils sogar noch von Vorgestern) erleichterte ihn diese Abwechslung, auch weil er dadurch nochmal Zeit mit Johanna verbrachte. Sie hatte ihn gebeten mitkommen zu dürfen und zu dem Anlass sogar verraten, dass sie ihn angeflunkert hatte und dies tatsächlich ihr erster Mordfall wäre, wenn er sie denn liebenswerterweise miteinbezöge. In dem Lichte besehen war es ein Wunder, dass sie beim Anblick der verstümmelten Leiche nicht gleich umgekippt war. Ein Tag frei ging da voll in Ordnung. Wessels hatte nichts dagegen -- sollte sie ruhig mal ein wenig ernsthafte Polizeiarbeit mitbekommen, er konnte sie ja schlecht im Büro versauern lassen. Dem sehnsüchtigen Flehen in ihren Augen hätte er ohnehin nicht länger widerstehen können; zum Dank hatte sie ihn abermals auf die Wange geküsst und sich an ihn geschmiegt wie eine schnurrende Katze. Sie signalisierte tatsächlich doch wieder mehr Zeichen der Zuneigung - vielleicht sollte er mit ihr doch noch nicht die Flinte ins Korn werfen.

Dr. Probst verspätete sich. Dabei mussten sie doch um 15:15 Uhr schon wieder beim Meeting in der Dienststelle von Paneolus sein, die ihr Büro mit dem (zugegebenermaßen berechtigten) Argument, dass alle Akten und Daten nun einmal dort gesammelt worden waren, zum Hauptquartier erklärte. Niemand hatte Lust, die jetzt schon instabilen Aktentürme hinüber in eine andere ebenso unbedeutende Dienststelle zu verfrachten, ganz abgesehen davon, dass ohnehin keiner von ihnen darin bewandert war, überhaupt Daten zu bewegen, geschweige denn sie aus den Computern herauszuholen. Wessels hätte sie trotzdem lieber mit Mann und Maus einfach ausgestöpselt und eingeladen, als sie unter Paneolus' gierigen Griffeln zu wissen. Seine Antipathie gegen jene kaltschnäutzige Kollegin hatte sich nicht verflüchtigt, auch wenn er damit zunehmend an rationalem Boden verlor. Sie benahm sich jüngst wirklich ausgezeichnet kooperativ.

Als der etwas wirre und übermüdete Chemiker dann tatsächlich eintraf, ging es schon gegen drei und ihnen blieb gerade genug Zeit, den Zugang zum Labor zu öffnen, denn hinter der ersten unscheinbaren Bürotür versperrte, nach einem Durchgang mit einem Regal voller Mundschütze, Maleranzügen und Schuhkappen, eine weitere verglaste Tür den Zugang zum Labor, die mit einer Zahlenkombination gesichert war, welche Wessels sich zur Sicherheit aufschrieb. Außerdem bekam er den Schlüssel für die Vordertür ausgehändigt.

»Dies ist einer von drei Schlüsseln, Herr Kommissar Wessels.« plapperte er. »Diesen haben Sie, den anderen ich, den wiederum anderen hat schon Frau Doktor Paneolus, die bereits gestern hier war, als ich noch keine Ergebnisse besaß. Ich habe Kästner schon seit Ewigkeiten gebeten, uns ein paar Ersatzschlüssel zu besorgen. Die Tür muss immer geschlossen sein, sonst kriegen wir Ärger von Herrn Direktor Mantewern!«

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