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Das Refugium - Complete 000 - 015

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Plötzlich tat sich vor ihr ein riesiger Berg aus verrottendem Müll auf, und gleichzeitig drang ein ekelhafter Gestank in ihre Nase. „Was zum Teufel ... iiiih!" stieß sie hervor, und sprang erschreckt bei voller Fahrt vom Laufband, wodurch sie zu allererst einmal der Länge nach hinfiel.

„Manfred, Du blöder Arsch!" kreischte sie, und auf ihrem hübschen Gesicht erschien eine steile Zornesfalte. Sie war überzeugt, dass er ihr gerade einen ganz üblen Streich spielte, und stellte sich vor, wie er sich jetzt vor irgendeinem Bildschirm köstlich amüsierte. Vermutlich hatte er sie sowieso die ganze Zeit beobachtet, wie sie in ihren engen, verschwitzten Sportsachen lief, und sich dabei aufgegeilt. Sie angelte nach ihrem Controller, und griff ins Leere.

Verdammt, sie hatte ihn gewohnheitsmäßig in der Umkleide liegen lassen. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie ihn nie aus den Augen lassen durfte, und sie spurtete los und hoffte, dass er sie nicht erwischte. Daran wie es sich anfühlte, mit ihm zu schlafen, konnte sie sich gewöhnen, wie es sich anfühlte, wenn er sie bestrafte wollte sie lieber nicht herausfinden.

In der Umkleide angekommen sah sie sofort den erleuchteten Controller auf ihrem Kleiderhaufen liegen, „Incoming Call", natürlich von Manfred. Sie aktivierte den Call mit einer Wischbewegung, und beschloss, als beste Verteidigung sofort auf Angriff zu gehen. „Sag mal, was sollte das denn werden, findest Du das etwa lustig?" keifte sie ihn an. „Mach sofort den stinkenden Müll weg!"

Sie erwartete als Antwort ein arrogantes „Oder was?", gefolgt von einer Anweisung sofort zu ihm zu kommen, und bloß nicht vorher aus den verschwitzten Klamotten zu steigen. Statt dessen hörte sie ihn nur schwer keuchen. „Was machst Du? Holst Du Dir gerade einen runter während Du mich mit irgendeiner Kamera anglotzt? Meinetwegen, wenn es Dir Spaß macht, aber was soll der Scheiß mit dem Müll?"

Lisa bekam keine Antwort, und als sie etwas genauer hinhörte, hörte sie, dass sich sein Keuchen mit seltsam rasselnden Tönen vermischte. Entweder war er gerade mit einem Horrorfilm als Fetisch beschäftigt, oder da stimmte etwas ganz und gar nicht.

„Manfred?", fragte sie vorsichtiger, „Bist Du Ok?"

Auf der anderen Seite spürte Manfred die schwarze Wand wieder näher kommen, das Reden fiel ihm unendlich schwer und das Luft holen tat höllisch weh. Marianne hatte offenbar auch seine Lunge erwischt. Statt einer Antwort tippte er auf ein Icon, mit dem er die Überwachungskamera in Lisas Bad auf ihre Bildwand im Gym schaltete. Als auf ihrer Seite das Bild aufflammte, erkannte sie sofort ihr Badezimmer. „Also doch", dachte sie, „er kann uns nackt sehen wenn er will."

Dann sah sie das Gesamtbild. Den reparierten Spiegel, das Werkzeug das auf dem Waschtisch darunter lag, die Stehleiter, und davor auf dem Boden Manfred in einer riesigen Blutlache. Gerade fuhr ein TransportBot heran, er angelte sich mühsam eine Box herunter und schüttete den Inhalt aus. Es waren offenbar Tablettenpackungen. Er riss sie eine nach der Anderen auf und stopfte sich die Pillen in den Mund wie Süßigkeiten.

„Manfred!" rief sie, und sie spürte wie Angst ihr Herz zusammenpresste, „Sag was." Und ihr wurde wieder einmal bewusst, wie sehr sie von ihm und seinen Kenntnissen der Station abhängig war, und vielleicht war da auch noch mehr. Angespannt wartete Lisa auf Manfreds Antwort. Die Tabletten schienen Manfred wieder etwas klarer zu machen, er hustete einen Schwall Blut aus, und presste dann ein „Hallo Lisa, ich glaube ich sitze ziemlich in der Scheiße, und brauche Deine Hilfe" heraus.

„Was ist passiert? Hattest Du einen Unfall?"

„Es war Deine Mutter. Sie hat mich angefallen. Ich denke, sie macht mit Ritchie gemeinsame Sache, alles andere ergibt keinen Sinn."

Lisa schwieg betroffen, dann übermannte sie die Angst und sie brach in Tränen aus. „Was können wir bloß tun? Wenn Ritchie die Station übernimmt, kann mit uns machen was er will. Er wird uns wahrscheinlich töten. Und wenn er uns verschont, wird Maddie das mit dem größten Vergnügen übernehmen."

„Reiß Dich zusammen, sonst ist das wirklich unser Ende", sagte Manfred. „Du und ich, wir können das Schwein erledigen und die Station retten. Aber Du musst mir vertrauen."

„So wie Ritchie?" fragte Lisa.

„Ich bin nicht wie Ritchie. Das solltest Du langsam bemerkt haben."

„Gesetzt den Fall, ich lasse mich darauf ein, und wir schlagen Ritchie, was wirst Du dann mit uns machen?"

„Du kannst unseren Deal knicken, wenn Du möchtest, und trotzdem bleiben. Ich lasse Dir die freie Wahl. Du kannst meinetwegen gerne wie eine Klosterschwester in Deinem Zimmern leben und Socken stricken."

„Und meine Mutter? Egal was sie getan hat, Du darfst ihr nichts tun."

„Ich werde sie nicht töten, wenn ich nicht muss, versprochen. Aber hier bleiben kann sie auch nicht. Was schlägst Du vor?"

„Keine Ahnung," antwortete Lisa, „aber Dein Versprechen reicht mir für den Moment. Wenn wir das überleben ist es noch früh genug, über die Details zu reden. Hauptsache, Du schwörst, dass Du Mama nichts tun wirst."

„Was willst Du jetzt hören? Indianer-Ehrenwort? Auf was soll ich schwören? Ich verspreche es, das muss Dir genügen."

Lisa schwankte noch einen Augenblick, dann entschied sie sich. „Okay,", sagte sie, „was muss ich tun."

„Bestelle Dir einen TransportBot und komm so schnell Du kannst in die Krankenstation. Ich bin näher dran und werde vermutlich schon da sein. Und zieh Dir noch schnell was über, verdammt, ich werde jedes bisschen Konzentration brauchen das ich aufbringen kann."

Manfred beendete die Verbindung. Mühsam zog er seinen schlaffen Körper auf die Plattform des nächsten TransportBots, und die Zielauswahl leuchtete auf seinem Controller auf. Die Fehlermeldung, dass TransportBots wie dieser nur für Lasten und nicht zur Personenbeförderung zugelassen waren überging er mit seinem Master-Code. Seitlich in einem Fach fand er einige Zurrgurte, die für das Befestigen zusätzlicher Lasten bereit lagen. Damit band er sich auf der Plattform fest. Es würde ein höllischer Ritt werden, aber er sah keine andere Möglichkeit.

Er drückte auf das Rotkreuzsymbol, die Plattform fuhr mit einem Ruck an, und er schrie seine Schmerzen in Lisas Wohnraum hinaus, bevor ihn eine gnädige Bewusstlosigkeit erlöste.

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Kapitel 13: Lisas Medizin-Studium

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Als Lisas TransportBot in die medizinische Abteilung einfuhr, hatte Manfred, der inzwischen dank der Medikamente wieder einige klare Momente gehabt hatte, bereits alles vorbereitet. Er hatte sich aus den überall reichlich vorhandenen Decken ein halbwegs bequemes Lager auf dem Boden gemacht. Für die Benutzung der OP Tische und der rundherum gruppierten Geräte musste man speziell geschult sein, und er hatte sich nie dafür interessiert. Das jetzt zu lernen, dafür war keine Zeit, er spürte dass er so viel Blut verlor dass er jede Minute schwächer wurde. Neben ihm, auf einem TransportBot, lag eine Art Rucksack mit einem Rotkreuzsymbol darauf.

Besorgt sah Lisa, dass überall, wo er sich hingeschleppt hatte, große rote Blutlachen auf dem Boden lagen, und auch der TransportBot, der ihn hergefahren hatte, und auf dem noch ein Haufen blutige Zurrgurte lag, war über und über beschmiert.

Lisa sprang von ihrem TransportBot ab, sobald er zum Stillstand gekommen war, und das Rückhaltesystem sie freigegeben hatte. Sofort lief sie zu Manfred, und kniete sich neben seinem Lager hin. „Wie geht es Dir?", fragte sie ehrlich besorgt, und sah entsetzt auf das Ende der tief in seinem Rücken steckenden Spiegelscherbe.

„Beschissen", antwortete er mühsam, „Deine Mutter hat mich sauber erwischt."

„Was soll ich nun tun? Ich möchte Dir irgendwie helfen, aber ich bin kein Arzt."

„Dass Du Arzt bist ist nicht unbedingt nötig. Der Rucksack da ist ein MediPack. Es wurde entwickelt, damit medizinisch nicht ausgebildete Soldaten ihre Kameraden versorgen können, wenn sie verwundet werden. Damit kannst Du mich wieder zusammenflicken".

„Und wie funktioniert das?", fragte Lisa, und sah zweifelnd auf den Rucksack, „Ist da ein aufblasbarer OP samt Chirurg drinnen?"

„Fast. Das Know-How und die nötigen Instrumente sind vorhanden. Der Arzt, das wirst Du sein."

Lisa wurde kreidebleich. „Ich soll dieses Ding aus Dir herausholen? Gibt es dafür keinen Roboter?"

„Nein, entweder Du machst es, oder ich werde in spätestens einer Stunde tot sein".

Lisa wusste, sie musste sich überwinden, sonst waren sie alle verloren. „Ok, ich machs", sagte sie. Er deutete wortlos auf den Rucksack.

Schnell zog sie ihn zu sich, und begann, den Inhalt auszupacken und um das improvisierte Krankenlager herum aufzubauen. Viel war es nicht. Einige Kunststoffbeutel enthielten Medikamente, verschweißte Beutel die an Brausepulver erinnerten, Verbandsmaterial und seltsam aussehende kleine OP-Geräte. Da war auch noch ein Tablet-PC, den man mit einem kleinen Dreibein sicher aufstellen konnte. Sie schaltete ihn ein, der Bildschirm flammte auf, und Icons ähnlich denen auf ihrem Controller wurden angezeigt.

„Dr.Med. Lisa", las sie rechts oben von einem User-Icon ab, „bin ich das?"

„Ja, ich hab Dich kurz studieren lassen. Fachgebiet: innere Medizin. Abschluss: Einskommanull, zehn Jahre Berufspraxis als Operateur."

„Wozu denn das?"

„Der MediBot versucht, die Überlebenschancen des Verletzten zu optimieren. Wenn er feststellt, dass der Helfer keinerlei medizinische Kenntnisse hat, leitet er ihn nur an, eine Erstversorgung durchzuführen, damit der Patient den Transport in ein Lazarett überlebt. Das darf uns nicht passieren. Deshalb habe ich dem MediPack gesagt, dass Du perfekt ausgebildet bist und alles bis zum Ende machen kannst. Das Pack ist das Gehirn, und Du stellst ihm Deine Hände zur Verfügung."

„Aber ich kann das auf keinen Fall!", rief Lisa entsetzt, „Ich habe keine Ahnung was ich tun soll, wenn es mir Anweisungen gibt. Ich habe keine Ahnung, was die Begriffe der Medizin bedeuten."

„Nimm Deinen Controller, und hol die Stationshilfe auf die Wand da neben uns. Wenn Du Detailfragen hast, lass Dir zeigen, wie es funktioniert, und dann mach es. Auf keinen Fall darfst Du, wenn der MediBot spannt, dass etwas nicht stimmt, und Dich fragt ob Du Hilfe brauchst, mit „Ja" antworten. Es wird sonst sofort abbrechen und versuchen, einen richtigen Arzt hierher zu rufen. Und jetzt fang endlich an, ich spüre dass ich immer schwächer werde. Unsere Chancen, dass es gelingt, schwinden mit jeder Minute, die Du zögerst."

„Ich könnte Dich töten." Lisa zauderte noch immer. Gleichzeitig sah sie aber auch die ständig größer werdende Blutlache neben seinem Rücken, und hörte wie sein Atem rasselte, offenbar hatte Marianne größere Blutgefäße und vielleicht auch die Lunge erwischt.

„Wenn Du es nicht versuchst, bin ich sicher tot. Und was gibt es schöneres für einen Soldaten, als unter den Händen einer Frau wie Dir zu sterben. Jetzt fang endlich an. Und merk Dir: keine Hilfe annehmen, Du kannst alles, und Du machst alles."

Lisa nickte tapfer, und drückte das „Start" Icon auf dem Tablet.

Als erstes wies sie der MediBot, so nannte sich die App auf dem Tablet, an, dem Verletzten eine betäubende Spritze zu geben. Dank der Hilfe durch ihren Controller bekam sie einen Schnellkursus im Spritzen setzen. Sie suchte sich aus den Medikamenten eine Ampulle mit Morphium heraus, und zog es fachmännisch in die Spritze. Acht Staffeln „Chicago Medical" und neunzehn Staffeln „Grey's Anatomy" waren also doch nicht ganz verschwendete Zeit gewesen. Sie brauchte mehrere Versuche, bis sie endlich die Vene in Manfreds Armbeuge traf, und er verzog bei jedem Stich ein wenig das Gesicht.

„Liegt Männer abstechen bei euch irgendwie in der Familie?", versuchte Manfred einen Witz, aber dann traf Lisa in die Vene und eine halbe Minute später hatte ihn das Medikament ausgeknipst.

„So weit, so gut", atmete Lisa auf, „das hat ja gar nicht so schlecht geklappt."

Die nächsten Schritte waren noch recht trivial. Sie sollte die OP-Umgebung optimal vorbereiten. Sie tauschte die Spritze gegen eine Kanüle und hängte mit Hilfe eines herbeigeschafften Bürostuhls einen Tropf an, der die Betäubung aufrecht erhielt und allerlei andere nützliche Substanzen in Manfreds Kreislauf einspeiste. Dazu musste sie nur etwas Wasser in Kunststoffbeutel einfüllen, und das richtige „Brausepulver" darin auflösen. Sie lagerte Manfred auf dem Bauch liegend, damit Blut aus seiner Lunge abfließen konnte, und brachte Pads mit Sensoren auf seinem Rücken an. Auf dem Tablet flammte nach jedem Pad ein Fenster auf. Offensichtlich wurden Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und andere wichtige Parameter angezeigt. Lisa holte noch einige Schreibtischlampen herbei um für besseres Licht zu sorgen.

Dann kam der Programmteil „Anamnese" dran. Lisa musste in der Stationshilfe nachschlagen, was das bedeutete. Zu ihrem Erstaunen lernte sie, dass das Tablet weit mehr konnte als nur Informationen ausgeben. Sie nahm es samt dem Dreibein, und führte es nach Anweisung mehrmals Manfreds Körper entlang, erst über seinen Rücken, dann seitlich. Nach dem dritten oder vierten Durchgang flammte auf dem Bildschirm eine 3D Darstellung von Manfreds Körper auf.

In der Darstellung sah man deutlich und rot blinkend umrandet die riesige Scherbe, die Marianne in Manfreds Rücken gerammt hatte. „Mein Gott", dachte Lisa, „sie reicht fast ganz durch bis nach vorne." Sie berührte den markierten Bereich auf dem Tablet, und das Bild zoomte die Scherbe heran. Ein Fenster wurde eingeblendet: „Fremdkörper eingedrungen. Lebensgefahr. Verbringung in geeignete Einrichtung dringend empfohlen. Transport anfordern? Ja/Nein.".

Ohne zu zögern wählte Lisa „Nein".

Die nächsten zwei Stunden waren die Längsten ihres Lebens. Erst einmal band Lisa ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zurück, so hatten es die Ärztinnen in den Serien auch immer gemacht, und desinfizierte ihre Hände und den Bereich um Manfreds Wunde herum. Sie berührte erstmals probeweise die Scherbe, sie steckte fest eingekeilt in Manfreds Körper und ließ sich keinen Millimeter bewegen.

Dann schuf Lisa unter Anleitung des MediBots und mit Hilfe der Anweisungen die sie über den Controller aus der Stationshilfe abrufen konnte einen Zugang, indem sie die Schnittwunde, in der die Scherbe steckte, mit einem Skalpell einige Zentimeter in jede Richtung verlängerte. Mit Hilfe von Spreizern bog sie seine Rippen, zwischen denen die Scherbe eingekeilt steckte, so weit es ging auseinander.

Probeweise bewegte sie die Scherbe ein wenig hin und her und konnte fühlen, dass sie jetzt frei beweglich war. Sie widerstand dem Impuls sie sofort herauszuziehen und hielt sich exakt an die Anweisungen auf den Bildschirmen.

Dort häuften sich bedrohliche Meldungen. Die Lunge war angekratzt, Blutgefäße waren verletzt und mussten unverzüglich genäht werden, sonst würde Manfred innerhalb kürzester Zeit verbluten, sobald die Scherbe heraußen war. Unter stetiger Anleitung führte sie Endoskope mit Kameras und medizinischen Instrumenten immer tiefer in die Wunde ein, und lernte fasziniert, dass sie nur die Werkzeuge anwählen, ungefähr an die richtige Stelle führen und dann ruhig festhalten musste. Den Rest machte der Computer, kleine Greiferchen zogen durchtrenntes Gewebe und verletzte Blutgfäße zu sich heran, wo sie dann automatisch vernäht und verklebt wurden.

Anfangs zitterten Lisas Hände so sehr, dass der MediBot mehrmals nachfragte, ob sie Hilfe brauchte. Gehorsam lehnte Lisa jedes Mal ab, obwohl sie innerlich um Hilfe schrie wie ein kleines Kind aus Angst vor einem Gewitter.

Aber je länger die Prozedur dauerte, und je offensichtlicher die Erfolge wurden, weil die Blutung aus Manfreds Rücken und aus seinem Mund stetig weniger wurde, umso sicherer wurde Lisa, und sie führte die Werkzeuge schließlich ruhig und präzise von einer Baustelle zur Nächsten. Sie folgte exakt den Angaben, die ihr das Tablet einspielte, und arbeitete sich immer weiter zur Spitze der Scherbe vor.

Als sie gerade wieder mehrere kleinere Blutgefäße geflickt hatte, zoomte die Kamera auf die nächste Verletzung, Blut wurde abgesaugt, und ihr Herz blieb fast stehen vor Schreck. Die Scherbe hatte ein großes Blutgefäß glatt durchbohrt, und an ihren Rändern sprudelte im Rhythmus von Manfreds Herzschlag Blut heraus.

Schnell überflog sie die Liste der nächsten Arbeitsschritte. Sie musste das Gefäß etwas vor und hinter der Verletzung abklemmen, dann hätte sie etwa 20 Minuten Zeit, danach würde Manfred bleibende Schäden an dem unversorgten Gewebe erleiden. Sie nahm sich nicht die Zeit nachzusehen, wo das verletzte Gefäß hin führte. Sie musste also etwas Platz schaffen um das Gefäß frei zu legen. Danach musste der Fremdkörper entfernt werden. Das Blutgefäß wurde dann mit einer Manschette, die außen herum gelegt und mit einer Art Reißverschluss zu einem geschlossenen Ring verbunden wurde stabilisiert. In den Enden eingebrachte Widerhaken und umlaufende Klebstoffstreifen sollten es in der Manschette festhalten und abdichten.

Lisa ging alle Schritte bis zum Setzen der Klemmen noch einige Male am Bildschirm und im Kopf durch. Ihr war klar, dass sie sich damit beeilen musste, denn die Kurve mit Manfreds Blutdruck ging langsam aber stetig nach unten. Sie beschloss, dass die Blutung zu stoppen vordringlich war, und machte sich an die Arbeit. Sie schuf dem verletzten Gefäß entlang ein wenig Platz, und setzte dann, als hätte sie das schon hundert Mal getan, vor und nach der Verletzung eine Klemme. Sofort hörte das Blut auf, aus der Verletzung zu sprudeln, und Lisa atmete einmal tief durch, geschafft.

Aber nun begann unerbittlich die Uhr zu ticken, als nächstes musste die Scherbe heraus. Der MediBot war keine Hilfe, „Fremdkörper entfernen", stand da lapidar.

Aber wie? Das Ende war glitschig vom Blut und sie konnte nicht genügend Kraft aufbringen, um das Glas herauszuziehen. Sie könnte es mit einer Zange versuchen, aber dann würde die Scherbe vielleicht zerbrechen und den Schaden noch größer machen. Verzweifelt dachte sie nach, und wünschte sich, Frag-Mutti oder wenigstens Youtube wären noch erreichbar. Vielleicht hätte es da einen Heimwerker-Tipp gegeben, wie man blutige Glasscherben aus menschlichen Körpern herausziehen konnte?

Schließlich hatte Lisa die zündende Idee, sie machte die Scherbe am Ende sorgfältig sauber und trocken, und wickelte sie dann dick mit selbstklebendem Tape aus dem Verbandszeug ein. Sie kannte es vom Reiten, ihr Trainer hatte damit das Fußgelenk ihres Reitpferdes ruhig gestellt, nachdem es sich vertreten hatte. Dann nahm sie eine Zange, packte entschlossen das bandagierte Ende der Scherbe und zog mit Kraft an.

Mit einem ekelhaft schmatzenden Geräusch kam die Scherbe heraus, und Lisa warf sie angewidert weit von sich. Sie hörte sie irgendwo auf dem Boden zersplittern, egal, dass Manfred sie sich später um den Hals hängen wollte war eher unwahrscheinlich, sollten sich die CleanerBots darum kümmern.

Ein Blick auf die Zeit sagte ihr, dass sie gut im Plan lag. Da die Scherbe nun aus dem Weg war, kam sie schneller vorwärts, führte die Manschette um die Flickstelle herum und sah fasiniert zu, wie Minispritzen zusätzlichen Klebstoff einfüllten und kleine Greiferchen den Verschluss zumachten. Dann legten sich Heizelemente an die Enden der Manschette und begannen, den Kleber, der durch Wärme fest wurde, auszuhärten.

Nach etwa 2 Minuten bekam sie vom MediBot die Anweisung, die Klemmen etwas zu öffnen um das Gefäß von innen unter Druck zu setzen. Das sorgte dafür, dass es sich sauber in die Manschette legte, und die abgeklemmten Körperregionen bekamen wenigstens ein wenig Blut zugeführt. Sie tat es, und als nächstes sollte sie das Tablet noch einmal scannen lassen, so kontrollierte das System, ob alles schön richtig saß und dicht war. Es sah alles gut aus.

Lisa folgte den weiteren Anweisungen, die Aushärtezeit sinnvoll zu nützen. Zum ersten Mal folgte sie dem Wundkanal bis zum Ende. Die Scherbe war tatsächlich durch den gesamten Brustkorb gedrungen und erst an der Innenseite einer der vorderen Rippen zum Stehen gekommen. Lisa fand aber keine weiteren größeren Verletzungen mehr. Lisa führte ein Endoskop mit Reinigungsgeräten ein, und das Gerät saugte auch kleinste Verunreinigungen und Glassplitterchen auf.