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Weihnachten - 03. Advent

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Christina machte Frühstück, dann ging sie in die Stadt. Sie war schon seit längerem mit Elke verabredet, und da sie eh nichts anderes vorhatte, konnte sie genauso gut hingehen. Leider erwies sich Elke als no langweiliger, als sie in Erinnerung hatte. Sie hatten sich in ein Café gesetzt, und Elkes endloses Geschwätz über ihren letzten Freund war mehr, als sie ertragen konnte. Wie konnte man sich nur mit so jemand belasten? Der Kerl klang nach Verlierer. Kein Geld, keine Haus, kein Auto. Und langweilig dazu -- vor allem im Bett, nach allem, was Elke erzählte. Christina nickte ab und zu und steuerte ein gelegentliches „Ehrlich?" oder „Echt jetzt?" bei. Mehr konnte sie sich beim besten Willen nicht abringen. Plötzlich fiel ihr auf, dass Elke nichts mehr sagte. Christina schaute auf, und sah sich Elkes fragendem Gesicht gegenüber.

„Entschuldige. Ich war kurz weg." Elke zog die Braue hoch.

„Und was lenkt dich so ab? Der reiche Typ, auf den du abfährst? Wie hieß er noch -- Paul Ehrlich?" Christina zuckte betont gleichgültig mit den Schultern. „Das ist mein neuer Chef. Wenigstens, bis ich endlich einen vernünftigen Job an Land gezogen hab. Ein Shooting, oder eine Modenschau."

Elke betrachtete sie lauernd.

„Ich kenn dich doch. Da ist doch was im Busch. Immer, wenn du so betont gleichgültig tust, heckst du was aus."

Christina setzte ihr unschuldigstes Gesicht auf. „Der Typ ist schon ok. Aber auch verheiratet." Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie an Bianka dachte.

Elke war noch nicht bereit, nachzugeben. „Als würde dich das stören. Und reich ist er dazu. Du verschweigst mir doch nichts schmutziges, oder?"

Christina lachte laut. „Schön wär's."

„Ach komm, du bist doch meine Freundin. Ich erzähl dir auch immer alles."

Elke hatte Blut geleckt, kein Zweifel. Bei Christina klingelten alle Alarmglocken. Elke war die schlimmste Tratsche überhaupt. Es gab nichts und niemanden, über den sie sich nicht das Maul verriss. Sie würde lieber tot umfallen als der dummen Ziege was von dem zu erzählen, was sich in den beiden letzten Wochen zugetragen hatte.

Elke sah sie noch eine Sekunde forschend an, dann lenkte sie endlich ein. „Na gut, wenn du das sagst." Sie zucke mit den Schultern und fing an, wieder über ihren Freund zu reden. Christina lehnte sich zurück und überlegte, mit welcher Ausrede sie am besten die Flucht antreten konnte.

Der Rest der Woche zog sich ereignislos dahin. Das einzige, was Christinas drögen Alltag auflockerte, war die Aussicht auf ihren nächsten Abend allein im Einkaufszentrum. Das Gefühl gespannter Erwartung, dass sie dieser Tage immer häufiger empfand, baute sich mit jeder Minute weiter auf. Sie war zwar nicht mehr wund, aber sie hatte sich trotzdem dazu entschieden, ihre Wette mit sich selbst einzuhalten und auf jede Art von Selbstbefriedigung zu verzichten.

Endlich war der Freitag da. Christina beschloss, nicht länger zu warten. Sie schminkte sich und zog sich an. Ihre Wahl fiel auf einen kurzen Rock mit Pulli. Der Pulli lag eng an, und der Ausschnitt lenkte die Aufmerksamkeit unfehlbar auf die richtigen Stellen. Vorbereitung war alles, sagte sie sich.

Ihr Blick fiel auf die Uhr. Sie war noch viel zu früh, aber was machte das schon. Im Gegenteil, das war die perfekte Gelegenheit, noch etwas zu schnüffeln. Ihr letzter Versuch in der Richtung hatte sich eindeutig gelohnt, und wer wusste schon, was für nützliche Informationen ihr der Zufall heute in die Hände spielen würde?

Im Einkaufszentrum angekommen beschloss sie, erst einmal ihre Tasche im Wachraum zu deponieren. Walter begrüßte sie mit einem knappen Nicken. Und er war nicht allein. Neben ihm stand ein muskulöser Typ mit Kurzhaarschnitt, kantigem Gesicht und einer Art von dunkler Uniform. Um den Bauch trug er einen breiten Gürtel mit Taschenlampe, Schlagstock und Handschellen. Daneben stand Luigi. Luigis Gesicht leuchtete auf, als er sie sah. Christina stöhnte innerlich.

„Signora Christina. Che bella. Als ob die Sonne aufgeht." Luigi stand auf und riss die Arme auseinander, als wolle er ihr um den Hals fallen. Christina wich alarmiert zurück, und beinahe hätte sie den Rückzug durch die offene Tür angetreten. Sie stand schon halb im Flur. Walter lächelte säuerlich, und der Typ im Koppel grinste.

Luigi ließ die Arme sinken, nicht im Mindesten entmutigt. „Signora, das ist Jürgen." Er deutete auf den militärisch wirkenden Typ in der schwarzen Montur. „Ein guter Freund von uns."

Jürgens Blick wanderte dreist an ihr rauf und runter. Er versuchte nicht einmal, es zu verbergen. Er grinste völlig ungerührt und starrte ihr unverhohlen auf die Brüste. Christina wurde blass vor Wut. Sie deutete mit dem Daumen auf Jürgen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

„Und was macht dieser Heini hier? Das hier ist ein Büro. Er kann woanders glotzen." Jürgen richtete sich ärgerlich auf und wollte gerade etwas sagen, als sich von hinten Schritte näherten. Paul Ehrlich kam den Gang entlang.

Paul nickte in die Runde. „Dann sind ja alle da." Er sah Christina an. „Und du bist auch schon hier. Du bist ja richtig eifrig." Christina strahlte ihn förmlich an. Sie drückte sich kurz gegen ihn, als er an ihr vorbei ins Büro gehen wollte, und sah ihm in die Augen. Paul schien es nicht zu merken. Er lächelte nur kurz zurück und zeigte in die Runde.

„Ich mein, du kennst Luigi schon Und das ist unser Wachmann." Er deutete Richtung Jürgen. Jürgen hatte ein neutrales Gesicht aufgesetzt, offensichtlich nicht gewillt, vor Paul eine schlechte Figur zu machen.

„Jürgen Hoffmeister.", schnarrte er. Nach einer Sekunde fügte er hinzu. „Du kannst gern Jürgen sagen." Er klang immer noch beleidigt, aber er streckte den Arm aus und reichte ihr eine schwielige Hand. Christina drückte sie widerwillig. Dann besann sie sich und schenkte ihm ein Lächeln.

„Christina. Ich bin die neue hier." Sie verlängerte die Berührung um eine halbe Sekunde. „Gott, was für ein Händedruck.". Sie lachte, schüttelte ihre Hand, als wolle sie sie lockern und warf den Kopf zurück. „Dann bist du bei der Sicherheit? Ich rate mal, die bösen Jungs haben nichts zu lachen, wenn du auftauchst. Nicht bei den Pranken, die du hast."

Jürgen schien mit jedem Wort von ihr zu wachsen. Er lehnte sich selbstgefällig an die Wand, betrachtete seine Hände und grinste. „Wenn's sein muss, lang ich ordentlich zu. Da kenn ich überhaupt nichts." Er verpasste seinem Schlagstock einen vielsagenden Klaps. Das Ende flog hoch und wischte Walters Kaffeetasse von dem kleinen Aktenschrank, auf dem er sie abgestellt hatte. Der heiße Kaffee ergoss sich über Jürgen Hose, und er sprang fluchend auf. Dann zog seinen Koppel aus und suchte hektisch nach etwas, mit dem er sich abtrocknen konnte. Walter seufzte einmal tief, stand auf und reichte ihm schweigend ein paar Servietten. Jürgen drückte ihm den Gürtel in die Hand und begann, sich eilig abzutupfen. Er versuchte, die nassen Servietten in den Mülleimer zu werfen, verfehlte ihn und ging mit rotem Kopf hinterher, um sie aufzuheben. Walter schaute einfach zu. Er schüttelte den Kopf und rollte vielsagend mit den Augen, bevor er Jürgens Koppel zur Seite legte und sich seufzend in den Sessel fallen ließ.

Christina musste sich zusammenreißen, angesichts der Szene nicht einfach laut zu lachen. Jürgen bemühte sich, von seinem Auftritt zu retten, was zu retten war. Er schaute zu ihr her. „Ich mein, wenn du mal Ärger hast, dann kannst du auf mich bauen. "

Christina tat, als hätte sie den Zwischenfall mit dem Kaffee überhaupt nicht wahrgenommen.

„Dann kommst du sofort her? Ich mein, wenn es Alarm gibt?"

Jürgen nickte, erst ein wenig schwerfällig, dann deutlich motivierter. „Da kannst du was drauf wetten. Wenn's Ärger gibt, dann komme ich. Da hält mich niemand auf." Christina stöhnte innerlich. Der Kerl war dumm wie Brot.

„Und wie läuft das dann ab? Ich hatte neulich solche Angst. Ich war ja ganz allein. Gleich an dem ersten Tag. Da war so ein Geräusch. Ich hab mich fast nicht raus getraut." Sie schaute Jürgen mit großen Augen an. Jürgen grinste, nun deutlich gefestigter.

„Drück einfach auf den Knopf." Jürgen deutete auf den fetten, roten Knopf in der Wand, den Steffi ihr gezeigt hatte. „Ich bin dann sofort hier." Er grinste überheblich. „Von daher, keine Angst."

Christina nickte erfreut. „Und du bist immer da? Die ganze Weihnachtszeit?"

Jürgen schnaufte. „Ich bin auch mal in Urlaub. Ist aber kein Problem. Ich war grad eine Woche weg. Jetzt bin ich länger da." Er griff in eine seiner Taschen und holte eine abgegriffene Visitenkarte heraus. „Jürgen Hoffmeister. Bewachungsdienst" stand darauf. Jürgen zückte einen Kugelschreiber und schrieb eine Handynummer auf die Karte. „Und wenn mal wieder etwas ist, dann rufst du einfach an. Ich nehme immer ab."

Christina nahm die Karte. Sie ging sogar so weit, ihn anzulächeln. „Danke sehr. Das hilft mir wirklich weiter." Rauszukriegen, was du treibst, dachte sie bei sich.

Jürgen grinste sie dämlich an, offensichtlich überzeugt, sie ausreichend beeindruckt zu haben. „Du kannst auch so mal anrufen. Ich wohn ganz in der Nähe." Er machte eine vielsagende Pause, dann fügte er hinzu. „Ich hab das Haus für mich."

Christina lächelte zuckersüß. „Das war mir eigentlich klar."

Jürgen schaute verunsichert, offensichtlich überfordert, aus ihrer Antwort Sinn zu machen. Walter verzog gehässig den Mundwinkel und grinste vor sich hin. Paul räusperte sich.

„Christina? Lässt du uns kurz allein? Ich wollte was besprechen."

Christina erstarrte, dann nickte sie knapp. „Na klar, ich bin schon weg. Ich wollte eh noch shoppen." Sie drehte sich abrupt herum und ließ die Tür krachend hinter sich in Schloss fallen.

Christina kochte fast. Paul machte sie verrückt. Sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, um eine Reaktion von ihm zu kriegen, aber nichts hatte funktioniert. Erst ignorierte er sie, dann sah er völlig ungerührt zu, wie sie mit diesem Arsch von Jürgen flirtete, und dann warf er sie hinaus. Was trieb er für ein Spiel?

Von einer Sekunde auf die andere kam der Zweifel zu ihr zurück. Was, wenn es doch nicht Paul war? Was, wenn jemand anders die Geschenke brachte? Am Sonntag war der dritte Advent. Was würde sie unternehmen, wenn überhaupt keiner ein Geschenk für sie deponierte?

Christina stapfte frustriert durch das Einkaufszentrum. So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt. Sie ging eilig am Wäscheladen vorbei. Alles, bloß nicht wieder Bianka über den Weg laufen, dachte sie sich. Die fehlte ihr gerade noch. Sie merkte erst, wo sie war, als sie vor dem Sexshop stand. Sie zögerte und sah sich um, aber so spät war kaum noch jemand da, und sie hatte eh noch Zeit totzuschlagen. Warum nicht etwas schnüffeln. Christina ging hinein. Ein schlankes Mädchen saß hinter dem Schalter und blätterte gelangweilt in einem Magazin, sonst war der Laden leer. Christin ging herüber.

„Entschuldigung. Ist Pawel da?"

Das Mädchen wirkte überrascht. Vermutlich kam es nicht jeden Tag vor, dass jemand wie Christina sich nach ihrem Chef erkundigte. „Nee. Der ist heut weg. Er kommt erst Montag wieder. Kann ich dir mit was helfen?"

Christina nickte freundlich. „Nein Danke, ich schau mich nur mal um." Wenn Pawel wirklich weg war, hatte sie ihr schon geholfen. Sie wollte gerade nach hinten gehen, als ihr etwas einfiel.

„Halt warte mal, ich wollte noch was fragen." Das Mädchen schaute hoch. „Ich hab da was gesehen. Das soll was ganz besonderes sein. So eine Art -- Vibrator." Sie beschrieb das silberfarbene Ei, dass Steffi sich bestellt hatte. Es war albern, aber es hatte sie die ganze Zeit über beschäftigt. Der kleine Nerd von Steffi kannte sich allen Ernstes besser mit solchen Sachen aus als sie. Irgendwie hatte sie keine Lust, das auf sich sitzen zu lassen.

Das Mädchen nicke langsam. „Das ist was völlig neues. Hat einen tollen Akku. Voll fernbedienbar. Wart, ich hol dir einen."

Das Mädchen verschwand im Lager und kam nach kurzer Zeit mit einer Schachtel zurück. Sie öffnete sie und nahm den Vibrator heraus, dann ein kleine Fernbedienung. Sie drückte Christina den Vibrator in die Hand.

„Nimm den Mal in die Hand. Und dann mach eine Faust."

Christina schloss neugierig ihre Hand um das Gerät, und das Mädchen drückte einen Knopf der Fernbedienung. Der Vibrator erwachte summend zum Leben. Christina fuhr zusammen. Die Vibration war irre stark. Beinahe hätte sie das Ei zu Boden fallen lassen, aber dann erwischte sie es noch.

Das Mädchen zwinkerte ihr zu. „Ist irre, was? Und das war nicht einmal die höchste Stufe. Geht umgekehrt auch deutlich sanfter. Du kannst es runterregeln, bis du kaum noch etwas spürst." Sie verdrehte die Augen. „Das macht dich irre heiß."

Christina schüttelte den Kopf. „Ich glaube, das ist nichts für mich." Irgendwie war ihr das Gerät unheimlich. Die Schwingung ging ihr durch und durch, und dabei hatte sie es einfach nur in der Hand gehalten. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie sich das in ihr drin anfühlen würde. Stopfte Steffi sich das Ding auf höchster Stufe rein?

Das Mädchen lachte. „Kein Problem. Aber du verpasst was."

Christina winkte ab. „Danke, aber danke nein. Das Ding ist nicht mein Fall." Sie ging weiter in den hinteren Teil des Ladens. Die Blicke des Mädchens folgten ihr, aber es war ihr gleich. Sie fühlte sich gut. Sie war kein dummes, kleines Ding. Sie wusste, was sie wollte.

Neugierig untersuchte sie Outfits, Spielzeug und die scheinbar unendliche Auswahl an Fesseln, Handschellen und Schlössern aller Art. Die schweren Lederbänder hatten es ihr angetan. Sie befühlte das Material, strich über das weiche Futter und versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, eines an einem Arm oder Bein zu befestigen. Oder alle. Vermutlich ähnlich, wie in dem Fensterrahmen fest zu hängen. Bequemer, und noch unentrinnbarer. Ein Schauer lief durch sie hindurch.

Das rote Set war leider nicht mehr da, stellte sie mit Bedauern fest. Sehr schade, das Leder hatte ihr gefallen. Sie streifte weiter durch den Laden, bis das Mädchen rief „Wir schließen jetzt." Christina sah auf die Uhr. War es wirklich kurz vor acht? Höchste Zeit, zu gehen.

Sie öffnete gerade die Tür zum Wachraum, als sie Jürgen mit eiligen Schritten aus der Toilette am Ende des Ganges kommen sah. Seine Hose saß aus, als hätte er sich eingenässt. Vermutlich hatte er versucht, die Flecken auszuwaschen. Christina ging hinein. So, wie sie ihn angeflirtet hatte, bildete er sich am Ende noch was ein. Typen wie er bildeten sich dauernd irgendetwas ein. Hielten sich für unwiderstehlich, Gottes Geschenk an die Frauen und so weiter, und so fort. Sie zog die Tür hinter sich zu und sah sich um. Der Raum war leer, das Treffen wohl beendet. Walter hatte nicht auf sie gewartet. Vermutlich würde sie sich nächsten Samstag wieder was anhören müssen, weil sie nicht pünktlich gewesen war. Aber sie war pünktlich gewesen. Sie war sogar zu früh gewesen. Bis Paul sie rausgeworfen hatte.

Pauls Verhalten ärgerte sie immer mehr. Vermutlich lag es an dem Zweifel, den sein Verhalten in ihr auslöste. Sie wusste nicht mit Sicherheit, von wem die Geschenke kamen. Vermutlich war es Paul. Sie war sich beinah sicher. Wer sonst kam in Betracht? Höchstens einer dieser traurigen Verlierer, mit denen er sich eben besprochen hatte. Genau das war der Punkt. Die Vorstellung, ausgerechnet einem dieser furchtbaren Versager auf den Leim zu gehen, war mehr, als sie ertragen konnte. Sie musste unbedingt rausfinden, wann Jürgen weg gewesen war. Wenn er an ihrem ersten Samstag gar nicht da gewesen war, dann kam er auch nicht in Frage. Nicht, dass er überhaupt in Frage kam. Der Kerl war viel zu dumm. Ein echter Idiot. Sowas konnte man gar nicht spielen. Das musste einfach echt sein. Ihr Blick fiel auf den Sessel. Jürgens Koppel lag darauf. Vermutlich hatte ihn der Trottel auch noch vergessen. Christina hob ihn achtlos hoch und warf ihn auf den Boden, bevor sie sich in den Sessel fallen ließ.

Sie sah die Monitore an. Alles war so still. Frustrierend still. Sie konnte nichts als warten. Würde es ein weiteres Paket für sie geben? Anfang der Woche war sie sich so sicher gewesen. Was sollten sonst die Zahlen? Und wann und wo würde es auf sie warten? Und was würde drin sein? Die Geschenke vorher hatten alle einen Bezug zu ihren Aktivitäten in der Nacht gehabt. Sollte sie was an-stellen? Eine weitere Show vorbereiten? Und was? Sie hatte keinen Plan, und ihre Unruhe nahm mit jeder Sekunde weiter zu. Sie beschloss, erst mal eine Runde durch das Einkaufszentrum zu machen.

Christina ließ sich ziellos treiben. Sie war entsetzlich geil, aber ihr fehlte das Ventil. Statt sie zu beruhigen, irritierte sie das Einkaufszentrum nur noch mehr. Das Lichtermeer der Eingangshallte blendete sie, und das ständige Gedudel aus den Lautsprechern machte sie verrückt. „Ihr Kinderlein kommet" schallte es durch die Eingangshalle, und der Weihnachtsmann lachte sein schepperndes „Ho Ho Ho." Sie zog ihm seine alberne Mütze über das Gesicht, aber das half nur kurzfristig, etwas Dampf abzulassen. Wenigstens nachts hätten sie das Spektakel abschalten können, dachte sie.

Sie ging zum Juweliergeschäft, aber dann stoppte sie. Vermutlich war es nicht sehr klug, sich hier herum zu treiben. Nicht, wenn Bianka ein- und aus ging. Das gleiche galt für den Wäscheladen. Das Gefühl, unwissentlich in Biankas Reich eingedrungen zu sein, jagte ihr noch immer eine Gänsehaut über den Rücken. Sie spielte mit dem Gedanken, zum Sexshop zu gehen, aber das war auch nichts Neues mehr. Sie strich durch die dunklen Gänge, die Taschenlampe in der einen, den tragbaren Alarm in der anderen Hand, und wurde immer nervöser. Ein seltsames Gefühl, nicht allein zu sein, verstärkte sich in ihr. Es war, als würde sie beobachtet. Als wüsste jemand, was sie tat, und alles, was sie dachte. Vielleicht sollte sie etwas kürzer treten, überlegte sie sich. Paul den nächsten Schritt machen lassen. Alle Geschenke, die sie erhalten hatte, hatte sie sich in gewisser Weise selber ausgesucht. Sollte er sich doch Gedanken machen. Christina ging zurück. Pauls Büro war dunkel. Vermutlich war er weg. Christina registrierte es verstimmt. Sie war immer noch wütend, wie er sie behandelt hatte. Nun, umso mehr ein Grund zu warten. Der nächste Schritt lag bei jetzt ihm. Sie würde sich nicht noch einmal abweisen lassen.

Sie zog die Tür zum Wachraum auf. Das blaue Licht der Monitore schien ihr ins Gesicht, sonst war alles dunkel. Christina stolperte. Ihr Fuß hatte sich in Jürgens Koppel verfangen, und sie schleuderte ihn mit einem ärgerlichen Tritt gegen die Wand. Die Handschellen klirrten laut, und Christina rieb sich schmerzerfüllt den Fuß. Die Dinger waren richtig schwer. Sie fluchte und wollte den Koppel samt Ausrüstung gerade im Papierkorb entsorgen, als es ihr entgegen leuchtete. Das Päckchen lag in einer Ecke, unweit der Stelle, an der Jürgens Gürtel zu Boden gefallen war. Es leuchtete in dem vertrauten rot, und die breite, goldene Schleife glänzte trotz des fahlen Lichts.

Christina sprang auf. Sie schnappte sich das Päckchen. Das war, worauf sie wartete. Die ganze Woche schon. Wie kam es nur hierher? Ihre Augen flogen über die Monitore, aber außer leeren Gängen war nichts zu sehen. Keine dunkle Gestalt, die verstohlen durch das Einkaufszentrum huschte oder sich in irgendeine dunkle Ecke drückte. Nur Leere. Sie ging zur Tür und sah hinaus. Der Flur war gleichfalls leer. Natürlich war er leer. Sie war ja gerade dort gewesen. Alle waren fort. Vermutlich sogar Paul. Das Licht in dem Büro war aus. Er machte sie verrückt.

Christina wandte sich erneut dem Päckchen zu. Ihre Finger strichen über das tiefrot schimmernde Papier, die breite goldene Schleife und den kleinen Anhänger. Eine drei. Ihre Vermutung hatte sich bestätigt. Das waren fortlaufende Zahlen, drei für den dritten Advent. Eine Sekunde hielt sie sich zurück, ließ ihrer Fantasie freie Bahn. Was würde wohl darin sein? Sie hatte keine Ahnung. Sie hielt es nicht mehr aus. Sie riss das Päckchen auf, und ein Regen kleiner Gegenstände fiel zu Boden. Ihr wurde heiß und kalt. Da war das Schloss mit einer Uhr. Vier rote Lederfesseln. Und dann ein kleiner Pappkarton mit einem großen Knebel. Das war wie eine Blaupause für ihre Fantasien.