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Die Erbschaft

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Zunächst versuchte Hartmann den in der Geburtsurkunde genannten Geburtsort zu ermitteln. Wie Sandra schon gesagt hatte, existierte in ganz Deutschland kein Ort dieses Namens. Aber er wusste, dass auch die Stasi nicht fehlerfrei gearbeitet hat. Schnell fand er den Lapsus, der ihnen unterlaufen war. Auf der Geburtsurkunde war der Stempel des zuständigen Standesamtes. Das war ein Anhaltspunkt, dem er sofort nachgehen konnte. Es dauerte mehrere Stunden und eine Unzahl von Telefonaten, bis er rausbekommen hatte, dass es dieses Standesamt tatsächlich gegeben hat, aber inzwischen nicht mehr existierte. Aber er wusste jetzt mit Sicherheit, in welchem Ort es einmal gewesen ist. Bei der Meldestelle dieses Ortes kam er zunächst nicht weiter. Die Mitarbeiterin, die er erreichte, war zu jung, um darüber Bescheid zu wissen. Trotzdem erklärte sie sich bereit, ihn zu einem persönlichen Gespräch zu empfangen.

Schon am nächsten Tag machte sich Hartmann auf den Weg und fuhr mehrere hundert Kilometer durch halb Deutschland. Er wurde freundlich empfangen, aber noch immer war niemand in der Lage, ihm nähere Auskunft zu geben. Doch Hartmann blieb hartnäckig, fragte nach älteren Mitarbeitern, die ihm vielleicht doch noch Auskunft geben könnten. Eine dieser Mitarbeiterinnen konnte ihm schließlich sagen, dass sämtliche Akten, die bis 1990 existierten, archiviert worden sind. Aber wo und in welchem Archiv konnte sie nicht sagen. Darüber könnte ihr vielleicht der ehemalige Bürgermeister Auskunft geben.

Diesen zu erreichen war schwieriger, als Hartmann angenommen hat. Er weigerte sich, mit irgendjemandem über diese Zeit zu sprechen. Zumindest hatte Hartmann jetzt den Namen und die Adresse dieses Herrn. Er hatte nicht das erste Mal mit älteren Männern zutun, die seinerzeit etwas zu sagen hatten. Er wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte. Zur Not hat ihm dabei schon ein gefälschter Polizeiausweis geholfen.

Besagter Herr öffnete erst nach mehrmaligem Klingeln die Wohnungstür und wollte sie sofort wieder schließen, als er eine ihm völlig fremde Person vor sich stehen sah. Doch Hartmann konnte es verhindern.

„Ich habe nur eine Frage. Ich störe Sie nicht lange. Sie brauchen mir nichts zu erklären. Ich will auch gar nicht zu Ihnen reinkommen. Hier ist mein Ausweis. Ich komme nicht von der Polizei. Ich bin Privatdetektiv und suche nur eine bestimmte Person."

„Hauen Sie ab. Ich habe nichts zu sagen. Ich rede mit niemandem."

„Wo sind die Unterlagen der Gemeinde archiviert worden? Mehr will ich nicht wissen. Als ehemaliger Bürgermeister müssen Sie das doch wissen. Das ist doch kein Geheimnis."

„Ich habe gesagt, Sie sollen verschwinden."

„Na gut. Dann verschwinde ich eben. Sie können aber sicher sein, dass ich das auch so erfahre und dass ich auch problemlos ermitteln kann, was Sie früher gemacht haben."

„Das geht Sie einen Scheißdreck an."

„Aber sicher nicht die Einwohner dieses Ortes. Es wäre für sie doch bestimmt ganz interessant."

Jetzt schien er ihn doch dort zu haben, wo er ihn haben wollte. Er wusste, dass manche dieser älteren Herren alles dafür taten, damit ihre Vergangenheit im Dunklen blieb.

„Also gut. Die Akten sind alle im Zentralarchiv der Landeshauptstadt."

„Auch die des Standesamtes?"

„Woher wissen Sie von dem Standesamt? Hier hat es nie ein Standesamt gegeben."

Doch aus seiner Reaktion wusste Hartmann sofort, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Hier hat es ein Standesamt gegeben. Aber eine Eheschließung oder eine offizielle Eintragung in ein Geburten- oder Sterberegister war wohl nie erfolgt.

„Vielen Dank. Mehr wollte ich nicht wissen."

Die Nachfrage im Zentralarchiv der Landeshauptstadt ergab, dass die gesamten Unterlagen tatsächlich dort archiviert sind. Nachdem er hier einen kurzfristigen Termin bekommen hatte, wurde er ausgesprochen freundlich empfangen, musste aber sehr schnell erfahren, dass diese Unterlagen bisher nur teilweise aufgearbeitet und katalogisiert worden sind. Er brachte sein Anliegen vor und machte deutlich, dass er ausschließlich an den Unterlagen des Standesamtes dieses Ortes interessiert ist. Von einem solchen Standesamt war aber auch hier nichts bekannt und man war überrascht, dass es in diesem kleinen Ort überhaupt eines gegeben haben soll. Aber man würde in dem Archiv gründlich nachsehen und bat ihn um sehr viel Geduld.

Tatsächlich hörte er mehrere Wochen nichts aus dem Zentralarchiv. Auch auf telefonische Nachfrage konnte man ihm noch nichts sagen. Sandra wurde schon unruhig. Sie hatte gedacht, dass alles viel schneller gehen würde. Mit Herrn Hartmann traf sie sich jetzt öfter. Sie wollte von ihm jedes Mal ganz genau wissen, wie weit er schon gekommen ist. Für ihn waren diese mal kürzeren, mal etwas längeren Treffen immer nicht nur aus dienstlichen Gründen interessant und schön. Er fühlte sich in ihrem Beisein ausgesprochen wohl. Dabei trafen sie sich nie in ihrer kleinen Wohnung. Sandra wollte es nicht. Das wäre ihr zu privat gewesen. Meistens saßen sie in seinem Büro zusammen, tranken Kaffee, aßen ein paar Kekse und unterhielten sich. Manchmal lud Hartmann sie zu einem gemeinsamen Essen ein. Neben den Gesprächen über Sandras Auftrag und ihrer Wissbegier über den Fortgang seiner Recherchen wurden die Gespräche auch zunehmend privat. Sandra erzählte ihm von ihrem Studium, von ihren Freundschaften und sogar von ihrer auseinander gegangenen Beziehung. Im Gegenzug erfuhr sie auch von Hartmann einiges aus seinem Privatleben, erfuhr, dass er 67 Jahre alt und seit vielen Jahren verheiratet war. Seine beiden Töchter waren schon lange aus dem Haus und hatten jede ein Kind.

Von seinen Recherchen in den Unterlagen, die ihm Sandra ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte und die seine Mitarbeiter sortiert und gesichtet hatten, erzählte er Sandra nichts. Das waren derart unerfreuliche Dinge, mit denen er sie nicht auch noch belasten wollte. Sie musste jetzt noch nicht unbedingt wissen, dass der Mann, von dem sie gedacht hat, dass er ihr Vater ist, ein hochrangiger Offizier im Geheimdienst des untergegangenen Staates gewesen ist. Er wusste nicht, dass Sandra bei der kurzen Durchsicht dieser Unterlagen schon selbst darauf gestoßen war, aber die tatsächliche Tragweite nicht abschätzen konnte. Auch musste Sandra nicht erfahren, dass ihre Mutter auch bei diesem Verein war und dass sie vor allem als „Hausdame" in den unterschiedlichsten Hotels mit internationalem Publikum gearbeitet hatte. Hartmann wusste nur zu gut, was das bedeutete. Sie war schlicht und einfach eine Nutte, die im Auftrag ihres Dienstherrn sich von den Gästen ficken ließ und sie dabei aushorchte. Dass Sandra auch das schon in den Unterlagen entdeckt hatte, wusste er nicht. Sie sprach auch nicht darüber.

Hartmanns Mitarbeitern war etwas anderes aufgefallen, was ihn sehr stutzig machte und anfing, ihn brennend zu interessieren. Schon Sandra hatte festgestellt, dass nicht nur Akten zu ihrem Vater vorhanden waren, sondern dass sie auch andere Personen betrafen. Hartmann hatte festgestellt, dass es Berichte darüber waren, wie andere Leute beobachtet, überwacht und ausgehorcht worden sind. In der umfangreichsten Akte tauchte immer wieder der Name der Frau auf, die als Mutter des Kindes auf der Geburtsurkunde angegeben war. Diesem Sachverhalt musste er unbedingt nachgehen.

Sandra wurde allmählich ungeduldig. Sie wartete auf die ersten Ergebnisse von Hartmanns Recherchen. Sie wollte sich nicht länger vertrösten lassen. Es war ihr zwar nicht unangenehm, dass er sie immer wieder zu einem gemeinsamen Essen oder in ein nettes Weinlokal einlud und sich dort nett und interessant mit ihr unterhielt. Doch das war nicht das, was sie wollte. Auch war es ihr zunehmend unangenehm, dass er sie immer wieder mit kleinen Aufmerksamkeiten überhäufte. Es gab fast keines ihrer Treffen, bei dem er sie nicht mit einem Blumenstrauß, einer Schachtel Konfekt oder auch mal mit Eintrittskarten für das Theater oder die Oper überraschte. Sie wollte diese Nähe nicht und hat ihn schon oft darum gebeten, darauf zu verzichten. Doch Hartmann meinte immer nur, dass er das gerne macht, dass er gerne mit ihr zusammen ist und ihr eigentlich nur eine kleine Freude machen will. Doch sie wollte nicht, dass er ihr eine Freude macht. Es war ihr peinlich. Noch nie hat ihr ein Mann Geschenke gemacht. Warum er? Aber Hartmann war anders. Er war attraktiv, freundlich und auch lieb und nett. Und er hatte Charme. Sie befürchtete, dass sie irgendwann diesem Charme erliegt und sie ihn sich mit ganz anderen Augen ansehen würde.

Immer wieder bat er sie noch um etwas Geduld. Doch sie wollte, dass er endlich mit seinen Recherchen zu einem Ergebnis kommt. War es wirklich das Einzige, was sie wollte? Ihr fiel gar nicht auf, dass sie vor jedem Treffen mit Hartmann zunehmend nervös wurde und sich aufwendiger zurecht machte.

Dass er ihr inzwischen auch das „Du" angeboten hat, hatte sie fast völlig aus dem Gleis geworfen. Ihr fiel es sehr lange schwer, ihn dann auch wirklich mit Wilhelm anzusprechen.

Für Wilhelm wurden diese Treffen mit Sandra zu einer liebgewordenen Abwechslung in seinem sonst eher geregelten Leben. Obwohl er einen anstrengenden und auch sehr zeitaufwendigen Job hatte, fand sein Privatleben doch in sehr eingefahrenen Gleisen statt. Nie ist Wilhelm und auch nicht seine Frau in den vielen Jahren ihrer Ehe auch nur einmal fremdgegangen. Gelegenheiten hätte er viele gehabt. Oft genug war er bei seinen Recherchen tagelang unterwegs. Dabei hätte es sicher viele Möglichkeiten gegeben, mit einer anderen Frau, ob Klientin oder nicht, zu schlafen. Aber diese Gelegenheiten hat er nie ausgenutzt. Bei Sandra fing er an, schwach zu werden und er begann, sich Gedanken zu machen, wie er ihr noch näher kommen kann.

Wilhelm genoss die Abende mit Sandra sehr. Es waren Abende mit einer wunderschönen Frau, mit der er sich interessant unterhalten konnte. Dabei vergaß er wirklich öfter, warum er eigentlich mit ihr zusammen war. Er wollte wirklich nur mit ihr zusammen sein. Schon den Anblick dieser jungen Frau genoss er immer mehr. Wann hatte er sich in letzter Zeit so intensiv eine so schöne junge Frau ansehen dürfen. Natürlich wusste er, wie schön junge Frauen sein können. Auch er hatte zwei bildhübsche Töchter. Aber die konnte und durfte er sich nicht so ansehen, wie er sich jetzt Sandra ansehen konnte. Für ihn mussten seine Töchter in einer anderen Liga spielen. Ihnen durfte er nicht derart ins tiefe Dekolleté sehen und ihnen auch nicht so auf den Po starren. Obwohl es sich bei ihnen auch gelohnt hätte.

Die kleinen Geschenke, die er ihr machte, waren ihm ein Herzensbedürfnis. Er wusste nicht, ob Sandra seine Hintergedanken ahnte. Sie hat sich immer geziert, diese Aufmerksamkeiten anzunehmen. Doch ahnte sie wirklich nichts? War ihre leichte Ablehnung immer echt? Er wusste es nicht. Sandra war eine so traumhaft schöne Frau, mit der er sich nicht nur gerne unterhielt, sondern die er sich auch gerne ansah. Inzwischen liebte er ihre schönen Augen, war nach wie vor fasziniert von ihrem herrlichen Körper und kannte jetzt schon so viel von ihrer immer sehr gepflegt und modern aussehenden Garderobe. Sie konnte sich wirklich schön anziehen und tat es auch. Bei ihren, ihre so wunderbare Figur betonenden Kleidungsstücke, hatte er immer das Gefühl, dass sie alles extra für ihn und diesen Abend ausgesucht hat. Ob sie ein tief ausgeschnittenes Top, eine Bluse ein schlichtes Kleid oder vielleicht auch nur enge Jeans und einen Pullover anhatte...Immer sah sie bezaubernd aus und fast immer hatte er die Gelegenheit, einen tiefen Blick in ihr offenherziges Dekolleté zu werfen. Und Sandra hatte wirklich etwas zu bieten, was auch noch einen zweiten und einen dritten Blick lohnte. Schon wenn er in einem der Restaurants oder in den kleinen Weinlokalen saßen, in denen sie sich immer trafen und auf sie wartete und sie dann sah, schlug sein Herz schneller. Es war ein bezaubernder Anblick, wenn sie, die groß gewachsene schlanke Frau, mit schwingenden Hüften und leicht wippenden Brüsten in das Lokal geschritten kam. Und sie kam nicht einfach. Sie erschien. Er war stolz, wenn die anderen Gäste ihr neidisch nachblickten, wie sie zielgerichtet zu ihm kam, ihn mit einem keinen Küsschen auf die Wange begrüßte und sich zu ihm setzte. Er war dieser jungen Frau verfallen. Jeden Tag dachte er an sie und sehnte sich danach, mit ihr zusammen zu sein. Doch er wusste, dass er mit ihr nicht das machen konnte, was er so gerne mit ihr gemacht hätte. Er wäre nicht nur gerne ihr Auftragnehmer in dieser brisanten Angelegenheit gewesen, sondern auch ihr Liebhaber und väterlicher Beschützer.

Sandras Ungeduld wuchs. Als Wilhelm sie wieder einmal zu einem gemeinsamen Theaterbesuch mit anschließendem Essen eingeladen hatte, stellte sie ihn zur Rede.

„Was ist eigentlich los, Wilhelm. Ich hab dich doch nicht engagiert, damit wir immer wieder schön essen gehen. Du musst doch inzwischen etwas herausbekommen haben. So lange kann das doch nicht dauern. Sag mir endlich, was du schon rausbekommen hast."

Wilhelm rang sehr mit sich, ob er Sandra wirklich alles sagen konnte, was er schon ermittelt hatte. Endlich entschloss er sich, ihr doch einigermaßen reinen Wein einzuschenken.

„Ich weiß nicht, ob du wirklich alles wissen willst. Es sind zum Teil so schreckliche Dinge, dass ich mich fast scheue, dir alles zu sagen."

„Wozu habe ich dich sonst beauftragt? Ich will wissen, was los ist. Ich weiß, dass der, den ich mal als meinen Vater bezeichnet habe, ein Schwein gewesen ist. Ich glaube, dass ich eine ganze Menge vertrage. Auch wenn es noch so schlimm ist, werde ich es schon überstehen."

„Na gut. Dann werde ich dir sagen, was ich schon rausbekommen habe. Aber zunächst muss ich dir gestehen, dass ich noch nicht genau weiß, was es mit dir und der Adoption auf sich hat. Das dauert vielleicht noch ein, zwei Wochen. Aber ich bin nahe dran. Ich bin mir sicher, dass alles miteinander zusammen hängt. Der Job deines Vaters, seine Beziehung zu deinen wirklichen Eltern, letztlich mit einiger Sicherheit auch die Geschichte mit deiner Adoption."

„Was soll das für eine Beziehung gewesen sein? Das gibt's doch nicht."

„Doch. Und das ist so schrecklich, so absurd. Ich musste bis in die tiefsten Tiefen von verschiedenen Archiven vordringen, um Gewissheit zu bekommen."

„Ich will alles wissen. Wirklich alles."

„Gut. Also der Reihe nach. Aus den Unterlagen, die du mir zur Verfügung gestellt hast, ist mir sehr schnell klar geworden, dass dein Vater und deine Mutter für die Stasi gearbeitet haben. Er war ein höherer Offizier und deine Mutter...na ja"

„Ich weiß, was meine Mutter gemacht hat. Sie war eine Nutte. Das habe ich selber gelesen" stellte Sandra völlig emotionslos fest.

„Ja. Das stimmt. Details dazu will ich dir ersparen. Viel interessanter für dich sind andere Dinge, die wir gefunden haben. In den Kisten waren mehrere Ordner, in denen die Überwachung, einschließlich der Telefonüberwachung eines Paares bis ins Kleinste protokolliert war. Das ging rund um die Uhr, Tag und Nacht, 24 Stunden am Tag. Der Name der Frau ist der Name der Mutter auf der Geburtsurkunde. Ich nehme an, dass es sich um deine richtige Mutter handelt. Sie war Anfang 20 und wurden verdächtigt, staatsfeindliche Tätigkeiten auszuführen. Der Mann, um den es in den Akten geht war Künstler. Maler um genau zu sein und die beiden haben sich wohl mit anderen in sogenannten konspirativen Wohnungen getroffen und sich dort über Dinge unterhalten, die dem damaligen Staat nicht gepasst haben. In dieser Gruppe muss jemand dabei gewesen sein, der alles berichtet hat. Irgendwann sind sie aufgeflogen. Ihnen wurde der Prozess gemacht und sie sind zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden."

„Und das sollen meine richtigen Eltern sein? Meine Eltern im Knast und sie sind von diesem Schwein verraten worden?"

„Es sieht so aus. Die allerletzte Gewissheit fehlt mir noch."

„Und so was ist damals wirklich passiert? Das ist doch Wahnsinn. Das ist doch schrecklich und widerlich."

„Das ist es wirklich. Ihr könnt euch das heute gar nicht mehr vorstellen. Und das ist nicht nur einmal vorgekommen. Ich hatte schon mehrere solche Fälle. Meistens sollte ich für die damaligen Opfer diejenigen finden, die dafür verantwortlich gewesen sind."

„Und wie geht es jetzt weiter?"

„Ich habe morgen einen Termin im Zentralarchiv für die Stasiunterlagen. Man hat mir schon signalisiert, dass sie etwas gefunden haben. Morgen kann ich mir das alles ansehen. Dann reden wir weiter."

„Und sonst? Hast du noch andere Dinge rausgefunden? Mein Anwalt sagte mir, dass nur wenig Geld da ist. Aber das ist mir eigentlich egal. Mir reicht die Lebensversicherung."

„Das ist richtig. Die beiden scheinen in den letzten Jahren nicht auf sehr großem Fuß gelebt zu haben. Das ist auch kein Wunder bei dem Job, den sie früher gehabt haben. Eine vernünftige Arbeit haben sie nicht mehr gefunden. Aber ich habe etwas anderes, viel Spannenderes entdeckt. In den Unterlagen, die du mir gegeben hast, haben meine Mitarbeiter Kontoauszüge entdeckt. Sehr sorgfältig abgeheftet waren die Kontoauszüge der letzten 25 Jahre einer ganz anderen Bank, einer Schweizer Bank um genau zu sein. Auf dieses geheime Konto sind regelmäßig größere Beträge eingezahlt worden. Bis ungefähr zu deinem 14. Geburtstag, also dem Zeitpunkt, als du von zuhause ausgerissen bist, ist monatlich ein nicht unbeträchtlicher Betrag, ca. 2000 D-Mark, von einer ausländischen Bank auf dieses Konto überwiesen worden. Dazu kommt noch ein weiterer Betrag von einer anderen ausländischen Bank, der nicht viel geringer war. Welchen Grund diese Zuwendungen gehabt haben, bekomme ich auch noch raus. Entsprechende Vermutungen habe ich schon. Komisch ist allerdings, dass sie von diesem Geld nie etwas abgehoben haben. Vielleicht sind sie an diese Konten nicht rangekommen. Sonst hätten sie nicht in solchen ärmlichen Verhältnissen leben müssen. Außerdem sind die nicht unbeträchtlichen Beiträge für die Lebensversicherungen nicht von ihnen selbst bezahlt worden. Auch sie stammen von einem recht dubiosen ausländischen Konto. Von ihrem eigenen Verdienst hätten sie das nie bezahlen können. Die anderen regelmäßige Beträge, wie Arbeitslosengeld oder hier und da mal Beträge für einen kleineren Job sind auf sein ganz normales Konto geflossen. Bei diesen Beträgen, die auf das Schweizer Konto geflossen sind, kommt über die Jahre schon etwas zusammen, vor allem, wenn nie etwas abgehoben wurde. Von ihrem normalen Konto haben sie sich mal ein Auto gekauft, ein paar Mal sind sie auch in den Urlaub gefahren, aber sonst haben sie kaum Geld ausgegeben."

„Das ist mir alles so rätselhaft. Wer zahlt denn derartige Summen für nichts?"

„Für nichts wird es schon nicht gewesen sein. Aber auch das klärt sich auf."

„Und was ist mit dem Computer? Habt ihr den knacken können?"

„Ja. Das hat einer meiner Mitarbeiter, der sich damit auskennt, problemlos geschafft."

„Habt ihr was Interessantes gefunden, was ich wissen muss?"

„Ja, so einiges. Aber das willst du jetzt nicht wirklich wissen."

„Doch. Ich will alles wissen. Auch, wenn es noch so schlimm ist. Viel schlimmer kann es auch gar nicht mehr werden. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wie ich das alles verarbeiten soll. Trotzdem muss ich das wissen. Kann ich mir das ansehen?"

„Auf gar keinen Fall. Glaub mir. Es war schon für mich und meine Mitarbeiter schwer und fast unerträglich, uns das ansehen zu müssen, was wir auf dem Computer entdeckt haben. Das musst du dir nicht auch noch antun."

„Hat das auch mit seiner Tätigkeit bei der Firma zu tun?"

„Nicht direkt, obwohl es da bestimmt auch Zusammenhänge gibt. Aber wenn du es unbedingt wissen willst... Ich weiß, dass es für dich kaum noch schlimmer kommen kann. Du hast deinen Vater schon mehrfach ein Schwein genannt. Ich kann dir bestätigen, dass er das wirklich war. Und das ist noch harmlos ausgedrückt. Auf dem Computer waren neben uninteressantem Zeug vor allem Bilder und Videos. Vielleicht hast du eine Ahnung, was das für Bilder und Videos sind."

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