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Der Prinz

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Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Mezer ist ein arroganter und eingebildeter Arsch. Er mag durchaus ein guter Arzt sein, aber sein Umgang mit den Kollegen und vor allem mit jenen, die ihm unterstellt sind, ist unter jeder Sau. Er hätte sich garantiert für diese Zurückweisung an mir gerächt. Bei ihm hätte ich kein Sein mehr gehabt. Da bin ich mir sicher. So aber bin ich zum Glück seinem Einfluss entzogen. Für mich ist es sogar eine Ehre, ab sofort zum Stab des Chefarztes zu gehören. Das dürfen nur die Besten und ganz sicher keine Anfänger.

Schnaubend verlässt Mezer die Notaufnahme. Doch keiner schenkt ihm noch Beachtung.

Ich weise die drei Krankenschwestern, die um uns herumstehen, an, dem Prinzen und seiner Schwester Blut abzunehmen. Ich brauche ein großes Blutbild. Außerdem weise ich sie an, das CT vorzumerken. Beide Patienten müssen in die Röhre. Ich will Hirnverletzungen oder Blutungen ausschließen.

„Ich gehe mich umziehen und bin gleich wieder da", informiere ich den Kronprinzen.

Dabei lege ich die Hand zur Beruhigung auf seinen Unterarm. Sofort legt er seine Hand auf meine.

„Danke!", sagt er.

„Wofür?"

„Ich verdanke Ihnen mein Leben. Ohne Sie wäre jede Hilfe zu spät gekommen."

„Das kann man nicht sagen."

„Doch, doch, mein Hirn wäre zu lange ohne Sauerstoff geblieben. Ich wäre nur noch Gemüse."

„Aber das hätte doch auch jeder andere Arzt an meiner Stelle gemacht."

„Sie sind nicht jeder und das, was sie getan haben, war nicht selbstverständlich. Sie sind zu uns in den Wagen gekrabbelt, ohne lange nachzudenken, ob das Fahrzeug in Flammen aufgehen könnte. Sie haben schnell und richtig reagiert. Ihr Zögern wäre mein Untergang gewesen", meint er. Dabei drückt er noch einmal meine Hand.

„Gut", sage ich und räuspere mich. „Dann wollen wir mal."

„Sie haben freie Hand, was die Behandlung betrifft. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie Bescheid. Ich stehe Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite", versichert mir der Chefarzt. „Heute sind sie nur für diese beiden Patienten zuständig."

„Wie gesagt, der Kronprinz steht unter dem besonderen Schutz der Frau Bundeskanzlerin", erinnert mich der Klinikchef.

„Er ist Patient und bekommt die beste Versorgung", versichere ich. „Wie jeder andere Patient auch."

---

Ich eile in den Aufenthaltsraum für die Ärzte und ziehe meine blutverschmierte Bluse aus. Zum Glück habe ich immer eine Reservebluse und ein T-Shirt in meinem Schrank. Als Arzt kann man schließlich nie sicher sein. Ich ziehe deshalb das Shirt an und darüber den Arztkittel. Dann eile ich zurück in die Notaufnahme.

„Wir können sofort zum CT. Der Prinz genießt Promistatus", informiert mich Amy.

Sie ist eine der jungen Krankenschwestern. Mit ihr arbeite ich recht gern zusammen. Sie hat eine ausgesprochen ruhige, wenn auch saloppe Art.

„Ich möchte vorher noch die Wunde am Hals und am Thorax versorgen. Erst dann geht es ab in die Röhre."

„Soll ich währenddessen mit der Prinzessin zum CT?", erkundigt sich Amy.

„Das ist eine gute Idee", lobe ich sie. „Das kannst du auch alleine."

„Na klar!", bestätigt sie. Dann flüstert sie mir im Vorbeigehen noch ins Ohr: „Der Prinz ist echt schnuckelig."

„Er ist Kronprinz und außerdem Patient", ermahne ich sie. „Da ist es egal, ob er schnuckelig ist."

„Ja, ja", meint sie. „Und doch ist er ein Kerl, ein süßer noch dazu."

Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht macht sie sich mit Leyla auf den Weg. Ich gehe zurück zu Ahmed.

„Wie geht es Ihnen?"

„Ich bin zufrieden."

„Schmerzen?"

„Es geht."

„Ihre Schwester befindet sich auf dem Weg zum CT", informiere ich ihn.

„Fehlt ihr doch etwas?", will er besorgt wissen.

„Nein, nein, das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Immerhin hat sie einen Schlag auf den Kopf bekommen und war ein paar Minuten lang bewusstlos. Deshalb möchte ich ausschließen, dass das Hirn Schaden genommen hat. Man kann nie wissen."

„Wer ist bei ihr?"

„Amy, eine Krankenschwester."

„Vertrauen Sie ihr?"

„Zu 100%. Amy ist noch jung, aber sehr zuverlässig."

„Gut!", meint er.

Ich schaue mir seine Werte an. Blutdruck, Sauerstoffsättigung und alle anderen Parameter sind den Umständen entsprechend gut. Eine Infusion läuft. Sie soll sicherstellen, dass er genügend Flüssigkeit im Körper hat.

„Ich werde nun die Wunde am Hals versorgen und die provisorische Thorax-Drainage durch ein fachgerechtes System ersetzen. Anschließend begleite ich sie ebenfalls zum CT."

„Sie sagen, was geschieht!", versichert er mir.

„Warum haben Sie drauf bestanden, dass ich sie versorge? Der Oberarzt hat sicher mehr Erfahrung und, wenn Sie gewollt hätten, würde sich der Chefarzt persönlich um Sie kümmern. Immerhin hat sich die Bundeskanzlerin persönlich bei der Klinikleitung gemeldet."

„Sie haben Engagement und Sie haben mir das Leben gerettet", antwortet er. „Außerdem sind Sie wesentlich hübscher."

„Als der Oberarzt und der Chefarzt? Das ist nun echt keine Kunst", kichere ich.

Der Prinz muss auch lachen, unterbricht das Lachen aber sofort.

„Bringen Sie mich nicht zum Lachen, das tut höllisch weh."

„Wenn Sie so lustige Dinge sagen."

„Stimmt, eigentlich bin ich selbst schuld."

Dabei zwinkert er mit dem Auge. Seine dunklen, fast pechschwarzen Augen, fixieren mich.

„Flirten Sie gerade mit mir?"

„Und wenn es so wäre?"

„Ich bin Ihre Ärztin."

„Darf man eine Ärztin nicht anflirten?"

„Anflirten schon, aber ich darf nicht zurückflirten", antworte ich. „Da hilft auch nicht die Frau Bundeskanzlerin."

„Das verstehe ich", meint er. „Sie haben einen Mann oder einen Freund."

„Nein, habe ich nicht."

„Warum dürfen Sie dann nicht mit mir flirten?"

„Weil das nicht professionell wäre."

„Nur deshalb?"

„Ja!"

„Dann bin ich beruhigt."

Warum ist er dann beruhigt? Aus seinen Augen blickt mir der Schalk entgegen. Trotz der Verletzungen ist er gut gelaunt. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.

„Fertig!", stelle ich fest.

„Wie fertig?"

„Die Wunde am Hals ist versorgt."

„Ich habe gar nichts mitbekommen."

„Sie waren ja auch mit Flirten beschäftigt."

„Ich plädiere definitiv dafür, dass Männer nur noch von hübschen Ärztinnen behandelt werden. Dann bekommen sie von der Behandlung nichts mit und man spart Betäubungsmittel."

„Das müssen Sie mit dem Chefarzt besprechen. Eine solche Entscheidung übersteigt meine Gehaltsklasse."

Ich mache mich an die Versorgung der Thorax-Drainage und auch dabei hat der Kronprinz nur Augen für mich. Nicht ein einziges Mal zeigt er, dass er Schmerzen hat. Wehleidig ist der Mann definitiv nicht.

„Man könnte glauben, Sie wären ein Teenager", necke ich ihn.

„Ich bin halt auch nur ein Mann."

„Das merke ich", antworte ich. „Doch jetzt ab zum CT."

---

Der Prinz und die Prinzessin sind auf eigenen Wunsch hin nach den Untersuchungen auf ein gemeinsames Zimmer verlegt worden. Natürlich wurde ihnen auch dieser Wunsch erfüllt. Die CTs haben zum Glück keine Verletzungen oder Blutungen im Bereich des Gehirns gezeigt. Damit scheint der Unfall am Ende doch noch halbwegs glimpflich für sie ausgegangen zu sein. Dem Prinzen habe ich nach dem CT den Unterschenkel geröntgt und versorgt. Auch hier handelt es sich um einen glatten Bruch, der problemlos heilen sollte.

Ich habe sämtliche Untersuchungen der beiden überwacht und die Behandlung meist selbst vorgenommen. Die Anweisung des Chefarztes war klar, ich habe mich ausschließlich um diese beiden Patienten zu kümmern.

„Sie hatten nochmals Glück. Die Verletzungen heilen bald und Ihr seid dann beide wieder die Alten", sage ich zum Abschluss.

„Wir sind auch in guten Händen", meint die Prinzessin. „Mein Bruder war noch nie so gern beim Arzt."

Sie lächelt dabei vielsagend und zwinkert mir zu. Auch Leyla scheint ein sehr netter Mensch zu sein.

„Ihr solltet Euch ausruhen. Ich komme nach dem Mittagessen nochmal vorbei, um nach Euch zu sehen", sage ich.

Dann verlasse ich das Zimmer und treffe auf Amy. Sie grinst von einem Ohr zum anderen.

„Du hast einen neuen Verehrer."

„Das ist nur eine Schwärmerei", wiegle ich ab. „Kommst du mit zum Mittagessen?"

„Natürlich, ich habe einen Bärenhunger."

Wir machen uns auf den Weg in die Mensa. Das Essen im Krankenhaus ist nicht schlecht. Es ist zwar nur schwach gewürzt, aber ansonsten bemüht sich der Chefkoch, Abwechslung und Qualität ins Essen zu bringen. Ich habe heute echt Hunger und esse mit großem Genuss. Amy scheint es nicht anders zu ergehen.

„Wie kommst du überhaupt zu den beiden? Sind sie dir zugelaufen?"

„Ich war zufällig wenige Autos hinter dem Unfall und ein Polizist hat nach einem Arzt gerufen."

„Da hast du dich gemeldet", meint sie. „Hattest du alles Nötige dabei?"

„Nein, ich hatte nur meine Arzttasche mit dem Allernötigsten. Die hat mir meine Oma geschenkt, als ich mein Medizinstudium begonnen habe."

„Cool, so eine süße Oma hätte ich auch gern", meint sie. „Und damit hast du das Leben des Prinzen gerettet."

„Mein Gott, es war eine normale Wiederbelebung."

„Eine ganz normale Wiederbelebung? Echt jetzt? Du warst doch nur in einem Unfallwagen, der zudem noch auf dem Dach lag. Er hätte jeden Moment in Brand gerate können und die Feuerwehr war auch noch nicht da. Das nennst du normal?"

„Wir haben die Tür nicht aufgekriegt. Damit konnten wir sie nicht aus dem Auto holen. Also musste ich hinein. So einfach ist das."

„Und, wenn der Wagen Feuer gefangen hätte?"

„Hätte, hätte Fahrradkette. Dann hätten mich schon jemand gewarnt. Waren ja auch genug Männer in der Nähe."

„Und der Prinz musste echt wiederbelebt werden?"

„Habe ich doch gesagt. Er hatte keinen Puls und hat nicht mehr geatmet."

„Dann hast du Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht?", meint sie und grinst schelmisch.

„Amy, ich habe ihn wiederbelebt und nicht geküsst!", spiele ich die Entrüstete.

„Mag schon sein, aber immerhin weißt du, wie sich seine Lippen anfühlen", lacht sie. Dabei verdreht sie verträumt die Augen. „Die Lippen eines echten Prinzen."

„Ja, ja! Ist schon gut. Nimmst du eine Nachspeise?", frage ich, um abzulenken.

„Gott bewahre, dann werde ich viel zu dick", wehrt sie ab.

Ich mag Amy sehr. Sie ist jung und hilfsbereit. Wenn ich bisher etwas von ihr gebraucht habe, hat sie mir immer weitergeholfen. Sie ist nicht so abweisend, wie so manche andere ihrer Arbeitskolleginnen. Die halten sich manchmal für die besseren Ärzte, als wir es sind. Amy hingegen ist immer zur Stelle.

Ihr Umgang mit den Ärzten und Kollegen ist -- das muss ich zugeben -- manchmal relativ salopp. Zum Beispiel hätte keine andere Schwester sich getraut, mir gegenüber Anspielungen auf den Prinzen zu machen. Mich stört das aber nicht. Ich finde es im Gegenteil ganz angenehm, wenn man miteinander blödeln kann, solange man keinen Stress hat, dafür aber zielorientiert und konzentriert ist, wenn es brenzlig wird. Mit Amy ist das möglich und genau deshalb sind wir ein gutes Team. Andere Ärzte sind weniger locker. Amy ist bei gar einigen von ihnen nicht sonderlich gut angesehen und wird oft als inkompetent abgetan. Nur weil sie manchmal einen Witz macht.

„Dann sollten wir zurück zu unseren Patienten."

„Er gefällt dir also doch", kichert Amy. „Du kannst es nicht mal eine Stunde ohne ihn aushalten."

Ich muss lachen. Natürlich gefällt mir der Prinz. Schließlich ist er ein stattlicher Mann mit südländischer Ausstrahlung und guten Manieren. Auf genau diesen Typ Mann stehen doch alle Mädchen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mein Patient und damit tabu ist.

---

Ich will zum Zimmer meiner Patienten, da fängt mich Leyla auf dem Gang ab. Sie scheint auf mich gewartet zu haben.

„Was machen Sie hier draußen?", frage ich tadelnd. „Sie sollten im Bett bleiben."

„Mir geht es gut, machen Sie sich um mich keine Sorgen", versichert sie. „Ich wollte mit Ihnen sprechen."

„Das hätten Sie auch im Zimmer tun können. Ich bin auf dem Weg zu Ihnen."

„Mein Bruder muss unser Gespräch nicht unbedingt mitbekommen."

Ich ziehe die rechte Augenbaue nach oben und schaue sie überrascht an. In ihren Zügen kann ich allerdings nicht lesen, was sie vorhat. Sie kann ihre Gefühle sehr gut verbergen.

„Warum das?"

„Er muss nicht alles wissen."

„Ich wüsste aber nicht, was er nicht wissen sollte?"

„Frau Dr. Berner, sehen Sie eine Möglichkeit, dass wir das Krankenhaus verlassen und Sie uns in der Botschaft oder in einem Hotel -- das müsste ich noch abklären -- versorgen könnten. Mein Bruder hasst Krankenhäuser und würde sich in einer etwas entspannteren Umgebung, sicher besser und vor allem schneller erholen."

„Ich bin Krankenhausärztin", wende ich ein. „Ich glaube nicht, dass ich das darf."

„Wenn die Krankenhausverwaltung dies erlauben würde, wären Sie dazu bereit?"

„Es gibt sicher viele gute Privatärzte, die das übernehmen könnten", versuche ich auszuweichen.

„Ich frage aber Sie!"

„Warum bestehen Sie darauf, dass ich das mache?"

„Weil Ihnen mein Bruder vertraut", meint sie. Dann macht sie eine kurze Pause. „Und ich auch!"

„Ich bin doch nur eine kleine Assistenzärztin."

„Vertrauen zählt oft mehr als Titel", antwortet sie.

Mein Bauchgefühl sagt mir, sie verschweigt mir etwas oder sie sagt zumindest nicht die ganze Wahrheit. Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was das sein sollte.

„Wenn die Verwaltung und der Chefarzt zustimmen, dann bin ich natürlich bereit, die Versorgung des Kronprinzen und selbstverständlich auch Ihre, außerhalb der Krankenhausstruktur zu gewährleisten. Allerdings bräuchte ich dazu eine Krankenschwester und die Erlaubnis, bei Bedarf auf Medikamente und Geräte der Klinik zurückgreifen zu können", lenke ich ein.

„Danke!", meint Leyla.

Zu meiner Überraschung umarmt sie mich. Ich bin perplex und kann auf die Umarmung nicht wirklich reagieren. Sie scheint aus einem mir unerklärlichen Grund unglaublich erleichtert über meine Zusage zu sein. Das kann doch unmöglich nur die Abneigung des Prinzen für Krankenhäuser sein. Ich bin mir sicher, da steckt noch etwas ganz anderes dahinter. Auf jeden Fall scheint es so, als würde ihr ein großer Stein vom Herzen fallen.

„Ich schaue nach Ihrem Bruder", sage ich ausweichend.

„Ich bleibe noch einen Moment hier draußen", antwortet die Prinzessin.

Ich klopfe an die Tür des Krankenzimmers und trete ein. Der Prinz liegt in seinem Bett und schaut neugierig zur Tür. Als er mich sieht, heitert sich sein etwas besorgter Blick sofort auf.

„Sie sind es. Schön, dass Sie nach mir schauen", meint er.

„Sie sind mein Patient", antworte ich von seiner Reaktion verblüfft. Wenn nur alle Patienten so dankbar und zufrieden wären. „Wie fühlen Sie sich."

„Besser, viel besser", antwortet er.

„So, wie sich Ihr Gesundheitszustand darstellt, können Sie in ein oder zwei Tagen das Krankenhaus verlassen."

„Nicht früher?"

„Das wäre etwas früh. Gefällt es Ihnen bei uns nicht?"

„Das Essen ist gut, aber es ist trotzdem Krankenhausessen und auch sonst ist der Komfort nicht das, was ich gewohnt bin."

„Der Kronprinz ist verwöhnt?", necke ich ihn.

Erst als ich es schon ausgesprochen habe, wird mir bewusst, dass mein Verhalten möglicherweise als ungebührlich empfunden werden könnte. Da wir beides junge Leute sind, habe ich mich dazu hinreißen lassen, etwas lässiger mit ihm zu plaudern. Schließlich hat er auch schon mit mir geflirtet. Deshalb habe ich wohl vergessen, dass -- vor allem in seiner Welt -- ein gewaltiger Standesunterschied zwischen ihm und mir besteht. Ich will auch gar nicht wissen, wie es in seinem Land um die Rechte der Frauen bestellt ist.

„Unter Komfort meine ich etwas anderes", antwortet er überraschend gelassen. „Der Kronprinz ist außerdem gar nicht so verwöhnt, wie man glauben könnte."

„Verzeihung, ich wollte nicht ...", versuche ich mich zu entschuldigen.

„Nein, nein, ich bin nicht so steif", antwortet er und fügt lachend hinzu: „Bei meinem Vater hätten Sie sich eine solche Aussage allerdings nicht erlauben dürfen. Da wäre eine öffentliche Auspeitschung die kleinste Strafe gewesen."

„So schlimm?", frage ich. Seine Antwort überrascht mich.

„Sie müssen nicht blass werden."

„Nach solchen Drohungen werde ich immer blass", entgegne ich. „Mir hat schließlich bisher niemand gesagt, dass es lebensgefährlich werden könnte, Sie zu behandeln."

„Mich zu behandeln ist nicht lebensgefährlich", kontert er. „Nur ungebührliches Verhalten."

„Ja, ja, Sie wissen, was ich meine."

Er lacht. Wenn ich ihn so sehe, dann macht er den Eindruck eines normalen jungen Mannes, mit dem man Scherze machen kann. Allerdings kann ich mich trotz der entspannten Stimmung nicht des Eindrucks erwehren, dass es nicht immer ein Vergnügen ist, ein Kronprinz zu sein.

Während ich noch darüber nachdenke, geht die Tür auf und die Prinzessin kommt ins Zimmer.

„Frau Dr. Berner, Sie sollen sich eine Krankenschwester aussuchen und alles vorbereiten. Wir verlassen in etwa einer Stunde die Klinik. Ein Krankenwagen wird uns abholen."

„In einer Stunde?", frage ich überrascht.

„Der Chefarzt bereitet die Entlassungspapiere vor."

„Warum so eilig. Was spricht dagegen, zumindest eine Nacht noch im Krankenhaus zu verbringen?"

„Ich habe gesagt, in einer Stunde", antwortet Leyla entschlossen.

„Aber ...", will ich einwenden. Ich werde jedoch unterbrochen.

„Tun Sie lieber, was meine Schwester sagt", meint der Prinz. Seine Stimme klingt wohlwollend aber entschlossen. „Widerrede ist zwecklos."

„Schon gut, schon gut. Bevor ich schon wieder eine öffentliche Auspeitschung riskiere", lenke ich ein. „Ich hole meine Sachen und alles, was ich brauche. Ich würde gerne Amy als Krankenschwester mitnehmen. Ist das für Sie in Ordnung?"

„Wenn Sie ihr vertrauen", antwortet die Prinzessin.

„Zu hundert Prozent."

„Dann nehmen wir Amy mit."

Ich eile in den Aufenthaltsraum für Ärzte und hole meine persönlichen Sachen. Auf dem Rückweg mache ich in der Apotheke Halt, wo ich mir alle erforderlichen Medikamente geben lasse. Ich nehme alles mit, was ich nur brauchen könnte. Auch OP-Besteck und andere Geräte und Instrumente will ich dabeihaben. Ich möchte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Nicht auszumalen, was passieren würde, hätte ich nicht alles dabei, was ich brauche. Der Chefarzt würde mir den Kopf abreißen. Als ich mich schließlich vollbepackt auf den Rückweg mache, läuft Amy in mich hinein.

„Was ist beim Prinzen los? Verlässt er uns?"

„Ja, und wir gehen mit. Mach dich bereit. Wir treffen uns in einer Viertelsunde vor dem Krankenzimmer des Prinzen."

„Was machen wir?"

„Wir begleiten ihn."

„Das geht?"

„Wenn man Beziehungen bis zur Bundeskanzlerin hat, dann geht wohl alles."

„Und wer hat entschieden, dass ich mitkomme?"

„Ich", antworte ich ehrlich. „Weil ich dir vertraue und weil ich weiß, dass du nicht ungern hier rauskommst, zumindest für ein paar Tage."

„Na dann", meint Amy. Sie schaut glücklich drein. „Ich beeile mich!"

Amy läuft los, als ginge es um ihr Leben. Dabei freut sie sich vermutlich nur, etwas Abwechslung zum normalen Krankenhaustrott zu bekommen. Ich habe sie also nicht falsch eingeschätzt.

Ich mache mich auf den Weg zum Krankenzimmer. Mir unbekannte Sanitäter warten dort genauso, wie einige andere Leute. Ich kann unter den Anwesenden den Botschafter und den Chefarzt ausmachen. Einige andere Männer scheinen Leibwächter zu sein. Leyla läuft vor dem Krankenzimmer auf und ab und scheucht die Leute herum. Sie scheint ein Organisationstalent zu sein.

„Hallo, Frau Doktor, sind wir soweit?", meint sie freundlich.

„Ich warte nur noch auf die Krankenschwester. Sie müsste jeden Moment hier sein."

„Gut, dann bereiten wir inzwischen schon alles vor. Was haben Sie in der Tasche?"

„Medikamente, Instrumente und solche Sachen, alles was wir brauchen könnten."

„Geben Sie es dem Mann dort drüben. Er soll die Tasche tragen und darauf aufpassen."

„Darauf aufpassen?", frage ich überrascht.

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