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Die Köningin der Drachen

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Er bemerkt offenbar aufgrund meines schwungvollen Auftrittes, dass jemand die Küche betreten hat und dreht sich abrupt zu uns um. Er mustert zunächst mich, weil ich ganz vorne stehe, danach fällt sein Blick auf Freja und Felises.

„Was wollt ihr hier?"

„Guten Morgen! Ich wollte nur fragen, was hier los ist", sage ich übertrieben freundlich.

„Was hier los ist? Ja spinnst du? Wer bist du denn, dass du einfach in meine Küche marschierst und blöde Fragen stellst?", fährt er mich an.

„Ich bin Serena und ich denke, ich darf sehr wohl fragen, was hier los ist."

„Aha, das denkst du. Soll ich dir sagen was hier los ist. So eine unnütze Beiköchin hat sich gestern in meiner Küche den Bauch vollgeschlagen."

„Hat sie das?"

„Ja, es fehlen Käse und Schinken."

„Und erst das Brot, das solltest du nicht vergessen. Brot ist wichtig."

Als ich das sage, hält er überrascht inne und mustert mich. Dann fällt sein Blick auf Freja.

„Hast du das erlaubt?"

„Nein ich", halte ich dagegen.

„Und woher glaubst du, dass du hier einfach Anordnungen geben kannst?"

„Ganz einfach, weil ich es darf. Wo ist Pippa?"

„Die ist ganz hinten und packt ihre Sachen. Ich hoffe, sie beeilt sich, denn, wenn sie nicht sofort verschwindet, rufe ich die Wachen."

„Hol sie her!"

„Wie käme ich dazu?"

„Weil ich es dir sage!", werde ich etwas lauter.

„Ha, weil du es mir sagst? Das wäre ja noch schöner, dass du mir etwas zu sagen hast. Ich bin der Küchenchef!"

„Ja, ja, der Küchenchef. Eine sehr wichtige und hochgestellte Persönlichkeit", antworte ich ihm spöttisch. Dann rufe ich in den Raum hinein. „Pippa, komm bitte zu uns."

„Ach Serena, du bist das. Lass es doch bitte gut sein. Ich wollte sowieso gehen."

„Du hast mir versprochen, noch eine Woche auszuhalten."

„Sei mir bitte nicht böse, er hat mich rausgeschmissen."

„Ich wette, du änderst deine Meinung, wenn wir hier fertig sind. Denk an deine Mädchen."

Schüchtern kommt Pippa hinter einer Ecke hervor. Sie hält in der Hand ein Bündel. Ich nehme an, es sind ihre Habseligkeiten. Viel ist es nicht. Ich gehe auf sie zu und ziehe sie in eine Umarmung.

„Hallo Pippa", sage ich. „Ich wäre froh, wenn du bleiben könntest."

„Du hast hier nichts zu melden", fährt mich der Küchenchef an.

Dabei packt er mich am Arm. Ich schüttle ihn aber energisch ab. Aus dem Augenwinkel heraus beobachte ich, wie Felises sich anspannt. Ich versuche ihn mit einem Blick zurückzuhalten.

„Ich denke ich habe hier sehr wohl etwas zu sagen, zumindest mehr als du."

„Dass ich nicht lache. Mir reicht es jetzt! Ich rufe den Kanzler und dann schmort ihr alle im Kerker. Alle, wie ihr hier steht!", faucht er. Der Mann ist wütend, sehr wütend.

„Das könnte etwas schwierig werden", grinse ich gemein.

„Was soll schwierig werden?", erkundigt er sich verblüfft.

„Den Kanzler zu rufen, naja, rufen kannst du ihn schon, ich bezweifle aber, dass er kommt."

„Spinnst du? Wenn ich ihn rufe, dann kommt er."

„Der Kanzler? Bist du so wichtig?"

„Er ist mein Cousin."

„Oh, jetzt verstehe ich."

„Was verstehst du?"

„Warum auch du Prämien kassiert hast, für das Kürzen des Personalstandes. Allerdings hat dich dein lieber Cousin ganz schön übers Ohr gehauen. Im Gegensatz zu ihm hast du nur ein Almosen bekommen."

Da alle Beschäftigten in der Küche inzwischen ihre Arbeit liegen gelassen haben und nur noch uns zuhören, geht bei meinen Worten ein Raunen durch die Menge. Auch Pippa schaut mich überrascht an.

„Er hat Geld dafür bekommen?", erkundigt sie sich.

„Sie lügt!", brüllt der Küchenchef.

Ich gebe Felises ein Zeichen. Ich habe gesehen, dass er heimlich vier Wachleute hat mitkommen lassen und diese vor der Tür warten. Er versteht meinen Wink sofort und holt die Männer herein.

Nun geht erneut ein Raunen durch die Menge. Dass gleich vier Palastwachen in der Küche aufkreuzen, macht Eindruck.

„Ich lüge nicht, ich habe es selbst in der Buchhaltung gesehen, schwarz auf weiß. Du hast dich persönlich bereichert und die Angestellten ausgebeutet. Du wirst deinem Cousin Gesellschaft leisten. Verhaftet ihn!"

„Das kannst du nicht machen! Wer bist du überhaupt!"

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich Serena bin. Und nur zu deiner Information, Pippa hat nichts gegessen, sie hat mir etwas gegeben und deshalb bleibt sie. Außerdem wird das Personal wieder aufgestockt."

„Ist das dein Ernst?", erkundigt sich Pippa. Sie steht nun direkt vor mir.

„Ich habe dir gesagt, es wird alles gut", lächle ich sie an.

„Darf ich fragen, wer du bist? Und sag jetzt nicht Serena, das wissen wir inzwischen", grinst Pippa.

„Ich bin die Chefin des Kanzlers."

„Du bist was? Die Chefin des Kanzlers? Wer soll das denn sein?", überlegt Pippa. „Doch nicht etwa ..."

Sie spricht den Satz nicht zu Ende und fällt vor mir auf die Knie. Die anderen schauen sie überrascht an.

„Wer ist sie?", ruft eine Frau Pippa zu.

„Die Königin, du Dummerchen."

Einen Moment lang schauen alle entgeistert zu mir, dann aber fallen sie auf die Knie. Dem Küchenchef entkommt ein Fluch, allerdings weiß er nicht, wie er sich verhalten soll und geht dann ebenfalls auf die Knie.

„Steht bitte alle auf. Vor mir braucht ihr nicht auf die Knie zu gehen oder zu knicksen. Ein freundlicher Gruß reicht mir völlig."

„Aber ihr seid die Königin", meint Pippa. Plötzlich wird sie ganz rot im Gesicht. „Und ich habe euch gestern die ganze Zeit mit Du angesprochen."

„Das sollst du auch weiterhin. Ich bin dir dankbar für deine Offenheit."

„Ich soll euch, dich, äh, ja, Serena nennen?"

„Genau, du hast es erfasst."

„Das ist mir eine große Ehre. Ich bin nur eine kleine Beiköchin."

„Ich habe mir aber sagen lassen, dass du eine sehr gute Köchin bist."

„Das sagt man?", wirft sie schüchtern ein.

Zustimmende Rufe kommen von den anderen Angestellten. Pippa scheint in der Küche sehr beliebt zu sein.

„Traust du dir zu, gute Leute für die Küche zu finden?", frage ich sie.

„Ich? Wieso ich?"

„Weil der Küchenchef in den Kerker wandert und wir eine Nachfolgerin brauchen."

„Eine Nachfolgerin? Eine Frau?"

„Ja, dich!"

„Mich?"

„Willst du nicht?"

„Traust du mir das zu?"

„Ich schon. Traust du es dir zu?"

Sie kommt aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Die anderen Küchenangestellten jubeln und applaudieren. Pippa ist völlig überfordert.

„Ist das nicht Antwort genug?", frage ich vergnügt.

„Dann kann ich wohl nicht mehr ablehnen", grinst nun auch Pippa.

„Und du ziehst mit deinen Mädchen in den Palast und wegen des anderen Problems reden wir auch noch."

„Welches andere Problem?", erkundigt sie sich überrascht.

„Das bleibt unter Freundinnen. Ich verrate es dir, wenn ich wieder einmal Hunger habe und spät abends vorbeikomme."

„Du bist jederzeit willkommen", sagt sie.

Kapitel 8

Ich bin nun schon zwei Monate im Schloss. Meine Tage sind ausgefüllt mit Verpflichtungen, Gerichtsverhandlungen, Buchhaltung und Lernen. Ich weiß an manchen Tagen gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich tausche auch einige Leute in ihren Ämtern aus. Immer, wenn ich den Eindruck habe, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert, suche ich nach einem Ersatz. Dass ich dabei die Mannschaft deutlich verjünge, ist eher Zufall.

Aber nicht nur das Verwalten ist eine Herausforderung, auch die vielen Bereiche, die ich lernen muss. Felises hat es sich als Kommandant der Palastwache nicht nehmen lassen, mir das Kämpfen beizubringen. Als Königin, so hat er gemeint, sollte ich mich auch selbst verteidigen können.

Ich kann inzwischen auch schon halbwegs gut mit dem Schwert umgehen, kann Faustkämpfe austragen und der Umgang mit dem Messer ist mir bereits aus meinem alten Leben vertraut. Zugute kommt mir, dass ich durch meine Drachennatur auf beachtliche Kraftreserven zurückgreifen kann und nicht nur eine schwache Frau bin.

Am liebsten aber übe ich die verschiedenen Kampfsportarten. Ich bin auch richtig gut darin. Vermutlich bringe ich die richtigen Voraussetzungen mit. Ich verfüge über Kraft und die nötige Konzentration. Außerdem lerne ich schnell. Felises hat schon bald kaum noch eine Chance, gegen mich zu gewinnen, wenn wir kämpfen.

Freja hingegen hat meine Ausbildung, rund um mein zweites Ich, übernommen. Allerdings musste das bisher noch etwas warten und hat sich leider nur auf Theorie beschränkt. Alles Drängen und Betteln, hat nicht geholfen. Ich musste warten.

Doch heute, heute habe ich endlich meine erste praktische Stunde. Bisher hat mich vorwiegend Sirius mit seinen Fächern gepeinigt, weil er der Ansicht ist, eine Königin muss sich mit der Geschichte von Solana, Etikette, Diplomatie, Kriegskunst und zahlreichen anderen Fächern, bestens auskennen. Das Fliegen kommt seiner Meinung nach erst danach.

Aber heute, heute ist es endlich soweit! Ich gehe mit Freja auf die große Wiese, die hinter dem Schloss liegt. Ich habe so lange warten müssen, dass ich ganz aufgeregt bin und es kaum noch erwarten kann. Einmal habe ich mich nachts sogar heimlich hinausgeschlichen. Aber ohne Anleitung war mein Versuch nur zum Scheitern verurteilt.

„Du musst in dich gehen und die Kraft spüren, die dir innewohnt", erklärt mir meine Freundin.

„Welche Kraft?", frage ich.

„Frag nicht, versuch es!"

„Ja, ja! Wenn du meinst."

Ich versuche mich zu beruhigen und in mich zu gehen. Das mit dem Beruhigen ist aber nicht so einfach. Ich bin so aufgeregt. Immerhin soll ich mich heute zum ersten Mal in einen Drachen verwandeln. Außerdem möchte ich fliegen, auch wenn Freja gemeint hat, dass daran beim ersten Mal ganz sicher noch nicht zu denken ist.

Ich muss mich also beruhigen und ich nehme an, es ist so ähnlich, wie bei einer Entspannungsübung. Ich denke an nichts und lass meine Gedanken einfach fliegen. Das gelingt mir nicht auf Anhieb, dazu bin ich zu aufgeregt und zu viele Gedanken schwirren mir immer noch im Kopf herum. Aber nachdem mir meine Freundin einen mahnenden Blick zuwirft, schaffe ich es dann doch.

Und da ist sie, diese Energie, diese gewaltige Macht! Unglaublich! Ich kann sie deutlich fühlen und sie ist einfach nur überwältigend. Ein unglaubliches Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Ich höre eine Stimme in meinem Kopf.

„Lass mich endlich raus!"

„Würde ich ja, wenn ich wüsste, wie ich das anstellen soll."

„Lass mich einfach machen, übergib mir die Kontrolle!"

„Wer bist du überhaupt?"

„Dein zweites Ich."

„Unser zweites Ich, wenn schon!"

„Motz nicht herum, lass mich machen."

„Von mir aus!"

Ich lasse einfach los, ich ziehe mich zurück und plötzlich erlebe ich alles wie aus einer ganz neuen Perspektive, so als wäre ich viel höher, viel größer. Vor allem aber fühle ich mich unglaublich stark und mächtig.

„Wow, Serena. Du bist gewaltig!", höre ich meine Freundin staunend sagen.

Erst jetzt öffne ich die Augen und erschrecke. Ich blicke von weit oben auf die Wiese herab. Bisher war es nur ein Gefühl. Doch jetzt, wo ich die Augen geöffnet habe, kann ich die Veränderung deutlich sehen. Als ich meinen Körper in Augenschein nehme, erkenne ich dicke, leuchtende Schuppen, mächtige Beine und einen ewig langen Schwanz.

Ich sehe, wie beim Schloss alle zu den Fenstern laufen und mich staunend bewundern. Ich frage mich, wie ich die kleinen Figuren aus dieser Entfernung überhaupt erkennen kann.

„Du hast den Drachenblick", antwortet meine innere Stimme.

„Du kannst Gedanken lesen?"

„Deine schon, wir sind ja eins."

„Stimmt!", gebe ich zu. In Gedanken schlage ich mir gegen die Stirn.

Ich blicke hinab zu Freja. Sie ist nur noch winzig klein und auch sie starrt mich mit offenem Mund an.

„Hattest du keine Schmerzen?", höre ich sie in Gedanken.

„Schmerzen? Wieso?"

„Bei der ersten Verwandlung hat man doch immer Schmerzen."

„Ich habe nichts gespürt", gestehe ich.

„Das liegt an ihrer Macht", mischt sich nun mein zweites Ich ein.

„Dann bist du sehr mächtig?", will Freja wissen.

„So etwas wie mich hast du noch nie gesehen."

„Bin ich stärker als meine Eltern?", will ich nun wissen.

„Soweit ich das beurteilen kann, schon", sagt mein Ich.

„Wollen wir fliegen?", frage ich. „Schließlich bin ich dazu hier."

„Wir wollten die Verwandlung üben und ich bin froh, dass das so problemlos funktioniert hat. Aber fliegen? Willst du heute wirklich schon fliegen?", versucht meine Freundin mich zu bremsen.

„Warum nicht?"

„Du solltest dich erst an deine Drachengestalt gewöhnen."

„Das ist kein Problem. Wir schaffen das locker. Verwandle dich und wir legen los", übernimmt wieder mein zweites Ich.

„So einfach?"

„Für mich schon."

„Ich bin die Freche, du die Draufgängerin", lache ich.

„Eine gefährliche Mischung", grinst mein Drache.

„Die aber auch Erfolg verspricht", scherze ich.

„Ihr zwei seid echt ein tolles Gespann. Ich fürchte, mit euch werde ich noch einiges zu tun bekommen."

Freja scheint nicht ganz glücklich damit zu sein, dass ich heute schon fliegen will, aber sie verwandelt sich und steht nun als Drache neben mir. Allerdings ist sie doch um einiges kleiner als ich. Nun verstehe ich, warum sie von meiner Größe so überrascht war.

Wenn ich zurückdenke, wie beeindruckt ich von Freja war, als diese mir als Drachen aus dem Wald heraus entgegengekommen ist, kann ich mir ungefähr vorstellen, wie das sein muss, würde ich plötzlich mir selbst gegenüberstehen.

„Dann wollen wir es versuchen. Flieg aber nicht zu hoch und nicht zu weit", ermahnt mich meine Freundin.

Mein Drache allerdings lacht in unseren Köpfen. Er nimmt ihre Warnung nicht sonderlich ernst. Selbstbewusstsein hat er, das kann ich nicht abstreiten.

„Haben wir", korrigiert mich mein zweites Ich.

„Haben wir", wiederhole auch ich zur Bestätigung.

Bevor ich überlegen kann, wie ich es anstellen soll, loszufliegen, breitet mein Drache schon die Flügel aus und mit drei kräftigen Schlägen sind wir schon beinahe 100 Meter über dem Boden. Mann, das geht aber schnell!

„Was hast du gedacht? Ich bin ein großer Drache."

„Wir sind ein großer Drache", korrigiere ich ihn lachend.

„Ja, schon gut, wir", kichert nun auch mein Mädchen.

Ein Blick nach unten zeigt mir, dass sich auch Freja in die Lüfte geschwungen hat. Sie hat allerdings sichtlich Mühe, mit uns mitzuhalten.

„Könnt ihr etwas langsamer machen. Wir haben doch keine Eile", keucht sie.

Mein Drache nimmt Tempo raus und nun gleiten wir weit oben ruhig über die Landschaft. Ich kann am Boden trotz der unglaublichen Entfernung immer noch alles ganz genau erkennen. Es ist überwältigend.

Solana ist auch ein echt schönes Land. Die Felder und Äcker sind ausgesprochen fruchtbar, die Wälder gesund und von einem satten Grün. Immer wieder erkenne ich Seen, Flüsse und Bäche, die sauberes Wasser führen und den Boden feucht halten. Die Erde strotzt vor Leben.

„Wie sieht es bei den Menschen aus?", frage ich.

„Serena, das ist nicht dein Ernst!", höre ich Freja.

„Warum nicht?"

„Du willst doch nicht ernsthaft das Land der Menschen anschauen?"

„Warum nicht? Wir fliegen weit oben und keiner kann uns sehen."

„Das ist zu weit für den ersten Flug und was ist, wenn wir landen müssen, weil du nicht genug trainiert bist?"

„Ich strotze vor Kraft", meldet sich mein Drache. „Müssen gerade wir Rücksicht auf dich nehmen oder du auf uns? Wenn es dir zu weit ist, dann kannst du gerne hier landen und auf uns warten. Wir sind bald wieder zurück."

„Nein, nein, ich schaffe das schon", lenkt meine Freundin hastig ein.

Ich habe den Verdacht, uns allein fliegen zu lassen, will sie dann doch nicht riskieren. Wir haben schließlich keine Wachen dabei. Aber beim Fliegen wäre das sowieso schwierig. Doch darüber mache ich mir im Moment keine Sorgen. Wir drehen ab und überfliegen die hohe Bergkette, die wir auf dem Weg hierher bereits überwunden haben und welche die beiden Welten trennt.

Sofort verändert sich das Bild unter uns. Die Wiesen und Äcker sind immer noch grün, aber bei weitem nicht mehr so satt und fruchtbar. Die Menschen haben offenbar deutlich mehr Mühe, die Felder zu bewirtschaften und den Wald zu pflegen.

„Da, da unten habe ich gewohnt", sage ich zu meinem Drachen.

„Ich weiß, ich war ja dabei, auch wenn du mich nicht gespürt hast."

„Sollen wir meiner Mutter Bescheid geben?", frage ich spontan.

„Du willst landen? Das ist jetzt nicht dein Ernst!", schimpft Freja.

„Ich muss ihr doch sagen, dass es mir gutgeht."

„Nach zwei Monaten?"

„Sie macht sich bestimmt Sorgen", werfe ich ein.

„Und wie willst du erklären, dass du so lange weg warst und dass du gleich wieder fortmusst?"

„Uns wird schon etwas einfallen."

„Uns?", lacht Freja sarkastisch auf. „Ich kann nicht mitkommen, ich bin gestorben."

„Ach ja, du meine Güte!"

„Ich denke, es ist besser, wenn wir deiner Mutter nichts sagen", will mich meine Freundin von der Idee abbringen.

„Nur eine halbe Stunde", bettle ich.

„Und, wenn sie dich nicht mehr gehen lässt."

„Dann schleiche ich mich aus dem Haus."

„Das möchte ich sehen."

„Ich bin inzwischen ein Drache."

„Mein Gott, Serena. Deine Mutter darf dich nicht als Drache sehen und sie darf auch nichts davon erfahren."

„Aber ich darf sie darauf ansprechen, dass ich nicht ihr Kind bin?"

„Das kannst du, das weiß sie ja."

„Gut, dann mache ich mich auf den Weg."

Freja verdreht genervt die Augen, widerspricht mir aber nicht mehr.

Kapitel 9

Wir landen in der Nähe des Dorfes, am Rande eines Waldes. Um diese Zeit ist hier keine Menschenseele mehr unterwegs und wir können sicher sein, unbemerkt zu bleiben.

In dieser Gegend bin ich aufgewachsen und habe mein bisheriges Leben verbracht. Nur einmal hat mich meine angebliche Mutter in den Nachbarort mitgenommen. Ansonsten war ich immer hier. Doch nun kommt mir alles vertraut und fremd gleichermaßen vor. Erst jetzt wird mir bewusst, wie stark sich mein Leben verändert hat. Ich würde nie mehr tauschen wollen.

Es ist bereits dunkel, die Sonne hat sich schon vor einiger Zeit verabschiedet. Freja und ich verwandeln uns zurück, aber nur ich mache mich zu Fuß auf den Weg ins Dorf. Es ist auch nur ein zehnminütiger Fußmarsch.

Selbst die Gassen im Dorf sind um diese Zeit bereits menschenleer. Ich begegne nur dem alten Apotheker, der eigentlich nur ein Kräutermischer ist und das kein besonders guter. Er schaut mich auch etwas missmutig an, beachtet mich aber nicht weiter, sobald er mich erkannt hat. Auf meinen Gruß hin brummt er nur etwas Unverständliches und setzt seinen Weg unbeirrt fort. Ich will mich auch nicht lange aufhalten und schaue, dass ich weiterkomme.

Wenig später stehe ich vor dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Die Menschen, die mich aufgezogen haben, immer noch Eltern zu nennen, fällt mir, nach dem, was ich inzwischen alles weiß, schwer. Nein, es ist unmöglich! Ich versuche zu überlegen, was ich sagen soll, und sammle mich einen Moment lang. Dann öffne ich die Tür und trete ein.

„Wer ist da?", krächzt meine Mutter. Sie ist in der Küche.

„Ich bin´s", antworte ich.

„Wer ich?"

In dem Moment kommt meine Mutter zur Küchentür heraus. Sie hält ein Tuch in Händen, mit dem sie ihre Hände abtrocknet. Zunächst schaut sie mich an, als sei ich ein Gespenst.

„Wo kommst du denn plötzlich her?"

„Von draußen", antworte ich.

„Sei nicht frech, wo bist du so lange gewesen? Du solltest doch nur schnell Holzholen gehen."

„Ich weiß, aber dabei haben mich Krieger aus einem fernen Land entführen wollen. Ich bin zwar entkommen, habe mich dabei aber verlaufen", versuche ich die Wahrheit so hinzubiegen, dass ich nicht alles verrate, aber nicht gleich alles gelogen ist.

„Ach was, dieses Märchen kannst du erzählen, wem du willst, mir allerdings nicht. Wo warst du?"

Ihr Ton ist schneidend und sie sieht mich dabei ausgesprochen verärgert an. Aus Gewohnheit mache ich einen Schritt zurück, um etwas mehr Abstand zwischen uns zu bringen. Der Drache in mir allerdings knurrt, weil er dies als Schwäche auslegt. Aber die Frau hat mich großgezogen. Ich will ihr nichts antun. Ich will mich eigentlich nur verabschieden.

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