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Das Refugium 2 - Complete 000 - 018

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Ohne lange nachzudenken, griff sie in ihr Seil und wickelte es sich einige Male um einen Arm, während sie es gleichzeitig mit den Beinen einklemmte. Mit der anderen Hand fasste Eva nach Marianne, packte sie an einem Schultergurt ihres Klettergeschirrs und zog mit einem festen Ruck an. Marianne ließ Walter sofort los, schwebte zu Eva hinüber, griff sich Evas Seil, und legte geübt ihre Füße zu einem festen Schluss um das Seilende. Sobald Eva spürte, dass Marianne ihr Gewicht selber halten konnte, fasste sie auch mit der zweiten Hand in ihr Seil und klammerte sich fest.

Beide Frauen schlossen ihre Augen und konzentrierten alle Kraft auf ihre Arm- und Beinmuskeln. Sie befanden sich so in einer äußerst prekären Lage, an ein Hochklettern am Seil war ohne Trittschlingen nicht zu denken, aber für den Augenblick hingen sie sicher am Helikopter, und Walter war wesentlich entlastet. Sandy war keine geübte Kletterin, sie konnte sich nur krampfhaft an Walters Klettergurt halten, war ansonsten aber keine Hilfe, ihr Gewicht selber zu tragen.

Dass Marianne das Seil gewechselt hatte, war für Walter eine große Erleichterung, aber keine Dauerlösung für das Problem. Walter spürte, dass seine Arme langsam zu krampfen begannen, lange würde er diesen höllischen Ritt nicht mehr durchhalten können. Er schätzte seine Kraftreserven ab, und beschloss zu handeln, bevor es zu spät war. Er nahm allen seinen verzweifelten Willen zusammen, und löste eine Hand von dem Bergegeschirr, an dem er sich mit Sandy festklammerte.

Er tastete nach seinem Klettergurt und nestelte ein Stück Repschnur lose. Erst legte er es sich um sein festgeklammertes Handgelenk, dann schlang er es durch das Bergegeschirr und wieder zurück zu seinem Handgelenk. Einige Sekunden später hatte er einen Knoten improvisiert und zurrte seinen Arm am Handgelenk an der Bergeschlinge fest. Schmerzhaft schnitt sich die Repschnur in seinen Arm ein, die Haut platzte auf und Blut quoll hervor, aber Walter war entschlossen, lieber eine Hand zu verlieren als loszulassen. Schließlich brachte er auch seinen anderen Arm wieder hoch zur Rettungsschlinge und klammerte sich fest, immerhin konnte er damit den anderen Arm etwas entlasten, damit die Schmerzen nicht unerträglich wurden. Auch er schloss die Augen, und konzentrierte sich ausschließlich von einer auf die nächste Sekunde, in der er auch nicht loslassen würde.

Endlos schienen die vier so am Seil zu hängen, als Walter plötzlich Sandys Gewicht nicht mehr an sich zerren spürte. Entsetzt riss er die Augen auf und sah hinunter, sie hatte doch nicht etwa losgelassen? In der Tat hing Sandy jetzt nicht mehr an seinem Klettergurt, stattdessen hatte Hans sie gepackt, in das Landegestell des Helikopters gezogen, und dort gesichert. Walter hatte es in seiner Konzentration nicht bemerkt, aber endlich hatte Manfred das Bergegeschirr so weit eingeholt, dass es auf derselben Höhe wie die Landekufen des Helikopters war, und Hans hatte Sandy von Walters Klettergurt gepflückt. Sobald er sie sicher festgemacht sah, zeigte er Sandy mit einem Daumen nach oben, dass er weiter oben gebraucht wurde, und Sandy nickte zustimmend.

Hans schwang sich mit einem geübten Klimmzug nach oben in den Einstieg des Helis, als ihn die Druckwelle des nächsten Donnerschlags erfasste und in den Helikopter katapultierte. Hart schlug er mit dem Kopf gegen einen Metallspanten, und vor seinen Augen tanzten Sterne, während er aus einer gewaltigen Platzwunde zu bluten begann. Hans verkniff sich den Schmerz, wischte sich mit einer gleichgültigen Handbewegung das Blut aus den Augen, und hechtete zurück zum Eingang. Er fasste das Bergegeschirr und zog es ins Innere des Helikopters. Lisa schwebte auf ihrer Bahre herein, und Walter sackte entkräftet, die Beine nach draußen baumelnd, im Einstieg zusammen.

Hans befreite Lisas Bahre in Windeseile aus dem Bergehaken, und zerrte sie ohne Rücksicht auf Lisas gedämpfte Schmerzensschreie in den rückwärtigen Teil der Ladefläche, wo er sie mit geübten Griffen an einigen Zurrösen festmachte. Kurz traf sein Blick sich mit dem von Manfred, der sich von Zeit zu Zeit herumdrehte, um die Vorgänge im Heck des Helikopters zu beobachten. Als er Hans sichere Bewegungen sah, zeigte er kurz mit dem Daumen nach oben, Hans antwortete auf dieselbe Weise, und Manfred drehte sich wieder nach vorne, um sich auf das Fliegen zu konzentrieren. Er hatte alle Hände voll zu tun, denn schon wurden sie von den Druckwellen der nächsten Einschläge durchgeschüttelt, aber immerhin lagen diese etwas weiter entfernt, der Helikopter hatte gut Fahrt aufgenommen und brachte sie immer mehr aus der unmittelbaren Gefahrenzone. In wenigen Minuten würden sie den vergletscherten Bergkamm überfliegen, und dahinter wären sie dann endgültig in Sicherheit.

Hans zückte inzwischen sein Pfadfindermesser und schnitt Manfred vom Bergegeschirr los, kaum war dieser frei umfasste er mit schmerzverzerrtem Gesicht sein blutendes Handgelenk, das in einem unnatürlichen Winkel vom Arm abstand. Hans löste ihm die Verschlüsse eines der im Innenraum festgemachten Verbandskästen, und Walter begann, sich selbst zu verbinden.

Noch aber waren Eva und Marianne nicht außer Gefahr. Hans legte sich den Bergegurt um, und tippte Manfred auf die Schulter. Als dieser sich umsah, bedeutete ihm Hans mit einem Daumen nach unten, dass er heruntergelassen werden wollte. Manfred ließ sofort Seil aus der Winde ablaufen, und Hans schwang sich aus der relativen Sicherheit der Helikopterkabine in die Luft hinaus, um sich zu Marianne und Eva abzuseilen. Als erstes erreichte er Eva, die bereits am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Ein kurzer Blick zu Marianne, diese bedeutete ihm mit einem Nicken, dass sie zurechtkam. Hans fasste Eva um die Taille und zog sie zu sich heran, und atmete erleichtert auf, als er das Einklinken eines ihrer Karabiner in den Bergegurt wahrnahm. Nun wollte er sich um Marianne kümmern, aber diese war nicht mehr da, wo sie gerade noch gewesen war.

Einen Augenblick sah Hans bewundernd zu, wie sich Marianne mit anmutigen Bewegungen das Seil entlang nach oben hangelte, fast erwartete er, dass sie die Beine vom Seil lösen und sich lässig mit den Armen hochziehen würde, wie sie das zu ihrer aktiven Zeit sicher tausend Mal gemacht hatte. Aber Marianne war nicht zu Späßen aufgelegt, konzentriert fasste sie Zug um Zug nach und kletterte mit den Beinen mithelfend nach oben.

Hans bedeutete Manfred mit einem Daumen nach oben, dass er bereit war, und spürte sofort den Ruck, als die starke Bergewinde begann, sie nach oben zu ziehen. Hans sah hoch, langsam, aber sicher kam der Boden des Helikopters näher. Da hatte Marianne allerdings bereits das Seil verlassen und sich in das Landegestell gezogen, wo sie Sandy umarmte. Weinend und lachend zugleich lagen sich die beiden Frauen in den Armen, während Hans mit seiner Last die Höhe der Seitentüre erreichte und sich mit Eva hineinschwang. Gleichzeitig überflogen sie den verschneiten Bergkamm, hinter dem sie sich in Sicherheit wähnen konnten.

Die Russen hatten allerdings nicht vor, sie entkommen zu lassen. Sie hatten erraten, welchen Fluchtweg der Helikopter genommen hatte, und dass sie nur noch eine letzte Chance hatten. Ihre letzte Salve platzierten sie genau auf den Bergkamm, der vom Tal aus gut sichtbar war. Manfred kam nicht einmal dazu, einen seiner kurzen Flüche auszustoßen, da stiegen unmittelbar vor dem Helikopter zwei riesige Schneesäulen in die Höhe, und sie flogen geradewegs hinein.

Der Ruck war mörderisch, als der Helikopter jäh mehrere zehn Meter nach oben gerissen wurde. Am wenigsten waren Manfred und Lisa betroffen, ersterer weil sein Pilotensitz gefedert war, und Lisa, weil sie, von Hans flach liegend und sicher festgeschnallt, nirgends anstoßen konnte. Hans, Walter und Eva kamen nicht so glimpflich davon, die enormen G-Kräfte schleuderten sie auf den harten Boden des Helikopters, aber außer einigen Prellungen und Schürfwunden passierte ihnen nichts.

Marianne und Sandy allerdings, die sich außerhalb befanden, wurden voll von der Schnee- und Eissäule erwischt. Die Welt versank in weißer Gischt, und Mariannes Hände wurden von der glatten Oberfläche der Landekufe gerissen. Sie wäre unweigerlich auf den Gletscher abgestürzt, und hunderte Meter über messerscharfe Eiskanten und Steine hinabgerutscht, bis ihr zerschmetterter Körper vermutlich in einer der vielen Spalten verschwunden wäre. Aber Sandy, die nach wie vor von Hans Seil gesichert war und sich mit den Beinen zwischen den Kufen eingespreizt hatte, ließ Marianne nicht los. Als der Helikopter sich wieder gefangen und den unmittelbaren Bereich der Explosionssäule verlassen hatte, fand sich Marianne, an ihrem Klettergurt von Sandy gepackt, unter den Kufen schwebend wieder.

Sofort fasste sie mit ihren Händen wieder zu, griff sich eine der Landekufen, und nun hingen Marianne und Sandy wieder sicher. Beide blickten sich einen Augenblick zutiefst erschrocken mit weit aufgerissenen Augen an, aber dann sahen sie, dass die Andere scheinbar unverletzt geblieben war. Sandy ließ vor Erleichterung ihren Tränen freien Lauf, während Marianne mit einer Hand losließ und ihr beruhigend über die Wange fuhr, wie sie es, als Sandy noch klein war, so oft gemacht hatte.

Die Russen hatten offenbar eingesehen, dass sie nur Munition verschwendeten, und das Feuer eingestellt. Der Helikopter schwebte ruhig durch die atemberaubende Schönheit der Berge, während in der Ferne noch die Echos der letzten Explosionen nachhallten wie ein fernes Gewitter.

Marianne und Sandy hatten aber keine Muße, die schöne Landschaft zu bewundern. Außen an der Seite des Helikopters erschien Hans blutverschmiertes Gesicht. Er hatte sich auf den Bauch gelegt, und, das Schlimmste befürchtend, nach den beiden Frauen gesehen. Als er sie nun weiß eingepudert aber offenbar gesund und munter unter dem Helikopter hängen sah, lächelte er ihnen erleichtert zu, und zog dann die Bergeschlinge zu sich, um sie, eine nach der anderen, an Bord zu hieven.

Als endlich die Seitentüre mit einem dumpfen Knall zufiel, lagen sich die Geretteten schweigend in den Armen, und als sie alle wie auf ein geheimes Kommando zu Lisa hinübersahen, hob diese den Daumen und zeigte an, dass es ihr gut ging.

"Wenn ihr euch dann beruhigt habt, bitte auf die Klappsitze setzen und anschnallen," kam Manfreds Stimme über die Sprechanlage. "Verbandszeug gibt es unter den Sitzen, wer mir auf den Teppich blutet, muss danach sauber machen."

"Arsch!", rief Sandy gegen das Motorgeräusch, und Manfred hatte es wohl gehört, jedenfalls verzog er das Gesicht zu einem breiten Grinsen.

Den Rest des Fluges verbrachten alle, Manfreds Aufforderung ignorierend, erschöpft auf dem Boden sitzend und gegen die metallenen Wände des Helikopters gelehnt. Walter hatte Lisa nochmals eine schmerzstillende Spritze gegeben, und sie einschlafen lassen. Seine nächste Sorge galt dem ungeborenen Leben, das in Marianne wuchs, und er scannte sie mit dem MediBot.

"Alles Okay,", verkündete er nach einem kurzen Blick auf die Anzeigen, "es hat eine ordentliche Dosis Adrenalin abbekommen, ist aber sonst wohlauf." Und zu Marianne gewandt: "Ich gebe dir etwas zur Beruhigung, dann wirst du in einem leichten Schlaf fallen, und kommst schneller wieder runter." Marianne nickte zustimmend, und bekam ihre Injektion. Eva und Sandy hatten nur leichte Blessuren davongetragen, Evas bewährter Wickel mit einer Mullbinde etwas Wasser aus einer Feldflasche genügte, und Walter machte sich schlussendlich daran, Hans Platzwunde zu verarzten.

"Du hast auch ganz schön etwas abbekommen," bemerkte Eva, und zeigte auf Walters Handgelenk. Sie wickelte den verband, mit dem sich Walter notdürftig versorgt hatte, ab. Das Handgelenk sah übel aus, Rundherum befanden sich tief eingegrabene, blutige Furchen, und man sah an Walters etwas ungelenken Bewegungen, dass sie ihm wohl Schmerzen bereiteten.

Walter hatte sich bereits gescannt, es war in der Tat einiges kaputt gegangen, das Handgelenk war ausgekugelt, mehrere Sehnen waren gerissen und Muskeln gequetscht, aber nichts davon war ein Problem für die OP-Geräte des MediPacks. Walter zog es allerdings vor, die Behandlung in Ruhe im Refugium vorzunehmen, statt in dem vibrierenden Helikopter, und deswegen hatte er sich erst einmal nur eine lokale Betäubung gespritzt, unter der er halbwegs schmerzfrei arbeiten konnte.

Eine halbe Stunde später senkte sich der Helikopter langsam auf den Landeplatz vor dem Hangar des Refugiums, und Walter, Hans und Eva sahen zum ersten Mal staunend, wie sich in der Felswand das gewaltige Maul öffnete, hinter dem sich die Hangars erstreckten.

Lichter flammten auf, und eine große Transportplattform kam herangefahren, die den Helikopter samt seinen Fluggästen Huckepack nahm und in den Berg fuhr, während sich die riesigen Tore langsam wieder schlossen, bis ihre Verriegelungen mit einem dumpfen Schlag einrasteten.

"Willkommen im Refugium", kam Manfreds Stimme durch die Bordsprechanlage, "Sie werden gebeten, sämtliches Gepäck und Ihre Waffen in der Kabine zurückzulassen, einzeln auszusteigen und sich durch den Körperscanner, das ist der kreativ beleuchtete Metallbogen gleich neben dem Ausstieg, zu bewegen. Das Mitnehmen gefährlicher Gegenstände aller Art würde der Sicherheitschef dieser Station als Vorbereitung eines Angriffs deuten, und vorbeugende Maßnahmen ergreifen. "

Und Manfred drehte sich um samt seinem Pilotensitz, und in der Hand hielt er, zwar seitlich gerichtet aber dennoch als unverhohlene Drohung zu sehen, seine durchgeladene und entsicherte Dienstwaffe.

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Kapitel 16: Überzeugungsarbeit wird geleistet

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Frisch geduscht und in saubere weiße Overalls der Station gekleidet, hatte sich die kleine Gruppe der Neuankömmlinge auf seine Einladung hin in Manfreds Apartment getroffen, und alle saßen dort um seine große Couch herum, jeder hatte ein Getränk in der Hand. Man hätte sie für Arbeitskollegen bei einem Feierabend-Bier halten können, wären da nicht die zahlreichen Pflaster und Verbände gewesen, und Walter trug seinen Arm ruhig gestellt in einer Schlinge.

Nach ihrer Landung und Manfreds martialischem Auftritt an der Sicherheitsschleuse hatte sich die Situation schnell entspannt. Zu verdanken war das in erster Linie Walter, der in seiner präzisen Art Manfred einen schnellen Abriss der Verhältnisse in der Berghütte gab, bis zu dem Zeitpunkt, als Sandy eingeflogen war. Manfred hatte auch nicht vergessen, wer ihm mit seinem präzisen Schuss in letzter Sekunde den Arsch gerettet hatte, als Nikolais handgesteuerte Rakete den Heli beinahe erwischt hatte. So beschloss er, sein übliches Misstrauen diesmal hintan zu stellen, und er hieß die neuen Bewohner willkommen.

Eva begrüßte er herzlich, fast väterlich, und zog sie kurz in seine Arme, wobei er freilich nicht umhinkam, ihren festen, schlanken Körper und den keck vorstehenden Busen zur Kenntnis zu nehmen, dessen Spitzen sich, von keinem BH behindert, von innen gegen den Stoff bohrten. Einen Augenblick lang stellte er sich vor, wie er ihn kneten und die Spitzen saugen würde, und sofort wurde er hart in seiner Hose. Sie spürte seine Härte unzweifelhaft auch, ließ sich aber nichts anmerken. Irgendwie meinte Manfred einen Augenblick lang sogar, ein verräterisches Funkeln in Evas Augen zu sehen, bevor er sie einen Augenblick zu spät losließ.

Hans begrüßte er unverbindlich-freundlich mit einem festen Handschlag, Marianne musste sich mit einem knappen Nicken zufriedengeben. Marianne starrte trotzig zurück. Er zögerte einen Augenblick, und sagte: "Du brauchst jetzt nichts zu sagen, aber wir haben da noch etwas offen. Wir sprechen uns später noch, im Moment müssen wir erst einmal das Refugium für die Menschheit retten." Marianne nickte zustimmend und knapp. Mal sehen was passierte, wenn sie ihre Schuldigkeit getan hatte, und der Kontakt zu Kalina und Radomir hergestellt war, also sobald Manfred sie nicht mehr brauchte.

Man diskutierte eine Weile die Fürs und Widers von Manfreds Plan, Radomir Gruschin um Hilfe zu bitten, aber niemand hatte einen Besseren anzubieten. Sandy nütze die Zeit sinnvoller, durch die geöffnete Trennwand zu Manfreds Steuerzentrale hindurch sah man sie auf Manfreds Chefsessel sitzen, während ihre Finger konzentriert über die Tasten flogen.

Sandy hatte sich bereits erneut in das Mobilfunknetz der Russen gehackt, und war, Mariannes Zustimmung vorwegnehmend, bereits dabei, Kalina Karajevas Handy zu lokalisieren.

"Ich hab sie." Sandy wies mit dem Finger auf ihren Bildschirm, auf dem in einer langen Liste rund um den Namen "Kalina Karajeva" ein grüner Balken erschienen war. "Sie flaniert gerade durch-- wer hätte das gedacht -- die noble Shopping-Meile von Sankt Petersburg." Und zu Marianne gewandt sagte sie: "Jetzt bist du dran. Wirst du uns helfen?" Marianne nickte und stand auf, Sandy machte Platz vor dem Bildschirm, und gab ihr Headset an Marianne weiter.

"Immer schön geradeaus schauen und lächeln, die Kamera ist im Bildschirm integriert," gab sie Marianne noch eine letzte Anweisung. Diese setzte sich in Manfreds Drehstuhl, atmete einmal tief durch, und drückte dann den "Call" Button neben Kalinas Namen.

Bereits einige Sekunden später flammte das Bild auf dem Bildschirm auf, und das hübsche Gesicht der Karajeva erschien. Sie sah allem Anschein nach verärgert auf ihr Telefon und konnte sich keinen Reim darauf machen, wer ihre geheime Nummer kannte und anonym anrufen konnte. "Da? Ja? Wer ist da?", fragte sie, und hatte den Finger wohl schon auf dem "Auflegen" Knopf in der Erwartung, einen aufdringlichen Reporter wegdrücken zu müssen.

"Hier ist Marianne," sagte Marianne einfach, und schaltete ihre Kamera an. "Hallo Lina. Lange nichts mehr von Dir gehört."

Kalina Karajeva erstarrte, als sie ihren Kosenamen von früher hörte, wie vom Donner gerührt, und blickte ungläubig auf ihr Telefon. "Anni? Bist Du das?"

"Ja Lina, und es freut mich zu sehen, dass es dir gut geht. Wie ist das Wetter in Moskau?"

"Kalt, wie immer," gab Lina zurück. Jetzt war sie endgültig überzeugt. Die Phrase "wie ist das Wetter in Moskau?" war früher eine ihrer Geheimbotschaften gewesen, damit war die Stimmung von Kalinas Trainerin gemeint. War das Wetter schlecht, und das war es meistens, war sie schlecht gelaunt, und man ging ihr besser aus dem Weg.

"Ich würde gerne mit dir über alte Zeiten plaudern, wenn du Zeit hast," begann Marianne vorsichtig.

"Das würde ich auch, ehrlich, aber ich kann dich schlecht verstehen, irgendwer hat Radio Moskau an." Das hieß, dass sehr wahrscheinlich die langen Ohren der russischen Regierung zuhörten.

"Heute ist das egal, vielleicht ist es sogar gut so," ließ Marianne ihre vorsichtiges Vorgeplänkel beiseite, "es gibt da eine Sache, bei der ich deine Hilfe brauche. Ich brauche eine Viertelstunde deiner Zeit, und ich werde dir eine Geschichte erzählen, die so unglaublich ist, dass du sie erst einmal schwer wirst glauben können. Lina, du kennst mich, ich spiele keine kindischen Spielchen, und ich habe dich nie belogen. Wenn ich dir sage, das ist vielleicht das Wichtigste, was wir jemals miteinander zu besprechen hatten, dann weißt du, dass du mir glauben kannst. Also, was sagst du? Fünfzehn Minuten, in denen du mir zuhörst, und danach kannst du entscheiden, ob du jemals wieder von mir hören möchtest oder nicht."

Kalina brauchte nicht lang nachzudenken, es war Jahre her, aber nun drängten sich endlose Serien von Bildern aus ihrem Unterbewusstsein an die Oberfläche. Wie oft sie sich hatte von "Anni" trösten lassen, wenn ihre Trainerin sie buchstäblich bis aufs Blut gequält hatte, oder wenn sie von älteren Funktionären "zum Spielen" in ihre luxuriösen Hotelräume gebeten wurde, stets mit dem Zusatz, dass ihr der Sport doch Spaß mache, und sie ihn doch sicher weiter ausüben und es bis ganz nach oben schaffen wolle.

Alinas Karriere konnte weitergehen, obwohl sie natürlich nie in eins der besagten Hotelzimmer ging. Jedes Mal hatte Marianne sie beschützt. Kalina hörte aber ab und zu von anderen Sportlerinnen, die sich darauf einließen und stets hinter vorgehaltener Hand, dass dort Dinge mit ihnen gemacht wurden, die sie anekelten, und die sie nicht wollten. Nicht wenigen nützte ihr Mitmachen überhaupt nichts, sie wurden trotzdem aus dem Kader aussortiert. Wenn allerdings Marianne die Sache in die Hand nahm, bekamen die Hotelzimmer in der Regel bald danach neue Mieter. Die meisten älteren Herren waren dann vorsichtiger als ihre Vorgänger, zumindest bei den Mädchen, von denen bekannt war, dass sie Verbindungen zu Marianne hatten.

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