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Die Köningin der Drachen

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„Dann sag ihr das und wir machen uns wieder auf den Weg", sagt die Stimme in meinem Kopf.

Ich überlege kurz. Im Grunde hat mein zweites Ich recht. Was interessiert mich, was diese Frau von mir denkt. Sie war nie liebevoll zu mir und jetzt, wo ich weiß, dass sie nicht einmal meine leibliche Mutter ist, fühle ich mich ihr noch weniger verbunden. Deshalb sage ich es ihr auch gleich auf den Kopf zu.

„Du bist ja nicht einmal meine Mutter. Warum soll ich dir noch sagen, wo ich war und wo ich hingehe. Ich wollte nur kommen, dir mitzuteilen, dass ich weg bin und du dir keine Sorgen machen brauchst", sage ich entschlossen.

„Du undankbares Biest! Wie kommst du jetzt darauf, dass du einfach so gehen kannst?"

„Ich schulde dir nichts, gar nichts. Mach´s gut!"

Damit drehe ich mich um und gehe auf die Tür zu. Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte. Als ich die Klinke schon in der Hand habe, sagt meine Mutter noch etwas, das mir zeigt, wie sie ist.

„Den Rest des Geldes behalte ich aber. Ich gebe keine einzige Münze zurück."

Diese Aussage trifft mich wie ein Blitz. Ich drehe mich wieder zu ihr um und schaue sie ungläubig an.

„Wie meinst du das?"

„Als ob du das nicht wüsstest."

„Ich weiß nicht, was du meinst."

„Deine Eltern haben mir eine bestimmte Summe Geld für jedes Jahr gegeben, in dem ich dich großziehe. Sie haben mir den Betrag im Voraus gegeben. Es sollte bis zu deinem 20.Geburtstag reichen."

„Und weil ich erst 18 bin, wären noch zwei Jahre offen", überlege ich. „Die kannst du gerne behalten, wenn es dir sowieso nur ums Geld geht."

„Genau genommen müsstest du mir noch etwas draufzahlen. Immerhin verliere ich eine Arbeitskraft."

Schockiert schaue ich sie an. Meine Augen werden feucht. Dass sie mich nie geliebt hat, das war mir klar und damit habe ich mich abgefunden, aber dass sie so denkt, schockiert mich nun doch.

„Du hast mich nur als billige Arbeitskraft gesehen?", frage ich schockiert.

„Als was sonst?"

„Meine Eltern haben dir genügend Geld gegeben, damit ich ein gutes Leben habe und nicht, damit ich arbeite und mir meinen Lebensunterhalt noch einmal verdienen muss."

„So genau haben sie es nicht gesagt", lacht sie hinterhältig. „Und beschwert hat sich auch niemand. Sehr geliebt haben dich deine Eltern wohl nicht. Sie haben nicht ein einziges Mal nach dir gesehen."

Ich mache einen entschlossenen Schritt auf sie zu. Ich muss mich zurückhalten, um sie nicht am Kragen zu packen und durchzuschütteln. Ich schaue ihr stattdessen nur hasserfüllt in die Augen. Ich empfinde dieser Frau gegenüber nur noch Abscheu.

„Du alte Giftspritze, du hast ja keine Ahnung. Wenn du noch einmal meine Eltern schlechtmachst, dann kann ich für nichts garantieren", fahre ich sie an.

„Sie haben dich immer wieder aus der Luft beobachtet, da bin ich mir sicher", beruhigt mich mein Drache. „Sie konnten es nicht riskieren, offen nach dir zu schauen. Sie hätten damit womöglich den König von Gunderin auf dich aufmerksam gemacht."

Er will mich beruhigen und schafft es auch. Ich werde ruhiger und im selben Augenblick wird mir bewusst, dass ich hier nichts mehr verloren habe. Ich verdanke dieser Frau nichts und bin ihr deshalb auch nichts schuldig, nicht das Geringste. Ich bin hier definitiv fertig und will nur noch nach Solana zurückkehren.

Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und verlasse das Haus, in dem ich groß geworden bin. Ich habe ihr auch nichts mehr zu sagen. Als die Tür ins Schloss fällt, endet für mich ein ganzer Lebensabschnitt.

Ich habe mir in den letzten Monaten ab und an Gedanken darüber gemacht, wie es wohl eines Tages sein wird, wenn ich dieses Haus verlasse. Die einzige logische Erklärung war, dass ich heirate und zu meinem Mann ziehe.

Dass mir genau das erspart bleibt, bin ich nun aber froh. So wie ich sie heute erlebt habe, hätte diese Frau ganz sicher einen Mann für mich ausgesucht, der viel Geld hat, damit sie versorgt ist oder sie hätte eine fette Mitgift verlangt und mich damit so gut wie verkauft. Ob ich dabei glücklich bin oder nicht, das hätte diese Hexe niemals interessiert.

Ich gehe zurück zu meiner Freundin und ohne ein Wort zu sagen, verwandle ich mich. Freja tut es mir gleich und schon schwingen wir uns in die Lüfte. Wir sprechen kein Wort, während wir in großer Höhe nach Solana zurückkehren. Ich bin froh, dass mich meine Freundin nicht bedrängt und ich ausreichend Zeit habe, mich zu beruhigen. Ich spüre zwar ihre besorgten Blicke auf mir, bin ihr aber dankbar für die Zeit, die sie mir lässt, das Gewesene zu verarbeiten.

Erst als wir auf der Wiese beim Schloss landen und uns zurückverwandeln, mustert sie mich eingehend. Sie zögert zunächst auch hier noch. Dann aber kann sie sich wohl doch nicht zurückhalten.

„So schlimm?"

„Schimmer! Du hast ja keine Ahnung."

„Das tut mir leid."

„Sie sieht mich nur als billige Arbeitskraft."

„Was hast du dir erwartet. Diese Frau hat kein Herz."

„So schlimm wie heute war es aber noch nie."

„Du brauchst sie nie mehr zu sehen, nie mehr."

Spontan nimmt sie mich in den Arm und drückt mich an ihre Brust. Ich schmiege mich an sie und es tut so unglaublich gut, zu wissen, dass jemand für mich da ist. Bei Freja kann ich sicher sein, dass sie es ehrlich meint, und deshalb bin ich ihr auch so unendlich dankbar.

„Was ist eigentlich mit meinem Vater?", frage ich.

Mir fällt erst jetzt ein, dass wir bisher nur über meine Mutter, nicht aber über meinen leiblichen Vater gesprochen haben. Dieser Umstand lässt mich allerdings befürchten, dass auch er tot ist und ich damit Vollwaise bin.

„Was aus deinem Vater geworden ist, kann niemand genau sagen. Er hat sich vor etwa zwei Jahren auf eine geheime Mission begeben. Selbst deiner Mutter hat er angeblich nicht erzählt, was er vorhat. Er und seine zwei Begleiter sind aber nie zurückgekehrt."

„Er könnte also noch leben?"

„Unwahrscheinlich. Sonst hätte er sich doch gemeldet."

„Und wenn er nicht kann?"

„Du meinst, wenn er gefangen genommen wurde."

„Dann müsste er im Kerker von Gunderin sein."

„Meinst du?"

„Wo sonst. Wir sollten nachschauen", antworte ich entschlossen.

Freja bleibt stehen und schaut mich an, als wäre ich von Sinnen. Ich gebe zu, die Idee ist etwas verwegen, aber es muss doch eine Möglichkeit geben.

„Und wie?"

„Ich weiß es doch auch nicht, noch nicht. Aber wir sollten an einem Plan arbeiten."

„Wir müssen bedenken, der König von Gunderin könnte ihn auch an einem anderen Ort festhalten und nicht im Kerker des Schlosses."

„Das würde ich auch so machen. Im Kerker des Schlosses würde ihn früher oder später jemand erkennen und dann würden wir es erfahren. Dass wir aber wirklich gar nichts wissen, deutet darauf hin, dass er an einem sicheren und geheimen Ort festgehalten wird", überlege ich laut. „Wir haben doch Spitzel in Gunderin?"

„Ja, haben wir."

„Sie sollen sich gezielt umhören."

„Ich gebe entsprechende Anweisungen."

Wir betreten das Schloss und ich gehe zu meinem Zimmer. Vor der Tür verabschiedet sich Freja. Ich gehe ins Bad und erledige meine Abendtoilette, wobei ich mir ausgesprochen viel Zeit lasse, weil ich nachdenken muss. Als ich fertig bin, bleibe ich allerdings unschlüssig in der Tür zum Zimmer stehen. Schlafen gehen kann und will ich noch nicht. Ich trete deshalb hinaus auf die Terrasse und lass meinen Blick in die Ferne schweifen.

Mich beschäftigt noch immer die Geschichte meiner Familie. Ich verstehe, dass meine Eltern mich in Sicherheit wissen wollten. Dass sie ausgerechnet diese Frau auswählen mussten, war wohl eher Schicksal. Ich kenne die Frau, die ich bisher für meine Mutter gehalten habe. Sie kann ausgesprochen freundlich und fürsorglich wirken, wenn sie will. Sie könnte eine begnadete Schauspielerin sein. Deshalb kann es gut sein, dass sie meine Eltern oder wer für sie nach einem sicheren Ort gesucht hat, umgarnt und in die Irre geleitet hat. Meinen Eltern mache ich deshalb keinen Vorwurf.

Dass sie so berechnend ist, wie sie sich mir heute Abend gezeigt hat, das hat sogar mich noch überrascht. Da war kein Gefühl mehr für mich, keine Sorge und keine Fürsorge. Sie hat einzig und allein ans Geld gedacht. So wie ich sie kenne, wird sie aber nie zufrieden und glücklich sein. Das liegt einfach in ihrer Natur, sie ist raffgierig. Sie ist damit wohl ausreichend bestraft, dass sie so ist, wie sie ist.

In mir keimt jedoch auch Hoffnung auf, Hoffnung darauf, meinen Vater eines Tages doch noch zu treffen. Ich habe ein Gefühl, als ob er noch leben würde. Keine Ahnung, ob ich mich darauf verlassen kann oder nicht. Es reicht aber aus, das ich die Hoffnung nicht aufgebe und ich schwöre mir, alles in meiner Macht stehende zu tun, um ihn zu befreien, sollte sich die Möglichkeit dazu ergeben.

„Noch wach?", sagt eine Stimme hinter mir.

Ich brauche mich nicht umzuschauen, um zu wissen, dass es meine Freundin ist. Sie tritt neben mich. Unsere Zimmer, das fällt mir jetzt wieder ein, haben beide eine Tür heraus auf diese Terrasse.

„Ich denke an meinen Vater. Ich kann es spüren, er lebt."

„Dann finden wir ihn!"

„Danke!"

„Wofür?"

„Dass du für mich da bist, an mich und meine Wünsche glaubst und dafür, dass du es ehrlich meinst."

„Eigentlich hatte ich den Auftrag dazu", grinst sie.

„Du warst aber nicht all die Jahre meine Freundin, nur weil du den Auftrag dazu hattest. Da bin ich mir sicher."

„Du täuschst dich nicht. Auch mir hat man erst in Solana gesagt, was meine Aufgabe ist. Deine Freundin bin ich aber schon viel länger, weil du eine wunderbare Frau bist und auch du immer zu mir gestanden bist. Ich wüsste nicht, was aus mir geworden wäre, wärst du nicht immer an meiner Seite gewesen. Weißt du eigentlich, wie oft du mir eine gute Freundin warst und mir den Arsch gerettet hast, viel öfter als ich dir. Und dabei hattest du keinen Auftrag."

Ich umarme sie und bin einfach froh, dass sie wieder bei mir ist. Ihr Tod hat mich sehr mitgenommen und bisher konnte ich es noch immer nicht so richtig begreifen, dass sie wieder lebt. Aber jetzt, wo wir gemeinsam meine alte Heimat besucht haben und ich wieder erlebt habe, wie es damals war, dringt diese Information nun doch langsam in mein Hirn. Und ich bin dankbar, sehr dankbar, den einzigen Menschen endlich wieder um mich zu haben, der mir etwas bedeutet und dem ich etwas bedeute.

„Ich bin froh, dass du bei mir bist", sage ich ehrlich.

„Lass uns schlafen gehen, morgen wird wieder ein harter Tag. Regieren ist nicht einfach", sagt sie lächelnd.

Kapitel 10

Es sind inzwischen weitere drei Wochen vergangen. Ich habe mich in meine neue Rolle recht gut eingelebt. Ich versuche das Land so gerecht wie möglich zu führen, lerne so viel ich kann und gehe fast jeden Abend mit Freja fliegen. Ich brauche das, um einen Ausgleich zu allem anderen zu haben. Nur hoch oben am Himmel kann ich mich richtig entspannen und die Dinge aus einer bestimmten Distanz betrachten. Außerdem habe ich den Eindruck, ich kann aus dieser Perspektive die Auswirkungen meiner Entscheidungen besser überblicken.

Inzwischen wissen alle, wie die neue Königin aussieht. Ich kann nicht mehr unbemerkt durch das Schloss schleichen und hoffen unerkannt zu bleiben. Immer verneigen sich alle tief und ehrfürchtig, etwas das ich gar nicht mag.

Ich war gerade mit Freja fliegen und kehre ins Schloss zurück, als uns am Tor Felises entgegenkommt. Er scheint ausgesprochen aufgeregt zu sein.

„Serena, Serena, wir haben wichtige Informationen", ruft er mir schon von weitem entgegen.

Alle Umstehenden schauen ihn tadelnd an. Sie wissen zwar, dass ich bei meinen engsten Vertrauten keinen großen Wert auf Förmlichkeiten lege und sie mich mit Du ansprechen dürfen. Aber sein heutiges Verhalten ist eher kumpelhaft und nicht, wie es sich einer Königin gegenüber ziemen würde. Ich aber übergehe den Umstand, dass er etwas förmlicher sein könnte.

„Über was? Lass uns ins Kaminzimmer gehen", fordere ich ihn auf.

„Ich komme mit", meint Freja.

„Ja bitte!", sage ich.

Ich bin echt froh, dass ich sie bei mir habe. Ich nehme sie deshalb bei der Hand, zusammen folgen wir dem Kommandanten der Palastwache und begeben uns ins Kaminzimmer. Auf dem Weg dorthin gibt Felises einem jungen Mann ein Zeichen, mitzukommen.

Keiner sagt ein Wort. Obwohl ich aufs Äußerste angespannt bin, halte ich mich zurück. Mir ist klar, dass nicht zu viele Informationen nach außen dringen sollen. Aber kaum, dass die Tür hinter mir ins Schloss fällt und wir im Kaminzimmer sind, halte ich es nicht mehr aus.

„Was gibt es Neues?"

„Wir haben eine Spur von deinem Vater!"

„Erzähl schon!"

„Vicozil ist einer unserer Spione in Gunderin. Er glaubt zu wissen, wo dein Vater festgehalten wird", erklärt Felises.

„Und wo?"

„Wenn ich sprechen darf, Eure Majestät", meldet sich der Mann zu Wort. Ich schätze ihn auf etwa 30 Jahre.

„Sag schon!", dränge ich ihn ungeduldig.

„Ganz im Norden von Gunderin gibt es eine enge Schlucht. Sie führt zu den Eiswüsten. Dort gibt es ein altes, fast schon vergessenes Schloss. Früher diente es als Kontrollpunkt. Doch laut den Unterlagen müsste es inzwischen schon seit Jahren verlassen sein. Allerdings habe ich in der Buchhaltung des Reiches Rechnungen gefunden, die belegen, dass dorthin regelmäßig Lebensmittel geliefert werden. Das bedeutet, dass dort jemand dauerhaft leben muss. Den Rechnungen nach dürften es mehrere Menschen sein", erklärt er.

„Können es nicht nur Wachen sein, die weiterhin den Weg zu den Eiswüsten überwachen?", frage ich.

„Das wäre ungewöhnlich. Ich habe das zunächst auch vermutet und deshalb genauer nachgeschaut. Die Lebensmittel werden erst seit zwei Jahren abgerechnet. Vorher stand das Schloss offenbar über zehn Jahre lang leer. Für diese Zeit habe ich nicht eine einzige Rechnung gefunden. Das kann kein Zufall sein."

„Mein Vater wird seit zwei Jahren vermisst", überlege ich. „Genauso lange gibt es offenbar wieder Leben in diesem Schloss. Wir sollten nachschauen."

„Und wie willst du das anstellen?", erkundigt sich Felises besorgt. „Es ist zu gefährlich, eine Mission zu diesem Schloss zu schicken. Man müsste Gunderin einmal komplett durchqueren."

Er scheint mich inzwischen zu kennen. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, lasse ich mich nicht so leicht davon abbringen.

„Wir werden nachts die Gegend überfliegen. Wenn wir sehen, dass dort Leben ist, müssen wir einen Plan schmieden. Wer ist dabei?"

„Wie meinst du mit überfliegen?"

„Freja und ich sind Drachen."

„Das weiß ich, aber du willst nicht als Königin über ein feindliches Reich fliegen. Dort oben kann dich niemand von den Wachen begleiten."

„Dort oben kann mich keiner angreifen."

„Trotzdem, du bist die Königin."

„Ich bin auch die Tochter des Mannes, den wir suchen. Glaubst du, ich lasse mich davon abhalten, selbst an der Rettungsaktion mitzumachen?"

Bei diesen Worten stemme ich herausfordernd die Hände in die Hüften. Ich nehme an, auch mein Blick ist entsprechend. Auf jeden Fall weicht Felises mit dem Oberkörper etwas zurück. Das wiederum werte ich als Zeichen, dass meine Worte ihr Ziel erreicht haben, ihm klarzumachen, dass ich sicher nicht hierbleiben werde.

„Na schön, auch wenn es nicht üblich ist, dass sich die Königin in Gefahr begibt, kann ich verstehen, warum du dabei sein willst."

„Dabei sein muss!", stelle ich klar. „Haben wir noch jemand, den wir einweihen müssen?"

„Wir sollten keine anderen Leute einweihen. Je mehr Mitwisser es gibt, umso leichter kann etwas nach außen dringen und unseren Plan gefährden", meint Felises.

„Wir hier vertrauen uns. Aber reichen vier Leute?", frage ich.

„Wir haben keine andere Wahl", meint auch meine Freundin.

„Ich denke, wir sollten Cefalis informieren. Er ist loyal."

„Gut, ich werde mit ihm sprechen", bietet sich Felises an.

„Und wir fliegen heute Abend los. Wenn es dunkel ist, sind wir als Schattendrachen nicht zu sehen", wende ich mich an Freja.

„Und wie wissen wir, wohin wir fliegen müssen?", erkundigt sich diese.

„Das stimmt. Wer kennt den Ort?", frage ich.

„Ich weiß, wo das Schloss liegt. Aber ich bin kein Drache", meldet sich Vicozil etwas schüchtern zu Wort.

„Das ist kein Problem", zerstreue ich seine Bedenken. „Wer kann sich außer uns beiden noch in einen Drachen verwandeln?"

„Soweit ich weiß, nur dein Vater, Sirius und noch so ein ganz alter Gelehrter."

„Gut, dann nehme ich Vicozil mit."

„Ihr nehmt mich mit, Eure Hoheit?"

„Ich heiße Serena und ja, ich nehme dich mit."

„Wie soll das gehen?"

„Du kletterst in meinen Nacken und fliegst auf mir."

„Das darf ich?"

„Wenn ich es sage, dann passt das", grinse ich.

Felises legt den Arm um den Mann und drückt ihn an sich. Dabei grinst er breit.

„Mein Freund, du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass unsere Königin einen ganz neuen Stil pflegt. Sie ist weder auf Förmlichkeiten fixiert, noch hat sie Berührungsängste. Sie ist zielorientiert und versucht eine gute Regentin zu sein. Das mag ich so an ihr."

Dabei zwinkert er mir zu. Ich muss grinsen. Der Mann gefällt mir, wir haben ähnliche Ansichten. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass wir altersmäßig nicht weit auseinander liegen. Er ist nur ein paar Jahre älter.

„Wir fliegen bei Einbruch der Dunkelheit. Treffpunkt ist die Wiese hinter dem Schloss", sage ich zu Freja und Vicozil, dann wende ich mich an Felises. „Du informierst bitte Cefalis und kommst dann in den Garten. Ich habe noch ein paar Fragen an dich, was die Sicherheitsvorkehrungen betrifft."

Damit ist die Sitzung beendet und wir gehen alle unserer Wege. Ich mache mich auf, in den Garten. Ich setze mich dort auf eine Bank und versuche, mich zu beruhigen. Ich habe mich während der Besprechung bemüht, so ruhig wie möglich zu wirken. In meinem Inneren hat es allerdings ganz anders ausgesehen. Immerhin haben wir eine Spur von meinem Vater gefunden. Wenn das kein Grund ist, aufgeregt zu sein.

Ich habe endlich eine reelle Chance, doch noch meinen Vater kennenzulernen. Mir ist sehr wohl klar, dass es noch ein hartes Stück Arbeit sein wird, bis er in Solana ist. Aber immerhin habe ich nun eine Spur und die Hoffnung, dass er noch lebt.

Ich habe mein gesamtes bisheriges Leben nie gewusst, wer mein Vater ist. Meine angebliche Mutter hatte nur einen Lebensgeführten, der aber ganz sicher nicht mein Vater sein konnte. Andere Männer gab es nicht, die in Frage gekommen wären. Deshalb habe ich mich schon vor Jahren mit dem Gedanken abgefunden, dass ich meinen Vater niemals kennenlernen werde.

Jetzt ist plötzlich alles anders. Die Mutter, die ich glaubte, dass sie meine Mutter ist, ist es nicht. Meine leibliche Mutter hingegen werde ich nicht mehr kennenlernen, weil sie leider schon verstorben ist. Dafür aber eröffnet sich in der Frage, wer mein Vater ist, eine völlig neue Möglichkeit. Diese will ich ergreifen und alles tun, um ihn in meinem Leben zu haben.

„Darf ich?", sagt plötzlich eine Stimme neben mir.

Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und schaue, wer mich angesprochen hat. Natürlich ist es Felises, den ich gebeten habe, nachzukommen. Ich springe auf und schaue ihn vermutlich verwirrt an.

„Ja, natürlich, setz dich."

„Habe ich dich gestört?"

„Ich war in Gedanken."

„An deinen Vater?"

„Erwischt!", grinse ich.

Inzwischen bin ich wieder voll da. Erst als ich mich setze, tut er es mir gleich. Er hat darauf gewartet und das finde ich schön. Er hat Manieren.

„Was möchtest du wissen? Du hast gesagt, es ginge um die Sicherheit."

„Genau genommen geht es darum, dass ich manchmal unsicher bin, ob ich mich richtig verhalte."

„Wie meinst du das?"

„Ich bin ein einfaches Mädchen, bin bei Menschen auf dem Land aufgewachsen, habe dort arbeiten müssen und war nichts Besonderes. Ich war keine Prinzessin, ich war nicht verwöhnt und ich war nicht hochnäsig. Ich bin nun aber nicht sicher, ob ich mich hier richtig verhalte. Alle schauen mich komisch an, wenn ich mich von meinen engsten Mitarbeitern mit Du ansprechen lasse und so weiter."

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